Was macht Svenja eigentlich den ganzen Tag?

Heute schreibe ich einfach mal so ins Blaue hinein, denn es gab viele Ereignisse in letzter Zeit und ich habe gerade etwas Zeit und möchte mich vor meinen Mongolisch-Hausaufgaben drücken 😉

Zu erst einmal ein wenig zu meiner Arbeit an der Schule: Fast zwei Monate bin ich nun schon an der Alexander von Humboldt Schule, von Routine jedoch keine Spur. Jeden Tag erwartet mich eine neue Überraschung, sei es ein Theaterstück, was ich mal eben in einer Woche einüben soll, oder die Vorbereitung auf die Sprachdiplom-Prüfungen.

Sankt Martin und seine tapferen Kameraden

Bisher gab es an der Schule einen deutschen Lehrer, der über seine vielen Dienstjahre hinweg wohl immer alle wichtigen Aufgaben übernommen hat. Da der nun aber weg ist, denken wohl einige Lehrer, ich könne das jetzt machen, womit sie aber gründlich daneben liegen. Denn weder kulturweit sieht es so vor, noch bin ich dazu ausgebildet in der 11. Klasse zu unterrichten, sodass die Schüler ihre Prüfungen auch bestehen.

Leider muss man aber sagen, dass die mongolischen Lehrerinnen zwar ganz gut deutsch sprechen, jedoch auch nur eine 3monatige Lehrerausbildung hatten – und dementsprechend läuft der Unterricht auch ab. Schüler werden angeschrien, nur weil sie etwas langsamer sind. Andere wiederum werden gar nicht gefordert und können nach 10 Jahren Deutschunterricht nicht einmal die einfachsten Fragen beantworten.

Und in diesem ganzen Chaos versuche ich meinen Platz zu finden. Den gibt es auch, immerhin habe ich mein eigenes Büro, nur leider bin ich dort die meiste Zeit alleine. Die anderen Lehrerinnen sitzen im Lehrerzimmer und nicht allzu häufig erreichen mich dann Informationen über das Geschehen an der Schule. Wenn man nachfragt erhält man so viele unterschiedliche Informationen, wie es Lehrerinnen gibt, nämlich sechs.

Schüler haben mir die traditionelle Kleidung an die Tafel gemalt

Ein kleines Projekt habe ich jedoch von meinem Vorgänger weitergeführt, ein regelmäßiges Treffen mit den Deutschlandrückkehrern, also Schülern die fast muttersprachlich Deutsch sprechen und dies auch nicht verlernen sollen. Die jüngere Gruppe besteht aus ca. 5 Schülern, zum Beispiel Dulguun, die in München geboren wurde und in jeder Stunde irgendein Spiel oder ein Bastelbuch dabei hat, was sie mir mit dem Satz „Das machen wir heute!“ unter die Nase hält. Eigentlich könnte sie den Unterricht auch alleine schmeißen 😉 Dann gibt es noch Zolbo und Od-Erdem, die wirklich zu viel Energie für einen Menschen in sich tragen und am liebsten die ganze Zeit rennen, lachen und rumalbern.

Doch auch wenn sie einem den letzten Nerv rauben können, weil man sie einfach niemals ruhig kriegt, so habe ich immer mit ein breites Grinsen auf dem Gesicht, wenn ich an ihren Eifer und ihre Begeisterung für meine Stunden denke.

Die ältere Gruppe besteht auch aus ca. 5 Schülern, zum Beispiel Ari, die 9 Jahre in Stuttgart gewohnt hat und erst seit ein paar Monaten wieder in der Mongolei ist. Sie findet viele Sachen an der Mongolei und der Schule doof, aber sie denkt auch viel darüber nach, wie man etwas ändern könnte. Dschinghis hingegen sieht viele Dinge zwar auch negativ, aber resigniert oft und sieht seine Zukunft darin, einfach nach Deutschland zu gehen und die Mongolei ihrem Schicksal zu überlassen. Aber die Mischung machts und allmählich entwickeln wir alle zusammen Ideen und Projekte. Heute haben wir beschlossen, einen Filmnachmittag für die Oberstufe zu veranstalten, und zwar mit dem Film „Christiane F.- Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“. Dazu soll es Aufklärungsstunden im Unterricht und ein Improtheater direkt nach dem Film geben.

Od-Erdem (links) und Zolbo

Manchmal unterrichte ich jedoch auch alleine, dann machen singen wir ein deutsches Lied oder üben Grammatik. Natürlich mache ich das gerne und für die Schüler ist es sicherlich eine nette Abwechslung, jedoch habe ich immer die Befürchtung, dass sie ihre Prüfungen nicht schaffen werden, wenn sie weiterhin so unterrichtet werden. Denn es scheint keinerlei Planung des Unterrichts bei den mongolischen Lehrern zu geben. Das ist wahrscheinlich auch der Grund warum mir niemand sagen kann, was ich den Schülern im Unterricht beibringen soll.

Naja, aber es geht immer mal bergauf und bergab, und darin, dass dieses Jahr eine Abhärtung für den Rest meines Lebens ist, besteht kein Zweifel.

Am Freitag haben wir vier Freiwilligen aber erstmal für 2 Wochen Pause von allem hier, denn es geht auf nach Russland zu unserem Zwischenseminar! Wir freuen uns alle riesig, schon allein die Anreise mit der Transsibirischen Eisenbahn wird ein echtes Abenteuer und für die 14 Tage haben wir ebenfalls ein straffes Programm 🙂

 

 

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Arbeit mit Kindern, Bildungsarbeit, Freiwilligenarbeit, Menschen abgelegt und mit , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten zu Was macht Svenja eigentlich den ganzen Tag?

  1. Hallo Svenja,

    ich finde es total mutig und stark von dir, dass du das alles so mitmachst und trotzdem versuchst etwas Positives in deinem Vorhaben zu sehen und nicht aufgibst, auch wenns irgendwie frustrierend klingt, wenn Kinder angeschrien werden und jegliches pädagogisches Geschick fehlt. Aber ich denke, dass man trotzdem aus so einem Freiwilligenprojekt etwas Sinnvolles und Gutes mitnehmen wird am Ende, auch wenn es in manchen Situationen nicht so erscheint-man tut doch das Richtige und setzt sich für die gute Sache ein 🙂

    • Svenja Huck sagt:

      Ich muss ganz ehrlich sagen, so viel „für die gute Sache“ kann man hier direkt einfach nicht tun, wenn einem immer und überall Steine in den Weg gelegt werden. Es sind die indirekten Sachen, die mich überzeugen, hier zu bleiben. Ich weiß zum Beispiel, dass die Kinder sich einfach freuen über mich, und egal, ob sie wirklich was lernen oder nicht, sie waren in dem Moment glücklich. Die Älteren versuche ich immer wieder zu kritischem Denken anzustoßen.
      Und letztendlich bin ich auch einen Schritt weiter und kann die Probleme der Welt, um es mal mit so großen Worten zu sagen, anders angehen als jemand, der nie über den Tellerrand hinaus gesehen hat.

Kommentare sind geschlossen.