Zwanzigstes Türchen – und was machst du da?

„Sag mal, was genau machst du da?“

Eine sehr berechtigte Frage, die ich dir heute beantworten möchte. Denn selbst wenn es nicht so wirkt – bis jetzt wirkt es wahrscheinlich so, als ob ich nur essen und reisen würde, was ja auch wichtig ist – gehe ich einer Arbeit nach. Und das neben der Trung Vuong Mittelschule (nur zweimal pro Woche) hauptsächlich an der Viet Duc Oberschule. Mehr über genau diese Schule und vor allem meine Aufgaben erfährst du heute!

Allgemeines:

Jeden Morgen trete ich durch dieses Eingangstor und starte in den neuen Arbeitstag

So unbelebt ist der Pausenhof normal nie 😉

Die Viet Duc Oberschule hat einen sehr guten Ruf und gehört in Vietnam zu den 100 besten Schulen. Schülerinnen und Schüler, die diese Schule besuchen möchten, müssen ausgezeichnete Zeugnisse aus der Mittelschule mitbringen – oder die richtigen Connections haben. Insgesamt unterrichten aktuell ungefähr 120 Lehrer die 2.200 Schüler.
Die Schüler können hier die Klassen zehn bis zwölf besuchen und sind im Alter von 15 bis 18 Jahren.
Obwohl „Viet Duc“ so viel bedeutet wie „vietnamesisch deutsch“, kann man sich auch für eine andere Sprache entscheiden. Neben Deutsch stehen noch Japanisch und Koreanisch zur Auswahl. Wenn du dich jetzt fragst, was mit Englisch ist: keine Sorge, das ist die erste Fremdsprache, die die Schüler schon seit dem Beginn der Mittelschule lernen.

Der Unterricht:

Die Schüler gehen nicht wie in Deutschland nur von Montag bis Freitag in die Schule, sondern müssen auch am Samstag die Schulbank drücken. Ein Glück muss ich da nicht arbeiten!
Der Unterricht an jedem Tag besteht übrigens immer aus zwei Blöcken: Morgens geht er von 7:15 Uhr bis 10:55 Uhr, dann nachmittags nochmal von 13:55 Uhr bis 17:30 Uhr. Immer nach einer 45minütigen Einheit folgen zehn Minuten Pause, in denen die neuesten Nachrichten auf Facebook gecheckt, im Klassenzimmer getanzt und gesungen oder auf dem Schulhof Basketball oder Badminton gespielt wird. Ich sag’s dir, das ist vielleicht ein Treiben und Lärm.

Fleißig bei einer Gruppenarbeit.

Manchmal tanzen die Schüler vor Freude auch im Unterricht auf den Tischen. Oder schalten einfach den Beamer an, wie man’s sehen will,

 

 

 

Die Geschichte:

In der 47 Ly Thuong Kiet Straße (übrigens Carreau Straße während der französischen Belagerung Vietnams genannt) findet man die Viet Duc Oberschule, die ursprünglich nach dem Bischoff Puginier benannt worden war.
Nach der Befreiung Hanois am zehnten Oktober 1954 wurde die Puginier Schule zu einer allgemeinen Schule, sowohl Junior als auch Senior Secondary School. Im Jahr 1960 entwickelte sie sich dann zu einer Hochschule.
Zwischen 1970 und 1997 wurde die Schule in zwei Teile gespalten: Die Viet Duc Oberschule für Vormittagsunterricht und die Ly Thuong Kiet Hochschule für Nachmittagsunterricht. Im Juli 1997 wurde der Name Viet Duc Oberschule für die wiedervereinten Schulen vergeben.
Die Schule behauptet übrigens stolz von sich, große Persönlichkeiten hervorgebracht zu haben: Mitglieder der Nationalversammlung, Dichter, Komponisten und viele mehr.

Der Deutschunterricht:

Schulleitung und Elternschaft sind sehr engagiert und interessiert daran, den Deutschunterricht zu unterstützen. Da die Deutschklassen einen besonders guten Ruf genießen, ist der Ansturm auf diese Klassen besonders groß.
Pro Klasse können schon mal 45 Schüler zusammenkommen. Für den Deutschunterricht werden diese aber – zum Glück – aufgeteilt. Beim Kampf mit der Aussprache und vor allem der Grammatik ist so ein effektiverer Sprachunterricht möglich. Ziel der (meisten) Schüler ist es, mit den Abschlussprüfungen auch das DSD I zu bestehen und damit die Möglichkeit zu haben, an einem Studienkolleg in Deutschland zu studieren.

Der Fahnenappell:

Montagmorgens schlägt die Trommel um 7:05 Uhr. Zeit, die vietnamesische Flagge zu hissen! Zum Fahnenappell versammeln sich die Schüler und auch viele Lehrerinnen und Lehrer auf dem Pausenhof. Für alle gibt es dort kleine Höckerchen, auf denen sie Platz nehmen, Neuigkeiten, Verhaltensanweisungen sowie den Bekanntmachungen der Redner lauschen. Beim Singen der Nationalhymne wird jedoch aufgestanden und aus voller Brust mitgesungen, während die Hand am Herz liegt. Diese „Zeremonie“ findet immer am Wochenanfang vor dem richtigen Unterricht statt. Meist bin ich zu diesem Zeitpunkt aber noch in meinem Bett… 😉

Mit Blick auf diese Fahne wird die Nationalhymne gesungen. Hier aber gerade nicht. Jetzt ist erst mal Pause angesagt!

Die Schuluniform:

In Hanoi ist die Vorgabe für staatliche Oberschulen, dass die Schuluniform die Farben weiß und blau hat. Meiner Meinung nach eine sehr schöne Kombination. Der Dresscode gibt  jedem Schüler und jeder Schülerin ein weißes Hemd mit dem Schullogo auf dem Ärmel vor. Dazu soll eine dunkelblaue Stoffhose getragen werden. Wenn es kälter wird, sieht man die Schüler außerdem mit chicen Sportjacken in weiß und blau durch die Gegend laufen. Das besondere an den Jacken: sie sind beidseitig tragbar, wenn das nicht cool ist!
Für den Sportunterricht – der übrigens nur auf dem Pausenhof wegen fehlender Sporthalle stattfindet – wird das Outfit gewechselt: zu dunkelblauen Sporthosen mit nur zwei Streifen (kein Adidas-Sponsoring) wird ein Poloshirt getragen. Die Farben weiß (12. Klasse), gelb (11. Klasse) und rot (dementsprechend 10. Klasse) erleichtern es mir oft, zu erkennen, in welcher Jahrgangsstufe die Schüler sind.
Während ich als ehemalige Hanni&Nanni-Verehrerin immer von Schuluniformen geträumt habe, wünschen sich die meisten Schüler doch, in anderer Kleidung zum Unterricht kommen zu dürfen.

Meine Kollegen:

Insgesamt gibt es neun Deutschlehrer und -lehrerinnen an der Viet Duc Oberschule. Dazu zählen sieben vietnamesische Deutschlehrerinnen und zwei deutsche Lehrer. Ich genieße den Umgang mit meinen lieben Kollegen sehr: ein Gespräch über die Traditionen zu Weihnachten in Deutschland heute, das gemeinsame Mittagessen gegenüber der Schule, eine Unterhaltung über die Hochzeit in Vietnam und vieles, vieles mehr.
Ohne meine vietnamesischen Kolleginnen hätte ich lang nicht so viel über die vietnamesische Kultur erfahren dürfen wie ich es jetzt konnte. Darüber bin ich sehr froh.
Aber auch die deutschen Lehrer finde ich toll, weil man mit ihnen über Gott und die Welt sprechen kann, einen kleinen Witz machen kann und die Schüler ihn nicht verstehen und einfach nette Gespräche führen kann.

Meine Aufgaben:

Nun geht’s ums Eingemachte, wahrscheinlich wird dich das besonders interessieren!

Bei einem Schüleraustausch mit dem Barnimgymnasium Berlin war ich aktiv an der Planung und Durchführung beteiligt. So habe ich das Programmheft (ist meiner Meinung nach echt gut geworden) erstellt, die Schüler begleitet und sogar einen Tanz für die Abschiedsparty mit gutem Erfolg mit den Schülern einstudiert.
Außerdem war ich bei einer Klassenfahrt ins nördliche Sapa dabei. Zwar eher wie eine Schülerin, die mitfuhr, aber doch irgendwie als Aufgabe für mich. Das war ein wirklich toller Ausflug, bei dem ich richtig viel gelernt habe und noch mehr Kontakt mit den Schülern knüpfen konnte.
Meine Hauptaufgabe ist jedoch definitiv die Unterrichtsassistenz, egal ob ich bei den deutschen oder den vietnamesischen Lehrern bin. Natürlich unterscheiden sich die Tätigkeiten dann sehr: Während ich bei den vietnamesischen Lehrerinnen viel Phonetik mit den Schülern mache und bei grammatischen Unsicherheiten zu Rate gezogen werde, gilt es bei den deutschen Kollegen Gruppen bei Gruppenarbeiten zu betreuen und Dialoge zu üben.
Bei Einzelarbeiten darf ich bei allen Lehrern in den Reihen herumgehen und die Lösungen kontrollieren, bei Dialogen eingreifen und auch mal Fragen stellen und vor allem viel mit den Schülern sprechen.
Denn – das muss ich mir eingestehen – eine andere „besondere Fähigkeit“ als Deutsch als Muttersprache habe ich nicht vorzuweisen:
Bevor ich nämlich abgeflogen bin, hatte ich die Vorstellung, richtig aktiv Unterricht halten zu dürfen und nicht „nur“ zu assistieren und mit im Unterricht zu sitzen. Geworben wurde mit „Auf der anderen Seite des Klassenzimmers“ und doch fühle ich mich eher dazwischen. Irgendwo zwischen Lehrer und Schüler. Hängen geblieben zwischen der Lernenden und der Lehrenden. Oft sitze ich nämlich tatsächlich so im Unterricht, als ob ich in der nächsten Stunde den Test schreiben und richtig aufpassen müsste. Und in solchen Momenten frage ich mich wirklich, ob das einen Sinn hat.
Doch dann kommen wieder andere Aufgaben und tolle Begegnungen: Die Schülerin, die sich erfreut bedankt, dass ich ihr den Akusativ erklärt habe und nun eine gute Note im Test hat. Der Schüler, dem ich beim Test unauffällig die richtige Lösung zugeflüstert habe und der sich dann mit einem Kopfnicken und Lächeln bedankt. Die Klasse, mit der ich spontan tanzen durfte und aus der sich danach viele Schüler mit einem „Auf Wiedersehen“ und einem breiten Grinsen am Ende der Stunde verabschieden. Die jubelnden Schüler, wenn ich ins Klassenzimmer komme. Die Schüler auf dem Pausenhof, die mich anlächeln und „hallo Sophie“ sagen. Und über all diese Situationen freue ich mich so sehr, dass ich über meine teilweise doch recht langweilige Tätigkeit als Unterrichtsassistenz hinwegblicken kann und mich früh morgens, wenn ich mich aus dem Bett quäle, auf den Tag an der Viet Duc Schule freue.

Ich hoffe, das ganze hat dir einen guten Einblick in „meine“ Schule und meine Aufgaben dort gegeben!

Alles Liebe der Fan-der-Viet-Duc-Oberschule Sophie

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