Expedition ins Grasland

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Nach heftigen Gewittern und Regenfällen haben sich die Temperaturen abgekühlt. Das Gras ist feucht vom Tau. Der Vollmond blinzelt durch die Wolkendecke und taucht die Wiese in silbriges Licht. Eine leichte Brise zerzaust die Wipfel der Bäume. Um zehn vor sechs ist es noch dunkel, doch am Horizont lässt sich schon die Morgendämmerung erahnen.
Normalerweise beginnt die Schule um sieben Uhr, doch heute treffen bereits eine Stunde vorher Kinder ein. Mit Rucksäcken bepackt und mit Angelruten aus Bambus über den Schultern versammeln sich leise tuschelnd die Schüler der vierten, fünften und sechsten Klasse vor dem Schulgebäude. Dort warten bereits fünf Lehrer, ein Traktor mit großem Anhänger samt Fahrer und ich. Heute, einen Tag vor Beginn der Osterfeiertage, ist Wandertag. Gemeinsam hieven wir lange Bänke auf die Ladefläche – zum Sitzen. Zuerst nimmt der Rollstuhlfahrer unter den Schülern Platz auf dem Anhänger, dann folgen die restlichen Kinder.

Gut gelaunt begeben wir alle uns auf die holprige Fahrt. Laut knattert und ächzt der Traktor. Die Kinder stimmen Lieder an, die sie im Musikunterricht gelernt haben und klatschen dazu. Auf der roten, von Schlaglöchern übersäten Erdstraße geht es vorbei an Eukalyptuswäldchen, Wiesen, kleinen Seen und Flüssen.
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Schließlich machen wir an einem Wasserlauf halt. Alle klettern vom Anhänger, es werden Köder verteilt und die Kinder verstreuen sich in der Umgebung und beginnen, zu angeln. Es dauert nicht lange und der erste Pyranha hat angebissen. Schon ist unter den Schülern ein Wettstreit entfacht, wer die meisten Fische fängt. Die aufgehende Sonne wirft ihr warmes Licht auf die Szenerie. Von allen Seiten erschallt Kinderlachen.
Nachdem genug Fische gefangen worden sind, werden diese ausgenommen und in einer großen Kühlbox auf dem Anhänger verstaut, damit sie frisch bleiben bis die Kinder ihre selbst gefangenen Fische mit nach Hause nehmen können. Wir fahren noch eine Weile, bis wir zu einer Badestelle gelangen. Dort wird Volleyball gespielt und die Kinder planschen im Wasser. Nach einer Weile werden die Kinder beim Spielen unterbrochen, denn – wie die Lehrer zufällig bemerkt haben – der Osterhase war da. Im Wald wird fieberhaft gesucht; an jedes Kind hat man gedacht, sodass sich bald alle Schüler mit reicher Beute versammeln können zum Mittagessen. Danach machen wir uns auf den Heimweg.

Ich komme aus einem Land, in dem Schulklassen mit dem Bus auf Exkursion fahren, in dem die Schüler nur dann Schwimmen gehen dürfen, wenn mindestens ein Sportlehrer mit Freischwimmer anwesend ist, in dem man zum Fischen einen Angelschein benötigt und in dem man vor dem Sportunterricht Ohrringe herausnehmen oder mit Krepp-Band abkleben muss wegen der Verletzungsgefahr.
Ein Wandertag, wie ich ihn heute erlebt habe, wäre in Deutschland undenkbar und doch ist dies einer der schönsten Schulausflüge, die ich unternommen habe.