Wonach entscheidet sich, wann man sich in eine Stadt verliebt? Die Hauptstadt Griechenlands ist eine Großstadt wie viele andere auch. Viel Verkehr, Geschäfte, Menschen – und doch ist sie anders. Erst seit kurzer Zeit bin ich hier, und habe doch schon in meiner ersten Woche beschlossen, dass ich nach den sechs Monaten wiederkommen werde.
Vorneweg muss man sagen, dass Athen keine schöne Stadt im klassischen Sinn ist. Die allermeisten Häuser sehen so aus, als würden sie aus der zweiten Hälfte des 20. Jh. stammen, viele von den älteren Häusern sind heruntergekommen und einige gar nicht einmal mehr bewohnt. Die allermeisten Wände sind von oben bis unten mit Grafitti besprüht, immer wieder kommt man an verrammelten Türen vorbei.
Aber Athen ist auch abwechslungsreich und hat, wenn man danach Ausschau hält, viele sehr schöne Seiten. Wenn man in einer Straße steht, sieht man meistens innerhalb einer Drehung des Kopfes sowohl eine schöne, als auch eine hässliche Ecke. Kein Viertel, was ich bisher gesehen habe, ist ausschließlich das eine oder das andere.
Immer wieder stolpert man über die antiken Grundsteine der Stadt – so läuft man häufig eine Straße entlang und kommt an den Fundamenten der Stadtmauer oder den Überresten eines Tempels aus antiker Zeit vorbei, ohne dass davon ein großes Aufheben gemacht wird. Und dann erinnert man sich wieder, dass diese Stadt zu den ältesten Europas gehört. Älter noch als Rom und Berlin zusammen.
Die Gehwege sind meistens mit fließenähnlichen Platten belegt, die so glatt sind, dass man ohne Profil an den Schuhen regelmäßig ausrutscht. Auch wenn es wochenlang nicht geregnet hat, sieht man an den Straßen immer Wasserrinnsale, die häufig von Anwohnern stammen, die die Gehsteige vor der Türe putzen oder ihren Balkon gießen. Und steil sind die Straßen! Ich hätte nicht gedacht, dass Athen so hügelig ist, aber es gibt häufig genug statt Gehwegen lange Treppen, um die unterschiedlichen Höhenniveaus miteinander zu verbinden.
Zudem ist es eine ziemlich grüne Stadt. Viele der Straßen sind mit Bäumen gesäumt, die ich zum Großteil noch nicht einmal kenne – nur die Olivenbäume, die außerdem gerade Früchte tragen, lassen sich leicht identifizieren. Mir ist es jetzt schon einige Male passiert, dass ich durch Zufall einen kleinen Park oder eine Grünfläche entdeckt habe. An vielen Ecken stehen, von dichten Bäumen umgeben, kleine Kirchen.
Außerdem ist Athen eine Stadt, die man buchstäblich mit allen Sinnen erlebt. Man hört ständig irgendwelche Sirenen, von Polizei, Krankenwagen oder auch nur von einem Auto, welches gerade das Gefühl hat, gestohlen zu werden. Musik, laute Unterhaltungen, auf dem Markt die Rufe der Verkäufer, im Bus das Telefonat des Busfahrers – und in ruhigeren Ecken das Zwitschern der Vögel. Der Geruch nach Kraftstoff liegt an den großen Straßen manchmal so stark in der Luft, das man fast Kopfschmerzen bekommt. Dann gibt es aber auch den Duft der Bäckereien, die morgens ihr Brot backen, den Geruch der Restaurants und Tavernen und allzuoft auch den von Katzenurin.
Überhaupt, die Katzen… Sie findet man hier überall, meistens liegen mehrere in einer ruhigen Ecke nebeneinander. Mal liegen sie auf Autodächern, mal unter dem Blumenkasten in einer Fußgängerzone und manchmal posieren sie vor dem Parthenon auf der Akropolis. Regelmäßig sieht man Wasserschälchen und Schlafboxen, die für sie aufgestellt werden, manchmal aber auch nur Pappe, auf der sich die Katzen zusammenrollen können. Und es gibt viele Athener, die ihnen Trockenfutter oder anderes Futter auf die Straße legen. Die meisten Katzen sind recht scheu, aber hin und wieder findet sich eine, die sich einmal so richtig durchkraulen lässt.
Sie sind sehr verschieden, die Athener Katzen. Einigen sieht man am staubigen Fell das Dasein als Straßenkatze an, anderen hingegen am dicken Bäuchlein das Luxusleben einer Hauskatze. Ich habe sie alle gern.
Liebe Lilli, deine Fotos, Texte und Beobachtungen sind wunderbar. Ich wünsche dir weiterhin eine schöne Spurensuche… BA