Archiv der Kategorie: Seminare

Reise nach Argentinien – einige Eindrücke

SAM_4538
Busreise

Um die Mittagszeit steigen wir am Terminál in Asunción in den Bus. Vor uns liegen 21 Stunden Fahrt bis nach Córdoba. Vor allem in Paraguay, wo es keinerlei Züge gibt, aber auch in Argentinien ist der Bus das öffentliche Verkehrsmittel der Wahl. Es gibt ein engmaschiges Liniennetz und regelmäßige Abfahrtszeiten. Am Anfang verwirrt uns die Vielzahl verschiedener Busunternehmen, die am Terminál ihre Tickets anbieten – schließlich bieten sie alle unterschiedliche Routen an und es gibt keinerlei Preisbindung.
Die Busse sind meist zweistöckig und es kann zwischen zwei Komfortklassen gewählt werden (Cama bzw. Semi Cama). Oft kommt es vor, dass Händler zusteigen und ihre Waren an die Passagiere verteilen. Nach einer Weile werden die Alfajores (Kekse mit Dulce-de-Leche-Füllung und Schokolade), Handyhüllen oder Taschentücher wieder eingesammelt. Wer etwas davon behalten möchte, bezahlt. In Paraguay wird oft Chipa, das Nationalgebäck, aus großen Körben angeboten – entweder steigen die Verkäufer in den Bus oder Chipa und Geld wechseln an Mautstellen, wo der Bus halten muss, durch die geöffneten Busfenster hindurch den Besitzer. Während der Busfahrt gibt es üblicherweise Verpflegung, ähnlich wie im Flugzeug.
An der Grenze zu Argentinien müssen wir alle aussteigen und uns einen Ein- sowie einen Ausreisestempel im Pass vermerken lassen. Unsere Fahrt wird noch zwei weitere Male unterbrochen wegen Kontrollen der argentinischen Polizei. Jedes Mal wird sämtliches Gepäck ins Freie getragen und von Hunden abgesucht.
Die Nacht verbringen wir auf unseren ausgeklappten Sitzen und finden diese Art zu Reisen eigentlich recht komfortabel. Um ca. halb acht geht die Sonne auf. Wir sind kurz vor Córdoba; die Landschaft hat sich gewandelt. Bis zum Horizont erstrecken sich in der Sonne leuchtende Weizenfelder. Die rote Erde, die wir aus Paraguay kennen, ist grauer Erde gewichen.

Das Seminar

DSC_0194

Unsere Unterkunft in Villa General Belgrano

Die fünf Seminartage vergehen wie im Flug. Am Montag Morgen fahren wir mit dem Bus von Córdoba in das 75 Kilometer entfernte Villa General Belgrano. Der Weg geht bergauf durch die trockene, hügelige Landschaft. Anders als in meiner Einsatzstelle in Paraguay hat der Herbst die Landschaft gefärbt. Eiche und Ahorn stehen in rotem Laub und wechseln sich mit Dornsträuchern, Nadelgehölzen, trockenen Gräsern und Kakteen ab. Unsere Fahrt führt uns durch die Sierras de Córdoba, vorbei am Stausee Lago los Molinos, bis wir schließlich den kleinen Ort erreichen. Das Hostel, in dem wir für die Seminarzeit wohnen, ist rustikal und gemütlich.
Es gibt reichlich Anlass und Raum für Gespräche: Alle Freiwilligen kommen aus unterschiedlichen Einsatzstellen und haben teils gegensätzliche, teils sehr ähnliche Erfahrungen gemacht. Im Lauf der Woche finden wir uns in AGs zusammen, um konkrete Situationen, Fragen und Konflikte, die sich während der Freiwilligenarbeit auftun, zu behandeln. Gemeinsam entwickeln wir neue Ideen für Projekte in den Einsatzstellen.
Immer wieder wird im Seminar Bezug genommen auf den Ort Villa General Belgrano. Wir hören den Vortrag einer Stadtführerin und unternehmen eine Rallye. Das heute sehr touristische Städtchen ist im Alpenstil errichtet worden – dies ist auf die Deutschen, Schweizer und Italiener, welche sich dort ansiedelten, zurückzuführen. Auch Überlebende der Besatzung des deutschen Kriegsschiffs Admiral Graf Spee, welches im zweiten Weltkrieg vor Montevideo versenkt worden war, kamen dorthin.
Ich nehme viel mit von diesem Seminar. Durch die geringere Zahl Freiwilliger ist die Atmosphäre deutlich persönlicher gewesen, so haben sich gute Gespräche ergeben und eine Menge neuer Ideen für die nächsten drei Monate.

Sierras de Córdoba um Villa General Belgrano

Sierras de Córdoba um Villa General Belgrano

Córdoba und Buenos Aires

Nach dem Seminar habe ich mir eine Woche freigenommen, um noch mehr von Argentinien zu sehen. Gemeinsam mit einer Mitfreiwilligen habe ich die Zeit genutzt, um mit dem Bus nach Córdoba und von dort aus nach Buenos Aires zu fahren. Wir haben eine Menge gesehen in so kurzer Zeit; von Buenos Aires ist mir vor allem die Gegensätzlichkeit von Reichtum und Armut im Gedächtnis geblieben, die diese Stadt kennzeichnet. Die Armut in den äußeren Vierteln der Stadt steht im extremen Gegensatz zum Prunk im Stadtzentrum mit seinen europäischen Bauten aus dem 19. Jahrhundert oder im renovierten und teuren Hafenviertel Puerto Madero.
Argentinien leidet seit Jahren unter einer Wirtschaftskrise und Inflation. Oft entstehen lange Schlangen an Geldautomaten. Dort kann man meist maximal 2400 argentinische Pesos auf einmal abheben; das entspricht in etwa einem Betrag von 150 Euro.
Was uns auffällt: Viele Leute sind sehr offen und freundlich. Wir werden häufig angesprochen und gefragt, wo wir herkommen und es ergeben sich schnell Gespräche. So erklärt uns ein Kellner im Café, dass er eine Europareise plane und fragt uns, wie man vom Flughafen Berlin Tegel in die Innenstadt käme. Schließlich schenkt er uns einen Reiseführer und wünscht uns noch eine schöne Zeit in Buenos Aires. Und die haben wir tatsächlich.

Mir ist klar, dass die Eindrücke, die ich in der Woche gewonnen habe, nur sehr flüchtig sind. Den Orten kann ich in meinen Worten nicht gerecht werden: Deshalb bleibt es an dieser Stelle bei einigen Impressionen aus Córdoba und Buenos Aires.

Halbzeit

Es ist merklich kühler geworden. Oft kommt kräftiger Wind auf; es gewittert. Sintflutartige Wolkenbrüche ergießen sich über die sanften Hügellandschaften der Kolonie. Lässt der Sturm nach, verlieren die tiefgrünen Weidelandschaften sich im Dunst. Der Winter steht vor der Tür.
Bald sind es drei Monate, die ich hier wohne und arbeite – und damit ist es Zeit für das einwöchige Zwischenseminar. Es soll zum Austausch unter den Freiwilligen und gleichzeitig zur Reflexion der bisherigen Monate dienen. Schließlich ist es auch Gelegenheit, Projekte zu planen und mit neuen Impulsen in die zweite Halbzeit des Freiwilligendienstes zu starten.
Nicht zuletzt freue ich mich darüber, dass es bei Córdoba in Argentinien stattfinden wird – Gelegenheit also, noch mehr zu sehen. Deshalb werden wir für einige Tage in Córdoba sein und in der Woche nach dem Seminar in Buenos Aires.
Morgen geht es zunächst mit dem Bus von Asunción nach Córdoba – am Montag beginnt das Seminar. Nun bin ich gespannt und freue mich auf zwei interessante Wochen voller neuer Eindrücke.

Freiwilligentreffen in Asunción

SAM_4150
Vergangenes Wochenende hat die deutsche Botschaft in Asunción alle Weltwärts- und Kulturweitfreiwilligen, die derzeit in Paraguay tätig sind, zu einem Treffen eingeladen. Zu den Themen Armutsbekämpfung und entwicklungspolitische Zusammenarbeit Deutschlands in Paraguay haben ein Vertreter der paraguayischen Behörde für technische Planung (Secretaría Técnica de Planificación) und die Landesdirektorin der GIZ (Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit GmbH) in Paraguay.
Besonders interessant ist für mich die in der Diskussion aufgeworfene Frage, ob die mennonitischen Kolonien, welche einen Großteil der paraguayischen Wirtschaftskraft ausmachen, ein übertragbares Gesellschaftsmodell liefern. Religion eint die Mennoniten und sorgt für deren Identifikation mit ihrer Kolonie und mit ihrer Arbeit für die Kolonie. Dieses Konzept ist Grundlage des Wohlstandes der Kolonien. Doch es beruht auf einer weitreichenden Homogenität der Ansichten, Weltanschauung und Lebensweise unter den Kolonisten.
Bei dem Treffen habe ich viele andere Freiwillige kennenlernen dürfen, deren Einsatzstellen sehr anders sind, als meine. Der Austausch hat gut getan.

Den Rest des Wochenendes habe ich gemeinsam mit meinen Mitfreiwilligen dazu genutzt, die paraguayische Hauptstadt zu erkunden – eine erfrischende Abwechslung von der ländlichen Gegend um Itacurubí del Rosario.
Mein Soundtrack dieser Stadt ist ebenso dissonant wie mitreißend. Von den Marktständen am Rande des Elendsviertels am Ufer des Río Paraguay dröhnt basslastige Chartmusik aus alten Boxen. Nur einen Steinwurf entfernt, auf der anderen Straßenseite, erhebt sich das Parlamentsgebäude. Davor parkt ein Militärpanzer, dessen Fahrer seine bestiefelten Füße lässig übereinandergeschlagen und auf das Lenkrad gelegt hat. Er raucht Zigarette.
Die Sonne brennt herab auf staubige Straßen, darüber bilden Unmengen von Stromleitungen ein kompliziertes Geflecht.
Graffiti-bemalte Häuser, schicke Hotels, unvollendete Rohbauten von Hochhäusern, streunende Hunde, die in Bergen von Müll wühlen, Alleen von Mandarinenbäumen, patroullierende Soldaten, Straßenhändler und -musiker, Prediger, Bettler, hupende Taxis, die in rasantem Tempo durch die Stadt jagen – alles wird teil des schwingenden Rhythmus von Asunción.
Mehr davon!

 

Vorbereitungsseminar

DSC_0062

Sämtliche organisatorischen Vorbereitungen, angefangen beim beantragen von Dokumenten für Visa und Versicherungen bis hin zu Reiseimpfungen und Kofferpacken, sind abgeschlossen. Immer wieder stelle ich mir die Frage: „Habe ich etwas Wichtiges vergessen?“
Bei genauerem Nachdenken muss ich mir jedoch eingestehen: Darum geht es hier in Wahrheit gar nicht. Zwar mag auf materieller und formaler Ebene alles erledigt sein. Doch es sind noch viele Fragen offen. Es ist die Ungewissheit darüber, was in den nächsten Monaten auf mich zukommt, welche für meine innere Unruhe verantwortlich ist. Letztlich aber überwiegen die Vorfreude und die Neugierde.

Seit Beginn der Bewerbungsphase im April 2015 ist eine Menge Zeit verstrichen. Nun wird es endlich konkret.
Kurz vor der Ausreise findet in der EJB Werbellinsee in Berlin ein zehntägiges Vorbereitungsseminar statt. Die 175 Freiwilligen kommen mit unterschiedlichen Erwartungen und Vorkenntnissen. Sie werden mit den verschiedenen Partnerorganisationen in Einsatzstellen in Afrika, Asien, Lateinamerika, Osteuropa, dem Nahen Osten und der GUS reisen. Es gibt die Möglichkeit, sich mit anderen Freiwilligen und Alumni auzutauschen. Meine Vorstellung von Freiwilligenarbeit im Ausland wird realer.

Inhaltlicher Schwerpunkt des Seminars sind die Themen Rassismus und Postkolonialismus. In Vorträgen wird deutlich gemacht, dass es sich bei Rassismus nicht um ein menschliches Attribut handelt, sondern um ein historisch gewachsenes Phänomen und Konstrukt.
Dabei wird auch auf  die koloniale Vergangenheit, die den Westen reich gemacht hat und deren Einflüsse bis heute in Gesellschaft und Politik erkennbar sind, aufmerksam gemacht.

In Vorträgen, Workshops und Diskussionsrunden werden Fragen aufgeworfen und diskutiert: Was macht Kultur aus? Welche Rolle haben Freiwillige in ihrer Einsatzstelle? Wie verhält man sich, wenn das im Ausland Erlebte den eigenen moralischen Wertvorstellungen widerspricht? Was ist Rassismus? Was hat Postkolonialismus mit dem Freiwilligendienst zu tun? Wie ist mit Intersektionalität umzugehen?

Zehn Tage voller Diskussionen, neuer Eindrücke und Denkanstöße liegen hinter mir. Einige Fragen werden mich gewiss nicht loslassen und während meiner Zeit in Paraguay nachwirken.
Ich habe mir vorgenommen, in den kommenden Wochen und Monaten regelmäßig zu berichten, wie ich meinen Freiwilligendienst erlebe. Ich werde mir dabei Mühe geben, nicht zu pauschalisieren. Es versteht sich jedoch von selbst, dass ich keinen umfassenden Eindruck weitergeben kann. Mein Bild von Paraguay wird geprägt sein von dem, was mir dort in der begrenzten Zeit an den Orten, an denen ich mich aufhalten werde, begegnet.
Ansonsten: viel Freude auf diesen Seiten!