Albanischer Winter – wärmer als in Deutschland, aber trotzdem kälter

Mirëmëngjes, mirëdita oder mirëmbrëma ihr Lieben (je nach dem, zu welcher Uhrzeit ihr das lest)!

Die gute Nachricht ist: der Regen hat gottseidank aufgehört. Die schlechte Nachricht ist jedoch: es ist kalt geworden, auch im mediterranen Teil Europas. An Temperaturen wie -15 °C wie zum Beispiel bei meinen Großeltern in Deutschland kommen wir hier in Albanien „leider“ nicht ran, aber – 2 °C fühlen sich doch noch mal kälter an, wenn man nur mit Klimaanlagen heizt (ja, diese Teile haben auch einen „heating mode“, mit dem man warme Luft in die Welt pusten kann), die zwar das Wohnzimmer wärmen, aber leider nicht Küche, Bad und Schlafzimmer. Ganz zu schweigen von den super isolierten Fenstern, durch die (K)EIN bisschen kalte Luft von draußen reinziehen kann.

Auch wenn ich immer sehr positiv von meiner Zeit berichte (was ich schreibe stimmt auch voll und ganz und wird von mir so wahrgenommen!), es gibt hier auch Dinge, die ich nicht so toll finde. Natürlich gibt es viele Aspekte, die die Menschen im Land nicht gut finden – die Zahlen der Auswanderer sprechen ja mehr als für sich – aber ich kann nun mal nur aus meiner Perspektive schreiben und weiß nicht, was die Menschen hier erlebt haben und was sie zum Weggang animiert hat. Ich habe auch nicht den Anspruch, die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen zu analysieren und auszuwerten. Ich nehme einfach nur wahr, reflektiere, denke darüber nach, wie ich das sehe und schreibe es auf.

So war es zum Beispiel vergangenen Dienstag extrem kalt in der Schule, da wir die gesamte Zeit Stromausfall hatten. Auch wenn die Schulstunden verkürzt waren (eine Stunde dauerte nun 30 Minuten), war es doch nicht nur für mich sehr unangenehm, trotz dicker Socken und Stiefel kalte Füße zu haben, sondern sicherlich auch für die Schüler, die zum Teil sogar mit Mütze und Handschuhen in den Klassen saßen – ich konnte immerhin mal ins Café, um mir etwas Heißes zu trinken zu holen!

Aber auch an dieser Situation kann man wieder sehen, wie spontan und originell Menschen in Albanien sein können. Da es ja gar keinen Strom gab (unglaublich, was alles an den Strom gebunden ist: Licht, Klimaanlage, Heizgeräte, Ladegeräte der Laptops, WLAN,…), gab es natürlich auch keine Schulglocke. Was wurde also gemacht? Irgendjemand der Lehrkräfte ist mit einer Art Kuhglocke durch alle vier Stockwerke gelaufen und zeigte durch das Klingeln den Anfang und Beginn der Stunde. Einfach zu komisch, wenn man null Komma null damit rechnet! 😀

Wenn man also weiß, dass es nicht so warm sein wird und man sich drauf vorbereiten kann (durch das Anziehen warmer Kleidung), ist das alles nicht so wild. Aber unvorbereitet kann das schon ziemlich nerven. Aber wieso wäre ich denn hier, wenn alles so geleckt und perfekt wie in Deutschland wäre?

Das ist auch eine der Erkenntnisse, zu der ich in meiner Zeit außerhalb von Deutschland gekommen bin: es geht uns so verdammt gut in Deutschland! All diese Nichtigkeiten, die zum Teil in unserer Gesellschaft diskutiert werden – Luxusprobleme, wenn ich hier die Lage der Dinge anschaue. Auch hier zur Beschwichtigung: ich weiß, dass es durchaus ernste Probleme in Deutschland gibt, die nicht kleingeredet werden können, aber diese Probleme meine ich nicht. Ich spreche von ganz alltäglichen Sachen, Dingen wie funktionierende Infrastrukturen, durchgehend gute sanitäre Anlagen, die beinahe Nichtexistenz von Stromausfällen und so weiter. Wirklich Kleinigkeiten, bei denen man beim Fehlen erst merkt, wie entspannt und angenehm sie den Alltag machen.

Ich bin wirklich gespannt, wie ich Deutschland wahrnehmen werde, wenn ich wieder da bin. Und das ist gar nicht mal so lang hin! Von den 161 Tagen meines „Einsatzes“ sind nur noch unglaubliche 25 Tage (!!!) übrig – Wahnsinn, wie schnell die Zeit vergeht!

 

Bevor ich hier noch weiter herum philosophiere, schreibe ich lieber mal etwas über die letzten Tage und was ich seit meinem letzten Blogeintrag erlebt habe:

 

Wie bereits angekündigt, hat der zweite Teil des DSD-II stattgefunden, die mündliche Prüfung. Zur Erinnerung: das ist eine Sprachprüfung, die den Schülern, bei Bestehen, ein Sprachniveau von B2 oder C1 bestätigt – das Muttersprachenniveau ist übrigens C2.

Die Prüfungen gingen vier Tage lang von 8.00 Uhr bis ca. 16.00 Uhr, also volles Programm für meine Kollegen, die in der Prüfungskommission saßen. Auch ich war von den Prüfungen nicht „unberührt“, da ich während der gesamten Zeit als Springerin eingesetzt war. D.h. ich habe mal die Aufsicht im Vorbereitungsraum für eine gewisse Zeit übernommen oder Blätter mit der Aufschrift „QETËSI JU LUTEM! PROVIM“ („Ruhe bitte! Prüfung!“) im Haus aufgehängt. An einem Tag war ich sogar auch als Aufsicht eingesetzt – ich hätte das vor einem Jahr wahrscheinlich nicht geglaubt, dass ich in einer ähnlichen Prüfung wie bei meiner Kommunikationsprüfung in Englisch Aufsicht führen werden würde. Aber so spektakulär und „schwer“, wie ich mir das vorgestellt hatte, war es gar nicht. 🙂 Was sehr cool war, war, dass ich auch einige Prüfungen mit anschauen durfte, es waren wirklich gute Präsentationen dabei! Insgesamt sind die Prüfungen sehr zufriedenstellend ausgefallen und wer weiß – vielleicht werde ich ja den einen oder anderen der Schüler im Oktober beim Studium in Deutschland wieder treffen?

Für das Ende der Prüfungswoche hatte sich hoher Besuch aus Bosnien und Herzegowina und Montenegro bei mir angekündigt! Meine beiden Mit-Kulturweitlerinnen Christina (Sarajevo) und Jana (Ulcinj/Ulqin) wollten ihre (beneidenswert langen) Winterferien nutzen, um mich im Süden zu besuchen. Da ich ja schon mal von Jana aus nach Hause (sprich Tirana 🙂 ) gefahren bin, versicherte ich den beiden, dass die Reise von Ulcinj nach Tirana kein Problem sei, ich abschätzen könnte, wie lang das ungefähr ab Shkodra in die Hauptstadt dauerte und ich wüsste, wo sie ankommen würden.

Glücklicherweise habe ich Jana per SMS geschrieben, wo sie ungefähr ankommen sollten, da der Furgon (keine Ahnung weshalb!) nicht von der normalen Straße, sondern von einer anderen Seite kam. Naja, wir haben uns trotz alledem gefunden, und das ist ja das Wichtigste! 😀

Star Wars

Star Wars VII – natürlich in 3D! 😀

Leider war das Wetter nicht ganz so toll für Sightseeing (okay, so viel gibt es nun nicht zu sehen 😀 ), aber wir hatten seeeehr viel Spaß zusammen. Neben langen Aufenthalten in Cafés und in einem chinesischen Restaurant (ich war so begeistert, dass wir das gefunden haben – wir haben Frühlingsrollen unter dem amüsanten Namen „byrek kineze“ bestellt) und vielen Gesangseinlagen („Nur nicht aus Liebe weinen…“, „Sorry“, „Atemlos“ und andere Klassiker) haben wir uns an verschiedenen Desserts probiert und uns im Cineplexx im TEG Star Wars: Episode VII – Eine neue Hoffnung im Original angeschaut (guter Film!!!).

Am Montagnachmittag habe ich die beiden noch auf den Dajti geführt, wo es bei -6 °C (die kälteste Temperatur, die ich bisher „gespürt“ habe) Schnee gab!

In der Gondel auf der „Hinfahrt“

 

Einer der vielen Ein-Mann-Bunker, die Hoxha in ganz Albanien bauen lies (gleich hinter diesem Exemplar folgen noch einige)

Check, ich habe Schnee in Albanien gesehen und gefühlt! Am nächsten Morgen haben sich die zwei leider schon wieder auf den Weg Richtung Norden gemacht, es war aber trotzdem echt schön, die beiden nochmal zu sehen, da sie ein Jahr in ihren Einsatzstellen bleiben und ich sie nicht auf dem Nachbereitungsseminar treffen werde.

Christina, Jana und ich

DANKE FÜR DIE SCHÖNE ZEIT MÄDELS! ♥

 

Jetzt am Wochenende war ich mit Fize endlich „im Süden“ unterwegs, nämlich in der UNESCO-Weltkulturerbe-Stadt Berat, auch bekannt als „die Stadt der tausend Fenster„.

Schnee, Palmen, UNESCO: Berat…

… die Stadt der tausend Fenster!

Damit war ich nun nördlich, östlich, südlich und westlich von Tirana und kann behaupten, Albanien schon ein bisschen besser zu kennen. 🙂

Kartenmaterial zur Unterstützung der geographischen Vorstellung

Schild des „Busbahnhofs“ (ich kann es immer noch nicht glauben)

Am Samstagmorgen machten wir uns auf den Weg von einem – haltet euch fest!!! – „Busbahnhof“ in Tirana, welcher scheinbar relativ neu eingerichtet wurde. Eigentlich kann man auch nicht von einem geregelten Busbahnhof sprechen, sondern von einem Parkplatz, auf dem Busse und Furgone in den unterschiedlichsten Größen standen und man nur anhand der Schilder in den Windschutzscheiben erkennen kann, wohin sie fahren. Das Geld für die Fahrt zahlt man später im Bus und die Abfahrt ist gefühlt, wenn fast alle Plätze besetzt sind. Aber immerhin – es gibt einen Ort, an dem es viele Busse in verschiedene albanische Städte gibt.

Gegen 12.30 Uhr erreichten wir Berat und wollten uns erstmal auf die Suche unseres „Guesthouse“ machen und unsere Rucksäcke abstellen. Blöderweise stand auf der Internetseite nur eine Straße, die es auf Google Maps aber nicht gab, von Straßennummern ganz zu schweigen… Nach einigem Hin und Her fanden wir dann auf der Karte, wo sich unser Zimmer so ungefähr befinden sollte. Also stapften wir blind drauf los und stiegen unzählige Treppen, bis wir unsere Unterkunft fanden. Von dort bot uns ein super schöner Blick auf Teile Berats und die dahinterliegenden Gebirge.

Blick von unserer Unterkunft über ein Teil Berats

Falls jemand Fragen hat, in welchem Land diese Kirche steht: Ich denke, die Antwort gibt der vergoldete Doppeladler 😀

Nach einem kleinen Päuschen erkundeten wir dann noch die Altstadt, die orthodoxe Kirche „Katedralja Fjetja e Shën Mërisë und die Moschee „Xhamia e Plumbit“. Dort habe ich übrigens zum ersten Mal live gesehen, wie ein Muezzin zum Gebet ruft, zwar via Mikrofon, aber immerhin nicht vom Tonband – sehr cool, das selbst mal zu erleben, ich hatte (positive) Gänsehaut! Wie auch in Tirana war es abends aber ziemlich frisch und im Zimmer funktionierte die Klimaanlage nur mäßig gut, weswegen wir beide den Rest des Abends dick eingekuschelt in unseren Betten verbrachten.

Teil der Burgruine

Am nächsten Tag brachen wir gegen 10.30 Uhr auf und machten uns auf den Weg zu einem weiteren Stadtteil Berats, zum hochgelegen Kala, begleitet von vielen Gesprächen von Einheimischen, die fragten, was zwei Mädchen in Berat machten, die sich nicht auf Albanisch unterhalten. Dank Fize weiß ich ziemlich detailiert, was die Leute uns so fragten. Neben den Standardfragen wie „Woher kommt ihr?“, „Was macht ihr hier (in der Stadt)?“, „Was macht ihr allgemein in Albanien?“ (diese Fragen verstehe ich auch noch) wurden aber auch schon ziemlich private Fragen und Ratschläge gegeben wie „Seid ihr eigentlich gebunden?“ und „Lasst euch ja nicht mit den bösen Jungs hier ein!“. Das scheint hier wohl ein anderes „Nähe-Gefühl“ zu sein, ich finde es aber eher amüsant als störend. Nach einem ca. 20-minütigen, ziemlich steilen Aufstieg, erreichten wir das „Viertel“, denn neben den Burgruinen gibt es auch noch schöne Wohnhäuser, die tatsächlich noch bewohnt sind.

Wäsche der Einheimischen im Touri-Bereich: ich find’s cool!

Nicht nur Menschen leben hier

Die Dreifaltigkeitskirche (Teil der Burganlage)

Außerdem konnte man von dort oben eine weitere „Sehenswürdigkeit“ Albaniens sehen, von der ich schon einige Male gelesen, aber gar nicht mit Berat in Verbindung gebracht habe: während der Zeit der Diktatur wurde in einen Gebirgszug der Vorname des Diktators „E N V E R“ Hoxha geschrieben. Dieser Schriftzug wurde nach dieser Zeit in „N E V E R“ (also engl. für „niemals“) umgestaltet:

Nun steht „N E V E R“ auf dem Gebirgszug

Danach machten wir uns dann auf den Heimweg, gegen 17.30 Uhr war ich dann wieder in meiner Wohnung in Tirana und lies beim Tatort das Wochenende ausklingen.

Ich, zufrieden nach einem schönen und erlebnisreichen Wochenende in Berat 😉

Zum Abschluss eine kleine Anekdote des heutigen Tages:

Ich bin heute in der Schule kurz als Vertretung in einer der beiden 12. Klasse eingesprungen, wo zurzeit das Buch „Homo faber“ von Max Frisch behandelt wird. Das Thema war „Walter Faber und die Frauen“ und die Schüler sollten passende Textstellen raussuchen – irgendwie kommt mir das doch ziemlich bekannt vor! 😀 Vor gut einem Jahr musste ich selbst fast genau die gleiche Aufgabe machen, da „Homo faber“ einer der drei Pflichtlektüren in meinem Abitur war – witzig, dass ausgerechnet dieses Buch auch hier in Tirana von meinen Kollegen behandelt wird. Tatsächlich war mein Deutschunterricht ziemlich gut (ohne schleimen zu wollen!), da ich mich wirklich noch an einige Textstellen erinnern konnte.

 

In diesem Sinne:

 

Shihemi se spejti dhe kalofsh mirë!

 

Sarah

 

PS: Seit heute ist es übrigens wieder ein bisschen wärmer hier, vielleicht erlebe ich ja noch einen frühen Frühling? 🙂

3 Gedanken zu „Albanischer Winter – wärmer als in Deutschland, aber trotzdem kälter

  1. Hey Sarah,

    es ist immer wieder spannend zu erfahren, was du in Albanien alles erlebst! Ich freue mich schon auf den nächsten Blogeintrag 🙂 Dein Schreibstil ist toll!

    Viele Grüße,
    Tina

  2. Hi Sarah,

    wie immer perfekt geschrieben und gestaltet. Macht Spass mit Dir Albanien zu entdecken. Bin gespannt was Du noch so alles erlebst. Freu mich schon auf Deinen nächsten Bericht.

    Liebe Grüße
    Regina

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