„I dont care ‚bout history“

Die letzten Tage hatte ich mich in der Schule schon ausführlich mit den Vorbereitungen für die Woche in Nairamdal beschäftigt. Am Vormittag sollten die Schüler_Innen von den Deutschlehrerinnen unterrichtet werden, am Nachmittag dann von den Nairamdal-Betreuern bespaßt. „Nairamdal“ heißt übrigens „Freundschaft“ auf mongolisch und ist ein sehr beliebtes und bekanntes Schullandheim 30 Minuten von der Stadt entfernt.

Meine Aufgabe war es, 6 verschiedenen Schülergruppen etwas über die deutsche Geschichte zu erklären und da ich mich nicht auf ein Thema festlegen wollte, beschloss ich, sechs verschiedene vorzubereiten, also hatte ich nun Arbeitsblätter zu den ersten Deutschen, dem Mittelalter, den beiden Weltkriegen, der deutschen Teilung und Wiedervereinigung, so wie dem dreißigjährigen Krieg.

Besonders von letzterem konnte ich den Schüler unter großer Begeisterung erzählen, denn wie oft wird schon ein königlicher Stadthalter aus dem Fenster geschmissen?

Leider beschränkte sich das Interesse für Geschichte in den anderen Schülergruppen nur auf die Schüler, die auch gut Deutsch sprechen. Die anderen waren weder durch Spiele, Bilder oder lautes Anschreien ruhig zu bekommen. Wenn man als Deutsche alleine vor 40 mongolischen Kinder steht, wird man eben nicht richtig ernst genommen, aber was soll’s.

Das wichtigste habe ich ihnen erklären können, und ausführlicheren Unterricht gab es dann eben nur für die Schüler_Innen, die von sich aus ruhig waren und mir zuhören wollten. Aber es ist schade, dass die Arbeit nicht so kollektiv geklappt hat, wie ich sie mir vorgestellt hatte.

Einige Missverständnisse ließen sich aber aufklären, zum Beispiel dass die DDR keine Zone war, in die man alle Nazis eingesperrt hat, die nach dem zweiten Weltkrieg übrig geblieben waren, um sie dann von Kommunisten töten zu lassen (aber die Idee sollte man mal überdenken…), dass man Menschen nicht im Zoo einsperrt, sondern im Gefängnis, dass die Gründung von Bundesländern keine Idee des Deutschen Fußballvereins war und dass der Arnold nicht „Schwarznigger“ mit Nachnamen heißt.

Um 12.30 Uhr war dann aber der Unterricht auch schon wieder vorbei und Lena und ich hatten Zeit für uns. Die füllten wir mit Spaziergängen durch die (immer noch vorhandene) Winterlandschaft, dem Lesen von Büchern oder Zeitschriften (ich kenne jetzt die Initiative „Ja, wir sind Kampfradler_innen“ und weiß, dass Baden-Württemberg 500€ zahlt an Zugezogene, die unzufrieden sind), der Vorbereitung des Unterrichts oder lustigen Spielen und Quiz-Shows für die Schüler, und natürlich: mit Essen.

Am Abend fanden im Theater dann Vorführungen der Schülergruppen statt, die sie am Nachmittag eingeübt haben. Da war alles dabei von Gesang, über Tanz bis hin zum Vorspielen von kleinen Theatersequenzen, die sich mit den Problemen in der Mongolei befassen. Dazu gehören: der Alkoholkonsum, Rauchen, die Luftverschmutzung und die Abwanderung von Mongolen ins Ausland.

Bevor wir losfuhren warnten uns alle Bekannten, dass wir auf jeden Fall warme Kleidung mitnehmen sollten, genug zu Essen um der mongolischen Küche zu entgehen und am besten unsere Ansprüche an Sauberkeit zu Hause lassen sollten.

Aber keine von diesen Prophezeiungen traf zu und wir wurden positiv überrascht. In unserem Zimmer hatten wir ein Bad mit Toilette und Waschbecken, es war wunderbar geheizt und die Betten waren sauber und bequem. Kein Grund, sich zu beschweren! Dazu kam ein wunderbarer Ausblick aus dem Zimmer, man fühlte sich wie im Skiurlaub, nur dass der Lift am Hang fehlte.

Für die letzten Tage haben sich die Lehrerinnen etwas besonderes einfallen lassen. Nicht nur die Schüler_Innen, sondern auch wir sollten etwas präsentieren. So wurde am Sonntag Nachmittag spontan eine Show aus dem Hut gezaubert. Lena hatte allerdings den allerbesten Part zugewiesen bekommen: eine Live-Perfomance des Hits „Ein Stern“ von DJ Ötzi. Und es ist wirklich kein Spaß, das Lied den ganzen Tag rauf und runter zu hören. Am Ende hatte sie es jedoch gut drauf, zumindest besser als ihr mongolischer Duettpartner, der mit größter Mühe versuchte, einige Wörter auf Deutsch zu lernen. Nach ihrem Auftritt und dem Tanz der Lehrerinnen, den wir auch noch schnell am Nachmittag einstudierten, kam dann mein Auftritt, den ich vermutlich meiner Haarfarbe zu verdanken habe: „I’m a barbie-girl, in a barbie-world“ trällerte ich und hüpfte hyperaktiv über die Bühne. Das Publikum tobte und dann war auch schon alles vorbei.

Der letzte Tag brach an, nach dem Frühstück liefen wir wieder ins Schulhaus. In meinem Klassenzimmer war es plötzlich so kalt, dass die Schüler in Winterjacken dort saßen und wir so einige Sportübungen machten, um uns warm zu halten. Am Nachmittag stand dann nochmal ein Programmpunkt unsererseits an, ein Deutschland-Quiz im Stil der Show „Eins, zwei oder drei“. In der Planung war das eine wirklich feine Sache, in der Praxis etwas zu langwierig. Beim zweiten Spiel sollten die Schüler Gegenstände aus dem Publikum holen, zum Beispiel einen goldenen Ring, ein Buch, oder ein Pärchen. Alles wurde erfolgreich gemeistert.

Der letzte Abend war ganz typisch mongolisch: Voller Improvisationen.

Beim Abendbrot wurden wir noch darum gebeten, eine Rede zu halten, während des Programms sprangen wir mehr als einmal von unseren Sitzen um auf die Bühne zu rennen und einen guten Eindruck zu machen.

Insgesamt war die Woche aber wirklich ein großes Amüsemang! Nicht nur die tolle Natur und die guten Luft taten gut, sondern auch mal wieder etwas Abwechslung vom Schulalltag zu haben, sich etwas länger mit einem Thema und mit den Schülern zu beschäftigen und auch wieder einmal davon beeindruckt zu werden, wie schnell mongolische Schüler_Innen ein Kulturprogramm auf die Beine stellen. In Deutschland hätte man einige Monate für so etwas gebraucht.

Ach ja, und da es ja immer eine kleine Überraschung gibt, wenn ich nach Hause komme: Unsere Klospülung ist kaputt!

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