Mit dem iPad in die Jurte – Gangnam Style!

Da Lenas Klasse, also die 8. Klasse der Schule 18, einen Ausflug aufs Land plante, ließen auch Nico und ich uns nicht die Chance entgehen, aus dem Smog der Stadt heraus zu kommen.
Nachdem wir also mal wieder Visumskram erledigen mussten, fuhren wir mit dem Bus erst zu Lena nach Hause, eine Wohnung in einem Neubaugebiet. Dort wurden noch die letzten Sachen gepackt und Wegzehrung eingekauft.
Einige Zeit später, genauer gesagt 3 Stunden nach der eigentlichen Abfahrtszeit, standen wir immer noch auf dem Schulhof. „Ihr müsst auf die Minute genau pünktlich kommen, ansonsten fahren wir ohne euch los“ drohte uns Lena Betreuerin bis dahin. Das hätte sie mal lieber dem Busfahrer sagen sollen, oder besser dem Verkehrsamt. Der Grund, warum der Bus nämlich nicht kam, war entweder das neue Gesetz, jedem Auto an einem Tag verbietet, in die Stadt zu fahren, was jeweils an der letzten Zahl auf dem Nummernschild festgelegt wird, oder, weil auf einer der wenigen Brücke gebaut wird.
Als der Bus, der ein ganz normaler Linienbus war, dann kam und sich alle Kinder, Lehrer und Freiwilligen darin verteilt hatten, fuhren wir los. Die erste Fahrt dauerte ca. 10 Minuten.
Jemand hatte nämlich festgestellt, dass unser Linienbus gar nicht für eine derartige Fahrt, wie wir sie vorhatten, zugelassen war. Aber zum Glück kennt man ja immer irgendjemanden, der jemanden kennt, und der Vater von einem unserer kleinen Passagiere, war Chef des Verkehrsamtes und so hatten wir den eingezogenen Führerschein bald wieder zurück.
In unserem Partybus, der entweder von dem Fahrerteam, was aus drei Leuten bestand, oder den Schulklassen musikalisch beschallt wurde (abwechselnd wurde die Nationalhymne oder der koreanische Hit „Gangnam Style“ gesungen), fuhren wir langsam raus aus der Stadt. Da ist man schonmal eine Weile unterwegs, denn nach den befestigten Häusern beginnen die Jurtensiedlungen, die sich massiv ausdehnen.
Wenn man durch all das hindurch ist, erreicht man den schönen Teil der Mongolei: die Natur.
In einem der Nationalparks, dem Tereldsch Park, wurden wir am Fuße eines Felsens in Jurten und Zelten untergebracht. Wir drei deutschen verbrachten unsere erste Nacht in einer Jurte (oder „ger“, wie es eigentlich heißt)! Zum Abendbrot gab es mit Milch gekochten Reis und Fleisch, von dem natürlich nicht das Fett abgeschnitten wurde, typisch mongolisch. Um den von uns eher verschmähten Tee kamen 2/3 des Freiwilligenteams herum, Nico hatte zu schnell aufgegessen, so dass im richtigen (oder im falschen) Augenblick seine Schüssel leer war, um den Tee einzugießen.
Bevor wir schlafen gingen, starteten wir einige versuchen, den genialen Sternenhimmel zu fotografieren. Ich persönlich habe die Sterne noch nie so hell leuchten sehen, und dann auch noch so viele auf einmal.
Die Nacht an sich war etwas kühl und vor allem hart. Nico sagte einmal über unser Bett: „Schöne Sitzbank!“
Aber wir sollten uns besser nicht beschweren, um uns herum schliefen die Kinder nämlich nur in Schlafsäcken auf dem Boden.
Gefrühstückt wurde am nächsten Tag auf Hockern vor der Jurte. Apropos Hocker! Die Mongolei scheint das Land der Improvisationen zu sein. Bevor wir auf dem Hocker saßen, diente er schon als Stativ für unsere Kamera, umgedreht Halterung für den großen Kochtopf und hätte man mehrere nebeneinander gestellt, hätte man auch sicher nicht schlechter als auf den Betten gelegen.
Ebenso der Linienbus, der als Reisebus umfunktioniert wurde oder die Klamotten, die als Decke oder Matratze dienten, bestätigen nur: Was man braucht, findet man schon irgendwo, man muss nur improvisieren!
Ein paar Schüler, eine Lehrerin und wir drei Freiwilligen sind dann mit dem Bus zu einem richtig schönen Kloster irgendwo an einem Berghang gefahren. Es sah zwar eher danach aus, als ob es für touristische Zwecke in Betrieb sei, (wofür auch die 2.000 Tugrik Eintritt sprechen würden), aber trotzdem war es ein schöner Anblick von innen wie von außen und die Aussicht ins Land und auf die anderen Berge hat mich den Anstieg bald vergessen lassen.
Vorher kamen wir an einem Felsen vorbei, der wie eine Schildkröte aussieht, und da die Schildkröte ein heiliges Tier ist, auch ein Pilgerort ist.
Wieder zurück im Camp unternahmen wir dann den Versuch, auf einen der Berg zu klettern, die uns umgaben. An dem einen Hang standen viele Leute mit einer Kletterausrüstung, die sich mit Seilen absicherten, aber von diesem Amateuren hielten wir erstmal Abstand und probierten es auf eigene Faust. Mehr oder minder erfolgreich. 1/3 des Teams blieben dann nach einem gescheiterten ersten Anlauf am Boden, der Rest erklomm den Berg.
Als wir alle wieder vereint auf dem Erdboden standen, beschlossen wir, uns die anderen Kletterer mal von nahem anzusehen. Irgendwas großes konnte das ja nicht sein, sogar Städte im Schwabenland haben höhere Kletterwände! Und der eine Typ, der versuchte, nach oben zu gelangen, sah aus wie unser Busfahrer…
Als wir dann mit einem Engländer ins Gespräch kamen, waren wir doch ein wenig verwundert, als der uns erklärte, das dies die Klettermeisterschaften von Ulaanbaatar seien.
Da uns aber von unserer eigenen Klettertour der Magen knurrte, trieb es uns zurück zum Camp. Dort gab es dann mit Milch gekochte Nudeln, mit Kartoffeln, Möhren und Fleisch. Und Ananas-Fanta.
Keiner wusste so richtig bescheid, wann wir wieder zurück fahren würden, also liefen noch ein bisschen durch die Gegend und genossen die Landschaft und vor allem die frische Luft. Wenn man in Deutschland von der Stadt aufs Land fährt, merkt man zwar auch einen Unterschied, aber hier ist es einfach wie die Befreiung sämtlicher Atmungsorgane aus einer Maschine, die einem unaufhörlich Rauch in die Lunge pustet. Die Luft ist klar und kühl, das einzige was man riecht sind die Kräuter, die überall wild wachsen und man hört nichts, außer eine paar Kinderstimmen und den Kühen.
Der Rückweg war noch ein bisschen spektakulärer als der Hinweg. Der erste Zwischenstopp war auch wider nach kurzer Zeit, allerdings weil ein paar Kinder ausstiegen, um die Mülltüten wegzubringen. Das traurige an der Sache war allerdings, dass wir nirgends eine Müllhalde sahen, sondern sie einfach hinter einem Hügel auf einer große, grünen Wiese verschwanden, und ohne die Tüten wiederkamen. Der nächste Stopp war auch nicht gerade spaßig, denn irgendwo im Bus strömte Gas aus, eventuell aus einer der Kartuschen, die wir für den Gaskocher benutzen. Da die Ursache aber nicht geklärt werden konnten, fuhren wir weiter. Dann wurden wir von der der Polizei angehalten. Es hieß, der Präsident würde wohl jetzt diese Straße entlangfahren, deswegen müsse sie abgesperrt werden. Zum Glück dauerte das nicht allzu lange und wir fuhren weiter.
Einer der Schüler wohnte auf dem Weg, und da es unsinnig gewesen wäre, in mit zur Schule zu nehmen, stieg er zwischendurch aus uns seiner Lehrerin rief im ein „Taxi“. Wobei das hie kurz erklärt werden muss: In der Mongolei gibt es offizielle Taxi, mit Schildern auf dem Dach, und inoffizielle, das kann jeder sein, der Auto fährt. Da die offiziellen sehr selten vorbei kommen, fährt man immer mit irgendjemanden mit. So auch der Junge, ich hoffe, er ist gut zu Hause angekommen!
Sobald wir wieder nach UB reinfuhren, nahm natürlich der Staub und der Stau zu. Wir beschlossen, uns morgen einen Mundschutz zu kaufen.
Auch wir stiegen unterwegs aus, direkt vor Lenas Haustür. Niko und ich hatten es etwas weiter, deshalb blieb uns nichts anderes übrig, als ebenfalls mit einem Taxi zu fahren. Zum Glück war die Mutter einer Schülerin so hilfsbereit und hat mich, bis ich zu Hause ankam, telefonisch betreut, für den Fall, dass mit etwas passieren könnte. Es verlief aber alles halbwegs gut, natürlich wurden wir preislich ein wenig über den Tisch gezogen. Das ist die Strafe dafür, dass man als Europäer sonst so viele Privilegien hat.
Durch die kurze Reise aufs Land ist mir persönlich der Widerspruch, in dem diesen Land sich befindet, klar geworden. Auf der einen Seite die unberührte Natur, auf der anderen eine Stadt, die die Umwelt in rasantem Tempo zerstört. Und die Menschen passen sich an. Würde man in 10 Jahren wieder nach UB kommen, wäre man wahrscheinlich umzingelt von riesigen Hochhäusern, um die sich noch mehr Jurten angesiedelt hätten. Die Kluft zwischen arm und reich wird immer größer.

 

 

 

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Eine Antwort zu Mit dem iPad in die Jurte – Gangnam Style!

  1. Siegfried sagt:

    Hallo,
    habe mit interesse Deinen Blog gelesen – tolle Bilder! , da nicht ganz unbeteiligt. (Ich war letztes Jahr mit der Familie etwa August 2012 ebenfalls in Terelj)
    Angenehm empfand ich die Nähe zur Hauptstadt, wo man sonst um etwas (ausser die Hauptstadt selbst) vom Land zu sehen doch etwas weiter reisen muss.
    Mein ersten Kulturschock hatte ich 2010, den nächsten plane ich 2014.
    Nach der Rückreise hab ich mich immer selbst erwischt das ich die Strasse immer laufend (auch am Zebrastreifen) überquere – woher das wohl kommt 🙂

    Ich hoffe du hast Deinen Schülern einen positiven bleibenden Eindruck und ein gefestigtes interesse am Deutschunterricht hinterlassen.
    Alles gute weiterhin
    Siegfried

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