„Und was willst du nach dem Abitur machen?“

 

 

Ich glaube, jedem Abiturienten hängt irgendwann die Frage zu den Ohren raus. Ich habe sie in der letzten Zeit so oft gestellt bekommen, dass ich inzwischen wie ein Kassettenrekorder meine Antworten abspielen kann. „Ich werde für sechs Monate in Tirana, Albanien als Sprachassistenz über kulturweit, den Freiwilligendienst der deutschen Unesco, an einer Schule arbeiten“. Und die Antwort die darauf kommt, ist eigentlich immer die Gleiche. „Oh cool, und warum hast du dich für Albanien entschieden?“ Gute Frage eigentlich.

Ich hatte mich letztes Jahr im Dezember bei kulturweit beworben. Bei kulturweit kann man sich zwar Regionen wünschen, allerdings wollte ich um meine Chancen zu vergrößern, mich nicht einschränken. So wurden „Latein- und Südamerika“ meine Wunschregionen und alle anderen Regionen ordnete ich „würde ich auch okay finden“ zu. In Südamerika hätte ich dann mein Spanisch verbessern können, länger in einer fremden Kultur leben und in diese eintauchen können. So zumindest war mein Plan.

Als ich die Mail mit der Zusage von kulturweit bekommen habe, habe ich mich gefreut und wollte sofort wissen wohin es gehen wird. Brasilien? Argentinien? Oder doch Vietnam?

Albanien.

Ich hatte einen blassen Schimmer, dass Albanien irgendwo in Osteuropa liegt, aber mehr? Was spricht man da denn überhaupt? Wo liegt das? Was ist die Hauptstadt? Wie groß ist das Land überhaupt? Wie ist das Wetter in Tirana?

Mir fiel auf, dass ich eigentlich so gut wie nichts über dieses Land wusste. Aber aus irgendwelchen Gründen hatte mir das Leben die Chance gegeben, genau in diesem Land sechs Monate zu verbringen. Warum eigentlich nicht?
Als dann auch noch klar wurde, dass ich eventuell im Matheunterricht helfen könnte und Tirana nicht weit von der Küste entfernt ist, habe ich zugesagt.

Das ganze ist jetzt gut vier Monate her.
Und aus dem „Warum eigentlich nicht?“ wird inzwischen immer öfter ein „Was zur Hölle hast du dir dabei eigentlich gedacht, Jana? In einem fremden Land alleine zu leben, obwohl du noch nicht mal in Deutschland alleine gelebt hast. Willst du wirklich deine Familie und Freunde für so lange nicht mehr sehen?“. Je näher mein Freiwilligendienst rückt und je genauer die Planungen werden, desto größer werden meine Ängste. Aber ich glaube, das ist normal.

Auch um diese Ängste zu nehmen und andere Freiwillige kennen zu lernen (und auch weil legal gesehen ein pädagogisches Begleitprogramm zu einem FSJ dazu gehört), muss ich, genauso wie alle anderen Freiwilligen, die im September 2019 mit kulturweit ausreisen, ein Vorbereitungsseminar in Berlin besuchen. Gerade befinde ich mich im Zug auf dem Weg dorthin.

Und wie so üblich, rege ich mich über die Deutsche Bahn auf, die mir irgendetwas zwischen ein und zwei Stunden kostenloser extra Zeit in Zügen spendiert. Das werde ich wohl die nächste Zeit nicht mehr haben.
Nicht weil es in Albanien keine dauerhaft verspätete Deutsche Bahn gibt, es gibt einfach generell keine Züge. Es gab mal welche, die wurden dann aber alle vernachlässigt und die Schienen sind heute, wenn es denn noch welche gibt, unbefahrbar. Gerade versucht man zwischen Tirana und Durrës, der zweitgrößten Stadt Albaniens, direkt am Meer, eine Bahnlinie zu bauen. Diese wäre dann etwa 20km lang. Allerdings hat man vorsorglicherweise in Tirana erstmal den Bahnhof gesprengt.
Das konnte ich zumindest in meinem Albanien-Reiseführer unter Bahnverkehr nachlesen.
Ich fühlte mich daraufhin sofort an Deutschland erinnert, da diese Geschichte genauso auch in dem Realen Irrsinn von Extra3 gepasst hätte und freue mich nun noch mehr auf meinen Freiwilligendienst in Albanien.

Wobei mir das Vorbereitungsseminar aber wahrscheinlich nicht helfen kann, ist mir den Schmerz zu nehmen, meine Freunde und vor allem meine Familie für längere Zeit nicht mehr zu sehen.
Mein kleiner Bruder ist gerade zwölf und fängt langsam an richtige Wachstumsschübe zu bekommen. Wir beide befürchten, dass, wenn ich wieder komme, er größer als ich sein wird. Irgendwie ein komisches Gefühl.
Er hatte mir beim Packen geholfen. Irgendwann meinte er, dass er will, dass ich nicht gehe. Etwas müde erwiderte ich, dass es Verträge gäbe und das alles nicht so einfach gehen würde. Er antwortete: „Doch klar! Das geht ganz einfach! Du steigst einfach nicht in diesen blöden Zug ein und bleibst hier. Wo ist das Problem?“. Ich werde ihn vermissen.

Aber momentan überwiegt die Vorfreude. Ich werde die Nacht vor dem Seminar bei einer guten Kindergartenfreundin sein, die ich viel zu selten sehe. Ich freue mich darauf, sie zu sehen und auch auf das Seminar, den Input, den wir dort bekommen und die anderen Freiwilligen. Ich meine: Wie schlecht kann ein Seminar schon werden, wenn auf der Packliste „Badebekleidung“ steht?

Ah und für diejenigen, die sich noch wundern. Albanien liegt nördlich von Griechenland an der Adria – direkt gegenüber von Italien. Man spricht Albanisch, eine indo-europäische Sprache, die interessanterweise zu keiner anderen Sprachgruppe gehört, aber immerhin benutzen sie das lateinische Alphabet.

Die Hauptstadt ist Tirana, die Stadt, in der ich eingesetzt bin.
Die Metropolregion, also Tirana und Durrës, hat knapp eine Millionen Einwohner. Insgesamt leben knapp drei Millionen Menschen in Albanien. Es ist also sowohl von den Einwohnern her als auch von der Fläche vergleichbar mit Brandenburg. Niedlich. Und auch das erinnert mich an meine Heimat, an das kleine, aber durchaus feine Saarland.
Das Wetter in Tirana ist mild, sonnig, mediterran und nass. Tirana gehört zu den regenreichsten Städten Europas – aber auch zu den sonnigsten.

Mirupafshim und bis bald!

Jana

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