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Freiwilligentreffen in Asunción

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Vergangenes Wochenende hat die deutsche Botschaft in Asunción alle Weltwärts- und Kulturweitfreiwilligen, die derzeit in Paraguay tätig sind, zu einem Treffen eingeladen. Zu den Themen Armutsbekämpfung und entwicklungspolitische Zusammenarbeit Deutschlands in Paraguay haben ein Vertreter der paraguayischen Behörde für technische Planung (Secretaría Técnica de Planificación) und die Landesdirektorin der GIZ (Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit GmbH) in Paraguay.
Besonders interessant ist für mich die in der Diskussion aufgeworfene Frage, ob die mennonitischen Kolonien, welche einen Großteil der paraguayischen Wirtschaftskraft ausmachen, ein übertragbares Gesellschaftsmodell liefern. Religion eint die Mennoniten und sorgt für deren Identifikation mit ihrer Kolonie und mit ihrer Arbeit für die Kolonie. Dieses Konzept ist Grundlage des Wohlstandes der Kolonien. Doch es beruht auf einer weitreichenden Homogenität der Ansichten, Weltanschauung und Lebensweise unter den Kolonisten.
Bei dem Treffen habe ich viele andere Freiwillige kennenlernen dürfen, deren Einsatzstellen sehr anders sind, als meine. Der Austausch hat gut getan.

Den Rest des Wochenendes habe ich gemeinsam mit meinen Mitfreiwilligen dazu genutzt, die paraguayische Hauptstadt zu erkunden – eine erfrischende Abwechslung von der ländlichen Gegend um Itacurubí del Rosario.
Mein Soundtrack dieser Stadt ist ebenso dissonant wie mitreißend. Von den Marktständen am Rande des Elendsviertels am Ufer des Río Paraguay dröhnt basslastige Chartmusik aus alten Boxen. Nur einen Steinwurf entfernt, auf der anderen Straßenseite, erhebt sich das Parlamentsgebäude. Davor parkt ein Militärpanzer, dessen Fahrer seine bestiefelten Füße lässig übereinandergeschlagen und auf das Lenkrad gelegt hat. Er raucht Zigarette.
Die Sonne brennt herab auf staubige Straßen, darüber bilden Unmengen von Stromleitungen ein kompliziertes Geflecht.
Graffiti-bemalte Häuser, schicke Hotels, unvollendete Rohbauten von Hochhäusern, streunende Hunde, die in Bergen von Müll wühlen, Alleen von Mandarinenbäumen, patroullierende Soldaten, Straßenhändler und -musiker, Prediger, Bettler, hupende Taxis, die in rasantem Tempo durch die Stadt jagen – alles wird teil des schwingenden Rhythmus von Asunción.
Mehr davon!

 

La piña – die Ananas

Die Vorhänge flattern im Wind, der durch die geöffneten Fenster in das Klassenzimmer hineinweht. An der Decke rotieren zwei Ventilatoren. Dennoch fühlt es sich so an, als stehe die Luft im Raum. Es ist kurz nach zehn am Vormittag, die fünfte Stunde hat gerade begonnen und es herrschen spätsommerliche Temperaturen von 32°C.
Die insgesamt fünfzehn Schüler der zweiten und dritten Jahrgangsstufe werden aufgrund des Lehrermangels zusammen unterrichtet. Im Augenblick hat die zweite Klasse Mathematik und rechnet Aufgaben gemeinsam mit der Klassenlehrerin. Währenddessen sind die Drittklässler mit Schreibaufgaben im Deutschunterricht beschäftigt. Auf Zetteln stehen Satzfragmente, welche die Kinder in sinnvoller Reihenfolge anordnen sollen, bevor sie die entstandenen Geschichten in ihren Heften niederschreiben. Ich gehe von Tisch zu Tisch, helfe, wenn nötig und korrigiere Fehler.

So ähnlich läuft in meiner Einführungswoche jede Stunde ab, die ich in den Klassen der Primarstufe (erste bis sechste Jahrgangsstufe) verbringe. Man setzt mich im Unterricht in allen Fächern ein. In vielen Klassen gibt es Kinder, die besonderen Förderbedarf haben. Sei es wegen körperlicher Behinderung, Lernschwäche, Konzentrationsstörungen oder wegen Sprach- und Gehörschädigungen. Dann begleite ich gezielt diese Kinder während der Unterrichtsstunden, erkläre ihnen die Aufgaben ausführlich, beantworte ihre Fragen und unterstütze sie beim Lesen und Schreiben. Manchmal wird die Klasse auch geteilt, wenn für eine Aufgabe bespielsweise ein solides Leseverständnis erforderlich ist: Der Großteil der Schüler erledigt die gestellte Aufgabe weitgehend selbstständig, während ich mit einer kleinen Gruppe von zwei bis drei Schülern den Klassenraum verlasse und wir das behandelte Thema gemeinsam erarbeiten. Einzelnen Schülern, bei denen der Förderbedarf besonders hoch ist, gebe ich gesondert Nachhilfestunden im Fach Deutsch.

Die Muttersprache vieler Schüler ist Guaraní. Da in der Primarstufe alle Fächer bis auf Geschichte und Spanisch in deutscher Sprache unterrichtet werden, treten hier oft Schwierigkeiten auf. Ab der siebten Klasse ist die Unterrichtssprache überwiegend Spanisch. Von den mennonitischen Kindern sprechen viele zu Hause Plattdeutsch.
Bei solch einer Menge verschiedener sprachlicher Einflüsse ist es kaum verwunderlich, dass eine Vermischung stattfindet. Sowohl Schüler als auch Lehrer bauen oft ganz selbstverständlich guaranische, spanische und plattdeutsche Worte in hochdeutsche Sätze ein.
Wenn ich mit den Schülern der ersten Klasse die deutschen Vokabeln für Obst wiederhole, dauert es nicht lange, bis die spanischen Begriffe genannt werden. Die Kinder bringen mir neue Vokabeln bei und schließlich lerne ich sogar mir bisher unbekannte Obstsorten kennen: Die kleinste Zitrusfrucht heißt Kumquat.