Zweites Türchen – Rice, Baby!

Seit über 4000 Jahren gilt Reis in Vietnam als Grundnahrungsmittel und manchmal sogar als einzige Nahrungsquelle einer Region. Bestraft wird man im nächsten Leben, wenn man ihn „nicht für voll nimmt“ oder  – was noch viel viel schlimmer ist – ablehnt. Beim Essen ist es daher unvorstellbar, wenn ein Korn vom Teller fällt einfach unbeachtet liegen gelassen wird. Jedoch ist dies für mich als Essstäbchen-Relativer-Neuling schon ziemlich schwierig…

Alle Vietnamesen und jetzt auch ich essen Reis. Das täglich und meist sogar mehrmals pro Tag. Wie das geht? Wird das nicht langweilig? Nein, denn Reis gibt es in den verschiedensten Ausführungen.

Com rang – gebratener Reis, wie ich ihn sehr gerne mag

Man kann Reis nicht nur als Korn verzehren, sondern auch als Nudel oder als Wrap (was bei uns Deutschen als Reispapier bekannt ist und vor allem für die sehr leckeren Frühlingsrollen verwendet wird). Zudem kennt Vietnam viele verschiedene Reissorten: seien es kleine dicke Körner, seien es längliche, sei es besonders klebriger Reis, sei es ein besonderer Duft, sehr lockerer Reis oder sei es bunter Reis. Viele Vietnamesen behaupten, schon allein am Geruch zu erkennen, um welche Reissorte es sich im blubbenden Topf handelt. Das zeigt ja schon, wie wichtig Reis ist!

Nicht verwunderlich ist so dann auch, dass im Vietnamesischen „guten Appetit“ (an com) wörtlich übersetzt die Bedeutung „Reis essen“ hat.

Auf einem Markt in Saigon. Nur eine „kleine“ Auswahl des Reis-Sortiments.

Als Reisbauer, als Erntehelfer, bei der Verarbeitung, als Verkäufer oder Koch: Ein Großteil aller Vietnamesen verdient sich seinen Lebensunterhalt mit Reis. Aus diesem Grund prägt das Korn das Denken und den Rythmus des Lebens.
Vietnam gehört heute mit Thailand und Indien zu den drei führenden Reisexportnationen. Allein im Mekongdelta im Süden Vietnams leben 3 Millionen Menschen als Reisbauern: Aus dieser Region kommen die höchsten Erträge, weil das Wasser im Mekong-Fluss regelmäßig steigt und fällt. Somit entstehen perfekte Bedingungen für die Bewässerung des Nassreises und es sind bis zu drei Ernten pro Jahr möglich.

Die Produktion und der Verkauf des Reises müssen Hand in Hand gehen, was die Basis des sozialen Zusammenlebens prägt: Im Reisanbau sind viele verschiedene Schritte nötig, bis das Korn verkauft werden muss. Wegen dieses hohen Aufwands ist die Zusammenarbeit aller wesentlich. Oft bestellt nicht nur eine Familie sondern eine ganze Dorfgemeinschaft die Felder zusammen. Seit dem elften Jahrhundert besteht der wohl wichtigste Beruf beim Reisanbau. Der Deichinspektor ist der Aufsichtsführende über den richtigen Wasserstand der Felder. Bei zu viel Wasser verfaulen die Pflanzen, bei zu wenig vertrocknen sie.
Zuerst aber müssen Felder mit dem Ochsen bestellt werden. Nach dem Eggen und Pflügen, was nur von Männern gemacht werden darf, ist es die Aufgabe der Frauen, zu säen und die kleinen grünen Pflänzchen zu züchten. Jede Pflanze wird einzeln gezüchtet und im Feld eingepflanzt. Das ist sehr arbeitsintensiv, aber der Aufwand lohnt! Reis als Kulturpflanze kann nämlich viermal so viele Personen pro Hektar sättigen als es z.B. mit Weizen der Fall wäre.

Nach der Ernte wird Reis vielfach verarbeitet. Aus dem weißen Reismehl kann Reispapier produziert werden. Mit Wasser und Salz (teilweise auch etwas Weizenmehl) gemischt wird es auf sehr dünn auf ein Stück Stoff über einem dampfenden Kessel aufgetragen, nach kurzem Dämpfen abgezogen und auf eine Reismatte zum vollständigen Trocknen ausgebreitet. Die berühmten Reisnudeln (bun) werden hergestellt, indem eben diese Platten zerschnitten werden oder der Reismehlteig wird durch ein Sieb gepresst, was man sich wie bei selbstgemachten Spätzle vorstellen kann.

Geröstet bietet roher Klebreis als Gewürz für Fleischspeisen und Reisessig eine tolle Grundlage für leckere Soßen und Marinaden.

Aber auch der berühmte Reiswein (ruon) darf hier nicht unerwähnt bleiben! Als Getränk für Arme wurde er früher vor allem auf dem Land und hauptsächlich von Männern zu eigentlich jedem Anlass getrunken. Der Reis (vor allem Klebreis eignet sich dafür wegen seines Aromas besonders gut) und Kräuter werden erhitzt, einen Monat unter der Erde aufbewahrt und danach destilliert. Jede ethnische Minderheit hat ihr ganz besonderes und einzigartiges Rezept. Wird man heute bei einem Bergvolk zu einem Gläschen Reiswein eingeladen, gilt es als unhöflich, dieses Angebot auszuschlagen. Das habe ich selbst bei einem Wochenend-Ausflug nach Ha Giang erfahren, als wir zu einem Fest in einem Bergdorf eingeladen wurden. Dieses hochprozentige Getränk auszuschlagen, ist absolut unhöflich und notfalls einfach so tun, als ob man es trinkt. Bis auf einmal (um 11 Uhr morgens trinken wollte ich wirklich nicht, zumal mir Reiswein nicht sonderlich schmeckt) habe ich mich so drücken können.
Heutzutage ist durch industrielle Verfahren eine schnellere Verfahrensweise mit besseren hygienischen Standards vorzuweisen. Dieser in Massenproduktion hergestellte Reiswein wird bevorzugt in den Städten getrunken.

Einer meiner ersten Sätze im Vietnamesischen war:

„Toi thich an com“

Was in etwa so ausgesprochen wird „doi thik aan gom“ und „Ich mag es, Reis zu essen“. Jedes mal wenn ich also meine Vietnamesischkenntnisse auspacke und diesen doch recht einfachen Satz präsentiere, freut sich mein Gegenüber sehr. Und ich mich, dass ich verstanden wurde, aber das ist nochmal eine andere Geschichte, von der du in den nächsten Tagen hören wirst!

Viele Grüße, ich gehe jetzt mal frühstücken. Wahrscheinlich irgendwas mit Reis!

Deine Rice, Rice, Sophie

Die wunderschönen Reisterassen in Ha Giang.

* Anmerkung: Die Informatione über die Geschichte, den Anbau von Reis und die Herstellung vieler Produkte aus dem Korn habe ich aus dem Stefan Loose-Reiseführer „Vietnam“ (vollständig überarbeitete Auflage 2017) bekommen.  Diese Details wollte ich euch auf keinen Fall vorenthalten, da ich denke, dass Reis in meinem Blog nicht fehlen sollte, weil er in Vietnam sehr wichtig ist.

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One response to “Zweites Türchen – Rice, Baby!

  1. Du-Weißt-Schon-Wer

    Toi thich an com ?

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