Freitag der Dreizehnte

Ja, heute ist Freitag der Dreizehnte. Wie ich neulich in einem Referat in der 10. Klasse mitbekommen habe, ist das auch hierzulande ein „Pechtag“. Dieses Referat war hochinteressant für mich, denn in Albanien glaubt man zum Teil an ähnliche Dinge wie in Deutschland, beispielsweise dass es Pech bringt, wenn eine schwarze Katze die Straße von rechts nach links überquert (oder war es von links nach rechts?). Anderes war aber völlig neu für mich, wie zum Beispiel der „Böse Blick“, durch den eine Person (mit magischen Kräften, soweit ich das verstanden habe) allein durch seinen Blick einer anderen Person Unheil bringen kann. Diesen bösen Blick kann man jedoch durch ein sogenanntes „Nazar Amulett“ abwenden.

Bis ich das gegoogelt habe, sagte mir der Name gar nichts. Aber siehe da, natürlich kenne ich dieses blaue, augenförmige Amulett – ihr habt das bestimmt auch schon mal gesehen. 🙂

Hier ein Beispiel für diverse Ausführungen des Nazar Amuletts:

Nazar Amulett

Quelle: http://images.fotocommunity.de/bilder/turkey/istanbul/nazar-amulett-6fb06d36-4e93-46e4-a0e9-3b476c25688f.jpg

Aber wieder zurück zu Freitag dem Dreizehnten: Ich bin eigentlich überhaupt nicht abergläubisch, trotzdem erwähne ich diesen Tag sogar in meinem Blog. Warum? Weil ich nun genau zwei Monate in Albanien bin! Am 13. September 2015 habe ich nämlich in aller Hergottsfrühe mein Zuhause in Baden-Württemberg verlassen und mich in das Abenteuer Albanien begeben.

Nun bin ich also schon zwei Monate hier in Tirana. Das ist einerseits sehr lang – ich selbst war zum Beispiel noch nie acht Wochen am Stück im Urlaub, ich bin hier also kein Tourist mehr. Andererseits sind zwei Monate im Vergleich zu meinem vorherigen Leben wirklich nicht viel. Es ist schwer, mein bisher Erlebtes „richtig“ einzuordnen und vielleicht sogar zu reflektieren. Wahrscheinlich werde ich meine Zeit hier sowieso erst nach meiner Rückkehr nach Deutschland wirklich einordnen können.

Jedenfalls fühle ich mich hier ganz und gar nicht fremd! Ich entdecke zwar immer wieder Neues im Alltag, aber trotzdem ist hier sehr viel schon unglaublich vertraut und normal.

Zum Beispiel, dass ich meinen Hausmüll in einen der großen orangefarbenen Container werfen muss, die hier an fast jeder Ecke rumstehen. Meine Plastikflaschen und Dosen sortiere ich gesondert in eine Tüte und stelle sie gutsichtbar in der Nähe der Container ab, damit die Leute, die Plastikgegenstände aus dem Müll ziehen, nicht extra suchen müssen. Soweit ich das beurteilen kann – aber das kann ich ja nicht wirklich genau – sind das meistens Männer und Frauen, manchmal sogar Kinder, der ethnischen Minderheitengruppe der Roma, die auch hier anscheinend noch ziemlich diskriminiert werden. Es gibt übrigens kein Pfandsystem wie in Deutschland, aber irgendwie recyceln die Leute die Plastikflaschen und co – ich habe aber keine Ahnung wie.

Ein paar Mal habe ich schon mitbekommen, dass die Müllabfuhr die Container leerten, das war doch eine ziemlich unangenehm riechende Erfahrung, zumal der Müll (erstaunlicherweise 😀 ) nicht getrennt wird und sich alles Mögliche dort im Müll befindet.

Ein anderes Alltagsbeispiel: man befindet sich auf der Straße, ein Mann kommt einem entgegen und „rotzt“ so richtig schön in den eigenen Laufweg. Die angewiderten Blicke meinerseits lassen die Männer (‘tschuldigung, aber bis jetzt habe ich das noch von keiner Frau gesehen) vollkommen kalt. Ich kannte das ja schon aus Besuchen in China und anderen Ländern, aber so ein Verhalten dann tatsächlich im eigenen Alltag zu haben ist zunächst auch gewöhnungsbedürftig. Klar finde ich das immer noch ziemlich eklig, wenn jemand dorthin spuckt, wo ich zwei Sekunden später eigentlich lang laufen wollte, aber naja, so ist das hier eben. Und natürlich machen die „Spucker“ nur einen ganz kleinen, nicht-repräsentativen Teil der albanischen Bevölkerung aus – lasst euch also nicht davon abschrecken, nach Albanien zu reisen!

Denn: ALBANIEN IST SEHR SCHÖN!

Wirklich, was ich bis jetzt gesehen und erlebt habe, gefällt mir sehr gut. Das Land ist mit seiner Küste an der Adria und dem Ionischen Meer und seinen unzähligen Bergen extrem abwechslungsreich und landschaftlich echt toll! Die Menschen sind auch sehr herzlich und gastfreundlich und freuen sich über jedes kleine bisschen Albanisch, das man spricht.

Neulich habe ich das Wochenende beispielsweise in Durrës am Meer verbracht, gemeinsam mit Fize habe ich in einem Hotelzimmer mit direktem Meerblick sehr günstig geschlafen. Wir hatten super Wetter und das Meer sah toll aus – ich bin sogar noch ein bisschen braun im Gesicht geworden! 🙂 Durrës‘ Innenstadt kannte ich zwar schon durch meinen Besuch mit Alex, jedoch sieht eine Stadt bei schönem Wetter doch noch mal ein wenig anders und positiver aus. Wir hatten eine schöne Zeit und konnten die warmen Temperaturen gut genießen und tranken viel Kaffee. 😀

Fize und ich in Durres_07  In DurresFize und ich in Durres_06

Ein schönes und sonniges Wochenende in Durrës

Außerdem hielt ich vor kurzem zum ersten Mal ganz allein zwei Unterrichtsstunden in zwei verschiedenen Klassen. Zum Glück wusste ich schon davor, dass ich die Vertretungsstunden halten und was ich machen sollte. So konnte ich mich gut vorbereiten und war nicht mehr ganz so aufgeregt. Tatsächlich verliefen die beiden Stunden sogar ganz gut, in einer Klasse konnte ich sogar eine Diskussion anregen. 🙂

Ein weiteres – zugegeben ein wenig surreales – Event war das Oktoberfest in Tirana vor gut drei Wochen. Ja, ihr habt richtig gelesen: OKTOBERFEST!

Und das war nicht einfach ein bisschen Bier ausschenken und Helene Fischer-Songs abspielen, sondern es gab zum Teil richtig traditionelle bayrische Blasmusik, Wettbewerbe wie Jodeln, Maßstemmen und Schuhplattlern. Dies gepaart mit 3-Liter-Biertürmen und einem Würstchenteller machten schon richtig was her! Auch die echt bayrische Band spielte später noch einige Hits, die ich vom Canstatter Wasen in Stuttgart (nach dem Oktoberfest das zweitgrößte Volksfest der Welt) nur zu gut kannte. 😀 Die Veranstaltung kostete 1.000 Lek (~ 7,15 €) und fand etwas außerhalb von Tirana auf dem Brauereigelände „Te Stela“, einer lokalen Bierfirma, statt. Zusammen mit meinen Kollegen hatte ich einen wirklich abwechslungsreichen und lustigen Abend!

Oktoberfest_02 Oktoberfest_01

Auch die (albanische) Kultur kam bei mir in den letzten Wochen nicht zu kurz! So haben Fize und ich es endlich mal ins „Muzeu Historik Kombëtar“ (Nationales Geschichtsmuseum) geschafft, welches mir schon seit meinem ersten Tag von außen durch sein großes Mosaik immer und immer wieder auffällt. Dort wird die Geschichte Albaniens ab der Steinzeit bis zum Ende der Diktatur 1991 gezeigt. Dabei wurde mir einmal mehr klar, welch tragische Geschichte dieses Land durch diese vielen Besetzungen hatte. Dies erklärt die Abgeschiedenheit der vergangenen Jahre und vielleicht auch, warum Albanien immer noch so (nicht wirklich positiv) wahrgenommen wird.

Mosaik des National Museums

Und dabei ist Albanien ein ganz normales Land, und Tirana eine ganz normale Hauptstadt. Wer das nicht glauben möchte, sollte vielleicht einfach selbst Albanien einen Besuch abstatten und dieses total abwechslungsreiche Land selbst entdecken.

Kata und ich vor der „Pyramide“

Apropos Besuch. Davon hatte ich in der letzten Woche selbst Einigen! 🙂 Am Samstag, den 31. Oktober kam nämlich meine Freundin Kata zu Besuch, die ihren Flug bereits im Juli gebucht hatte und die erste Möglichkeit nutze um mich zu besuchen, nämlich während der Herbstferien in Baden-Württemberg. Es war wirklich schön sie wieder zusehen und wir haben ziemlich viel unternommen. So waren wir (für mich wieder einmal :D) einen Tag in Durrës, noch einmal im Nationalmuseum, in der neuen orthodoxen Kirche und in der Xhamia e Et’hem Beut, der ältesten Moschee Tiranas. Dort wurden wir sogar von einem älteren Herren aufgefordert, Fotos von dem schönen Interieur zu machen, besonders die Malereien in der Kuppel haben mir ausgesprochen gut gefallen! 🙂

Wir waren viel Kaffeetrinken, haben den ein oder anderen extrem leckeren Nachtisch gegessen und uns sogar selbst an einem albanischen Gericht namens Përshesh probiert.

Ab Donnerstag kamen dann noch, zusätzlich zu Kata, meine Eltern zu Besuch. Die drei waren am Freitagmittag bei mir in der Schule und nach dem Unterricht tranken wir zusammen mit meinen Kollegen, ganz nach albanischer Tradition, einen Kaffee zusammen. Ihr seht, der Kaffee ist hier ein wirklich wichtiger Bestandteil des Tages, die Leute treffen sich sogar manchmal mehrmals am Tag zum gemeinsamen Plausch beim Kaffee. Und dieses warme Gebräu schmeckt hier wirklich sehr, sehr lecker! Der gleichen Meinung ist übrigens auch mein Papa, der ein richtiger Kaffeeexperte ist! 😀

Der Nationalpark des Dajti in herbstlicher Farbe

Am Freitagnachmittag fuhren wir dann mit dem „Dajti Ekspres“ auf den Dajti (zur Erinnerung: das ist der „Hausberg“ Tiranas) und hatten bei leckerem albanischem Essen einen tollen Blick über „meine“ Stadt bei einem Sonnenuntergang um 16.44 Uhr. Das es früh dunkel wird, ist doch schon ziemlich gewöhnungsbedürftig, die Zeitumstellung hat nicht nur positive Seiten…

Am Samstag verabschiedete ich mich dann nach einer wirklich schönen gemeinsamen Zeit von Kata. Für mich ging es aber gleich weiter mit der Bescherung. Ja, Bescherung, weil meine lieben Eltern mir Einiges aus good old Germany mitbrachten. Vor allem meine Mama hat sich scheinbar all meine, über die letzten Wochen geäußerten, Wünsche gemerkt und sie gefühlt noch einmal verdoppelt.

Sheshi Skënderbej: Im Vordergrund die Statue des Nationalhelden Skënderbej und im Hintergrund die Et’hem Beut Moschee

Nochmals GANZ LIEBEN DANK für die schönen Mitbringsel, Leckereien und auch für die warmen Klamotten, denn anscheinend kann es auch in Tirana ziemlich kalt werden.

 

So zeigte ich am Samstag meinen Eltern noch einmal die Hauptsehenswürdigkeiten und ich entdeckte selbst auch etwas Neues: alte Statuen von Lenin und Stalin, die mein Papa gleich in der Nähe des Kunstmuseums durch Zufall fand. Die letzten Sonnenstrahlen des Tages genossen wir übrigens am Liqeni Artificial.

Lenin- und Stalinstatue

Liqeni Artificial

 

Der Sonntag war leider auch schon der letzte gemeinsame Tag, an dem wir nochmal schön durch die Stadt schlenderten und abends nach einem ordentlichen albanischen Essen den Tag wie in „alten Zeiten“ mit dem Tatort auf meinem kleinen Laptopbildschirm ausklingen ließen. Montagfrüh fuhren sie leider schon zum Flughafen und ich war wieder im Schulalltag angekommen.

Mit meinen Eltern auf dem Dajti

Aber auch nicht ganz Alltag, da es am Dienstag und Mittwoch verkürzten Unterricht gab. Das heißt, jede Unterrichtsstunde fand zwar statt, aber nur für 15 Minuten, der Unterricht war an diesen beiden Tagen schon gegen 10 Uhr beendet. Der Grund dafür war, dass es irgendwelche Lehrertrainings bei uns nachmittags an der Schule gab, wofür die Schule natürlich leer sein musste.

Gestern kam übrigens eine achtköpfige Reisegruppe aus Prizren im Kosovo in Tirana an, die „Jugend debattiert“-Gruppe, die ich zusammen mit Herbert abholte. Die sieben Schüler sind allesamt 11. Klässler (lernen auch Deutsch) und wohnen für die drei „Jugend debattiert“-Tage bei sieben Schülerinnen und Schülern unserer Schule. In den Workshop nach dem Unterricht erfuhren die 14 Schüler mehr über das Debattieren und haben durch diese Begegnung die Möglichkeit, viel für sich und ihr zukünftiges Argumentieren zu lernen.

Diese Woche war ich übrigens in dem Film „Xhejms Bond“. Sagt euch nichts? 😀 Das ist die offizielle albanische Übersetzung für den weltweit bekannten „James Bond“. Wie ich bereits erwähnte, sind Kinobesuche hier sehr angenehm und auch lehrreich, weil die Filme praktischerweise in der Originalfassung auf Englisch bleiben und nur albanische Untertitel eingefügt werden. Also wieder ein Punkt, der für die Aktualität und Moderne dieses Landes spricht, hier kann man „sogar“ die gleichen Kinofilme wie in jedem anderen westlichen Land sehen!

Ihr seht, ich fühle mich wirklich wohl hier und möchte an dieser Stelle noch mal jedem ans Herz legen, sein „Albanienbild“ ein wenig zu überdenken. Albanien ist zwar noch längst nicht so weit entwickelt wie Länder in Westeuropa, das Zugnetz muss beispielsweise noch viel mehr ausgebaut werden (momentan fahren von und nach Tirana keine Züge, und wenn Züge fahren, sind diese anscheinend extreeeem langsam) und noch sehr viel mehr Projekte müssen hier in Anspruch genommen werden. Aber es laufen auch viele Leute mit Smartphones rum, kaufen bei Carrefour ein und fahren Autos der Marke Mercedes, BMW oder gar Porsche. Okay, vielleicht ist das nicht ganz der durchschnittliche Einwohner. Aber ihr versteht was ich sagen möchte: man hat hier ein ganz normales Leben, und meins ist nicht wirklich viel anders als in Deutschland.

Klar sehe ich nicht, wie das Leben auf dem Land ist, wie Menschen wahrscheinlich schon am Stadtrand Tiranas mit der Armut zu kämpfen haben oder wie viele Obdachlose es wirklich gibt. Das alles gehört natürlich unumstößlich zu diesem Land dazu. Trotzdem möchte ich zeigen, dass es eine „helle Seite“ gibt, eine Seite des Fortschritts in Albanien. Und es ist ja nicht in Stein gemeißelt, dass Deutschland das Vorbild für dieses Land sein muss, man kann ja auch andere Wege gehen und trotzdem einen weitersteigenden Wohlstand erzeugen.

So oder so, ich fühle mich wohl und appelliere daran, „mein“ Land mal mit eigenen Augen anzuschauen. 🙂

Zum Abschluss noch das neuste Update zu meinen Sprachkenntnissen: Neulich haben wir unseren ersten Albanisch Test geschrieben, und ich habe 53 von 60 Punkten erhalten – es geht voran! 😀 Obwohl das zum Teil wirklich einfache Basisdinge waren, macht es doch ein bisschen Stolz, seinen eigenen Fortschritt in einer völlig fremden Sprache zu sehen. Der Unterricht macht immer noch sehr viel Spaß und ich wende immer mehr kleine albanische Sätze im Alltag an. 🙂

Morgen gehe ich wieder auf Reisen, dieses Mal in den Norden Albaniens, aber davon berichte ich das nächste Mal.

 

Bis dahin: Kalofsh mirë und bis bald

 

Sarah

PS: Hier noch ein Foto eines Ladens in meiner Straße

„Ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr!“

4 Gedanken zu „Freitag der Dreizehnte

  1. Pingback: Sechs Monate, in denen ich ein neues Land kennen und lieben lernte, in Bildern - STK: Sarah - Tirana? Klar!

  2. Liebe Sarah,
    wie schon beim letzten Mal lese ich Deine wirklich super gut geschriebenen Erlebnisse mit Begeisterung. Nicht immer sofort, aber auf jeden Fall 🙂
    Mach weiter so und danke, dass Du mich/uns daran teilnehmen lässt.
    Freu mich schon auf den nächsten Erlebnisbericht.
    Ganz herzliche Grüße
    Regina

    • Liebe Gini,

      freut mich wirklich sehr, dass du meinen Blog verfolgst und er dir gefällt. 🙂 Ich hoffe dir bzw. euch geht es gut, ganz liebe Grüße in die Heimat! ♥

  3. Hallo Sarah,

    es war wieder ein Genuss deine Zeilen zu lesen, danke.
    Bei der Gelegenheit habe ich auch wieder mal deine Eltern gesehen:):):).
    Immer mehr bekomme ich Lust, dort mal „vorbeizuschauen“.
    Genieße die Zeit weiterhin und sei herzlich von Ingrid gegrüßt.

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