Halbzeit?!

Die letzten Tage verbrachte ich in Dobków beziehungsweise Kulturvanien, so wie wir den kleinen Ort in der Nähe von Breslau getauft haben. Unser fünftägiges Zwischenseminar in der eigentlich viel zu luxuriösen Villa Greta mit Fanny, Kalle und 21 Freiwilligen aus Russland und Polen beginnt und endet mit Geburtstagspartys. Um ehrlich zu sein kannte ich über die Hälfte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer noch gar nicht, dafür war das Vorbereitungsseminar wohl doch zu groß. Jedoch herrschte von Anfang an so eine unbeschwerte Vertrautheit zwischen uns allen, als würden wir uns schon jahrelang kennen und ich habe mich immer sehr geborgen und gut aufgehoben gefühlt und war so glücklich wie schon lange nicht. Das Maskottchen Kulturvaniens ist ein Mutationsgesang aus Grapefruit und Katze. Es ist schön zu bemerken, dass wir trotz unserer verschiedensten Einsatzstellen und Orten und einzigartigen Erlebnissen, doch auch ähnliche Erfahrungen machen, die uns zusammenschließen und zeigen, dass wir nicht alleine sind. Es gab mal wieder so viel Input, dass ich, ähnlich wie schon nach dem Vorbereitungsseminar, mit einem vollen Kopf zum Nachdenken und Verarbeiten nach Hause fahre. Unterhaltsam, befreiend, aber auch hart waren die vielen Stunden des Austauschs, Philosophierens und Reflektierens.
Am Dienstag haben wir einen kleinen Ausflug nach Kreisau gemacht und ein wenig über die Geschichte von Helmut James von Moltke und dem Kreisauerkreis gehört, eine Art Widerstandsgruppe im zweiten Weltkrieg. Und dann hatten wir noch überraschenderweise eine Führung zur Vulkanaktivität rund um Dobków mit Erdbebensimulation. Eigentlich hatten wir nämlich erwartet, dass es einen Vortrag zur regionalen Versorgung im Dorf gibt, allerdings waren die Vulkane auch nicht schlecht.
Alles in allem fünf wunderschöne und fast zu kurze Tage, eingerahmt von jeweils einem Wochenende Breslau.
Breslau, Wroclaw, Kulturhauptstadt 2016, die Stadt der Zwerge und Brücken oder wie auch immer, auf jeden Fall eine beeindruckende und sehenswerte Stadt, mit vllt leider ein wenig zu vielen deutschen Touristen. Kleine Bronzezwerge findet man fast überall verteilt, angeblich gibt es über 500, aber genau weiß das keiner. Die zum Wahrzeichen der Stadt gewordenen Zwerge sind eigentlich ein Teil der Freiheitsbewegung gegen die kommunistische Zwangsherrschaft von der „orangenen Alternative“. In Breslau gibt es jedoch nicht nur Zwerge, sondern, zur Freude vieler Freiwilligen, auch einen Weihnachtsmarkt. Beim UNO spielen, fällt Simone auf, dass sie ja solche Kriegsspiele eigentlich gar nicht mag und wir schweifen ab in Diskussionen über eklige Adlige und Gossenstadtenten.
Vom Mathematikturm der Breslauer Uni, welche jedoch viel mehr an einen Palast erinnert, können wir die ganze Stadt überblicken und uns am schönen Wetter erfreuen. Dank mehr oder weniger gut durchgehaltenen Freewalkingtours erfahren wir etwas über die traurige Geschichte der Stadt und ihre Bewohner. Am letzten Tag waren wir noch in der Hala Stulecia, der Jahrhunderthalle, in der gerade eine Buch- und Künstlermesse stattfand. Die Halle gehört (angeblich zu den hässlichsten) UNESCO Weltkulturerben und ist ebenfalls ein Wahrzeichen der Stadt. Breslau ist ein Ort, welcher uns tagsüber und auch nachts verzaubert.
Das Zwischenseminar erinnert mich (leider) auch daran, dass tatsächlich schon die Hälfte meines FSJs vorbei ist und ich nur noch drei Monate hier habe. Das ist traurig und ich kann es selbst fast gar nicht fassen, andererseits freu ich mich natürlichen auch schon irgendwie auf das, was danach kommen wird.