Tag 121 – Stille Wasser sind tief

Ach, diese leeren Blicke und müden Gesichter! Schüler*innen in Kroatien (und bestimmt auch überall anderswo auf der Welt) sind für mich vor allem eines: Stumm wie die Fische. Fragt man sie etwas, kommt meist nichts zurück. Also nichts – nada – nista. Alles muss man aus ihnen herauskitzeln.

Ok, ich gebe zu, manchmal liegt es auch an den Themen – ich meine wie zum Teufel soll ich eine interessante Stunde zum Thema „Tante Emma Läden“ halten? Bei Abiturient*innen! Immerhin, mit dem etwas abgewandelten Klassiker „Ich gehe zum Späti und kaufe ein…“ konnte ich sie zumindest zum Lachen bringen. Und das ist – für 17 Uhr nachmittags – keine allzu schlechte Leistung…

Woche 17 – Slana hrana

Zeit für ein Grundbedürfnis: Essen! Beginnen wir mit den deftigen „sastojici“ (Zutaten)…

hranu – Lebensmittel

meso – Fleisch

kobasica – Wurst

sunka – Schinken

ribu – Fisch

morski plodovi – Meeresfrüchte

sir – Käse

maslac – Butter

(kiselo) vrhnje – (saure) Sahne

kruh – Brot

tjestenina – Nudeln

riža [rischa] – Reis

ulje – Öl

ocat – Essig

brašno [braschno] – Mehl

šećer [schetcher] – Zucker

začin [satschin] – Gewürz

sol – Salz

papar – Pfeffer

cimet – Zimt

orah – Walnuss

lješnjak [lietschniak] – Haselnuss

kikeriki – Erdnuss

đunbir [tschunbir] – Ingwer

 

jelo – Gericht

juha – Suppe

umak – Soße

 

doručak [dorutschak] –  Frühstück

ružak [rutschak] – Mittagessen

većera [wetschera] – Abendessen

Tag 119 – Sklavenschiff

Ich gebe zu, heute habe ich nicht gearbeitet. Zumindest nicht im eigentlichen Sinne. Aber immerhin, ich habe meinen Kopf arbeiten lassen und mir das Hörbuch „Exit Racism“ von Tupoka Ogette auf Spotify angehört.

Empfohlen wurde uns das Buch von Gianni Javanovic – ihr erinnert euch, unser „Lotse“ beim Thema Sinti und Roma.* Und obwohl ich schon einige gute und nachdenkliche Bücher über Rassismus gelesen habe (zuletzt z.B. „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen“ von Alice Hasters), dieses finde ich besonders ausführlich, reflektiert und anregend**:

Die zentrale Erkenntnis von „Exit Racism“ ist, dass Rassismus in erster Linie kein individuelles Problem darstellt, sondern ein institutionelles, strukturelles. So hilft es auch nicht, dass der Begriff „Rassismus“ heutzutage durchgehend und stark negativ konnotiert ist. Stattdessen wird genau dadurch jegliche Kritik als grober, persönlicher Angriff aufgefasst, und nicht die Person, die sie betrifft, sondern die, die sie äußert, ins Unrecht gerückt.

Nein, es ist zu einfach, Rassismus auf einzelne Menschen oder Gruppen zu beschränken. Wir alle sind Teil des Problems, unsere ganze Welt(anschauung) ist rassistisch. Und das seit sage und schreibe über 300 Jahren! Rassismus ist nichts, dass einfach so aus einem Loch gesprungen kam; Rassismus ist historisch gewachsen:

Tatsächlich lässt sich bereits in der christlichen Religion der Gedanke des Herren und Knechts finden. Erstmals im großen Stil angewandt, wird er dann im Sklavenhandel – ein unmenschliches Geschäft. So unmenschlich, dass auch der Mensch es vor sich selbst rechtfertigen musste. Also wurde ein mentales Konstrukt aufgestellt: Die weiße Bevölkerung machte sich selbst zu Norm, ja zum Ideal, und so zum scheinbar rechtmäßigen Herrscher über jeden und alles andere. Eine Identität durch Abgrenzung (auch „othering“ genannt), die in der Folge pseudowissenschaftlich untermauert wurde. Selbst die Aufklärung, die Sternstunde des humanitären Gedankenguts in Europa, änderte nichts daran. Im Gegenteil: Auch bei Kant und Hegel sind zwar alle Menschen grundsätzlich gleich, aber einige doch gleicher und andere sogar kaum noch Mensch.

Kein Wunder also, dass auch die deutsche Geschichte eng mit dem Rassismus verwoben ist. Denn, was kaum einer weiß: Deutschland war einst das viertgrößte Kolonialreich der Welt (gemessen an seiner Fläche, das fünftgrößte gemessen an der Bevölkerung). Und doch ist auch das keine Geschichte, derer man sich rühmen könnte – sagen wir so: Konzentrationslager haben in Deutschland eine lange Tradition…

All dem zum Trotz werden die tiefen Wurzeln des Rassismus im Geschichtsunterricht und unserem täglichen Leben kaum erwähnt: Sei es die Anerkennung des Völkermords an den Herero und Nama, der Umgang mit Beutekunst aus Zeiten des deutschen Kolonialreichs (das Humboldt-Forum lässt grüßen), oder die kritische Einordnung von Kant und Hegel – der Diskurs über Rassismus und insbesondere das Eingeständnis historischer Verantwortung bleiben bis heute ein heißes Eisen.

Und dabei ist genau das der Schlüssel: Nur wenn wir uns klarmachen, dass auch wir (ein wenn auch unvermeidbarer) Teil des Systems sind, können wir Rassismus begegnen. Der Anfang kann dabei ganz klein sein. Zum Beispiel, indem wir Mikroaggressionen im Alltag – also all das, was vom „normalen“ Verhalten abweicht – wahrnehmen, ansprechen und in Zukunft vermeiden. Denn ganz egal, ob bewusst oder unbewusst und ganz egal, wie etwas eigentlich gemeint ist: Die Wirkung definiert, was rassistisch ist und was nicht.

Es liegt daher auch nicht an uns, zu beurteilen und uns angegriffen oder gekränkt zu fühlen. Wir sind nicht „schuld“ daran, dass die Welt ist wie sie ist –  weder als Einzelne*r, noch als Deutsche*r. Aber (und da darf man gerne an den Ärzte-Song denken): Es wäre unsere Schuld, wenn sie so bleibt. Um das jedoch zu verhindern, sollten wir beginnen zuzuhören und endlich von der Geschichte zu lernen. Rassismus ist kein Tabu-Thema (auch nicht in Deutschland), sondern vielmehr eine Herausforderung an uns, Gängiges zu hinterfragen und Überfälliges in Angriff zu nehmen.

 

*Übrigens auch ein Thema, das in den letzten Tagen wieder Wellen geschlagen hat (siehe Talkshow „Die letzte Instanz“).

**Ausführlich auch in dem Sinne, dass online eine Reihe an weiterführenden Materialen zu finden sind: https://www.exitracism.de/materialien.html – check it out!

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Tag 118 – Schwarmbildung

Ich kann es kaum glauben, aber heute bin ich das erste Mal seit gefühlten Ewigkeiten wieder ausgegangen. Jetzt keine Panik auf der Titanik: Es war „nur“ ein netter Abend im Kino. Und natürlich mit Maske und genügend Abstand. Aber selbst das fühlt sich in diesen verrückten Zeiten ganz schön komisch an.

In puncto Film haben wir uns für „Yalda – Nacht der Vergebung“ entschieden. Falls euch das jetzt nichts sagt – grämt euch nicht, wir waren im Art Kino. Und obwohl da die nächsten Wochen auch einige Disney-Filme laufen (mentale Notiz an mich selbst), heißt das natürlich: Kleine, internationale Produktionen, von denen man sonst eher nichts mitbekommt.

Wie so Einiges in Rijeka stand auch das Art Kino schon lange auf meiner Liste. Nicht umsonst befindet es sich auf meinem Weg zum Busbahnhof alias Hafen alias der Innenstadt. Immer wieder bin ich an den Plakaten vorbeigekommen. Einmal wäre ich sogar fast schon spontan hineingegangen. Aber irgendwie war der Zeitpunkt noch nicht reif. Doch heute, zusammen mit meiner Mitbewohnerin und einigen ihrer Freunde, war er endlich gekommen.

Witzig allerdings, dass – kaum hatte ich das Foyer betreten – deutsche Stimmen zu hören waren. Und auch einige englische Satzfetzen schnappte ich auf. Da fühlt man sich doch direkt heimisch. Gebraucht hätte es das jedoch nicht. Denn das kleine Kino mit seinen roten Plüschsesseln und dem warmen Licht verbreitete auch so die perfekte Wohlfühlatmosphäre.

Vjera (meine Mitbewohnerin) hatte uns die Premium-Plätze ganz vorne in der Loge reserviert. Und so konnten wir nicht anders, als den Film zu genießen. Ich las fleißig die gelben, englischen Untertitel, die anderen hefteten ihre Augen ein paar Zentimeter darüber auf die kroatischen. Und wir alle verfolgten etwas verwirrt, manchmal mit einem Schmunzeln und manchmal mit gerunzelter Stirn den Film.

Spannend war sie, die Geschichte einer jungen, als Mörderin verurteilten Frau, die in einer Talkshow begnadigt werden soll. Ob es solche Zeitehen im Iran wirklich gibt?* Und solche seltsamen Talkshows?** In jedem Fall gab uns der Film einiges an Gesprächsstoff. Und was gibt es dafür Besseres, als eine original kroatische heiße Schokolade am Hafen?

In Gedanken an unsere zu Hause gebliebenen Mitbewohnerinnen packten wir bei der Gelegenheit auch gleich ein paar der spektakulären Tortenstücke ein. Wahrlich ein würdiges Ende für das Wochenende – meint ihr nicht?

Ach ja, falls ihr jetzt Appetit auf etwas Brainfood bekommen habt, hier der Link zum Trailer:

PS: Google says…:

*Unglaublich aber ja! Siehe dazu auch den Artikel auf Zeit.de. Seltsamer Zufall, dass auch die Frau des Artikels Maryam heißt…

**Auch hier lautet die Antwort ja! Die ursprüngliche Talkshow hieß „honeymoon“. An sie ist der Film angelehnt.

Tag 117 – Seebestattung

Heute mal ein etwas ernsthafteres Thema. Denn dieses Wochenende bin ich wieder bei Dosi. Und auf dem Weg nach Viskovo machten wir Halt am Friedhof. Auch kein Ort an dem man normalerweise hängen bleibt.

Wir gingen zum Grab, legten einen Kranz ab und sprachen mit einigen Bekannten Dosis. Soweit nichts Besonderes. Aber während wir so an den letzten Ruhestätten der Menschen vorbeischlenderten, fiel mir auf, wie anders kroatische Friedhöfe doch aussehen: Dort, wo sich in Deutschland ein sanfter Erdhügel an den nächsten reiht, erstreckt sich in Rijeka eine plankpolierte Steinwüste. An Stelle von Grabsteinen oder Holzkreuzen wird hier das komplette Grab in Marmor gehüllt. So kalt und abweisend wie das jetzt klingen mag – trist ist das Ganze jedoch nicht. Denn statt Efeuranken und frischen Blumen schmücken quietschbunte Plastiksträuße und eingerahmte Bilder der Verstorbenen die Totenschreine.

Ein weiteres Detail springt mir am Wegesrand in’s Auge. Es sind leere Waschmittelkanister, die hier die Gießkannen ersetzen. Praktisch – zweifellos. Und doch bringen sie mich an diesem ehrwürdigen Ort zum Grinsen.

Wir gehen weiter, vor uns die terrassenartig angelegten Gräber, durchbrochen von schmalen Baumreihen und umrandet von Mauern. Denn neben der 0815 Erdbestattung und Urnen gibt es in Kroatien noch einen Mittelweg: Steinerne Wände mit Fächern, in denen die Särge wie in einem Regal gestapelt werden. Warum man sich an seinem Lebensende ausgerechnet in so eine Schublade stecken lassen sollte, konnte mir Dosi nicht erklären. Sie würde sich nämlich am liebsten verbrennen lassen und ihre Asche im Meer verstreut sehen. Aber das geht auch in Kroatien nicht.

Doch genug der Gedanken an das Jenseits – es ist Zeit, in die Welt der Lebenden zurückzukehren. Das Wochenende ist schließlich so schon kurz genug.

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Tag 116 – Mehr Meerblick

Das Highlight meines Tages? Nun, „high“ trifft es da schon ganz gut. Denn gerade habe ich für meine allerliebste Nachfolgerin Merle eine WG besichtigt. Und die befand sich in einem der „weißen Riesen“ (alias „neboder“ alias Hochhäuser) Rijekas.

Nachdem ich mit Hilfe der eventuellen Mitbewohnerin in spe die richtige Hausnummer gefunden hatte (und ja, man kann ein Hochhaus nicht finden), ging es im engen und etwas wackeligen Aufzug in die Höhe. Eine kurze Tour durch die kleine aber feine WG und dann das schon erwähnte Highlight: Meerblick!

Denn wie sehr ich meine eigene WG auch liebe (und zwar grenzenlos) – Meerblick haben wir leider nicht. Geschweige denn einen Balkon.

Allerdings war das nicht das einzige Plus: Wenn auch etwas klein und verwinkelt – die Wohnung hatte Charme. Genauer gesagt einen sehr ausgeprägten 80er-Jahre Charme. Um den ein wenig zu genießen, setzten wir uns bei einem liebevoll aufgebrühten Kaffee in die Küche. Unnötig zu erwähnen, dass auch die geblümten Tassen perfekt zur Einrichtung passten.

Wir quatschten über’s Studium, Rijeka und die Welt, Corona, Online-Klausuren (bzw. wie man dabei am besten schummeln kann), das einzig Interessante am Fußball (die Männer) und natürlich Rijeka. Wie schön, mal wieder ganz entspannt bei einem Kaffee über dies und das zu plaudern. Also mit jemand Fremden.

Mal schauen, wie sich Merle entscheidet. Fest steht: Falls sie hier einzieht, komm‘ ich auf jeden Fall mal vorbei – allein schon für den Meerblick und eine Tasse Kaffee 😉

Tag 115 – Rederei

Wie lange ich diesen Titel schon verwenden wollte! Aber das Warten hat sich gelohnt, denn heute passt er sogar im doppelten Sinne:

Erstens, weil ich heute Vormittag meine mündliche Kroatisch-Prüfung hatte! Und das heißt: Check! Insgesamt 99 Punkte von 100 möglichen – ihr dürft mich jetzt offiziell mit Kroatisch-Sprecherin A1 anreden (aber am besten langsam, deutlich und mit englischen Untertiteln 😉 ).

Und zweitens, weil der Nachmittag ganz einer Juroren-Schulung für den Wettbewerb „Jugend debattiert“ gewidmet war. Nach ein bisschen Theorie zum Warmwerden ging es dabei schnell an’s Eingemachte: „Sollten Privilegien für Geimpfte (präventiv) verboten werden?“ lautete die Frage unserer Probedebatte. Und top-motiviert wie ich war, meldete ich mich freiwillig als Tribut. Natürlich habe ich die Contra-Position zugewießen bekommen – also genau die Meinung, die meiner persönlichen Überzeugung entgegenläuft. Aber irgendwie ist das ja auch der Sinn einer Debatte, sich mit der anderen Position auseinanderzusetzen. Spaß gemacht hat es auf jeden Fall. Nicht zuletzt auch deshalb, weil man so mit anderen Lehrer*innen und Schüler*innen aus verschiedenen Ländern ins Gespräch kam.

Aber jetzt genug der Worte. Sport, Hunger, Schlafen!

Woche 16 – Rijeka, moj grad

grad – Stadt

ulica – Straße

trg – Platz

zgrade – Gebäude

neboder – Hochhaus

dvorac – Schloss

kazalište [kasalischte] – Theater

kino – Kino

muzej – Museum

vrtić [wrtitsch] – Kindergarten

škola [schkola] – Schule

sveučilište [sweutschilischte] – Universität

knjižnica [knischnitsa] – Bücherei

polica – Polizei

vatrogasci – Feuerwehr

bolnica – Krankenhaus

pošta [poschta] – Post

trgovinu – Laden

trznica – Markt

restoran – Restaurant

kafić [kafitsch] – Café

crkva – Kirche

kolodvor – Bahnhof

stanica – Bushaltestelle

parkiralište [parkiralischte] – Parkplatz

luka – Hafen

plaža [plascha] – Strand

park – Park

igralište [igralischte] – Spiel-/Sportplatz

stadion – Stadion

plivalište [pliwalischte] – Schwimmbad

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Tag 114 – Schwimmen, schwimmen, einfach schwimmen

Weiter geht’s im Text! Nachdem seit dieser Woche wieder Präsenzunterricht für den Abiturjahrgang stattfindet, war ich heute endlich wieder in der Schule. Während Dosi den Unterricht für die 4. Klasse hielt, half ich einer Schülerin ihren Zulassungsantrag für die Universität auszufüllen. Denn Hand auf’s Herz: Selbst für Muttersprachler sind solche Formulare in etwa so verständlich wie Fachchinesisch.

Natürlich kann man von Schüler*innen mit C1 gewisse Sprachkenntnisse verlangen. Aber manchmal wird es den Armen doch schwerer gemacht, als nötig. Auch gestern Nachmittag, bei meiner ersten Nachhilfestunde zur Vorbereitung auf das Sprachdiplom ist mir das aufgefallen. Die Prüfungstexte sind teilweise so kompliziert und spröde geschrieben, dass auch ich mir manchmal nicht sicher bin, was genau gefragt ist.

Auf jeden Fall war es schön, Dosi einmal wiederzusehen – und ein paar Lebendexemplare an Schüler*innen. Bei ein, zwei Kaffee im Lehrerzimmer durfte ich auch ein paar neue Kollegen*innen kennenlernen. Würden nicht überall Plexiglas-Visiere rumliegen, man könnte fast vergessen, dass vor der Tür eine Pandemie wütet.

Übrigens habe ich im Deutsch-Klassenzimmer diese Karte entdeckt:

Kulturhauptstädte

Als hätte ich’s gestern geahnt. Jetzt muss ich nur noch ins Eduroam kommen, dann ist sve u redu!