KUQ E ZI – Ein Land in Feierstimmung

Përshëndetje nga Shqipëri!

Seit meinem letzten Eintrag ist wieder etwas Zeit vergangen und ich habe viel zu erzählen – ich entschuldige mich also jetzt schon mal für die Länge dieses Posts. 😀

Am Samstag, den 3. Oktober 2015 war das Jubiläum zum 25. Tag der Deutschen Einheit und zu diesem Event hatte ich, wie bereits angekündigt, eine Einladung. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich auf so einem edlen Empfang und ich bin wirklich froh, mit meinem Kleid und Blazer entsprechend gekleidet gewesen zu sein. Die Feierlichkeiten begannen um 17. 30 im Nationaltheater für Oper und Ballett im Zentrum Tiranas. Nachdem ein Streichquartett und eine Opernsängerin zunächst die deutsche und danach die albanische Nationalhymne darboten, folgte eine Rede des deutschen Botschafters Hellmut Hoffman. Als ich hörte, dass neben sämtlichen religiösen Oberhäuptern und Diplomaten anderer Staaten sogar der albanische Präsident Bujar Nishani anwesend war, war ich sehr geehrt, in meinem jungen Alter bei solch einer wichtigen Veranstaltung dabei zu sein!

Carmina BuranaAnschließend folgte mein persönliches Highlight des Abends, die Aufführung der „Carmina Burana“ von Carl Orff mit Ballett. Die Musiker haben super gespielt, die Gesänge des Chors haben mir gleich zu Beginn mit dem berühmten „O Fortuna“ eine Gänsehaut bereitet und die Mischung aus klassischen, aber auch modernen Elementen des Ballett waren wunderbar – ihr seht, ich kann gar nicht aufhören zu schwärmen! Zum Abschluss gab es einen Empfang im Foyer und ich konnte endlich mein erstes gelerntes albanisches Wort mehrfach sagen: Gëzuar! Prost!

In den letzten Tagen habe ich auch wieder ziemlich viele interessante Menschen kennen gelernt und, man würde es nicht glauben, viele davon sind Deutsche! 😀 So habe ich zum Beispiel mit Fize, einem sehr netten gleichaltrigen Mädchen aus Dortmund, die beim Goethe Institut ein Praktikum macht, schon viel unternommen und mit ihr im Zuge des „Tetori Gjerman“, dem Deutschen Oktober, viele Veranstaltungen wie eine albanische Theateraufführung des Jugendromans „Tschick“ (glücklicherweise mit deutschem Untertitel) oder des Films „Goodbye Lenin“ (dieses Mal mit albanischem Untertitel) gesehen.


Zur Information:

Der Deutsche Oktober bezeichnet die kulturellen Deutschlandwochen, die jedes Jahr im Oktober in Albanien stattfinden. Mit Unterstützung vieler weiterer Partner und Sponsoren werden von der Deutschen Botschaft sehr viele Angebote wie Konzerte, Diskussionsrunden, Lesungen und andere spannende Dinge  für die Zuschauer kostenlos organisiert.


Die Veranstaltungen des Deutschen Oktobers sind natürlich für die Schüler am Sami Frashëri Gymnasium eine tolle Möglichkeit, sich außerhalb des Unterrichts mit der Deutschen Sprache zu befassen – aber auch ich finde die Events wirklich gut und bin ehrlich beeindruckt, wie viel von Seiten Deutschlands in die kulturelle Gestaltung in Albanien investiert wird.

Letzte Woche gab es dann ein wenig Abwechslung von dem nun langsam zum Alltag werdenden Leben hier in Tirana: mein Bruder Alex kam nämlich für einige Tage zu Besuch! Ich holte ihn am Donnerstag vom Flughafen in Tirana ab und nach kurzem Verschnaufen in meiner Wohnung ging es dann gleich weiter zu meiner ersten Albanischstunde meines Sprachkurses. Unsere Gruppe ist angenehm klein und es kommen– welch Überraschung – mit mir drei Leute von fünfen aus Deutschland. 😀 Nach einer kleinen Kennenlernrunde ging es dann auch schon los und ich muss sagen, dass ich in der ersten Stunde von „Shqip 1“ (Albanischanfängerkurs) richtig Spaß hatte und ich mich auf die nächsten Stunden freue!

Nach Ende des Sprachkurses um 20.30 Uhr ging es gleich weiter für Alex und mich, denn 15 Minuten später war etwas sehr Wichtiges: der Anpfiff zum lang erwarteten EM-Qualifikationsspiel zwischen Albanien und Serbien. Das Hinspiel in Belgrad im Oktober 2014 hatte nämlich für einige Furore gesorgt, da während des Spiels eine Drohne mit der Flagge „Großalbaniens“ über das Spielfeld flog und es daraufhin zu Randalen zwischen den Spielern beider Mannschaften, den Zuschauern und den Ordnungskräften kam. Hinter diesem Hintergrund waren wir also nun gespannt, wie das Rückspiel verlaufen würde, denn wenn Albanien, sowie das zeitgleich spielende Portugal, gewinnen würde, wäre Albanien erstmals in der Geschichte für eine Europameisterschaft qualifiziert. Daneben spielte der Fakt, dass Serbien der Gegner für dieses entscheidende Spiel sein würde, eine große Rolle. Wie wichtig dieses Match war, merkte ich schon am Vormittag in der Schule, als viele Schüler in rot-schwarz gekleidet, in Trikots und T-Shirts mit „Albania“-Aufschrift und Fahnen in die Schule kamen. In der Großen Pause wurden Stimmungslieder von der Schule über Boxen abgespielt und die Schüler tanzten dazu –  nach meiner Erfahrung wäre das völlig unmöglich in einer Schule in Deutschland. Generell waren im Laufe des Tages sehr viele Albanienflaggen zu sehen, noch viel mehr als sonst im Stadtbild!

Abends schauten wir dann das Spiel mit sehr netten Schülern aus der 12. Klasse im Blloku, dem Ausgeh- und Partyviertel Tiranas. Leider verlor Albanien 0:2, jedoch bestand noch am letzten Spieltag am Sonntag die Chance auf die Qualifikation, weswegen wahrscheinlich trotz des negativen Ausgangs viele Leute mit Stolz Autokorso fuhren – auch das wäre in Deutschland nicht vorstellbar, oder?

Am Freitag stand, nach einem super leckeren, von Alex zubereitetem, Mittagessen eine Stadtbesichtigung Tiranas an, und ich bemerkte erstmals, dass ich Alex hier meine Stadt zeigte und ich wirklich angekommen bin. Abends trafen wir uns dann mit Freunden von mir im Sky Tower und tranken etwas oben in der sich drehenden Bar, von wo aus wir einen super 360 ° Blick über die City hatten.

Noch kein Regen: Alex und ich in Durrës

Leider verließ uns in den darauf folgenden Tagen das gute Wetter, wovon wir uns aber nicht unterkriegen ließen und trotz Regen mit dem Furgon für 150 Lek pro Nase am Samstag nach Durrës fuhren. Auch Alex war von den Preisen sehr überrascht, da 150 Lek so ungefähr 1,10 € entsprechen – für diesen Preis kann ich in Deutschland nicht mal in die Innenstadt fahren! Und so erkundeten wir nach ca. 50 Minuten Fahrt die von Palmen gesäumte Innenstadt Durrës‘, schauten das Amphitheater an und waren zum Kaffee trinken an der Promenade und beobachteten das aufgeraute Meer. Nach einem extrem leckeren Mittagessen nach albanischer Art (bestehend aus seeeehr viel Fleisch) machten wir uns wieder auf den Rückweg in die Hauptstadt. Von dort ging es dann ins TEG (Shoppingmall), wo leider nur ich fündig wurde. Nach einem ausgiebigen Sonntagsfrühstück fuhren wir, trotz Platzregen, mit dem Bus in Richtung des Hausberges Tiranas, dem Dajti (eine Fahrt kostet übrigens 30 Lek ~ 20 Cent). An der Endbushaltestelle angekommen, verschlimmerte sich der Regen jedoch noch um einiges, so dass wir entschieden, erstmal einen Macchiato zu trinken. Ich habe Alex also schnell an den albanischen Lifestyle gewöhnt 😉 Der Macchiato wird hier sehr häufig getrunken, dabei handelt es sich um einen Espresso mit einer Milchhaube und kostet so um die 60 Lek, also nicht mal 50 Cent (klar sind die Preise mitten im Zentrum ein wenig teurer). Leider besserte sich die Wetterlage nicht wirklich und bei dicken Wolken vor einem Berg macht es sich ja nicht wirklich Sinn hoch zufahren, wenn man sowieso nichts sieht. Also entschieden wir uns dazu, wieder ins TEG zu fahren, diesmal aber um ins Cineplexx zu gehen und den Film „The Martian“ in 3D mit Matt Damon zu schauen. Da Albanien nicht mal 3 Millionen Einwohner hat, lohnt es sich nicht, die Filme zu synchronisieren und so konnten wir beide bequem dem Film folgen, während die Einheimischen, sollten sie kein Englisch verstehen, die albanischen Untertitel lesen müssen. Nach Ende des Films bemerkten wir dann, dass das Spiel zwischen Albanien und Armenien anscheinend schon um 18.00 Uhr angefangen hatte (wegen der Zeitverschiebung in Armenien) und wir bekamen noch die letzten 5 Minuten der ersten Halbzeit auf einer Leinwand mitten in der Mall mit. Der Kommentator wurde übrigens auch auf der Toilette übertragen, damit man ja nichts verpasst…

Mit dem Halbzeitstand von 2:0 für mein Gastland machten wir uns dann wieder auf den Weg ins Zentrum um etwas zu Abend zu essen: ein typisch albanisches Mahl – lecker! Dort bekamen wir dann auch via Fernseher das 3:0 und schließlich den Abpfiff mit. Albanien hatte also zum ersten Mal in der Fußballgeschichte die Qualifikation zu einer EM geschafft!!! In der auf das Spiel folgenden Berichterstattung wurden Bilder vom Sheshi Skenderbej (dem zentralen Platz in Tirana) gezeigt und Alex und ich waren uns sofort einig, dass wir, nach dem wir aufgegessen hatten, die fünf Minuten ins Zentrum laufen mussten, um das Spektakel live zu erleben.

Und dann begann die größte Fußballparty, die ich je gesehen habe!

Feier zur EM-Qualifikation: KUQ e ZI – Rot und Schwarz ist überall

Schon auf dem Weg zum Sheshi Skenderbej wurden wir von hupenden Autos mit rot-schwarzer Beflaggung begleitet, das bereitete uns jedoch nicht mal annähernd auf das Kommende vor. 😀 Vor Ort waren die dreispurigen Straßen verstopft, alles war rot-schwarz, Männer standen oberkörperfrei mitten im Regen auf den Autodächern, Bengalos wurden gezündet und ein Lied unterstrich die gesamte Situation: KUQ E ZI JE TI („Rot und Schwarz bist du“). Das Lied ist unter folgendem Link zu finden: https://www.youtube.com/watch?v=7s8pMXrNDtY

So eine Stimmung habe ich wirklich noch nie erlebt – und ich war letztes Jahr bei der Party dabei, als Deutschland Weltmeister wurde!

Wie unglaublich dieser Einzug in die EURO 2016 war, zeigte sich auch am Montag in der Schule. Jeden Morgen gegen 7.50 Uhr werden normalerweise die Schüler in die Schule gelassen, die Uhrzeit variiert natürlich immer ein wenig…

Party auf dem SchulhofDiesen Montag jedoch nicht. Die Schüler standen alle im Hof und warteten auf den Einlass, gegen 8 Uhr jedoch wurden einige Schüler mit Albanienflaggen nach vorne geholt, und nach einigen Lobeshymnen (nehme ich mal an) wurde dann endlich wieder „Kuq e Zi Je Ti“ abgespielt. Alex und ich beobachteten dann das Spektakel von oben aus dem Lehrerzimmer im vierten Stock zusammen mit einigen Kollegen aus der Deutschen Abteilung. Die erste Stunde würde also auf jeden Fall ausfallen. In der Zwischenzeit wurden wieder Bengalos gezündet und ausgelassen getanzt und wir erfuhren, dass heute der Unterricht in ganz Tirana ausfallen würde – das muss man sich erst mal vorstellen! Nachmittags wurde die Mannschaft sogar am Sheshi „Nënë Tereza“ vom Premierminister und zigtausend Fans empfangen.

Blick über Tirana vom Dajti

Alex und ich nutzen den unerwartet freien Tag, um es noch mal mit dem Dajti zu probieren und tatsächlich hatten wir nach der 15-minütigen Gondelfahrt oben auf dem Berg eine tolle Aussicht über Tirana. Abends waren wir zum Abschluss des letzten gemeinsamen Abends nochmal schön im Blloku essen. Am Dienstag kam Alex wieder mit in die Schule und diesmal gab es wirklich Unterricht. 😀 Nach einigen Schulstunden machten wir uns dann leider schon auf dem Weg zum Flughafen und mussten uns nach wirklich schönen gemeinsamen Tagen voneinander verabschieden.

Ansonsten verlief die Woche wieder normal ab. Ich habe übrigens ein Schülerzeitungsprojekt an der Schule gestartet und diese Woche war das zweite Treffen mit dem Schülerzeitungsteam, bei dem wir  bereits konkrete Themen für die Texte der ersten Ausgabe besprachen.

Nun ist schon wieder Wochenende – und zwar ein verlängertes, da am Montag der „Mutter Teresa“-Feiertag ist – das heißt, ich kann ein wenig länger entspannen. 😉

Bis bald und mirupafshim

Sarah

3 Gedanken zu „KUQ E ZI – Ein Land in Feierstimmung

  1. Pingback: Sechs Monate, in dem ich ein neues Land kennen und lieben lernte, in Bildern - STK: Sarah - Tirana? Klar!

  2. Liebe Sarah,
    danke für deine sehr erfrischend geschriebene Erlebnistour,
    an der ich durch deine bildhaften Eindrücke wunderbar teilnehmen konnte.
    Viel Freude, schöne Erlebnisse, weiterhin viele nette Menschen um dich herum und Spaß beim Lernen der albanischen Sprache.
    Sei lieb umarmt
    Deine Claudia

    • Hallo liebe Claudia,
      es freut mich sehr, dass du meine Erlebnisse hier verfolgst! Und vielen lieben Dank, ich denke, ich werde hier noch einige spannende Dinge erleben.
      Grüße aus Albanien 🙂

Kommentare sind geschlossen.