Kulturschock

Hätte mich vorher niemand darauf hingewiesen, wäre ich nach den ersten Tagen, die interessant und aufregend waren, und in denen gar keine Zeit blieb, jemanden oder etwas zu vermissen, wahrscheinlich in ein seeehr tiefes Loch gefallen. An dieser Stelle: danke an Dora und Emily!

Aber es ist tatsächlich so. Wenn man die ersten Tage überstanden hat und sich langsam so etwas wie Alltag einpendelt, dann merkt man auch, was diesen von dem Alltag zu Hause unterscheidet.

Eigentlich ist nämlich alles anders. Morgens in der Küche frühstücke ich umringt von drei Mongolen, die auf dem Sofa schlafen. Und egal wie leise man auch ist, einer wacht immer auf. Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, wie sie hier vorher in der 2 Zimmer Wohnung plus Wohnküche gewohnt haben, aber es scheint mir so, als ob die Kinder mit der aktuellen Situation nicht ganz zufrieden sind. Denn Kim und ich haben jeweils unser eigenes Zimmer während die drei eigentlichen Bewohner nun alles im Wohnzimmer machen müssen. Unsere Zimmer umfassen aber auch nur ein Bett und einen Schrank, Kim hat sogar noch einen Fernseher (Fluch der Karibik auf mongolisch klingt echt strange!). Wenn man also mal nach Hause skypen möchte, muss man sich entweder ins Wohnzimmer setzen, wo sechs Ohren mitlauschen oder in ein Café, wo es wahrscheinlich noch mehr sind. Privatsphäre wenn man sie gerne hätte, gibt es also nicht.
Aber der Reihe nach. Morgens duschen sollte man gleich mal vergessen, das Wasser ist zu der Zeit nämlich arschkalt. Am 15. September wird hier angeblich die Zentralheizung angestellt. Ein Tag, der uns wie ein Licht am Ende des Tunnels erscheint.

Auf dem Weg zur Schule müssen wir eine große Kreuzung und noch eine weitere Straße überqueren. Immer wieder ein Abenteuer! Neuerdings gibt es kleine blaue Männchen mit Trillerpfeifen, die ihre Signale zwar nicht auf die Ampel abstimmen, aber auf die achtet sowieso keiner. Denn hier fährt wirklich jeder wie und wann er will. Ständig wird man angehupt und wenn man nicht einfach einem Mongolen hinterher geht, so gefährlich es auch aussieht, kommt man niemals über die Straße. Auch der Smog geht ganz schön auf die Lunge, einen Mundschutz haben wir zwar gekauft, aber der bringt auch ziemlich wenig.

Wenn wir dann bei unserer Arbeitsstelle angekommen sind, ist auch jeden Tag irgend etwas unerwartetes dabei. Absprachen gibt es irgendwie keine mit unseren Kolleginnen, so sehr wir uns auch darum bemühen. Wenn sie allerdings jemanden zum Kopieren brauchen, wissen sie immer, wo sie uns finden. Morgen haben wir zum Glück ein Treffen aller Deutschlehrerinnen, da werden wir nochmal eine klar Ansage machen, was unsere eigentlichen Aufgaben sind. Auf dem Vorbereitungsseminar wurden wir drauf hingewiesen, dass die Schüler ihre Grenzen austesten, im Moment übernehmen aber lieber die Lehrer diese Aufgabe.

Wenn wir nachmittags nach Hause kommen, können wir uns schon geehrt fühlen, wenn uns die Kinder unserer Vermieterin mit „Hi“ begrüßen. Damit ist dann auch das Pensum an Konversation ausgefüllt für den Tag, sie könnten theoretisch englisch mit uns sprechen.

Mehr als „Hi“ in einem etwas anderen Ton ruft mir aber gerne die männliche Bevölkerung hinterher. Das ist zwar etwas, was ich wahrscheinlich nicht ändern kann, aber trotzdem finde ich es schade, bisher eigentlich noch gar keinen Mongolen oder Mongolin außerhalb meiner Schule und in meinem Alter kennen gelernt zu haben.

Ja, ansonsten gibt es auch zeitweise kein Wasser, heute gab es keinen Strom. In diesen Momenten merkt man, in was für einem luxuriösen Zustand man in Deutschland lebt. Also, wenn ihr das nächste Mal heiß duschen geht oder das Licht anschaltet oder den Wasserkocher, denkt daran, wie wir bei Kerzenschein in unserem Zimmer sitzen und frieren!

Aber wie bereits erwähnt, bin ich doch froh, nicht ganz auf die gute Anfangsstimmung hereingefallen zu sein. Und auch von unserer lieben Trainerin Moni auf diesen Moment vorbereitet worden zu sein! Jetzt ist nämlich nicht Verzweifeln angesagt, und auch wenn ich jetzt gerne zu Hause wäre, kommt das nicht in Frage. Ich werde anfangen, mir Schüler zu suchen, die Lust auf die Projekte haben, die ich schon fleißig plane. Genauso wie ich mit meinem eigenen Projekt anfangen möchte, einer Fotoreportage über die Mongolei im Wandel. Ansonsten gibt es auch immer kleine Highlights am Wochenende und wenn man sich gerade denkt, „geht mir nicht auf die Nerven mit eurer komischen Sprache“ steht an der Kasse jemand, der sich freut, sein in der Schule 38 gelerntes Deutsch mal wieder anzuwenden. Und so hangelt man sich von Hoch- zu Tiefpunkt und am meisten freue ich mich auf unser Zwischenseminar, zu dem wir schon in 8 Wochen aufbrechen und mal wieder richtig Zeit haben, uns zu reflektieren 😉

 

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2 Antworten zu Kulturschock

  1. Emily sagt:

    Ich fühle mich geehrt, erwähnt zu werden =) Mir geht es seitdem ich mit dir gesprochen habe um einiges besser. Die Sonne hat auch wieder angefangen zu scheinen und es ist schon wieder fies warm (echt, ich hab Angst vor dem Sommer!!!). Genau, es ist ein ständiges Auf und Ab und das macht es auch aus. Immer kleinschrittig denken. Heute hast du schon wieder geschafft =) Viel Spass noch! Alles Liebe.

  2. Kathi sagt:

    Jaa chica ich würd dir gern bissle von meiner Mittagshitze rüberschicken (: ich fühl mich ähnlich wie du ausdrücks un ich hab des Bedürfnis dir zu sagen RESPEKT ich hab ne Familie die mit mir redet und alle ham ihr Zimmer. Ich unterrichte selbständig und dusch kalt weils eh zu warm is (un weils nur kalt gibt) ich atme blumenduft und staub und am Dienstag, als ich den kranken Opa kennen gelernt hab is der depp einfach vor meiner Nase gestorben.ich hab mich noch nie so fürchterlich gefühlt und trotzdem Respekt ei..dein Jahr is definitiv ein bissle härter wie meins. You can Do it! Ich will dich erst nächstes Jahr wieder sehn (: grüße

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