Moving Mountains

28 09 2009
Ratlos vorm Märchenwald

Ratlos vorm Märchenwald

Manchmal frag ich mich ja schon ob ich noch ganz bei Trost bin. Das hört sich jetzt aus der Ferne gelesen vermutlich dem Suizid näher an, als es gemeint ist – ich wollte lediglich den ganz alltäglichen Wahnsinn, der mich die letzten zwei Wochen begleitet, einmal pointiert formulieren. Ich bin ja schon davon überzeugt, dies halbwegs gekonnt vollbracht zu haben 😀

Nur Fl(a)usen aufm Kopf

Aber genug von meinem Gesülze, her mit der dazugehörigen Erklärung. Seit Sonntag (also bei mir noch gestern, Tag der Bundestagswahl) bin ich nun also bereits zwei Wochen hier. Oder da, je nach Perspektive.

Jedenfalls befinde ich mich auf einem Kontinent, den ich vorher noch nie unter den Füßen hatte (es sei denn, man zählt seinen entfernten Bruder, den Norden), spreche die Landessprache nur bruchstückhaft und verstehe Sitten und kulturelle Hintergründe der Menschen hier nur im kleinsten Ansatz. Ich wohne in einer kleinen Stadt (etwa 120.000 Einwohner), die inmitten eines Nationalparks liegt. Das sich dort automatisch ein Interessenkonflikt ergibt, brauche ich ja wohl nicht weiter auszuführen. Mein gesamtes Hab und Gut besteht aus den Sachen, die ich von zu Hause mitgebracht habe und ist im Moment in einer kleinen Alpenhütte untergebracht, die Teil einer Hotelanlage ist. Ich versuche nicht darüber nachzudenken, dass meine Güter (so wenig es auch sein mögen) mich hier zur Oberschicht machen (in einem Ort, der vom Tourismus lebt!) und lenke mich davon ab, indem ich Wohnungen besichtige. Ich mein: Hallo? Ich bin grade von zu Hause ausgezogen und kopfüber in ein in höchstem Maße interessantes und spannendes, aber auch verwirrendes Leben hineingestürzt. Das ist per se gar nicht so falsch, wie es sich jetzt vielleicht lesen wird, aber manchmal denke ich schon: „Okay, wenn du jetzt weiter darüber nachdenkst, wo du bist, wirst du bekloppt.“ 😉

Dazu kommt natürlich auch, dass ich arbeite und somit meine Freizeit dafür herhalten muss, all die Dinge zu erledigen, die auf meiner mentalen To-Do-Liste stehen.

Ein Stück geile Natur gefällig?

Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich bin gerne hier. Sehr sogar. Alles ist aufregend, alles will ausprobiert, bestaunt, gekostet werden, am Besten alles auf einmal! Ich denk ja schon jedes Mal, wenn ich vor die Tür trete an einem dieser klaren, eiskalten Wintertage und mir die Landschaft um mich herum angucke (habe ich schon erwähnt, dass wir uns in einem Nationalpark befinden? Das kommt nicht ganz von ungefähr…): „Jetzt passiert es gleich. Du wirst verrückt. Wie geil hier alles aussieht – und du bist ein ganzes Jahr hier – das sind noch 11 Monate… aaargh!“

Und dann ist es um mich passiert. Ich fang an zu sabbern. Alles passiert so schnell, so vieles geschieht fast gleichzeitig und ich bin immer wieder überwältigt von meiner Umgebung – sei es die Natur, seien es die Freunde und Kollegen hier, die alle äußerst angenehme Zeitgenossen sind oder einfach die Tatsache, dass ich vor zwei Wochen von zu Hause ausgezogen bin in ein Land dessen Sprache ich kaum beherrsche und mal eben so mir nichts, dir nichts eine Wohnung besichtigen geh.

... etwa tausend dieser Bilder

Stellvertretend für die ...

Stellvertretend für die ...

Um kulturweit-Kollegen Linus zu zitieren: „Mir kommt es so vor, als müsste ich einfach mal einen Tag im Bett bleiben, um die ganzen Eindrücke zu verarbeiten.“

Und das, meine Damen und Herren, um jetzt ganz deutlich zu werden, ist nichts Negatives; im Gegenteil, es ist nur einfach notwendig: Sachen erleben, auspowern, schlafen, die verbrauchte Energie wieder aufladen und die Erlebnisse verarbeiten, aufstehen und die Lust daran, neue Welten zu entdecken, wieder unter der Bettdecke hervorholen. Darum geht es hier.

Der Rekordversuch muss als gescheitert angesehen werden

Dann besser grenzdebil.

Man muss allerdings dazu sagen (und hier kommen wir zur wörtlichen Bedeutung des Eintragstitels), dass ich es mir auch selber nicht ganz einfach mache: Die Zeiten, in denen ich zur Ruhe komme, nutze ich lieber dazu, meinem Entdeckerdrang nachzugeben. Dieses Wochenende beispielsweise war wieder vollgestopft bis Oberkante Unterlippe. Und daran war ich größtenteils selber Schuld; klar, es macht mir ja auch irgendwo Spaß 😉 Ich WILL sehen, ich WILL erleben!

Kurze Rekapitulation: Freitag nach der Schule ging ich erst nach Haus, um meinen Laptop in die Hotellobby zu entführen, wo während meiner Arbeit für die Schule unter anderem auch das Blog ein bisschen wuchs. Danach ging es schnurstracks nach Hause wo ein leckeres Abendessen entstand (zu einem sehr unargentinischen Zeitpunkt übrigens; es war noch nicht ganz 8 Uhr abends). Danach gingen wir in kleiner Runde noch ein wenig bechern. Ich will ja auch wissen, was man hier so trinken kann 😉

Wo sind die Düsen um der Erdanziehung zu entkommen?

Waldspaziergang auf Isla Victoria

Frühmorgens am nächsten Tag ging es mit Lotte und Anja auf in die Stadt, den heutigen Ausflug organisieren. Der führte uns nach Puerto Pañuelo direkt gegenüber vom Hotel Llao Llao. Dort enterten wir eine Fähre, die mich merkwürdigerweise sehr direkt an diverse Studien zur Zukunft der Raumfahrt erinnerte. Diese Fähre also fuhr mit uns an Bord über dieses Meer von einem See, an dem Bariloche liegt. Das Panorama ist unbeschreiblich; jedenfalls für einen Amateurpoeten wie mich, deshalb gibt es dazu Fotos. Aber die Berge, aaaaah, diese BERGE und dann dazu dieser See, in den ich mich am liebsten reinstürzen würde … wahnsinn! Dass ich mich dann doch noch dazu  bringen konnte, nicht schwimmen zu gehen, hatte auch mit den Schneeflocken zu tun, die just in jenem Moment auf der Wasseroberfläche landeten …

Erste Station war eigentlich der See, auf dem wir zunächst knapp über eine Stunde verbrachten. Die dazugehörige Tierfütterung durfte natürlich auch nicht fehlen. Weiter ging es zum „Bosque de Arrayanes“, einer kleinen Halb-Insel mit ganz merkwürdigen und sonst nirgendwo auf der Welt beheimateten Bäumen (wenn ich den Tourguide richtig verstanden habe). In diesem Wald wurde übrigens Bambi geboren. Hab ich mir sagen lassen. Die Information stammt aus glaubwürdiger Quelle.

Nach einer Dreiviertelstunde ging es auf zur Isla Victoria, wo wir einen unglaublichen Waldspaziergang unternahmen. Wahnsinn, wie eindrücklich und schön diese Welt sein kann. Mehr dazu im nächsten Post.

Blick von Isla Victoria aus

Blick von Isla Victoria aus

Ein intimer Blick in Bambis Kinderzimmer

Wieder im Hafen angekommen, machte sich bei uns langsam eine gewisse Geschafftheit bemerkbar, die sich durch die anschließende etwa 45-minütige Busfahrt noch verstärkte. Nach einem langen Tag an der frischen Luft und vielen neuen Eindrücken auch durchaus nachvollziehbar. Der Tag fand seinen Abschluss bei Lotte mit einem dem Anlass angemessenen Festessen (Lotte hatte Geburtstag) bestehend aus Reis und einem Gläschen Wein. Für uns alle drei ging es danach früh ins Bett, für Lotte und mich deswegen, weil wir am nächsten Tag (richtig, Sonntag, gestern) noch eine weitere Expedition ins Gaucholand vor uns hatten. Es sollte noch einmal zu den Pferden gehen. Doch davon mehr beim nächsten Mal. Jetzt muss ich erstmal diesen Eintrag bebildern und dann dringend etwas zu essen machen. Meine Güte, ich bin so deutsch… ein Abendessen vor 22 Uhr ist für die

Argentinier unvorstellbar 🙂 Selbst am Freitagabend, als wir Bier trinkend spätabends im Restaurant saßen, aßen die Leute am Nachbartisch ihre grade bestellten Hauptgerichte. Es wird wohl so gegen elf gewesen sein; genau dafür bürgen möchte ich allerdings nicht, da ich zu diesem Zeitpunkt bereits in zuviele Gläser geschaut hatte.

Wir halten fest: Timon isst früher als die Argentinier. Außerdem möchte ich gerne eine neue Zutat ausprobieren, die ich heute im Supermarkt erstanden habe: „humo liquido“, flüssiger Rauch bestehend aus Wasser, „aro“ (keine Ahnung, wirklich nicht) und Rauch. Riecht auch schon wie ich nach zehn Nächten Lagerfeuer 🙂

In diesem Sinne wünsche ich euch noch buenas noches und macht euch keine Sorgen um mich; mir geht es gut, denn um erneut Linus zu zitieren: „Neben mir liegt hier eine Liste, die die Überschrift “Blog” trägt und darunter stehen lauter Dinge, von denen ich dachte, dass ich sie hier verarbeiten sollte.“ 😀

Stairway to Heaven

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3 Antworten

30 09 2009
Timon Traub

Ihr beiden schon wieder 😀

@Miri: Glaub mal, so kommts mir auch vor. Hier kommt keine Langeweile auf. So schnell nicht.
@Thomas: Höhö, das scheint bei ganz vielen der Fall zu sein. Ich jedenfalls hab tausendmal nach diesem mysteriösen Widget „besucherzähler“ gesucht, das der Philipp angeblich installiert haben wollte, aber im Endeffekt musste er höchstselbst diesen Besucherzähler auf meine Sidebar ziehen. Unter „Widgets“ seh ich ihn übrigens noch immer nicht :-/

29 09 2009
Thomas L

Hey Timon,

wo hast du denn „Graf Zahl“ her?? Ich will seit Ewigkeiten auch endlich nen Besucherzähler, finde aber keinen…auch bei den Widgets ist bei mir nix dabei…leider…Hast du nen Tipp?

29 09 2009
Miri

Aaaah was??? 2 Wochen bist du erst weg? Ich dachte es wären schon mindestens 2 Monate rum! So kommt es mir jedenfalls vor. Aber ich mein, mit dem Programm, das du bisher hattest, hätte man ja auch gut 2 Monate füllen können, ohne dass Langeweile aufkommt 😛




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