Archiv der Kategorie: Freiwilligenarbeit

Was ich als Freiwilliger so mache

Was ich (nicht) vermissen werde

Berge. Vermissen werde ich den Blick auf die Berge, die bei jedem Wetter anders aussehen und in besonders schönem Licht erscheinen, wenn die Sonne am Abend hinter ihnen unter geht.

Gehwege. Nicht vermissen werde ich das Balancieren über die wackeligen Platten der Bürgersteige, bei dem man ständig darauf achten muss, sich nicht selbst eine Stolperfalle zu stellen, wenn man auf die falsche Platte tritt. Besonders angenehm bei Regen, wenn man nichtsahnend einen Schritt nach vorne wagt und plötzlich in einer tiefen Pfütze steht.

Verkehr. Nicht vermissen werde ich es bulgarische Straßen zu überqueren. Besonders an der einen Kreuzung auf dem Weg zur Arbeit, bei der man trotz grüner Fußgängerampel regelmäßig zwischen vier Autos steht, die aus allen Richtungen auf einen zufahren.

Tanzen. Vermissen werde ich den bulgarischen Volkstanzkurs, der mir trotz anfänglicher Überforderung viel Freude bereitet hat. Auch den Ballettkurs werde ich vermissen, denn es ist doch bei jeder Lehrerin irgendwie anderes.

Fluglärm. Nicht vermissen werde ich den Fluglärm, der mich ständig aus dem Schlaf reißt. Auch wenn die WG eine gute Lage hat (zu Fuß bloß 25 Minuten zur Arbeit) und man in der sechsten Etage einen schönen Ausblick hat, freue ich mich schon sehr darauf, nicht mehr vom Fluglärm wachgehalten oder geweckt zu werden. Da ist mir das Muhen der Kühe in der Heimat so viel lieber.

Stufen. Nicht vermissen werde ich die 96 Stufen, die zu der WG in die sechste Etage führen. Auch nach einem Jahr gibt es immer noch Tage, an denen es sich anfühlt, als würde man niemals oben ankommen.

Essen. Vermissen werde ich traditionelles bulgarisches Essen – zumindest das vegetarische. Schopska-Salat, Katchamak, Baklava und Banitsa. Obwohl Baklava lecker schmeckt, ist es oft doch ein kleiner Zuckerschock. Deshalb war es vor allem Banitsa, die ich ständig gegessen habe.

Straßenhunde. Nicht vermissen werde ich die Straßenhunde, die plötzlich aus der Seitenstraße gerannt kommen, einem hinterherlaufen und mir schon oft starke Ängste eingejagt haben, wodurch ich regelmäßig Umwege gehe, um manche Straßen(hunde) zu vermeiden.

Sprachprobleme. Nicht vermissen werde ich die sprachlichen Probleme, die man hat, wenn man die Landessprache nicht wirklich sprechen kann. Und vor allem die unfreundlichen Reaktionen, die man manchmal bekommt.

Alltag. Vermissen werde ich den Alltag, der sich während des Jahres eingestellt hat. Jeden Tag zur Arbeit zu gehen und etwas praktisches zu tun. Gespräche mit netten Kolleginnen und meiner Mitbewohnerin, mit der ich leider nur zwei Monate lang zusammengewohnt habe.

Ich finde es gerade sehr schade, dass mir mehr Dinge einfallen, die ich nicht vermissen werde. Deshalb ist es mir wichtig abschließend noch zu sagen: Die Dinge, die ich vermissen werde, haben einen deutlich größeren Wert, als die Dinge, die ich nicht vermissen werde.

Eine kleine Angstgeschichte

[Beitrag ist bereits veröffentlicht auf: Lebensmutig. Junge Selbsthilfe Blog]

Ende Februar: Heute steht die Jurorenschulung für einen Debattierwettbewerb bevor. Ich überlege schon die ganze Zeit, ob ich überhaupt dorthin gehen oder besser absagen soll. Als Juror hat man nämlich auch die Aufgabe einem der Debattierenden eine kurze Rückmeldung zu geben. Es sind zwar nur wenige Sätze, die man sagen muss – für meine Ängste ist das aber schon eine scheinbar niemals überwindbare Herausforderung. Ich entschließe mich dann doch dazu, hinzugehen und dem ganzen eine Chance zu geben. Am Ende der Schulung stellen vier Teilnehmende eine Debatte nach und wir müssen das Bewerten und die Rückmeldung üben. Das bedeutet: vor der ganzen Gruppe sprechen. Als meine Gruppe dran ist schaffe ich es irgendwie schnell meinen Text zu sagen, um mich möglichst schnell wieder zurück auf meinen Platz setzen zu können. Mein Gedanke am Ende: »Ich würde es gerne schaffen, bei einer Debatte als Jurorin tätig zu sein. Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich es schaffen werde. Bis zum Sommer ist ja noch ein bisschen Zeit. Bis dahin haben die Ängste hoffentlich ein bisschen abgenommen…«

Mitte April: Vor ein paar Tagen habe ich eine E-Mail in meinem Postfach gelesen – es wird noch ein Jurymitglied für ein Verbundfinale gesucht. Nach viel hin und her überlegen sage ich zu und nun stehe ich hier mit wackligen Knien vor dem Deutschraum und warte darauf, dass die Veranstaltung beginnt. Ich muss zugeben, es ist eine sehr spannende Erfahrung so eine Debatte zu jurieren und ich bin froh, diese Erfahrung machen zu dürfen. Wenn da nur bloß nicht diese Rückmeldungen wären… Da es zwei Debatten gibt, muss ich auch zwei Rückmeldungen geben. Zum Glück stehen wir am Rand und nicht vorne und ich habe die Wand hinter mir, die mir ein bisschen Sicherheit gibt. Mit zitternder Stimme gebe ich meine Rückmeldung und komme mir ziemlich blöd vor, als ich sagen muss: »Unser Tipp an dich wäre, dass du dich beim nächsten mal noch selbstbewusster in die Debatte einbringst«, während ich mit jedem Wort kämpfe. Mein Gedanke am Ende: »Noch einmal werde ich das nicht machen. Das schaffe ich nicht.«

Vor zwei Wochen: Ich sehe eine E-Mail in meinem Postfach. Die Besetzung für das Landesfinale. Und meinen Namen unter den Juroren. Ein großer Kampf bricht in mir aus: Ich möchte es so gerne schaffen. Ich habe Angst es nicht zu schaffen. Ich möchte die Ängste nicht gewinnen lassen. Alle anderen schaffen es auch – schon wieder eine Aufgabe, der ich durch die Ängste nicht gerecht werden kann. Gleichzeitig ist mein Wille, es doch zu schaffen, aber auch so groß. Doch mit meinem Gewissen kann ich es nicht vereinbaren – es ist besser eine selbstbewusstere und kompetentere Person zu nehmen. Das schreibe ich auch der zuständigen Kollegin und habe große Angst vor ihrer Reaktion.

Ein paar Tage später: Meine Angst in Bezug auf die Reaktion der Kollegin waren völlig umsonst. Sie ist sehr lieb und verständnisvoll und ermutigt mich sehr, mich für meinen Willen und gegen die Ängste zu entscheiden. Sie nimmt sich sogar die Zeit, um die Situation einmal mit mir zu üben, damit ich ein bisschen mehr Sicherheit habe.

Gestern: Das Landeshalbfinale findet heute statt und meine Aufgabe ist es zum Glück nur ein paar Fotos zu machen. Während ich in dem Veranstaltungsraum mit den vielen Menschen stehe, merke ich, wie sich allein dadurch schon starke Angstgefühle in mir ausbreiten. Mein Gedanke am Ende: »Oh je, wie soll ich das morgen bloß überleben?! Wie konnte ich bloß denken, dass mein Wille stärker sein kann als die Angst?!«

Heute: Ein so starkes Gefühl von Aufregung gemischt mit Angst habe ich schon lange nicht mehr gespürt. Meine Beine sind wacklig, ich habe Bauchweh, mir ist mal heiß, mal kalt, ich schwitze, vergesse regelmäßig zu atmen und habe das Gefühl, dass ich den Tag nicht überleben werde, weil mein Herz sicherlich vor Angst irgendwann einfach aufhört zu schlagen. Vor Ort wird es ein wenig besser. Der Smalltalk mit einem anderen Juror lenkt mich etwas ab und mein Körper entspannt sich wieder ein bisschen. Erst während der Juryberatung werde ich nach und nach wieder nervöser. Die Zeit rennt und die Zeit, um die Rückmeldungen vorzubereiten wird immer weniger. Als wir uns vorne an die Mikrofone stellen, ist die Angst mit all ihren Kräften wieder da. Ich habe das Gefühl, jeden Moment umzukippen, was meine Ängste noch mehr verstärkt. Als viertes bekomme ich das Mikrofon in die Hand. Meine Beine zittern, meine Stimme zittert und ich bin froh, als ich das Mikrofon weitergeben kann. (Und noch mehr, als wir von dort vorne wieder verschwinden dürfen.)

Meine Gedanken jetzt am Ende: Ich hätte niemals gedacht, dass ich das schaffen werde. Ich versuche, nicht auf die Gedanken zu hören, die mir sagen „Jeder konnte mir die Angst ansehen. Jeder denkt jetzt schlecht über mich“, sondern mich zu freuen, dass ich auf beiden Beinen stehen geblieben bin, meine Sätze gesagt habe und mich meiner riesig großen Angst gestellt habe.

Schultheater: Grün denken und handeln

Die letzten drei Tage fand in Pazardzhik das Schultheater-Festival „Vorhang auf für Deutsch“ statt, bei dem zwölf deutschsprachige Theatergruppen aus Bulgarien ihre Stücke zum Thema „Grün denken und handeln“ gezeigt haben. Ich hatte das Glück, ein Teil der Jury sein zu dürfen.

Schon im Vorfeld mussten wir als Jury tätig werden, um auszuwählen, welche Gruppen wir zu dem Festival nach Pazardzhik einladen. Dazu musste uns jede Gruppe ein kurzes Video ihres Stückes zuschicken. Zu dem Zeitpunkt hätte ich nicht erwartet, dass wir so gute Stücke sehen werden.

Am Donnerstag Nachmittag war dann die Eröffnung des Festivals. Ich hatte glücklicherweise zuvor vergessen, dass es meiner Angsterkrankung in letzter Zeit oft große Schwierigkeiten bereitet hat, in einem Saal mit vielen Menschen zu sitzen – erst recht, wenn man ganz vorne sitzt. Das ist mir erst wieder eingefallen, als ich die Ängste körperlich spüren konnte.  Zum Glück wurden sie mit der Zeit weniger und sobald das erste Stück begonnen hatte, konnte ich mich auf das Geschehen auf der Bühne konzentrieren. Am zweiten Tag hat sich die Angst dann nicht mal mehr in meine Gedanken geschlichen.

Die zwölf Theaterstücke zu dem Thema „Grün denken und handeln“ waren alle sehr verschieden und es war interessant sie anzuschauen. Theater fasziniert mich doch immer wieder! Wir haben nach fünf Kriterien bewertet: thematische Angemessenheit, Dramaturgie, Sprachkompetenz, szenisches Spiel und theatrale Gestaltungsmittel. Ich fand es irgendwie schwierig Punkte zu vergeben – vielleicht auch, weil ich so etwas noch nicht so häufig gemacht habe – und war ganz froh, dass beim Zusammenrechnen meiner vergebenen Punkte auch das Ergebnis rauskam, das meine empfundene Rangfolge widergespiegelt hat.

Am Samstag war dann nur noch die Preisverleihung. Und für mich ein Moment, in dem ich (wieder) in starken Selbstzweifeln versunken bin. „Willst du auch einen Preis übergeben?“, fragte mich eine Mitjurorin. Ich schüttelte nur den Kopf. Nein, möchte ich nicht – obwohl das so nicht ganz stimmt: Wollen würde ich es schon, sehr gerne sogar, aber ich kann es nicht. Und das ärgert mich sehr. Ich versteckte mich also hinter meiner Fotokamera, während in meinem Kopf die Gedanken rum schrien (und es auch immer noch tun): „Jetzt denken die anderen schlecht über mich. Spätestens jetzt denken sie, dass es ein großer Fehler war, mich mit in die Jury zu nehmen. Dass man sich nicht auf mich verlassen kann. Dass ich hier nichts zu suchen habe“ bis hin zu „jede andere Freiwillige hätte das gemacht und locker hinbekommen. Sie bereuen sicherlich, mich überhaupt als kulturweit-Freiwillige an ihr Institut gelassen zu haben.“ Wahrscheinlich werden sie es nicht ganz so dramatisch denken, hoffe ich zumindest. Mein größtes Problem dabei ist also wohl nicht (nur) die Sorge, dass meine Kolleginnen all das über mich denken, sondern vor allem dass ich es selbst tue.

Aber trotz all dieser Gedanken und dem Ärger darüber, dass mir die Ängste immer wieder im Weg stehen und mir so viele schöne Dinge erschweren, freue ich mich, dass ich bei dem Schultheater Festival dabei sein durfte.

Deutschlehrertagung in Kardzhali

Am vergangenen Wochenende fand die Tagung des bulgarischen Deutschlehrerverbands in Kardzhali statt. Ich hatte das Glück, auch mitfahren zu dürfen und dadurch auch mal eine andere Region von Bulgarien zu sehen.

Als ich am Tag zuvor morgens an meinem Schreibtisch saß, kam die Vorstandsvorsitzende mit einer „Frage an die Muttersprachlerin“ zu mir. Oh je, dachte ich mir, jetzt darf ich bloß nichts falsches sagen. Ob „recht getan“ nun groß oder klein geschrieben wird, konnte ich dann nur mit der Aussage „Ich würde denken, es geht beides“ beantworten. Irgendwann sind noch weitere Kolleginnen gekommen und der Duden bestätigte (zum Glück) meine Annahme, dass beides möglich sei.

Als wir dann am nächsten Tag im Hotel in Kardzhali ankamen und ich gesehen habe, dass sie nun wirklich beide Varianten aufgeschrieben hatte, musste ich sehr schmunzeln.

Die Fahrt von Sofia nach Kardzhali dauerte etwa drei Stunden. Da ich von dem Geschaukel im Auto immer wie ein Baby ganz müde werde, habe ich mich erstmal in mein rosa Hotelzimmer gelegt, bevor die Tagung um 17 Uhr beginnen würde.

Bei der Eröffnung gab es zu Beginn neben den Reden auch noch eine musikalische Präsentation von einigen Schülerinnen und Schülern, bevor es einen Plenarvortrag zum Thema der Tagung „Fehler korrigieren – Fehler limitieren. Umgang mit Fehlern“ gab. Danach folgte ein Empfang des Botschafters, bei dem ich auch die Freiwillige getroffen habe, die an einer Schule in Kardzhali eingesetzt ist. Zusammen hatten wir dann das Vergnügen uns mit dem Botschafter zu unterhalten, u.a. über den Begriff „kulturweit“, während unser Gespräch zwischendurch davon unterbrochen wurde, dass einige der anderen Gäste ein Foto mit ihm machen wollten.

Bulgarisches Essen
Traditionelles bulgarisches Essen: Banitsa, gebackener Käse, Baklava und Sarmitchki.

Am Samstag bin ich dann um sechs Uhr aufgestanden und noch eine Stunde lang mit meiner Kamera durch die Stadt spaziert, bevor wir um acht Uhr schon an der Schule sein mussten. Wir haben unseren Tisch mit Flyern geschmückt und waren die nächsten Stunden damit beschäftigt, Plakate und Landkarten aufzurollen.

Nach der Mittagspause bin ich dann noch von Arbeitsgruppe zu Arbeitsgruppe gegangen und habe ein paar Fotos gemacht. Das hat mich jedes mal wieder Überwindung gekostet und ich musste vor jeder Tür ein paar mal durchatmen, bevor ich mich getraut habe hereinzugehen. Aber solange ich es trotzdem hinbekomme, ist es vielleicht auch okay, ein paar mal mehr zu atmen.

Am Abend gab es dann noch ein gemeinsames Abendessen – mit traditionell bulgarischem Schopska-Salat und Palatschinken als Vorspeisen. Schon währenddessen haben sich die ersten Gäste auf die Tanzfläche begeben und sobald die ersten Töne traditioneller Horo-Musik ertönten, erhob sich fast der halbe Saal, um gemeinsam zu tanzen. Ich habe mich erst nicht getraut, mich der Tanzreihe anzuschließen – erst als meine Kolleginnen mitgekommen sind – aber dann hat es sehr viel Spaß gemacht. Zum Abschluss wurden mir noch die Schritte eines griechischen Sirtakis gezeigt und so konnte ich mich auch bei diesem Tanz bei den anderen einreihen.

Am Sonntag gab es dann noch einen Ausflug zum Perperikon. Es gab auch eine Führung durch die Felsenstadt, doch da diese aus einem bulgarischen, nicht endenden Monolog des Führers bestand, beschlossen wir fünf Deutsche und Österreicher uns von der Gruppe zu lösen und unseren eigenen Weg zu gehen (und unsere eigenen archäologischen Deutungen vorzunehmen).

Perperikon

Perperikon

Perperikon

Das war ein sehr schöner Tag. Der Ausblick und die Natur sind immer wieder faszinierend und ich habe schon lange nicht mehr so viel gelacht, wie in diesen Stunden. Das hat mir sehr gut getan.

Die Sache mit der Angst

„Du kannst dann ja die Rallye mit den iPads durchführen. Es werden 9 Lehrer kommen“, lese ich in meinen E-Mails. Ich merke, wie sich das Gefühl von Aufregung schon ein bisschen in mir ausbreitet. „Ich muss nur höchstens zwei Minuten lang sagen, was sie machen sollen. Es sind nur neun Personen“, versuche ich mich zu beruhigen und die Aufregung beiseite zu schieben. Das klappte sogar erstaunlich gut und sie kam erst am Abend vorher wieder. Dieses mal stärker, obwohl ich mittlerweile sogar wusste, dass nur vier Personen kommen würden.

Am Nachmittag war es dann soweit. Auf wackligen Beinen stand ich neben meiner Kollegin vor den vier Lehrer*innen und konnte mich nicht entscheiden, ob ich mir lieber wünschen sollte, dass diese nur kurz etwas sagt und ich meinen Part schnell hinter mich bringen kann oder dass sie möglichst lange redet, um meinen Teil noch etwas hinauszuzögern. Zu Beginn gab es eine kurze Vorstellungsrunde, bei der auch ich mich vorstellen sollte. Man sollte meinen, da sei nichts schwieriges bei. Kurz meinen Namen sagen, woher ich komme und wie lange ich hier sein werde. Aber irgendwie fällt mir das doch immer sehr schwer. Mein Kopf schaltet sich aus, ich spüre, wie mir viel zu warm wird, wie mein Herz schnell und laut gegen meine Brust hämmert und mir die Luft zum Atmen nimmt. Das einzige was ich in solchen Momenten denken kann ist: „Ich muss hier weg, sonst macht mein Körper das nicht mit. Man merkt mir meine Angst so stark an und alle denken schlecht über mich.“

Ich habe es dann wohl doch irgendwie geschafft, meinen Namen und ein paar Sätze zu stammeln, kurz danach die Tablets zu verteilen und die Aufgabenstellung zu erklären. Es hat noch einige Zeit gedauert, bis die Angstsymptome wieder abgeklungen waren, aber ganz langsam konnte ich mich wieder entspannen.

Was nehme ich aus der Situation mit? Vor allem, dass die Angst doch wieder abklingt, auch wenn ich das in der Situation selbst meistens nicht glauben kann, und auch, dass ich solche Situationen trotz Angst überstehen kann und nicht die Flucht ergreife. Aber trotzdem hat es mich sehr verunsichert und die Selbstzweifel sehr verstärkt, weil ich gehofft hatte, dass die Ängste nicht mehr so stark sind, dass ich nicht mehr so stark von den körperlichen Angstsymptomen erschlagen werde und ich große Sorgen habe, dass mir das für immer im Weg stehen wird.

Buchmesse & Literaturfestival

Als ich Anfang des Jahres mein Vorstellungsgespräch mit dem Goethe-Institut hier in Bulgarien hatte, wurde mir von der Sofioter Buchmesse als das größte Freiwilligenprojekt für diese Stelle erzählt, bei dem die Frankfurter Buchmesse mit einem Stand kommen wird. Ich war sehr begeistert und dadurch auch etwas enttäuscht, als ich dann einige Monate später die E-Mail bekommen habe, dass ich doch nicht in die Bibliothek komme, sondern in die Sprachabteilung/BKD. Im Endeffekt hatte ich jetzt aber das Glück im Social-Media-Team zu sein und habe die letzten sechs Tage auch vor allem hier auf der Buchmesse bzw. dem Literaturfestival verbracht. Das Literaturfestival stand in diesem Jahr unter dem Motto „Vier Länder, eine Sprache“. Es waren Gäste aus allen vier deutschsprachigen Ländern eingeladen, die Gespräche mit bulgarischen Autoren geführt haben. Die deutschsprachigen Autoren waren Sabine Bockmühl, Sherko Fatah, Iliya Trojanov, Marion Poschmann, Jonas Lüscher, Robert Menasse, Christoph Hein und Ferdinand Schmatz.

Der bulgarische Autor Georgi Gospodinov im Gespräch mit Iliya Trojanov.

Außerdem waren die Kinderbuchautorinnen Dagmar Geißler und Katja Alves da. Bei dem Gespräch mit Katja Alves sind etwa 150 Schulkinder gekommen, die der Autorin ganz viele Fragen gestellt haben. Danach habe ich Katja Alves noch mit zu einer Schule begleitet, wo sie für eine dritte Klasse eine Lesung gegeben hat.

Wie meine Aufgaben während der letzten Tage aussahen: Morgens haben wir uns in dem schönen Literaturcafé zur Social-Media-Besprechung getroffen. Manchmal war ich echt überrascht, wie viel Zeit es in Anspruch nimmt, um alle Posts für den aktuellen Tag zu planen. Ich war vor allem für Instagram zuständig und für Live-Fotos für Facebook und Twitter.

Außerdem war ich zwei mal als Standhilfe eingeteilt, doch dabei konnte man nicht so wirklich hilfreich sein. Als richtige Standhilfen waren bulgarische Germanistik-Studenten eingeteilt und wir waren nur zusätzlich noch dort. Ohne Bulgarisch sprechen zu können, konnte man nur sehr wenigen Menschen ihre Fragen beantworten.

Am Samstag Abend hatte ich das Glück und durfte mit zum gemeinsamen Abendessen gehen. Die Autoren, die dabei waren, waren Christoph Hein, Ferdinand Schmatz und Katja Alves mit ihrem Ehemann. Es war sehr interessant, deren Gesprächen zu lauschen. Als sie anfingen, über den Beruf des Bildhauers zu sprechen, habe ich mich in der Zeit zurück versetzt gefühlt und ich hatte den Gedanken:  So muss es gewesen sein als die Schriftsteller sich früher getroffen, Wein getrunken und über politische und geschichtliche Themen gesprochen haben.

Allgemein hat mir die Woche sehr gut gefallen – auch wenn ich merke, dass mir zum Ende hin ein bisschen die Energie ausgegangen ist, denn jeden Tag mindestens zehn Stunden irgendwie präsent zu sein ist doch sehr anstrengend. Was ich ein bisschen schade fand war, dass die eine Frau von der Frankfurter Buchmesse mich hat spüren lassen, dass ich (vor allem bei dem Abendessen) ihrer Meinung nach nichts zu suchen hatte. Deshalb war ich ganz froh, dass sie schon heute früh abgereist ist, sodass es ein netter letzter Tag war.

Mappen packen & Nett lächeln

Es war eine sehr aufregende Woche – am Mittwoch und Donnerstag fand eine Bildungskonferenz vom Goethe-Institut statt, bei der ich ein bisschen mitgeholfen habe. Im Vorfeld habe ich Dolmetscherinnen und Fotografen angefragt und für die Referent*innen und Gäste aus Deutschland, Griechenland, Rumänien und der Türkei Gästeinfos erstellt und Flüge gebucht.

Am Montag habe ich dann gefühlt tausend Seiten Handouts ausgedruckt und angefangen für all die knapp 100 Gäste personalisierte Programme sowohl auf Deutsch als auch auf Bulgarisch auszudrucken und die Konferenzmappen zu befüllen.

Nachdem ich am Dienstag Abend freudig die letzte Mappe gepackt hatte, hieß es dann am Mittwoch – wie sollte es auch anders sein – dass die Teilnahmebestätigung auch noch mit in die Mappen rein soll. Also musste ich vor Ort noch mal jede Mappe in die Hand nehmen und wurde zum Glück noch rechtzeitig kurz vor Beginn der Registrierung fertig. Während der Registrierung stand ich neben dem Registrierungstisch für Fragen bereit und konnte die Gäste, mit denen ich zuvor per E-Mail Kontakt hatte, persönlich kennenlernen. Davor hatte ich ehrlich gesagt ein bisschen Angst, weil Smalltalk und soziale Situationen ja nicht gerade meine Stärken sind, aber vor Ort in der Situation war es dann doch viel einfacher als zuvor gedacht.

Der Raum, in dem der erste Konferenztag seinen Ausklang fand, hat mir sehr gut gefallen. All die alten Geräte. Ein Globus. Alte Singer-Nähmaschinentische. Das mag ich sehr.

Für den zweiten Konferenztag ging es für uns dann in den Stadtteil Студентски град. In die elfte Etage eines Hotels – mit einem wundervollen Ausblick. An dem konnte ich mich den ganzen Tag lang erfreuen!

Bevor die Workshops anfingen haben wir die Räume mit den gewünschten Materialien ausgestattet, einen Stapel Kopien getackert und die letzten Konferenzmappen verteilt. In der Mittagspause haben wir uns schnell noch einen Nachtischteller gesichert, bevor wir die Poster für die Workshopauswertung vorbereitet und aufgehängt haben.

Ich bin mit einem guten Gefühl aus dem Projekt Konferenz gegangen. Das hatte drei Gründe:
1. Die Albträume, die mich im voraus heimgesucht haben (z.B. dass die Referenten alle nicht kommen können, weil ich die Flugdaten verwechselt habe), haben sich nicht bestätigt. Und auch die Ängste in Bezug auf Smalltalk haben sich nicht bestätigt.
2. Die Menschen, mit denen ich Kontakt hatte, waren alle sehr nett und es war ein schönes Gefühl, dankende Worte für die gute Betreuung zu erhalten.
3. Die Zusammenarbeit mit unserer Projektmitarbeiterin Boyana war einfach wundervoll (lustig). So viel wie in der letzten Woche, habe ich schon lange nicht mehr gelacht.

Eine Woche voll PASCH

PASCH, PAD, DSD – alles irgendwelche Buchstabenkombinationen, von denen ich bis zum Vorbereitungsseminar noch nie etwas gehört hatte. Und auch dort konnte niemand so richtig erklären, was genau die Unterschiede sind und wie das alles zusammenhängt. Ist für mich auch nicht so wichtig, das zu verstehen, dachte ich noch beim Vorbereitungsseminar, doch schon an meinem ersten Tag am Goethe-Institut musste ich feststellen, dass ich in dieser Annahme falsch lag. Ich habe mich viel mit der PASCH-Initiative beschäftigt und jetzt das Gefühl, wenigstens ein bisschen einen Überblick zu haben. (Infos zu der PASCH-Initiative findet man hier.)

Meine erste, größere Aufgabe in der Einsatzstelle war es, ein Projekt meiner Vorgängerin zuende zu bringen: Zum 10-jährigen Jubiläum von PASCH hatte sie angefangen, eine Broschüre zu „10 Jahre PASCH in Bulgarien“ zu erstellen. Und wie das immer so ist, muss man manche Menschen gefühlt 100 mal daran erinnern, etwas zu machen, bevor sie es dann wirklich tun. Deshalb war ich sehr überrascht, dass es nach mehreren Erinnerungsmails doch noch einige Schüler_innen gab, die ihre Erfahrungsberichte eingeschickt haben. Nicht so einfach war es, von einer Lehrerin ein paar Sätze über ihre Schule für ein kurzes Schulporträt zu bekommen. Nachdem sie nach vielen Emails meinerseits dann doch endlich mal geantwortet hatte, enthielt ihre Mail leider nicht die Antwort auf meine Fragen. Irgendwann hat sie mir dann endlich Infos über ihre Schule geschickt – 5 Seiten mit tausend (unnötigen) Infos, wie „Wir haben neue Taschenrechner bekommen“. Also habe ich mir den Text dann selbst zusammengeschrieben. Eine weitere Herausforderung war es, ein Foto von ihr in guter, druckbarer Qualität zu bekommen. Im Endeffekt hat sie dann eins beim Fotografen machen lassen, das wir dann endlich zum Druck geben konnten. Das hat aber auch dazu geführt, dass sie verärgert bei meiner Kollegin angerufen hat, um sich darüber zu beschweren, dass die Praktikantin gefälligst mal ihre Mails checken sollte und sagen soll, ob es nun endlich gut genug ist. Dabei hatte ich ihr schon längst eine sehr freundliche, dankende Antwort geschickt.

Überraschend und erfreut darüber, dass ich nun alle Texte und Bilder zusammen hatte, ging es dann an die Kommunikation mit dem Grafiker. Zwischendurch ein wenig davon genervt, dass manche Korrekturen nach dem 3. mal anmerken immer noch nicht umgesetzt wurden, sorgte sein Verständnis von Wortwolken dann erstmal zu einer allgemeinen Erheiterung.

Wortwolke

Aber auch das ließ sich klären und vor zwei Wochen konnten wir die letzte Fahne für den Druck freigeben. Da kein Vorabexemplar gedruckt werden konnte, stieg die Spannung auf das Ergebnis sehr. Auch der Kommentar des Institutsleiter „Da wollen wir mal hoffen, dass nicht zu viele Tippfehler drin sind“ lies meine Nervösität steigern. Als die fertigen gedruckten Broschüren dann eine Woche später geliefert wurden, war ich sehr zufrieden mit dem Ergebnis und habe mich sehr gefreut.  Vom Institutsleiter gab es nur den Kommentar „Bisher habe ich auch noch keine Tippfehler gefunden“ – was hat er bloß immer mit seinen Tippfehlern? – was mich auch sehr erleichtert hat.

Abschließend kann ich sagen, dass es mir viel Spaß gemacht hat, die Broschüre fertig zu stellen und es ein tolles Gefühl ist, den fertigen Druck in der Hand zu halten.

Letzte Woche ging es dann PASCH-mäßig weiter und zwar wurde die 19. Schule in Sofia in die PASCH-Initiative aufgenommen. Dafür wurde am Mittwoch ein ganztägiger Workshop mit „einigen“ Schüler_innen an der Schule durchgeführt, in dem sie eine kurze Präsentation erarbeitet haben, die sie am nächsten Tag bei der feierlichen PASCH-Eröffnung präsentiert haben. Ich fand es interessant, bei dem Workshop zuzuschauen, weil mich Theater (und Theaterpädagogik) sehr interessiert. Leider war der Vormittag sehr chaotisch. Noch am Freitag zuvor hatte mir der zuständige Lehrer am Telefon versichert, er habe 25 Schüler_innen ausgesucht. Am Mittwoch Morgen saßen dann aber nicht nur 25 Schüler_innen im Stuhlkreis, sondern 48! Einige mussten zwischendurch für eine Stunde weg, andere blieben nur bis zur Mittagspause. Oh man. Ich hatte dann irgendwie ein schlechtes Gewissen, weil ich die Kommunikation mit dem Lehrer und den Workshopleitern übernommen hatte, aber eine Kollegin hat mir später zum Glück versichert, dass ich da nichts für konnte und es nicht vorhersehen konnte, dass der Lehrer sich nicht an die Absprachen hält.

Nach dem Mittagessen wurde es dann zum Glück besser und es waren nur noch die Schüler_innen da, die auch am nächsten Tag bei der Präsentation dabei waren. In kleinen Gruppen zum Thema „In meiner Stadt der Zukunft sehe ich …“ erarbeiteten sie kleine Theaterszenen. Ich war positiv überrascht, was sie sich in nur 10 Minuten ausgedacht hatten.

Am nächsten Tag trafen wir uns um 8 Uhr in der Schule und es gab noch eine letzte Probe, bevor um 10 Uhr die Veranstaltung begonnen hat. Ich finde, die Schüler_innen haben es alle sehr gut gemacht und ich fand es sehr mutig, sich nach so einer kurzen Probenzeit und dann auch noch auf einer Fremdsprache auf die Bühne zu stellen.

Für mich war es auch sehr interessant, mal eine bulgarische Schule von innen zu sehen. Direkt am Eingang stand man vor einem Drehkreuz und durfte die Schule nur betreten und verlassen, wenn man reingelassen wurde. Eine weitere Sache, die mir im Vergleich zu den Schulen in Deutschland fremd war, war, dass die Schüler_innen alle mit ihren Handys rumlaufen durften. Wenn ich mich an meine Schule erinnere, dann wurde das Handy schon einkassiert, wenn man es nur in der Hosentasche hat hervorstehen sehen.

Fazit: Die letzten Wochen waren sehr aufregend und interessant.