Reisen (Part II)

Damit ihr nicht das Gefühl habt, so viel auf einmal lesen zu müssen, habe ich im vorherigen Eintrag mal einen Cut gemacht, um mit neuem Elan den zweiten Teil meiner Schilderung weiterzuführen.

Weiter geht’s mit dem Beginn des Zwischenseminars am Montag (23.11.15):

Kirche in Sremski Karlovci

Gegen Mittag kamen wir (Freiwillige aus Slowenien, Montenegro und mit mir, Albanien) zu sechst also in Sremski Karlovci in Serbien an, einer sehr kleinen Stadt mit einem Haufen an alten Gebäuden und Kirchen. Den Weg zum Hostel „Ekološki centar “Radulovački”“ (den Namen und die korrekte Schreibweise habe ich mir natürlich gemerkt 😀 ) zeigten uns zwei freundliche Bauarbeiter, die wir eigentlich nur nach dem Weg fragen wollten, die uns aber einfach gleich bis zur Haustür führten – auch hier sind die Menschen sehr hilfsbereit! Nachdem wir unsere Zimmer bezogen hatten, folgte die „Reunion“ mit den anderen Freiwilligen aus Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Serbien, die ich größtenteils aber leider noch nicht kannte.

Zur Erklärung, weil ich über das Vorbereitungsseminar im September am Werbellinsee fast nichts geschrieben habe: dieses Jahr im September sind um die 240 Leute (die genaue Zahl habe ich leider nicht mehr im Kopf) über kulturweit in die ganze Welt entsandt worden. Demzufolge ist es so gut wie unmöglich, alle aktuellen Freiwilligen zu kennen!

Um dem Nicht-Kennen der Namen entgegen zu wirken, begannen wir mit einem Wurfspiel – das war gar nicht mal so easy, wie sich das womöglich anhört! 😀 Auch verteilten wir uns nach Einsatzstelle und –land im Raum und erzählten kurz, wie lang wir denn für die Anreise gebraucht haben. Guess what? Mit meinen 17 Stunden Busfahrt war ich doch diejenige, die die weiteste Anfahrt hatte (an dieser Stelle: Neid an Eva, Meike und Niklas, die, glaub ich, gerade mal eine Stunde gebraucht haben…). Später gab es noch so eine Art Ralley durch die City (okay, bis jetzt hören sich meine Schilderungen eher nach Schullandheim in der sechsten Klasse an – es war aber wirklich um Einiges lustiger!) um die Stadt ein wenig besser kennen zu lernen – blöderweise war es aber schon dunkel und wir sahen nicht wirklich viel.

Die Gang im „Social Center“ in Novi Sad

In den Tagen spielten wir jedoch nicht nur Spielchen, sondern reflektierten auch unsere bereits vergangene Zeit in unseren Einsatzstellen und Ländern, tauschten uns über unsere Erlebnisse aus und bekamen eine Menge Input für unsere restliche Zeit als Freiwillige. So setzten wir uns kritisch mit unserem Freiwilligendienst auseinander und hatten extrem spannende Workshops zu den Themen „Antiziganismus“ (also Diskriminierung von Sinti und Roma) und „Flucht“ – dort haben mich die Zahlen der Flüchtlinge echt aus den Socken gehauen! Auch hier habe ich leider keine Zahlen und Statistiken mehr im Kopf, sorry. Wir saßen aber nicht nur im Hostel und nahmen Informationen auf, sondern machten auch einen Ausflug nach Novi Sad, einer Stadt, die vielleicht 15 Minuten entfernt von Sremski Karlovci liegt. Wir bekamen von dem Aktivisten Miloš eine Stadtführung durch die Stadt und danach beantwortete er Fragen von den politisch aktiveren Mit-Freiwilligen in dem ziemlich außerhalb liegendem „Social Center“, einem ehemals besetztem Haus, welches leider nicht ganz durchgehend isoliert und dementsprechend nur schwer zu heizen war. Danach gönnten wir uns mal eine Abwechslung zu dem schweren und viel zu vielem Essen, das wir dreimal täglich in einem Restaurant in Sremski Karlovci bekamen, und aßen Pizza und andere gesunde Köstlichkeiten. 😀

Auch die Abende waren sehr lustig, vor allem durch diverse Spiele von Meike, geniale Fragen von Amelie und unserer Aufopferungsbereitschaft, mal „dem Balkan“ gerecht zu werden und ein bisschen was zu trinken. Keine Sorge, von dem berühmtberüchtigten Sliwowitz, vor dem ich vor meiner Ausreise mehrfach gewarnt wurde, ist nichts geflossen! 🙂 Meine Billardskills konnte ich auch eeeendlich mal wieder verbessern (tatsächlich habe ich ein Spiel gewonnen, lag aber nicht an meinen überragenden Fähigkeiten) und gewann zusammen mit einem der Hostelbesitzer, Vlada, das Tischkickertunier. 😀

Am Freitag war das Zwischenseminar dann auch schon rum, jedoch hatten fast alle sich in weiser Voraussicht für das Wochenende in einem Hostel in Novi Sad „angemeldet“ – nur von den beiden Teamern Amelie und Nenad, die ihre Sache wirklich gut gemacht haben, und von Lena, die leider schon eher zurückreisen musste, verabschiedeten wir uns am Freitagnachmittag. Die restliche Gang zog dann weiter nach Novi Sad, wo wir aber erstmal chillten und einfach in den Betten lagen und quatschten. Abends verschlug es uns aber dann doch raus um zu essen, zu sechst zogen wir danach noch weiter in einen Pub mit serbischer live Rockmusik mit stilechten Bandmitgliedern. Am Samstag dauerte es doch eine Weile, bis alle 14 Leute, die im Hostel übernachteten, in die Gänge kamen, so dass es schon 12 Uhr war, als wir uns auf den Weg machten, um die Festung Novi Sads zu erklimmen.

Blick auf Novi Sad von der Festung

Leider war das Wetter und dementsprechend die Sicht nicht so spitze – überhaupt war es doch um einiges kälter als bei mir in Albanien, ich lief die ganze Zeit mit Winterjacke, Mütze und Schal rum. Abends sind wir dann noch mal alle zusammen losgezogen in eine ziemlich gut besuchte Bar und verbrachten den letzten Abend gemeinsam. Am nächsten Tag ging es dann schon um kurz nach fünf (ja, morgens!) für Amelie, Jana und mich als erste der Truppe los. So verabschiedeten wir uns von der ganzen Rasselbande (Ann-Kathrin, Christina, Elias, Heidi, Johanna, Julia, Laura, Miriam, Niklas, Philipp und Svenja) und fuhren um 5.50 Uhr mit dem Bus zurück in die serbische Hauptstadt. Dort angekommen, verabschiedeten wir uns auch von Amelie, die eine Stunde früher als wir ihren Bus Richtung Slowenien nahm. Wir kauften dann erst unser Zugticket, was ich doch ein wenig riskant fand, sich in diesem Fall aber gelohnt hat: Plötzlich kosteten unsere zwei Tickets nicht mal mehr so viel, wie ein Einzelticket, als wir die Damen am Montag zuvor am Schalter gefragt hatten. Nun bestand nur noch das Problem: Wo fährt denn der Zug ab? Auf englische Fragen haben wir leider keine Auskunft erhalten (eigentlich sollte man doch erwarten, dass man am Bahnhof einer europäischen Hauptstadt an dem allgemeinen Infoschalter Englisch spricht, oder?) und so ließen wir unsere Frage einfach auf Serbisch aufschreiben und bekamen dann letztendlich doch unsere Antwort. 🙂

Besagter Zettel

Allgemein lässt sich sagen, dass die Zugfahrt doch um einiges angenehmer und bequemer war als die Hinfahrt im Bus. Die wunderbare Aussicht auf die verschneiten Landschaften Serbiens und Montenegros machten auch die zwischendurch seeehr langsamen Geschwindigkeiten wett!

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Die Bilder sind durch das (nicht wirklich saubere) Fenster des Zuges entstanden, habt also bitte Nachsicht, was die schlechte Qualität der Fotos angeht! 😀

So kann UIcinj übrigens bei schönem Wetter aussehen!

Trotzdem waren wir dann froh, als wir abends gegen 22.30 Uhr endlich bei Jana ankamen, uns schnell was zu essen machten und nach einer sehr kalten Dusche bald schliefen. Am nächsten Tag ging es dann jedoch stressig weiter, da wir auf dem Weg zum Busbahnhof irgendwie ein wenig die Zeit vertrödelt hatten und wir schließlich mit meinem Gepäck zum Busbahnhof rannten, um noch rechtzeitig ein Ticket für den Bus nach Shkodra um 10.50 Uhr zu bekommen und in ebendiesen Bus zu steigen. Aber Pustekuchen. Obwohl ich eigentlich noch rechtzeitig da war (ich habe extra auf die Uhr geschaut), bekam ich ein Ticket für den Bus danach, zwei Stunden später. Keine Ahnung weshalb. Aber im Vergleich zu einem englischsprechenden Mitreisenden nahm ich die ganze Reiseprozedur inklusive erneutem Grenzübertritt und Umsteigen in Shkodra in einen anderen Furgon nach Tirana dann doch schon sehr professionell und entspannt. Endlich war ich wieder auf vertrautem Gebiet: Albanien. 🙂 Ich hatte es ja schon irgendwie vermisst! Auf einmal konnte ich wieder die Schriftzüge am Straßenrand in meinem Kopf „richtig“ aussprechen – und nicht einfach auf scheinbar willkürlich zusammengewürfelte Konsonantengebilde, die sich Serbisch nennen, blicken.

Die Fußgängerzone Shkodras nach dem Feiertags-Wochenende

Ich entdeckte auch Anzeichen darauf, dass am Wochenende (28. und 29. November) die Nationalfeiertage stattgefunden hatten, rot und schwarz waren noch ziemlich präsent im Straßenbild. 😀 Zuhause angekommen wechselte ich (zum Glück!) Winter- gegen Lederjacke und Stiefel gegen Vans und machte einen kleinen Rundgang durch mein Tirana, um zu checken, ob sich was in meiner Abwesenheit verändert hatte.

Und tatsächlich, die Hauptstadt ist, zu meiner großen Freude, weihnachtlicher geworden, am Skënderbej Platz und in meiner Straße wurden an den Bäumen Lichterketten angebracht – it’s beginning to look a lot like Christmas!

Sheshi Skënderbej – Weihnachtsedition

Xhamia e Et’hem Beut und der „Clocktower“

Improvisierter Adventskranz (Foto natürlich von heute, dem 2. Advent)

Passend dazu konnte ich dann auch endlich mein sehr leckeres Weihnachtspäckchen von meiner family auspacken und zündete die erste Kerze an meinem improvisierten Advents“kranz“ – bestehend aus vier Kerzen auf einem weißen Teller – an. Die Weihnachtszeit ist nach dem Sommer meine Lieblingszeit und ich versuche sie mir so schön wie möglich zu machen, jetzt, wo ich sie zum ersten Mal allein erlebe. Bei mir läuft zum Beispiel mindestens ein Weihnachtslied am Tag, meine Türchen am Adventskalender mache ich auch stets pünktlich auf und den obligatorischen Film „Home alone 1“ (also Kevin allein zu Haus) habe ich jetzt am Wochenende auch schon geschaut. 🙂

Weihnachtspäckchen aus Deutschland

Noch kurz zur vergangenen Schulwoche:

Am Mittwoch fand der erste Teil der DSD II-Prüfung statt, bei dem die Schüler entweder ein Deutschniveau von B2 oder C1 – bei Bestehen – erhalten können. Dieser erste Teil bestand aus den drei Kompetenzen Lesen, Hören und Schreiben, die mündliche Prüfung wird im Januar stattfinden. In dieser Prüfung muss es natürlich auch Aufsichten geben, sowohl in den Räumen als auch auf den Gängen – und als einer der Gangaufsichten war ICH eingeteilt. Strange irgendwie, vor gut einem Jahr war ich selbst einer dieser aufgeregten Schüler, die nicht wissen, was auf einen zukommt und jetzt stehe ich selbst ganz cool da, hab den ganzen Stress hinter mir und muss „nur“ aufpassen, dass niemand Unbefugtes in das Prüfungsgebiet kommt und dass es ruhig ist. Letzteres war gar nicht so leicht umzusetzen, da sich die albanisch-deutsche Abteilung im obersten Stock befindet und gefühlt jedes Geräusch im Treppenhaus widerhallt. 🙂 Trotzdem lief die Prüfung für die Schüler anscheinend doch ungestört ab und sie können sich nun auf ihre mündlichen Prüfungen vorbereiten.

Der erste Teil meines Projektes ist übrigens auch erfolgreich abgeschlossen: die erste Ausgabe meines Schülerzeitungsprojektes ist nun im Verkauf, ich plane mit den Schülern sogar schon die zweite! 🙂

Überschrift der ersten Ausgabe meines Schülerzeitungsprojektes

Bis bald und eine schöne Vorweihnachtszeit euch!

Sarah

PS: Es gibt eine wirklich gute 45-minütige Dokumentation auf YouTube über Albanien (hier der Link: https://www.youtube.com/watch?v=z7uFI7m2aTI), die, wie ich finde, wunderbar diesen Kontrast zwischen Arm und Reich, westlich und traditionell, Meer und Berge und so weiter zeigt. Von dem Gezeigten habe ich tatsächlich schon sehr viel gesehen, manches hat sich seitdem ziemlich verändert (zum Beispiel in Tirana), Einiges habe ich aber auch genauso erlebt und gesehen. Kann ich also nur empfehlen! 🙂

2 Gedanken zu „Reisen (Part II)

  1. Pingback: Sechs Monate, in denen ich ein neues Land kennen und lieben lernte, in Bildern - STK: Sarah - Tirana? Klar!

  2. Hallo Sarah, du hast mit deinen Fotos und wieder tollen Reisebeschreibungen meinen 3. Advent gerettet, denn hier ist “ Mistwetter“ und ich bin einfach nur froh, dass in endlich 8 Tagen die Tage wieder länger werden- meine Lieblingsjahreszeiten sind ausnahmslos der Frühling und der Sommer.Genieße weiterhin alles und habe auch ohne Deutschland eine schöne restliche Adventszeit.
    Liebe Grüße von Ingrid.

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