Ich lebe allein – I can do whatever the fuck I want, wie zum Beispiel mich durch alle Rebsorten die hier so wachsen durchsaufen (gestern: Merlot, nichts für mich, morgen: Cabernet Sauvignon). Es ist aber auch lustig, jeder Supermarkt hier hat seine ungeheure Auswahl an mehr oder minder erlesenen Alkoholika direkt am Eingang platziert ;). Oder auch: heute zum Abendessen Hamburger im Kochtopf braten! Das lag jedoch eher daran, dass es mir an geeignetem Kochgeschirr mangelt als an ungebundener spontan-künstlerischer Eigenwilligkeit.
Man verzeihe mir den Kraftausdruck am Anfang, aber momentan macht sich ein ganz merkwürdiges, aber angenehmes Gefühl in mir breit: Ich stehe weitestgehend auf eigenen Füßen. Ich kann zwar „kein“ Argentinisch, merke aber tagtäglich Fortschritte und bin in der Lage, die Dinge, die ich sagen will zu kommunizieren. Dass es dabei durchaus an Eleganz mangelt – keine Frage, aber ich bin zumindest nicht auf fremde Hilfe angewiesen … solange man zu „fremde Hilfe“ keine anderen Fremdsprachen zählt 😀
Zu diesem Hochgefühl trägt sicher auch bei, dass ich heute zwei neue Einblicke in mein Leben erhalten habe.
Zum einen ist da so ein gewisses „Expedition ins Unbekannte“-Gefühl, welches recht schwer zu schildern ist. Ich bin heute ausgeschlafen, daher fühle ich mich ein wenig wie der Kapitän eines Expeditionsseglers, der nach einer Woche schweren Stürmen am ersten ruhigen Tag vorsichtig vor die Tür seiner Kabine tritt, bedächtig die frische Seeluft schnuppert (die hier tatsächlich frisch ist, es sei denn, einer der alten Stinker fährt an mir vorbei, aber das ist wieder eine andere Geschichte) und sich, dem schönen Wetter noch nicht vollends trauend und von der Sonne geblendet, die Sonnenbrille aufsetzt. Jetzt kann er klarer sehen und entdeckt am Horizont – klein, verschwindend klein, aber dennoch da – grüne Ufer. Er kann erkennen, dass hier ungezählte Möglichkeiten und ein neuer Anfang auf ihn und die Mannschaft warten. Der Kapitän weiß aber auch, dass aller Anfang schwer und wo Licht auch Schatten ist. Dennoch kann er sein Herz nicht daran hindern, einen Sprung zu tun. Meine Freunde, ruft der Kapitän, der Horizont ist unendlich weit entfernt, doch oh! voller Farben! Jegliche Schattierung ist vertreten – ich habe ihn gesehen.
Entschuldigung, ich werde mich in Zukunft mit ähnlich blumigen Äußerungen zurückhalten, aber ich fand die Metapher doch sehr gelungen, wenn ich mir mal selber auf die Schulter klopfen darf. Außerdem lese ich grade Isabel Allende (jaja, auf Deutsch), vielleicht hat es auch etwas damit zu tun 😛
Aber um im Bilde zu bleiben: Die Mannschaft wächst zusammen. Lotte erweist sich trotz ihres Hangs zur Nervosität (:)) beständig als wertvolle Wegbegleiterin, genauso wie Anja, die leider schon Mitte Oktober nach Deutschland zurückkehren wird. Und von Regi, die uns hier als Mentorin, Fremdenführer, Freund und Helfer in Personalunion unterstützt will ich gar nicht erst anfangen. Irgendwann muss ich David und Celeste, ihren Enkeln, erzählen was für eine coole Oma sie haben. Das restliche Kollegium lässt es sich natürlich nicht nehmen, ähnlich liebenswürdig zu wirken. Wenn auch die Schüler anfangs noch gewisse Berührungsängste hatten (und ich nehme mich da nicht ganz aus) sind sie doch in der Mehrzahl sehr angenehme und sympathische Zeitgenossen – vor allem meine Band. Regi hat mir heute leider eröffnet, dass es Schwierigkeiten mit meiner aktiven schlagzeugeritischen Teilnahme am Wettbewerb geben könnte, da ich weder Nicht-Muttersprachler noch Schüler bin. Dessen ungeachtet werde ich den Jungs und Mädels helfen, wo ich kann und am lautesten jubeln, wenn sie denn auch ohne mich auf der Bühne stehen.
Irgendwie verrückt. Ich schreibe „Wenn auch die Schüler anfangs noch gewisse Berührungsängste hatten…“ und stehe dabei eigentlich noch komplett am Anfang.
Morgen geht es für Anja, Lotte und mich via Bus nach El Bolsón, das im Ruf steht, ein absolutes Hippiedorf zu sein. Außerdem gibt es dort wohl einen großen Markt und wir hoffen, dort unseren Bedarf an Bombillas, Mate und ähnlichen Notwendigkeiten stillen zu können.
Sonntag werde ich mich weiter nach Wohnmöglichkeiten umtun – eine potentielle hab ich gestern im vorbeigehen im Maklerbüro aushängen sehen. Downtown Bariloche, muy luminoso, aufgrund der Lage mit sicherlich makellosem Blick auf den See und Umgebung, möbliert für zwei Personen für umgerechnet 213€ warm. Das Gebäude, in dem besagte Wohnung ist, sieht allerdings aus wie die schlimmste Sozialbausünde, was ja nicht weiter tragisch ist, sondern eher komischen Effekt hat, da es direkt neben Alm-Öhi-Hütten, Glas-und-Stahl-Palästen und bunt angemalten Reihenhäuschen steht. Die Architektur hier ist jeder Bachelor-, Master-, Diplom- und sonstigen Promotionsarbeiten würdig. Ein derart eklektisches Stadtbild hab ich bis dato nicht gesehen.
Montag ist frei und wir planen eine Bekannte von Regi auf ihrer estancia besuchen zu gehen und dort einen halbtägigen Ausritt zu unternehmen. Mal sehen, ob was draus wird. Da ich inzwischen wieder ins Schwafeln komm und sich das soeben getrunkene Quilmes Stout langsam bemerkbar macht – es gibt hier drei Bierflaschengrößen: winzig (0,2l), klein (0,3l) und zu groß (1,3-1,5l), dreimal dürft ihr raten, was es heute gab – werde ich für heute Abend Schicht machen und wünsche euch noch ein recht schönes WE.
Jaja Timon…du alter Säufer 😉
Nen schönen Blog-Artikel hast da verfasst…aber wo sind die Bilder denn geblieben??
Was macht eigentlich die Kälte bei dir? Inzwischen dran gewöhnt oder besser geworden? Hier ists nachts noch ziemlich kühl (so um die 10 Grad) aber tagsüber hat die Sonne schon eine gute Kraft und gibt einen kleinen Vorgeschmack auf die Hitze, die mir hier im argentinischen Sommer bevorsteht – ach ja, dir natürlich auch, denn der Trip nach Iguazú steht doch oder?? Hab echt Bock zusammen mit dir im coche cama von hier nach Bariloche zu fahren, zu erzählen ham wir wohl genug…und Bilder bin ich auch schon fleißig am machen…warte mal meinen nächsten Blogeintrag ab =) (hab nur jetzt grade keine Zeit dazu 😉
Also…machs gut, viel Spaß bei der Wohnungssuche!
Lg
Thomas