Archiv für den Monat: Dezember 2017

Sternschnuppe Fischschuppe

Gegen meine ursprüngliche Entscheidung und den Wunsch meiner Familie habe ich mich dazu entschieden über Weihnachten nicht nach Hause zu fahren. Und wenn ich das so sagen darf, es hat sich wirklich gelohnt, denn ich wurde von Dorota, der Lehrerin der Berufsschule, dazu eingeladen Heiligabend mit ihrer Familie zu verbringen. ab dem 25. war ich dann mal wieder in Warschau und hatte eine, wie jedes mal, einzigartige Zeit mit Simone. Ich bin sehr froh, dass ich die Möglichkeit habe wenigstens ein bisschen in die polnische Kultur einzutauchen und ein mehr oder weniger traditionelles polnisches Weihnachten kennenzulernen. Als ich bei Dorota ankam war das Fest schon in vollem Gange und es waren viel mehr Leute, als ich erwartet hatte, ihre ganze Familie halt. Die Lesung aus dem Evangelium und die Tradition mit dem Oblatenteilen, welche wir in unserer Klasse hatten, gab es hier allerdings nicht, zwar standen die Oblaten auf dem Tisch, jedoch eher als Beilage zum üppigen Essen. Das traditionelle fleischlose Weihnachtsessen, bestehend aus 12 Speisen, beginnt mit diesmal selbstgemachtem Barszcz und einer Art Pieroggi, gefüllt mit Kraut und Pilzen. Danach folgt eine Menge Hering in verschiedensten Soßen: herzhaft sauer mit Zwiebeln, Pilzen, Gemüse, pikant oder auch süß mit Rosinen, Gemüsesalate, Brot, Sauerkraut mit Pilzen und ich glaube noch sehr viel mehr. Als Hauptgang gab es dann gebratenen Karpfen und selbstgemachte Pieroggi Ruski, ich glaube so gute habe ich noch nie gegessen. Das ganze Essen über gab es ein spezielles Weihnachts-Verdauungs-Kompott, eine Art Saft aus geräucherten Früchten. Dadurch bekommt das Getränk einen ganz besonderen und eigenen Geschmack nach rauch. Dann gab es noch viel Kuchen, Tee und Kaffee und einen ukrainischen Nachtisch: Getreide mit Mohn und Rosinen. Mit dem ganzen außergewöhnlich guten Essen war ich um ehrlich zu sein ziemlich überfordert, das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum viele tagsüber fasten und erst essen, wenn der erste stern am Himmel erscheint. Noch am Tisch sitzend wurden plötzlich polnische Weihnachtslieder gesungen, ganz frei und unbeschwert und es war so unglaublich schön. Irgendwann nachts sind wir dann nach Hause gefahren und von Dorotas Mutter wurde ich auch gleich für nächstes Jahr wieder eingeladen. Viele polnische Familien, gehen noch um Mitternacht zur Messe, das haben wir allerdings nicht gemacht. Ein süßer Brauch ist noch, dass alle eine Schuppe des Karpfens bekommen, die man in sein Portemonaie legen sollte um im nächsten Jahr mehr Geld zu bekommen.

In Warschau stand dann ein wenig Kultur an. Wir waren im Polin Museum, welches neben dem Denkmal der Helden des Warschauer Ghettos und dem Willy Brandt Denkmal im ehemaligen jüdischen Viertel steht. Es zeigt mit viel Aufwand die Geschichte der polnischen Juden vom Mittelalter bis heute und lohnt sich auf jeden Fall. Wahrscheinlich müsste man eigentlich noch viel mehr Zeit dort verbringen als wir.

Jetzt geht es weiter nach Krakau, wo wir mit wunderbaren kulturweit Menschen aus Ungarn, Tschechien, Russland und Polen Silvester feiern wollen. In dem Sinne wesołych świąt i szczęśliwego Nowego Roku.

Ein bisschen Weihnachtsstimmung

Heute ist der letzte Schultag und wir hatten eine kleine Klassenweihnachtsfeier sowie ein Krippenspiel für die ganze Schule. Bei der Klassenfeier wurde versucht ein wenig den traditionellen polnischen Weihnachtsabend nachzuempfinden. Am Anfang standen alle um den voll gedeckten Tisch und es wurde aus dem Evangelium vorgelesen. Dann hat jeder ein Stück der gesegneten Oblate bekommen. Damit sind wir nun durch die ganze Klasse gelaufen und haben jedem etwas gutes gewünscht und ein Stück unseres Oblatenstücks abbrechen lassen. Geküsst wurde sich heute allerdings nicht, wegen ein paar Grippevieren im Umlauf. Danach gab es für alle die wollten Tütensuppen Barszcz (rote Beete Suppe), eins der 12 Weihnachtsgerichte, und dazu selbst gebackene Hefeteilchen gefüllt mit Sauerkraut und Pilzen. Nebenbei liefen ‘in der Weihnachtsbäckerei‘ und andere Lieder. Die Atmosphäre der Bibel zwischen Colaflaschen war schon ein wenig seltsam, doch als meine Schülerinnen und Schüler fröhlich Weihnachtslieder singen war es verdammt Herz erwärmend und mir wurde mal wieder schmerzlich bewusst, dass ich gar nicht mehr viel Zeit mit ihnen verbringen werde. Das Krippenspiel in der Turnhalle erfüllt mich mit ähnlichen Gefühlen. Hier werden wunderschöne polnische Lieder gesungen und was ich verstehen kann ist immerhin: kleiner Jesus, Maria und Josef.
Die Altstadt Lublins ist mit schönen Sternlampions geschmückt und jetzt in den letzten Tagen gibt es hier so eine Art kleinen Weihnachtsmarkt: ein paar Stände mit regionalem Räucherkäse, Brot und Kuchen und Pelzmänteln.
Neulich waren wir bei Annes Ansprechpartnerin zum Keksebacken eingeladen. Das ganze entpuppte sich als sehr belebter Kaffeeklatsch und zwischen Tee, Lebkuchen und Rommé haben wir auch ein polnisches Rezept gelernt, ‘die Kekse von Frau …‘ (den Namen habe ich leider vergessen, aber sie war die Frau eines berühmten polnischen Dirigenten). Bei den ‘Keksen‘ handelt es sich jedoch weniger um Kekse, sondern eher um mini Apfelstrudel, welche besonders lecker noch heiß mit Vanilleeis schmecken.

Und nocheinmal ein wenig Breslau

Halbzeit?!

Die letzten Tage verbrachte ich in Dobków beziehungsweise Kulturvanien, so wie wir den kleinen Ort in der Nähe von Breslau getauft haben. Unser fünftägiges Zwischenseminar in der eigentlich viel zu luxuriösen Villa Greta mit Fanny, Kalle und 21 Freiwilligen aus Russland und Polen beginnt und endet mit Geburtstagspartys. Um ehrlich zu sein kannte ich über die Hälfte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer noch gar nicht, dafür war das Vorbereitungsseminar wohl doch zu groß. Jedoch herrschte von Anfang an so eine unbeschwerte Vertrautheit zwischen uns allen, als würden wir uns schon jahrelang kennen und ich habe mich immer sehr geborgen und gut aufgehoben gefühlt und war so glücklich wie schon lange nicht. Das Maskottchen Kulturvaniens ist ein Mutationsgesang aus Grapefruit und Katze. Es ist schön zu bemerken, dass wir trotz unserer verschiedensten Einsatzstellen und Orten und einzigartigen Erlebnissen, doch auch ähnliche Erfahrungen machen, die uns zusammenschließen und zeigen, dass wir nicht alleine sind. Es gab mal wieder so viel Input, dass ich, ähnlich wie schon nach dem Vorbereitungsseminar, mit einem vollen Kopf zum Nachdenken und Verarbeiten nach Hause fahre. Unterhaltsam, befreiend, aber auch hart waren die vielen Stunden des Austauschs, Philosophierens und Reflektierens.
Am Dienstag haben wir einen kleinen Ausflug nach Kreisau gemacht und ein wenig über die Geschichte von Helmut James von Moltke und dem Kreisauerkreis gehört, eine Art Widerstandsgruppe im zweiten Weltkrieg. Und dann hatten wir noch überraschenderweise eine Führung zur Vulkanaktivität rund um Dobków mit Erdbebensimulation. Eigentlich hatten wir nämlich erwartet, dass es einen Vortrag zur regionalen Versorgung im Dorf gibt, allerdings waren die Vulkane auch nicht schlecht.
Alles in allem fünf wunderschöne und fast zu kurze Tage, eingerahmt von jeweils einem Wochenende Breslau.
Breslau, Wroclaw, Kulturhauptstadt 2016, die Stadt der Zwerge und Brücken oder wie auch immer, auf jeden Fall eine beeindruckende und sehenswerte Stadt, mit vllt leider ein wenig zu vielen deutschen Touristen. Kleine Bronzezwerge findet man fast überall verteilt, angeblich gibt es über 500, aber genau weiß das keiner. Die zum Wahrzeichen der Stadt gewordenen Zwerge sind eigentlich ein Teil der Freiheitsbewegung gegen die kommunistische Zwangsherrschaft von der „orangenen Alternative“. In Breslau gibt es jedoch nicht nur Zwerge, sondern, zur Freude vieler Freiwilligen, auch einen Weihnachtsmarkt. Beim UNO spielen, fällt Simone auf, dass sie ja solche Kriegsspiele eigentlich gar nicht mag und wir schweifen ab in Diskussionen über eklige Adlige und Gossenstadtenten.
Vom Mathematikturm der Breslauer Uni, welche jedoch viel mehr an einen Palast erinnert, können wir die ganze Stadt überblicken und uns am schönen Wetter erfreuen. Dank mehr oder weniger gut durchgehaltenen Freewalkingtours erfahren wir etwas über die traurige Geschichte der Stadt und ihre Bewohner. Am letzten Tag waren wir noch in der Hala Stulecia, der Jahrhunderthalle, in der gerade eine Buch- und Künstlermesse stattfand. Die Halle gehört (angeblich zu den hässlichsten) UNESCO Weltkulturerben und ist ebenfalls ein Wahrzeichen der Stadt. Breslau ist ein Ort, welcher uns tagsüber und auch nachts verzaubert.
Das Zwischenseminar erinnert mich (leider) auch daran, dass tatsächlich schon die Hälfte meines FSJs vorbei ist und ich nur noch drei Monate hier habe. Das ist traurig und ich kann es selbst fast gar nicht fassen, andererseits freu ich mich natürlichen auch schon irgendwie auf das, was danach kommen wird.