Julia, Romeo und Warschau

Gleich das erste wirkliche Wochenende für mich in Lublin habe ich garnicht hier, sondern in der Hauptstadt verbracht. Ich wurde nämlich sehr kurzfristig zu einem Klassenausflug am Freitag nach Warschau eingeladen, um ‘Romeo und Julia‘ zu sehen. Das Musical war sehr interessant inszeniert und spielt in der Zukunft mit 3D Bühnenbild und „Wassereffekt“ (im Prinzip hat es einfach auf die Bühne geregnet). Dass die ersten Reihen mit Regencapes und 3D-Brillen im feinen Theater Buffo saßen, war dann doch sehr amüsant. Vor dem Theaterbesuch waren wir noch im riesigen „Park Lazienki“, was übersetzt so viel wie Badezimmer bedeutet und ich hatte einen mini Polnischkurs von sehr netten Schülern.
Während meine Klasse nach Hause gefahren ist, habe ich das Kulturweit Netzwerk genutzt um das restliche Wochenende in Warschau zu verbringen. Mit Laura (Kulturweitfreiwillige), einer Kulturweitalumna und noch ein paar anderen Studenten, haben wir dann den Freitagabend in verschiedenen Barkellern in der Nähe der Palme verbracht und dort typisches Bier mit Himbeersirup und Strohhalm getrunken, was sogar erstaunlich lecker war ;). Man läuft durch eine Häuserpassage und plötzlich findet man sich in einem unerwarteten Gedränge aus jungen Leuten wieder, wo sich Bars aneinander reihen und man sehen muss, dass man noch einen Platz bekommt.
Am Samstag bin ich ein wenig durch Warschau gelaufen, habe die Altstadt gesehen und war in einer der typischen Milchbars, welche sich vor allem zwischen den beiden Weltkriegen weit verbreitet haben und die Verpflegung der breiten Bevölkerungsschichten sicherten. In so einer bar mleczny herrscht Selbstbedienungsbetrieb und man kann sehr günstig traditionelles polnisches Essen genießen. Als Antwort auf seine Bestellung bekommt man hier einen „Summer“ in die Hand gedrückt. Sobald das kleine Plasteteil anfängt zu brummen und zu leuchten und den ganzen Tisch vibrieren lässt, kann man sich schnell sein Essen an der Küche abholen und es sich schmecken lassen. Des Weiteren waren wir auf dem Dach der Unibibliothek, welches als Grünanlage ausgebaut ist. Von dort oben hat man einen beeindruckenden Blick sowohl über Warschau, wie auch in den Lesesaal durch einige Glasdächer. Aufgrund der Glasdächer und dadurch, dass die Bibliothek recht überwuchert ist, wirkt sie ein wenig wie ein verwunschenes Gewächshaus aus einer anderen Welt. Das Gebäude ist ein sehr ungewöhnlicher Anblick in der Millionenstadt und verleitet einen zwangsläufig dazu in all dem Trubel innezuhalten und durchzuatmen.
Samstag und Sonntag verbrachte ich wunderschöne Zeit mit Simone und Anne (Kulturweitfreiwillige) und nach ein wenig Verwirrung finden wir uns auch schnell immer besser zurecht, entdecken versteckte Hinterhöfe mit Bars und Restaurants und laufen durch tolle Straßen mit kleinen netten Läden. Ich kann hier nur das Viertel rund um die ‚ul. Hoza‘ empfehlen. Allerdings sollte man nicht, wie wir am Sonntag dort hin gehen, da hier vor allem viele der kleineren Geschäfte geschlossen haben. Es ist aber natürlich trotzdem toll.
Allgemein ist Warschau eine sehr beeindruckende Stadt. Im zweiten Weltkrieg wurden hier leider etwa 90% zerstört und somit besteht Warschau abgesehen von dem bisschen Altstadt vor allem aus neuen Gebäuden. Hochhäuser grenzen an alte Kirchen und Blockbauten, der Anblick ist schon ein wenig ungewohnt. Es ist überwältigend was für riesige Häuser mit sehr hohen Akarden und breite Straßen es hier gibt. Relativ zentral findet sich inmitten von Hochhäusern der wuchtige Kulturpalast, ein sehr umstrittenes Gebäude. Als Geschenk Stalins ist er vor allem von der älteren Bevölkerung nicht gern gesehen, da er an die sowjetische Vorherrschaft erinnert. Auf der anderen Seite ist der Palast natürlich eine große Attraktion.
In zwei Wochen bin ich noch einmal in Warschau zu einer Fortbildung und hoffe in den paar Tagen einige Ecken noch ein bisschen besser ergründen zu können.