Für ein Buch und für unser persönliches Treffen: In der zeitgenössischen bulgarischen Literatur gibt es ab dem 21. Jahrhundert viele Werke, die die Aufmerksamkeit des Lesers verdienen. Ich habe mich verpflichtet, Bücher zeitgenössischer Autoren für eine Website / https://www.bgliteratura.com/ zu lesen und zu präsentieren. Und so kam ich zu dem Roman „The Invisibles“ von Natalia Deleva. Das Buch wurde übersetzt und in deutscher Sprache veröffentlicht. The Invisibles ist ein berührender Roman über die physischen und spirituellen Prüfungen von Menschen, die am Rande leben, von der Gesellschaft vergessen oder verachtet.
Die Autorin Natalia Deleva wanderte aus und arbeitete in Großbritannien. Während sie als Journalistin in Bulgarien mit verschiedenen nationalen Medien zusammenarbeitete, beschäftigte sie sich mit der sozialen Realität in Bulgarien am Ende des 20. Jahrhunderts. In dem Buch teilt sie dieses Wissen über das Schicksal verlassener Kinder in einem Waisenhaus, welche körperlichen und geistigen Misshandlungen ausgesetzt sind, über Taschendiebstahlkinder, Prostituierte, über traumatisierte Kinder mit kranken Eltern, über Kinder, die von ihren armen Eltern getötet wurden, über ein sterbendes Mädchen – ein Flüchtling, die den Schrecken und die Schande der erlebten Gewalt nicht überwinden kann, über einen anderen, der seit sieben Jahren die sexuellen Übergriffe seines Vaters erträgt, über einen Jungen im Rollstuhl … über vergessene Seelen in einer ungerechten, rücksichtslosen, brutalen Welt.
Der Roman besteht aus einzelnen Fragmenten. Die Geschichten über die Charaktere wechseln sich mit Fragmenten dokumentarischen, historischen, journalistischen Charakters oder philosophischen Eindrücken ab. Alles wird durch die fortlaufende Haupthandlung über die bittere Erfahrung eines verlassenen Mädchens in einem Waisenhaus vereint, das die Einrichtung verlässt und sich mit den Traumata auseinandersetzen muss, die ihm in seiner Kindheit zugefügt wurden, und einen Sinn in seinem Leben findet. Diese ausführliche und ausdrucksstarke Geschichte wird in der ersten Person erzählt, die den Leser näher an die Tiefe der Erfahrungen der Heldin bringt und sein Vertrauen und sein Einfühlungsvermögen provoziert.
Eines Tages flossen meine Tränen beim Lesen. Ich bin von der alten Generation… würden sich die Menschen, die heute in Schrecken verwandelt und als Sensationen in den Medien veröffentlicht wurden, nicht genauso fühlen? Wie unempfindlich das moderne Leben uns für das Leiden anderer macht, werden Sie sagen.
Meiner Ansicht nach hören wir beim Ansehen von Filmmaterial und beim Anhören von Kommentaren zu schrecklichen Ereignissen gemeinsame Statistiken: „Im Radio berichtet eine monotone männliche Stimme“, so internationale Menschenrechtsbeobachter, „dass mehr als vierhunderttausend Menschen getötet wurden In Syrien sind fünfzig Prozent von ihnen Tausende Kinder. “„ Und was gesehen und gehört wird, geht schnell vorbei.
Eines der Fragmente erzählt vom Experiment von Amnesty International in Polen im Jahr 2016. Flüchtlinge aus Syrien und Somalia treffen Menschen aus Belgien, Polen, Deutschland, Großbritannien…
„Sie stehen sich gegenüber und schauen sich direkt in die Augen. Keine Worte. Keine Gesten. Vier Minuten. Ein Regiesseur hält ihre Reaktionen in einem Video fest. Die Ergebnisse sind ergreifend … Die meisten Teilnehmer halten sich nicht zurück und klammern sich in einer tiefen Umarmung … “ Der Roman Invisible ist eine ähnliche Begegnung. Angesicht zu Angesicht. Dies ist die Kraft des Kunstwerks, das fiktiv, bedingt fikitv ist, aber einen viel stärkeren Einfluss auf uns hat, weil es sich wie eine persönliche, menschliche Geschichte anhört, die es uns ermöglicht, uns mit dem Charakter zu identifizieren, mit ihm zu gehen und dann zu bewerten und zu beurteilen. Persönliche Geschichten helfen uns, einander in die Augen zu schauen und unsere Herzen zu öffnen, um den anderen zu verstehen. Vorurteile überwinden zu können, die Angst, sich verletzlich zu zeigen und zu lieben.
Wieder so viele Eindrücke, dass mein Kopf fast platzt, also höchste Zeit für einen neuen Blogbeitrag.
Von der Entstehung dieses Titels, ins bulgarische Dorfleben eintauchen, arbeiten, einer Grenzerfahrung und der bisher schönsten Wohnung Bulgariens, bis zum Sonnenbrand und entspannedem lauschen eines Bachs.
Immer tiefer tauche ich ein unter die Oberfläche des Eisbergs der bulgarischen Kultur und Mentalität.
Also, warum die Luft nach Kartoffeln riecht: nach einem langen Tag in der Schule beschlossen Soner und ich abends noch zum Monument zu laufen. Wie gesagt ist das Abendlicht hier magisch, die Wolken am Himmel waren wunderschön und nicht so viele Menschen unterwegs. Nachdem wir uns die 1300 Stufen hochgequält hatten, kurz die Aussicht genossen um dann schnell wieder runter zu rennen, damit wir noch im Hellen ankommen, war ich so euphorisch, weil mir nicht kalt war und ich das Gefühl hatte den Frühling zu spüren. Ja, ihn förmlich zu riechen. Das wollte ich natürlich Soner mitteilen. Ich: „Die Luft riecht nach Frühling!“ Soner:“Nein Karla, die Luft riecht nach Kartoffeln.“ So schnell wurde meine Euphorie zu nichte gemacht und ich musste mich mit der Realität abfinden. Frühlingsgeruch = Kartoffelgeruch.
Am Wochenende darauf fuhr ich zusammen mit Soner und seinem Opa ins Dorf Timarevo. Wenn Soner fährt etwa 30 min., wenn sein Opa fährt etwa 15 min. von Shumen entfernt 🙂
Mein erstes wirklich authentisches bulgarisches Dorf. Mit den typischen gelben Backsteinhäusern. Bei dem bewölkten Wetter haben wir die meiste Zeit drinnen verbracht. Der Kamin wurde zu meiner Freude entzündet, der Fernseher angeschaltet, auf Türkisch, und allerhand Maschinen wurden ausgepackt. Brotmaschine, Eiermaschine (Eierkocher) und fast auch noch ein Reiskocher. Meine mitgebrachten Paprika haben wir über einem Gaskocher in der Mitte der Küche auf dem Boden über die Flamme gehoben, um sie später für den Salat zu benutzen. Sehr cool. Während Soner in der Küche anfing zu putzen, wir gemeinsam Brötchen mit Käse machten und Gurken und Tomaten für den Chopska-Salat schnitten, hantierte sein Opa am Auto. Was genau er da machte wollte er mir natürlich auch zeigen. Also mithilfe von Zeichensprache ging das auch ganz gut: Rost abschleifen, so ne Paste drüber, wieder abschleifen und ansprühen. Dann ging es noch ab in die Garage. Dort habe ich die zahlreichen alten Drucker von Soner gesehen und endlos viele Radios, sowie die Rakia und Whiskey Sammlung. Was ich sofort verstanden habe: Rakia aus dem Laden schmeckt nicht, nur der selbstgemachte. Dan hat er mir noch zig verschiedene Kompottgläser gebracht, auf die Bäume gezeigt von wo welche Frucht kommt und ich stand da, ich, die sich nie entscheiden kann. Hab mich für Pflaume entschieden (glaube ich). Drinnen hat Soner den Salat fertig gemacht. Perfektes timing, denn ich hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen und brauchte unbedingt was im Magen, bevor die Rakia-Verkostung losging. Pfirsich und Trauben Rakia, hat sehr stark gebrannt, der Salat war himmlisch und ich habe danach etwas angetrunken Ostereier gefärbt für die Achtklässler und mich sehr über die bunten Farben gefreut. Die Käsebrötchen waren auch ein Traum. Ich habe mich vor den Ofen gesetzt um ihnen beim Backen zuzuschauen. Auf einen ganz kleinen Hocker. Soner saß auf einem Hocker auf einer Bank. War bestimmt ein witziger Anblick. Wir haben Musik gehört und ausgetauscht. Das heißt, ich habe neue Lieder von Soner gezeigt bekommen. Meine Musik ist zu uncool 🙂 Wir haben Mousse au Chocolat gemacht und ich habe eine Haustour bekommen. Die Renovierungsarbeiten begutachtet und den Schatz von Soners Mutter. Allerlei Sachen unter dem Bett, die wie sich später noch herausstellen sollten wirklich nützlich sind.
Dann ging es raus mit den Hunden. Zara war ganz aufgeregt, wie ein Flummi und konnte es kaum erwarten. Ich habe sie liebevoll Sucuk getauft.
Matty war etwas ruhiger, allerdings zieht er ziemlich an der Leine. Wir haben uns abgewechselt, sind gerannt, gelaufen, gegangen, bis zur verlassenen Landebahn für Flugzeuge im Dorf. Ein paar Tropfen fielen vom Himmel und man hatte eine wunderschöne Aussicht auf das Panorama, in der Ferne das Monument. Ein sehr unscheinbarer Moment, aber wie wir da so gelaufen sind, das hat mich sehr an meine Kindheit erinnert. Gemütliches Wetter, Besuch bei Verwandten auf dem Land. So einen großen Unterschied gibt es nämlich gar nicht, wenn man mal das Aussehen der Häuser außen vor lässt. Und die Tatsache, dass es im Haus kein Klo gibt. Dafür muss man einmal durch den Garten laufen. Ein Stehklo. Außerdem ist jeder selbst für die Abwasserentsorgung verantwortlich. Soners Opa fuhr mit dem Fahrrad Milch holen. Die musste später noch abgekocht werden. Im Garten habe ich die wunderschön, von Soners Opa geflieste Außenküche bewundert und war begeistert von den upcycling Porjekten seiner Mutter.
Während Soner und ich in der Küche saßen kam sein Opa immer wieder rein um zu fragen, ob ich mich wohl fühle, ich etwas essen möchte, usw. Laut Soner führt er Buch über die Meinung der Gäste. War sehr lustig.
Ich habe gegessen ohne Ende und war irgendwann nur noch müde. So ein Tag im Dorf schlaucht. Apropos Schlau, der Duschschlauch war kaputt, aber unter dem Bett, in dem Schatz von Soners Mutter haben wir sogar zwei verschiedene Modelle gefunden und das Problem war gelöst. Soner hat also noch Milchreis gekocht und ich habe mich bettfertig gemacht. Und sehr gut geschlafen. Am nächsten Morgen ging das Essen weiter. Ich Langschläfer bin erst um 8 Uhr aufgestanden… Nudeln mit Dorfsoße, einer Joghurt-Knoblauch-Soße wurden mir serviert und dann ging es auch schon wieder zurück ins charmante Shumen. Den Sonntag habe ich mit putzen und YouTube schauen verbracht, Unterricht vorbereitet und gelesen.
Für die Achtkläsler habe ich Ostereier versteckt. Spielerisch Präpositionen lernen nennt man das. Auch, wenn ein Schüler vermutlich ne Ei-Überdosis hat, wenn das möglich ist. 7 Eier hat er gefunden und niemand sonst wollte sie essen, also rein damit!
Wir haben neue Mitglieder für unseren DeutschClub gewonnen, ich habe mein Müllprojekt weitergeführt und gemerkt, dass ich meine Schüler, trotz der immensen Lautstärke, echt vermissen werde, wenn ich wieder in Deutschland bin. Dadurch, dass ich in der Schule so in Interaktion mit vielen Menschen bin, habe ich ansonsten gar nicht so viel Motivation was mit anderen zu machen und bin lieber alleine.
Am Mittwoch morgen, als ich gerade das Haus verlassen habe und auf dem Weg zur Schule war, hielt plötzlich ein Auto an und eine Frau winkt mir wie verrückt daraus zu. Mein Hrin begann zu rattern, während ich unsicher meine Hand hob um zurückzuwinken. „Wer ist diese Frau? Kenne ich sie und haben es vergessen?“ Schon wurde die Tür aufgemacht, ich gehe näher um zu verstehen, was sie sagt. Sie bringt Licht ins Dunkel. Die Mutter eines Schülers. Sie bietet mir Pralinen an, hinter ihr hupen die Autos. Schnell nehme ich eine Praline, bedanke mich. Immer Süßes von Menschen annehmen, die man nicht wirklich kennt… „Have a nice day, Karla!“ Ja sehr nice. Mit diesem skurrilen Erlebnis, bin ich gleich etwas wacher weitergelaufen. Aber noch immer nicht wach genug um mit Jasmin, die auf der anderen Straßenseite lief, Smalltalk zu machen. Wir sehen uns, Lächeln, überlegen Beide kurz die Straße zu überqueren um zu reden, schütteln den Kopf und werfen uns stattdessen einen Luftkuss zu. So muss das sein!
Ich merke immer deutlicher, dass ich doch oft andere Interessen habe und mehr auf die Interessen der Schüler eingehen muss, herausfinden, was sie interessiert. Ziemlich schwierig, da ich oft keine Antwort bekomme. Meine Arbeit ist vielseitig, ich bin oft in verschiedenen Klassen, präsenz und online, wir spielen Spiele und lachen. WIe schön, dass Humor trotz unterschiedlicher Sprach funktioniert.
Ansonsten habe ich wieder viel im Park gelesen, bin süchtig nach meinem Buch. Zdrasdi. Ich schaue hoch und vor mir steht ein kleines Mädchen an einer Leine. Habe sie zurückgegrüßt und musste Lachen. Ich finde das sieht einfach nur seltsam aus. Ansonsten habe ich nochmal alleine einen Abendspaziergang zum Monument gemacht, in der Abendsonne Ananas gegessen und den Gedanken freien lauf gelassen.
Das Wochenende habe ich in Ruse verbracht. Vier Stunden Zugfahrt, ein Katzensprung. Dort habe ich mich mit zwei neuen Freiwilligen, Steffi und Sandra getroffen. Kennenlernen, die Stadt erkunden, an der Donau spazieren gehen. Die Stadt ist größer als Shumen und irgendwie gelange ich immer wieder an den Punkt, dass mich etwas an Frankreich erinnert. So also auch Ruse. Ich weiß echt nicht, was es ist. Die Mentalität der Menschen, die zahlreichen Quechua Rucksäcke, die Sprache oder doch die Architektur? Vielleicht alles zusammen. Vielleicht auch die Tatsache, dass Ruse eine Grenzstadt ist. Wenn man an der Donau entlang spaziert, kann man auf der anderen Seite Rumänien sehen. Meine Grenzerfahrung 🙂 Das hat mich sehr an die Grenze zu Frankreich, am Rhein erinnert, also die Landschaft. Die Uferpromenade ist sehr schick und auch ansonsten sieht die Stadt echt gut aus. An der Donau gab es einen nachmittäglichen Rave, zu dem ein paar Kinder total abgegangen sind. Ein weiteres Highlight der Stadt: ein Baum, den man umarmen muss, damit die Wünsche in Erfüllung gehen. Haben wir gemacht. War sehr schön. Im Park haben Sandra und ich noch einen viel zu süßen Eistee getrunken und geredet. Ich habe im Hostel eingecheckt. Vasil von der Rezeption war ein bisschen verplant. Meine Buchung hat er nicht gesehen, also habe ich ein Zimmer bekommen, dass noch gar nicht auf der Webseite steht. Die ganzen verschlungenen Treppen hoch, bis ganz nach hinten durch ins letzte Zimmer. Sehr schön. Das ehemalige inoffizielle Haus des früheren Premierministers.
Da es nen Stromausfall gab, haben wir für einen Salat eingekauft. Bei Steffi wurde der zubereitet, aber ich war die ganze Zeit abgelenkt von ihrer Designer-WG. Die Wandfarben, die Möbel, der Ofen, der Boden, das Bad. Traumhaft. Ich glaube das ist die schönste Wohnung Bulgariens und Deutschlands. Aus Müdigkeit und Faulheit haben wir den Sonnenuntergang, der so grandios sein soll an der Donau, aus der Wohnung aus betrachtet. Was ich im nachhinein echt bereue. Wir haben leckeres Eis Sorbet gegessen, übers Reisen und Studium gesprochen, ganz neue Konstellation, dass ich plötzlich die Jüngste am Tisch war. Nachdem wir noch ein bisschen mit Maria, Steffis Mitbewohnerin gesprochen haben, ging ich zurück ins Hostel um zu schlafen. Mit den hohen Decken, den alten Fenstern und Vorhängen ein wirklich schönes Zimmer.
Sehr zufrieden über meine erste Nacht alleine in einem Hostel, eine bereichernde Erfahrung, durch die ich mich sehr Erwachsen fühle, war es ein perfekter Start in den Tag. Auschecken, in der Sonne laufen, dem geplätscher vom Brunnen lauschen, Tagebuch schreiben. Gemeinsames veganes Frühstück an der Donau. Der Zug fährt direkt am Park vorbei und hupt immer sehr laut und oft, damit auch ja alle Kinder angerannt kommen um ihm zu winken. Ein wahres highlight. In der Sonne zu sitzen und die Donau entlang spazieren, genau das richtige für einen Sonntag. Wir saßen am Wasser, neben uns eie Mutter mit Sohn beim Angeln. Dann ging es ein wenig schneller Richtung Bahnhof.
Schienenersatzverkehr, also sehr hektisch einen Bus gesucht und zum Glück in letzter Minute gefunden. Typisch Deutsch, dass ich mir da so einen Stress gemacht habe. Zeit, Zeit, Zeit. Über dieses Thema haben wir morgens noch beim Frühstück philosophiert und auf der Rückfahrt sollte mir der unterschiedliche Umgang mit Zeit bewusst werden. Ich liebe es so sehr in einem Bus voller Bulgaren zu sitzen, ohnen einen wirklichen Plan, ob ich richtig bin. Aber irgendwie kümmern sich alle immer so rührend um mich, dass ich mittlerweile darauf vertraue am richtigen Ort anzukommen. Wir brettern durch eine Landschaft, die wäre sie auf einem Foto abgedruckt, viel zu kitschig wäre. Aber in echt einfach wunderschön. Schafe, Kühe, Pferde grasen ohne Zaun. Die wellenförmigen Acker, Rapsölfelder, 2000er Popmusik aus dem Radio. Plötzlich vor uns ein anderer Bus am Straßenrand mit einem Motorproblem. Sofort wird mit einer Selbstverständlichkeit angehalten, die ich so nicht aus Deutschland kenne. Ein paar steigen aus. Um zu helfen oder zu rauchen. Mein erster Gedanke: Oh nein. Ich verpasse meinen Anschlusszug! Was ne deutsche Art zu denken. Der Kontrolleur telefoniert, ruft bei der Bahn an, sie sollen auf uns warten. So regelt man das hier. Ich werde gelassener, schäme mich, für mein egoistisches Denken. Nachdem dem Busfahrer geholfen wurde steigen alle wieder ein. Im Radio läuft der Ketchup-Song. Es geht weiter. Und tatsächlich steht am Bahnhof der Zug bereit, wartet auf uns. Das ist eine andere, sozialere Art, mit der Zeit umzugehen. I like it.
Auf der Zugfahrt google ich Lavendel Bulgarien. Soner hatte mir erzählt, dass hier viel Lavendel angebaut wird. Und tatsächlch! Ich kann es kaum glauben. Neuer fact für alle: Bulgarien ist weltgrößter Lavendelproduzent und hat die Provence vor einigen Jahren abgehängt, nachdem die Lavendelbauern dort mit einem Schädling zu kämpfen hatten.
Seitdem wird im Nordosten von Bulgarien Lavendel angebaut. Lavendel und Rosen. Arbeitsplätze werden geschaffen, die Wirtschaft wird angekurbelt und meiner Recherche nach auch Projekte im Bildungssektor unterstützt. Tatsächlich habe ich in einem davon schon einmal eine heiße Schokolade getrunken. The social Teahouse, ein Café in dem Waisenkinder, die jetzt Erwachsen sind als Baristas arbeiten und Seminare und workshops abgehalten werden. Echt interessant, dass man immernoch so viel neues lernen kann.
Ich lege mein Handy weg. Mein Kopf schmerzt. Sonnenstich. Mein Gesicht ist rot. Wie soll das nur im Sommer werden…
Auch heute, nach meinem Waldspaziergang mit Rumy glüht mein Gesicht wieder. Trotz Sonnencreme. Naja. Der Frühling ist da, die Bäume und Blumen blühen, die Stimmung wird besser, mein Wochenplan ist geschrieben. Ich hoffe ich habe nichts vergessen.
Gerade beim Einkaufen habe ich mich noch mit der Kassiererin darüber unterhalten was Süßkartoffel heißt und schon wieder vergessen…Jetzt genieße ich noch den Abend.
Von 0 auf 100 aus der Quarantäne raus, ein Tag am Meer und einmal quer durchs Land vom Osten in den Westen. Von der Kleinstadt in die Großstadt und von dort aus ins Dorf. Von der Quarantäne, in die Ferien und zurück in den Alltag. Es ist so viel passiert im März und April, dass man damit ein halbes Jahr füllen könnte.
Ein paar letzte Quarantäneeindrücke. Die letzten zwei Tage wurde ich dann doch ein bisschen hibbelig und unausgeglichen. Beim Zähne putzen habe ich im Dunkeln auf dem Balkon immer die Möwen beobachtet. Der dunkelblaue Himmel und die hellen Möwen. Eigentlich sind ja Raben die magischen Vögel, aber irgendwie sehen Möwen bei Nacht auch magisch aus.
Wir haben den Himmel wirklich ziemlich ausführlich beobachtet, Wolken können wirklich faszinierend sein. Es gab ein Gewitter, unwirkliche Atmosphäre, gelber Himmel, Sommerregen, doppelter Regenbogen.
Die letzten Tage waren voller Kontraste. Nach dem negativen Testergebnis gab es erstmal einen Freudentanz. Rausgehen, etwas völlig normales, was uns verboten war und von einem Tag auf den nächsten wieder erlaubt war. Wir sind plötzlich keine Aussätzigen mehr! Länger als 10 Schritte направо (geradeaus) laufen zu können hat sich toll angefühlt. So sind wir richtig beschwingt, fast euphorisch zum Bahnhof gelaufen, damit Franzi zumindest noch ein bisschen mehr von Bulgarien sieht. Also ab zum versprochenen Meer. Auf dem Weg gab es natürliches warmes Baniza. Genau die richtige Portion Fett für eine Stärkung am Morgen.
Während der Zugfahrt aus dem Fenster zu schauen hat mich wie immer inspiriert und die Weite im Osten Bulgariens, die so unendlich scheint, trotz der Tatsache, dass Bulgarien ein im Vergleich zu Deutschland kleines Land ist, hat uns fasziniert. Ein Feld voller Störche. Jetzt wissen wir also: die Babys kommen aus Bulgarien.
In Varna angekommen hatten wir richtiges Meerwetter. Zumindest habe ich das so empfunden. Bei Sonne sind wir durch die Fußgägnerzone gelaufen, haben Postkarten geschrieben, als der Regen angefangen hat zu fallen, sind wir in die Kathedrale gehetzt, nach einer kurzen Trockenpause ging es bei strahlendem Sonnenschein ab ans Meer. Die Wärme hat uns überrascht und unser Zwiebellook hat ein paar Lagen verloren.
Im Meergarten haben wir die Aussicht auf der besten Bank des Parks genossen, umgeben von, wie nennt man eine Gruppe von Katzen?, Katzenrudel?, umgeben von einer Horde Katzen.
Durch frisch gepressten Orangensaft und strahlende Sonne sind wir zu genügend Vitamin C und D gekommen. Keine Pillen mehr! Dann wieder zugezogener Himmel, Wolken, Regen und plötzlich Hagel, den wir, wie es sich gehört, im SecondHandLaden abwarteten und dort ein wunderschönes Kleid anprobierten, dass uns beiden leider, oder zum Glück für unseren Schrank, nicht passte. Die Deutschenquote im Laden war zu diesem Zeitpunkt überdurchschnittlich hoch, da noch zwei andere Deutsche mit uns im Laden waren. Hagel vorbei, wir wieder raus, Kaffee und heiße Schokolade, und dann wieder Essen im strömenden Regen. Direkt aufs Meer zu zulaufen ist absolut gigantisch und überwältigend. Am Meer zu stehen, während es regnet auch. Kalt war es nicht. Später auf der Hafenmauer sind wir ein Stück gerannt, um unserer überschussigen Energie freien Lauf zu lassen, einfach so, weil wir das Bedürfnis hatten und uns frei gefühlt haben und um unsere Kräfte zu testen. Tatsächlich alles noch ein bisschen erschöpfend. Pause auf den Wellenbrechern, Bruschette und Wasser kaufen und wieder ab zurück zum Bahnhof. Gelungener Tagesausflug. Ein wunderschöner Sonnenuntergang auf der Rückfahrt und auch noch in Schumen. Ananaskauf und extra schnelle Packaktion, aufgewärmtes Essen und endlich schlaf.
Neuer Tag, neue Zugfahrt. Es war herrlich Franzi die Berge im Westen zu zeigen, wie sich von jetzt auf gleich die Landschaft komplett verändert.
Tatsächlich war der Zug dieses Mal nicht so warm, wie gewohnt, weshalb unser erster Kommentar in Sofia ein überraschtes „Oh, mild“, war. Die letzte halbe Stunde haben wir im Zug über unser Lieblingsthema: Essen, geredet. Also ging es zuerst einkaufen und dann ausgiebig ans Kochen. Danach haben wir im Zentrum das grandiose Abendlicht bei dem ein oder anderen Bier genossen, Leute beobachtet und uns Geschichten über sie ausgedacht.
Obwohl es so mild war, gab es am nächsten morgen Schnee. Natürlich. Als erstes auf zum Testzentrum. Wir werden richtig geübt im Covid-Tests machen. Ausgestattet mit dem richtigen Wisch für Franzis Rückflug ging es weiter in die Nachbarstadt von Sofia, nach Pernik. Wegen der ungemütlichen Kälte wären wir gerne noch länger Zug gefahren und haben uns ersteinmal in ein Café, natürlich draußen, hingesetzt. Und, was will man schon anderes machen bei dem Wetter, ging es danach weiter in einen Second Hand Laden. Ich weiß, die Sucht ist groß…Die Erfolgsquote auch. Glücklich, mit neuen Oberteilen ausgestattet machten wir uns auf zu einer Schneewanderung auf einen Hügel. Das Abenteuer hat uns gerufen. Wir haben unglaublich süße Welpen gesehen und ich hatte mal wieder unglaublich matschige Schuhe. Unser Ziel: ein verlassenes Gebäude. Da wird man ja auch wirklich schnell fündig hier.
Am Bahnhof haben wir dann gewartet, Gemischtes Hack gehört und die Menschen um uns herum beobachtet. Besonders interessant. Ein alter Mann, mit Wanderbeutel und sehr cooler Mütze, der sich in ein uraltes Notizheft die Abfahrtszeiten der Züge aufschrieb. Gespannt habe ich ihn dabei beobachtet und ihm zu meinem spirit animal erklärt. So lässig will ich auch sein wenn ich alt bin.
Zurück in Sofia haben wir auf dem шенски базар, dem Frauenmarkt, weitere unserer schönen bulgarischen Schüssel gekauft und uns wurde ein Deckchen geschenkt, auf dem man Schnapsgläser abstellen kann. Natürlich sind wir nicht auf diesen Trick reingefallen und haben uns nicht die passenden Schnapsgläser gekauft. Franzi hat nochmal umgepackt und tatsächlich alles verstaut bekommen und dann ging es früh ins Bett. Vor dem einschlafen wurden noch Pläne geschmiedet, was wir alles machen werden, wenn ich wieder in Deutschland bin. 3:50 Uhr war dann das Taxi da, Franzi am Flughafen und ich nach 3 Wochen plötzlich wieder alleine. Aber nicht für lange.
Nachdem ich mich nochmal hingelegt und geschlafen habe, habe ich mich am nächsten Tag mit Amelie und Nele getroffen. Ein bisschen das Großstadtleben genießen. Ich dachte immer, dass ich mich danach sehne, aber in der letzten Woche habe ich gemerkt, dass das nicht der Fall ist. In der Großstadt fällt der Unterschied zwischen arm und reich viel mehr auf finde ich. Armut, bei der man einfach wegschaut, um sich nicht schlecht zu fühlen und sich dann schlecht fühlt, weil man wegschaut. Straßenmusiker, die nicht auf der Straße musizieren aus Gründen der Selbstverwirklichung, aus Spaß, um sich selbst zu verwirklichen, sondern weil sie auf das Geld angewiesen sind. Und mitten zwischen arm und reich: wir drei. Machen uns einen schönen Tag. Essen gehen, SecondHand Boutiquen und dann die Erkenntnis von Amelie und mir: uns sind große billige SecondHand Läden, in denen man richtig suchen muss lieber. Die Schatzsucher.
Der Tag hat entspannt begonnen und wurde dann doch noch etwas hektisch. Da ich ja weiß, wie sehr man auf Hilfe angewiesen ist in Quarantäne, habe ich das gleich mal zurückgegeben und wurde zur Quarantäneversorgerin. Also Einkaufen und Beschäftigungsutensilien suchen. Am gleichen Abend ging es dann noch in die Philharmonie. In letzter Minute haben wir es noch in den Raum geschafft. Ein Violoncellokonzert. Von welchem Komponisten? Von wem wohl, wenn ich in Schumen wohne? Richtig, von Schumann. Eine Stunde in einer anderen Welt und dann ab zurück in Josis Wohnung.
Nächster Morgen, neuer Ausflug. Die Tage werden voll ausgeschöpft. Zusammen mit Nele ging es ab nach Копривщица (Koprivschtiza). Die zweistündige Zugfahrt hat nicht ausgereicht, um diesen Zungenbrecher zu lernen. Übersetzt heißt das wohl in etwa Brennnessel, da es dort viele geben soll. Ist mir nicht aufgefallen. In Anton mussten wir umsteigen. Wurde uns auch mehrmals gesagt: Autobus. Ja. Alles klar. Der Autobus war ein alter Sprinter.
Die Fahrgäste 4, die Fahrer 2. Erstmal durch das am Hang gelegen, erstaunlich große Anton. Aus dem Fenster konnten wir beobachten, wie gerade ein paar Kühe ausgebrochen sind, war ja klar, dass das nicht immer so gut klappt Tiere ohne Zaun zu halten, hat mich schon gewundert. Auf jeden Fall ne coole Szene: 2 Kühe, die abhauen und eine Horde Menschen hinterher. Ansonsten habe ich noch ein an eine Hauswand gemaltes Gemälde von Michael Jackson gesehen und drunter stand: I love you Jackson! Nicht so mein Geschmack. Natürlich ging es mit gefühlt 100km/h die kurvige Landstraße die mehr aus Schlagloch, als aus Straße bestand, durch ein Teil, dass mich sehr ans Allgäu erinnert hat. Endstation Bahnhof Копривщица. Erwartungsvoll sind wir ausgestiegen, am Bahnhof wurde viel gearbeitet, aber wo ist denn jetzt das Dorf? Einmal um den Bahnhof herumgelaufen. Dann wurden wir angesprochen: Wo soll es denn hingehen? Копривщица. Sofort wurde uns unser Fahrer vorgestellt. Vom Bahnhof, 9 km außerhalb des Dorfs, fährt eigentlich auch ein Bus. Im Moment, Nebensaison, war es allerdings nur ein ganz normales Auto. Fahrgäste 3, Fahrer 1.
Nach dieser abenteuerlichen Reise endlich in Копривщица angekommen, sind wir bei strahlendem Sonnenschein ersteinmal auf den Markt gestolpert. Alleine unter Dorfbewohnern. Was wir so vom typischen Wochenmarkt kennen: Gemüse und Obst, gab es dort, aber es wurden auch einzelne Klopapierrollen, Waschmitel, Shampoo, usw. angepriesen.
Jeder kennt sich, die Menschen grüßen sich. „Kak si?“ (Wie geht’s) Antwort: „Extra.“ Das merk ich mir. Wir haben uns treiben lassen durch die Gassen. Um jedes Haus eine Mauer, mit eigenem Burg. Ich habe mich ins Mittelalter zurückversetzt gefühlt. Aber bei so vielen Touristen würde ich mir auch eine Mauer um mein Haus bauen. Die Häuser, alle schön herausgeputzt, aus der Wiedergeburtszeit, erstrahlen in gelb und rot und blau. Kopfsteinpflaster bergauf. Ein kleines Bächlein rauscht an uns vorbei. Wir laufen immer höher, an einer Kirche mit seperaten Glockenturm vorbei, bis wir am Rand angekommen sind. Blick über das Dorf. Hinter uns, auf einer Weide stehen Pferde. Und plötzlich ist es still. Man hört keinen Verkehrslärm. Nur die Geräusche der Natur, der Tiere, wenige Menschen auf den Straßen. Erholsam, friedlich. Ich kann mir sehr gut vorstellen hier Urlaub zu machen und vermisse plötzlich mein kleines Heimatdorf. Obwohl es hier so anders aussieht. Aber diese Stille, die Idylle. Ich wusste nicht, dass ich das dringend mal wieder gebraucht habe. Neles Kommentar: „Bei dem Dorf hier bekomme ich richtig Lust auf Erbsensuppe.“ Okay.
Wir lassen uns weiter treiben. Vorbei an der Brücke des ersten Schusses, des Aprilaufstandes gegen das osmanische Reich, an einer düsteren Kirche und rein in eines der unzähligen Museen. Viele Händler und Handwerker haben sich hier früher angesiedelt. Souvenirs werden gekauft, Unterhaltungen über das allgegenwärtige, so präsente Deutschland geführt. Ab ins Café, die Sonne genießen, Tee trinken und das lange ersehnte Klo! Nele checkt erst mal die Lage aus und berichtet mir ausführlich. Wir wollen einen Kloguide schreiben. Ihre These: es gibt nie Klopapier! Ist mir auch schon aufgefallen, aber wurde in letzter Zeit mehrfach widerlegt. Für öffentliche Toiletten stimmt es allerdings. Diesmal handelt es sich um ein Stehklo in einem Hinterhof. Abenteuer.
Wir laufen auf die andere Seite des Dorfs zu einem Monument. Neben dem Monument grasen sehr magere Pferde.
Vesperpause. Dorfgeräusche. Wieder runter. Lecker Миш-Маш essen. Ein traditionelles bulgarisches Gericht, dass ich, ohne es zu wissen schon in Deutschland manchmal gemacht habe: Omlett mit Zwiebeln, roter und grüner Paprika und Sirene und Kaschkawal (weißem und gelbem Käse). Noch ein Museum über ein besonderes Filz. Wunderschöne, beeindruckende Gebäude. Nele redet über Snickerseis und sofort möchte ich unbedingt eins haben. Tatsächlich finden wir eine ganze Snickereis-Eistruhe und setzen uns mit unserem Schatz in die Sonne, warten auf unsere Rückfahrgelegenheit. Wieder wir zwei und die alte Frau von der Hinfahrt. Ab zum Bahnhof Копривщица. Dort warten wir nocheinmal, bis der Zug kommt. Meine These des Tages lautet: jeder Kontrolleur hat einen Deutschlandbezug, kann Deutsch, war schon einmal in Deutschland, kennt München oder Stuttgart.
Nele schläft, ich lese und schaue mir das Abendrot hinter den dunklen Bergen an. Erschöpft kommen wir in Sofia an.
Nächster Tag und was mache ich? Natürlich Zugfahren. Aber davor geht es ab in die redflat. Das kommunistische Museum von Sofia. Dank meiner jetzigen Lektüre bin ich komplett gefesselt von der Vergangenheit und europäischen Geschichte, dem Kommunismus und wie kann man ein Land besser kennenlernen, als indem man seine Vergangenheit kennenlernt? Das Museum ist eine Wohnung einer typischen Familie der 80er Jahre. Man kann alles anfassen und ausprobieren. Sehr zu empfehlen und alles erstaunlich ähnlich zur DDR. Also schon in der Vergangnenheit gibt es zwischen Deutschland und Bulgarien eine starke Verbindung. Leider habe ich zu wenig Zeit, ich muss meinen Zug erwischen, hetze zum Bahnhof und schaffe es gerade noch rechtzeitig in den Zug. Jedes Mal, wenn ich die Zugfahrt Sofia-Shumen vor mir habe, freue ich mich schon auf den Abschnitt durchs Gebirge. So auch dieses mal. Das Wetter ist traumhaft, ein Pärchen picknickt am Fluss, Wanderer sitzen in einem Biergarten. Wir fahren an zahlreichen kleinen Bahnhöfen vorbei ud ich würde so gerne aussteigen und auf einen Berg wandern. Oben stehen in der Sonne und die Aussicht genießen. Bald…
Kurz bevor ich aussteige bemerke ich nach 6 Stunden Fahrt, in denen ich die meiste Zeit geschlafen und aus dem Fenster geschaut habe, dass der Typ, der mit mir im Abteil sitzt Deutscher ist. Tja zu spät. Aber ein lustiger Zufall.
Wie froh ich immer bin wieder in Shumen zu sein. Meine Tomaten wachsen! War ne schöne Überraschung, als ich nach Hause gekommen bin.
Kurz habe ich ein Tief, keine Lust und keine Ideen für den Unterricht. Aber am nächsten Tag ist das vorbei. Ich sitze in der Sonne auf dem Balkon, bereite Präsentationen und Projekte vor, korrigiere Hausaufgaben im Park, die Sonne verbrennt meine Nase, ich kaufe Sonnencreme, gehe mit Soner essen, Plane meine Wochenenden, telefoniere, mache Yoga, viel beschäftigt.
Heute habe ich mein Projekt über Müll gestartet. Ich bin mir sicher, die Schüler haben noch nie als Hausaufgabe bekommen Müll mitzubringen. Ich bin gespannt, wie sich das weiterentwickelt. Habe richtig gemerkt, wie ich es vermisst habe in die Schule zu gehen, die Schüler in echt zu sehen, auch wenn sie laut sind, so viel Quatsch im Kopf haben, hoffe ich trotzdem, dass etwas von dem, was ich ihnen beibringen möchte hängen bleibt. Schon heute haben wir in unserer mindmap sehr viele Infos gesammelt.
Meine Faulheit habe ich auch endlich besiegt, meine Brille zum Optiker gebracht und jetzt wieder eine gerade Brille. Ab jetzt schaue ich niemanden mehr schief an…
Ich habe ein interessantes Gespräch über bulgarische Filme, deutsche Konzerte und verrückte Geschichten über die zahlreichen bulgarischen Feiertage gehört.
Die ersten Blumen habe ich auch schon gepflückt und in meine Pestoglasvase gestellt. Meine Wohnung wird zum Pflanzenparadies. Vor dem Haus bepflanzen alte Frauen die Gärten und stellen ihre Blumentöpfe raus.
Langsam beginne ich auch zu glauben, das diese ewigen Temperaturschwankungen vielleicht endlich vorbei sind und der Frühling endgültig kommt. Alle Bäume und Blumen blühen. Und ich wohne dort, …
Ich musste lernen, alleine zu lesen, aber in einem russischen Buch , weil es nur 24 Kopeken kostete. Ich weiß nicht, wie es zu uns nach Hause kam.
Mein Vater, der in seinem Leben viel gelitten hatte, beendete die Schule nie, weil er mit acht Jahren schon für sein Brot arbeiten musste, aber es gab keine Brotfront im Krieg, also glaubte er, dass alle Probleme von der aus der Hauptstadt kommen. Die deutschen Philosophen Karl Marx und Friedrich Engels waren die Hauptfiguren in seinen Reden. Seine Stimme war so laut und tief, dass die Namen von Friedrich Engels und Karl Marx in Kombination mit der Melodie „Lenin“ die Wände unseres Hauses erschütterten. Er sprach leidenschaftlich vor Freunden, ebenso armen wie halbkundigen Menschen, und ich weiß nicht, wer was verstanden hat. Aber alle waren begeistert, denn es gab nicht nur „mamaliga“ auf dem Tisch, dieses rumänische Wort heißt in unserer Region Maisbrei, sondern auch Brot und andere Gerichte!
Mit Erich Kästner trat auch deutscher Einfluss in meine Kindheitswelt ein. Ich las unerbittlich wieder und wieder Pünktchen und Anton, das doppelte Lottchen, das fliegende Klassenzimmer. Und aus „Als ich ein kleiner Junge war“ habe ich gelernt, dass Armut und Elend aus dem Krieg in Deutschland gleich sind wie in Bulgarien – schrecklich, rücksichtslos und mit bitterem Geschmack.
Später, als ich Lehrerin wurde, hängte ich ein Plakat mit den Worten von Erich Kästner an die Wand: „Die wichtigste Tugend eines Erziehers ist Geduld. Wahre Geduld (nicht Gleichgültigkeit), besteht aus Verständnis, Humor und Ausdauer.“
Verständnis, Humor und Ausdauer sind auch die Grundlage für Toleranz. Dieses Wort, lateinischen Ursprungs, bedeutet „Anstrengung“. Um einander, Menschen unterschiedlicher Ethnien, Länder, Kulturen kennenzulernen, brauchen wir diese kognitive „Anstrengung“. Und die erste Aufgabe besteht darin, die angesammelten Vorurteile über einander zu überwinden. Wenn wir den Klischees und negativen Bewertungen und Emotionen vertrauen, die von Tradition und Geschichte übrig geblieben sind, werden wir uns nie kennen, wir werden nie die Gelegenheit haben, einen bereichernden Dialog miteinander zu führen.
Als ich vierzehn war, organisierte unser Physiklehrer eine Reise nach Ostdeutschland. Wir besuchten Berlin, Magdeburg, Dresden. Wir besuchten die Galerien Zwinger… und die Gaskammern in Buchenwald. Heute können Touristen in Bulgarien auch die „Insel des Todes – Persin“ besuchen, die Teil eines Konzentrationslagers vom stalinistischen Typ ist, in dem Zehntausende unschuldiger Menschen getötet wurden. Dort kann man auch wunderbare Museen und Galerien besichtigen, in denen es genug Informationen für alle gibt, die Bulgarien und seine Geschichte entdecken wollen.
Faschistische und kommunistische Todeslager haben denselben Vorfahren – totalitäres Denken, wonach es nur eine Wahrheit und eine Art perfekter Menschen gibt, andere können getötet werden. Bulgaren, Deutsche, Juden, Russen, Amerikaner … die Namen zeigen nationale Zugehörigkeit, vielleicht tragen die Menschen die Besonderheiten der Kultur, in der sie entstanden sind … aber was für ein Reichtum kann unser Unterschied sein, wenn es Dialog und Zusammenarbeit gibt! Wenn Sie also meine Geschichten, die Geschichte meiner Familie lesen, denken Sie an die Worte von Erich Kästner: „Es gibt verschiedene Missverständnisse zwischen unseren Erinnerungen und den Augen anderer.“
So, es ist ne ganze Weile her, seit meinem letzten richtigen Blogbeitrag. Man könnte sagen es ist viel und gleichzeitig sehr wenig passiert. An sich wollte ich sowieso weg von meinen wöchentlichen Beiträgen und unregelmäßiger schreiben. Ja, das ist vielleicht ein seltsamer Vorsatz…
Was ist alles so passiert?
Im Schneeldurchlauf: vor etwa zwei Wochen bin ich nach Sofia gefahren um dort meinen ersten Besuch, eine Freundin aus Deutschland zu empfangen. Nach einer anstrengenden Zugfahrt, auf der mir mehrmals Wodka angeboten wurde, bin ich an einem Donnerstag in Sofia angekommen.
Freundlicherweise durfte ich bei Josi übernachten, da Franzi erst am nächsten Tag in Sofia landete. Da die Bars hier circa zwei Wochen geöffnet hatten und wir kurz vor der nächsten Schließung waren, haben wir noch eine Bar unsicher gemacht. Ein leichtsinniger Fehler? Wer weiß…
Am nächsten Tag hatte ich noch Zeit, bevor ich zum Flughafen musste und habe deshalb erstmal ein bisschen die Sonne genossen. Zufällig war Elias auch gerade in der Innenstadt und so haben wir uns zusammen in ein Cafe auf dem Vitosha Bulevard gesetzt und bei strahlendem Sonnenschein, mit Geigenmusik eines Straßenmusikers im Hintergrund und Aussicht auf den wunderschönen Vitosha, eine heiße Schokolade geschlürft. Was kann es schöneres geben?
Danach haben wir zusammen eine neue kulturweit Freiwillige in Bulgarien, Emi, vom Busbahnhof abgeholt und Elias hat uns seine wunderschöne Wohnung, mit einem Boden, in den ich mich sofort verliebt habe, gezeigt. Danach gab es leckeres Foccacia aus dem italienischen Feinkostladen und ich habe als nicht-Sofioter die Aufgabe bekommen Emi Sofia zu zeigen. Also sind wir ein bisschen durch die gegend geschlendert, ich habe alle facts ausgepackt, an die ich mich noch von der Sofia-free-walking-tour erinnern konnte und haben uns ein wenig besser kennengelernt. Neben dem Frauenmarkt haben wir in einer Seitenstraße diesen Hund entdeckt.
Am Abend saß ich dann in der menschenleeren Metro und wurde langsam sehr aufgeregt. Mein erster Besuch, ich konnte nicht schnell genug zum Flughafen kommen. Jetzt habe ich die Möglichkeit jemandem, den ich schon so lange kenne, mein neues Leben zu zeigen, mein Bulgarien! Ich wurde ganz hibbelig und die letzten Meter wurden natürlich ganz klassisch, wie man es aus jeder romantischen Komödie kennt, gerannt. So seltsam, ein halbes Jahr haben wir uns nicht gesehen und trotzdem hat es sich so normal angefühlt zusammen in der Metro zu sitzen und zu reden.
In Josis Wohnung haben wir dann erst einmal gegessen und uns gleich neue Musik gezeigt, die wir im letzten halben Jahr für uns entdeckt hatten. Dann ging es auch schon sofort weiter zu einer anderen neuen Freiwilligen und in einer gemütlichen Runde haben wir uns alle kennengelernt.
Am nächsten Morgen, nachdem ich meine Tradition, bei Josi in der Früh zu spülen, beendet habe standen Franzi und ich mit Weihnachtsmarkttassen voll Tee auf dem Balkon und haben dem Schnee beim Fallen zugesehen und ja vielleicht habe ich auch Schneeflocken mit meiner Zunge aufgefangen. Der Küchenbalkon von Josi, eine grandiose Location.
Vollbepackt ging es dann in die Stadt. Erster Stopp Essen, zweiter Stopp Piercer. Einen Nasenpiercing für Franzi später schlenderten wir mit unseren schweren Rucksäcken noch etwas weiter durch Sofia, bevor wir uns in ein Café setzten und draußen ein Wahlumzug vorbeizog, im Moment sind hier nämlich Wahlen.
Dann ging es auch schon zum Busbahnhof und einmal quer durchs Land nach Sliven, Paulas und Simons Geburtstag feiern. Es hat mir wahnsinnigen Spaß gemacht Franzi dabei zu beobachten, wie sie Bulgarien wahrnimmt. Geburtstagsparty und am nächsten Tag noch, wie bei einem Familiengeburtstag, spazieren gehen und Kuchen essen, dazu türkischer Tee und für unsere Geburtstagskinder ein Kuchen aufs Haus. Eine richtig schöne Runde. Aufgrund meinem falschen Zeitmanagement mussten wir uns dann ein Taxi nehmen um noch pünktlich den Zug nach Shumen zu erwischen. 6 Stunden Zug fahren, zweimal umsteigen und wie immer vom Zugpersonal freundlich unterstützt, haben wir hungrig um 21:30 Uhr Shumen erreicht und uns erst einmal eine ganze Packung Nudel mit Pesto genehmigt.
Leider hat es am nächsten Tag heftig geschneit, weshalb wir aber eine gute Entschuldigung hatten um ausgiebig die SecondHand-Läden nach Schätzen zu durchforsten. Natürlich haben wir auch auf dem Markt eingekauft und leidenschaftliche Puzzler, wie wir es sind, auch ein sehr kitschiges Puzzle gekauft. Abends haben wir dann erst einmal gepuzzlet und unsere neue gemeinsame Playlist abgefeiert.
Am Dienstag, bei Sonnenschein, habe ich mit Soner, Franzi die Stadt gezeigt. Einmal hin und her durchs Zentrum, wie sich das gehört. Mittagessen vom Bäcker im Park, zur Moschee laufen und im Küchenstudio eine Küche für Soner aussehen. Am Abend dann noch die spontane, leichtsinnige, wenn auch absolut lohnenswerte Idee in der Dunkelheit die vereisten Stufen zum Monument hochzulaufen. Ein bisschen gruselig war die Stimmung schon. Der Mond hat den großteil der Stufen erleuchtet, man hat nur den Wind gehört, die Lichter der Stadt hinter uns, Schnee und Nadelbäume vor uns und on top das Monument. Windstärke Eiskalt saßen wir mit unserer genialen Musik, einer Wärmflasche, einem Shumensko und Schokolade auf der Instagram-Plattform und haben auf die Stadt geschaut. Wie verrückt – wir zwei in einer eisigen Nacht in Bulgarien auf einem Berg. Der Moment bleibt in Erinnerung.
Vor allem, weil ich mich am nächsten Tag plötzlich so müde gefühlt habe und nach dem Unterricht geschlafen habe und mit Fieber aufgewacht bin. Naiv wie ich bin, dachte ich, klar eine Erkältung und mein Körper lässt sie jetzt zu, weil Franzi da ist, meine persönliche Pflegerin, die mir Tee und Selleriesuppe kocht und mich mit ihren Krankheitsweisheiten gesund pflegt. Ich war ihr echt dankbar, dass sie sich so um mich gekümmert hat. Am Freitag hatte ich schon kein Fieber mehr, generell ging es mir nicht wirklich schlecht, aber zur Sicherheit wollte ich dann doch einen Schnelltest machen. Da ich nicht wirklich schlimm krank war/bin habe ich nicht daran geglaubt, dass der Test positiv sein würde. Mit dieser Hiobs-Botschaft bin ich also wieder zurückgekommen und wir haben kurz gebrainstormed, was wir mit Franzi machen. Antwort: gemeinsam Quarantäne. Eingedeckt mit Lebensmitteln, Puzzlen und ganz vielen Beschäftigungsmöglichkeiten, starteten wir sehr POSITIV in unsere Isolation.
Ganz nach dem Motto: wir können nichts ändern und müssen das Beste daraus machen, nahmen wir die Situation, da sie für uns glücklicherweise sehr milde war, mit Humor und Optimismus an. Voller Elan freuen wir uns jeden Tag aufs puzzlen, zelebrieren das Kochen und Essen sehr, suchen uns neue Aufgaben und Projekte und machen bei jeder Gelegenheit Witze, über die wir sehr hysterisch Lachen.
Beispiele für Projekte wären: mein ekliges Abtropfgitter putzen (Danke Franzi), meinen Duschvorhang reparieren, sodass er für genau einmal Duschen gehalten hat und danach zurück zur anfänglichen Notlösung fiel, die Möbel in meinem Zimmer einmal komplett umstellen, nur um zu merken, dass sie davor ganz gut standen und alles wieder genauso hinzustellen, aber zumindest liegt jetzt überall weniger Staub in den Ecken, und zu guter letzt Blumen, Kräuter und Tomaten pflanzen.
Unsere Babys. Jeder kennt die erst Pflanze, dann Haustier, dann Kind Reihenfolge. Wir haben noch zwei Vorstufen entdeckt. 1. Piercing hegen und pflegen, 2. Sauerteigbaby, 3. Pflanze, 4. Haustier, 5. Kind. Das mit dem Piercing klappt bei Franzi ziemlich gut, ein Sauerteigbaby können wir aufgrund der unzureichenden Wärme in meiner Wohnung nicht haben, also sind wir bei Pflanzen angekommen. Auch eine Herausforderung, wenn man eine Wohnung hat, die nur Fenster Richtung Osten hat. Unsere Mission deshalb jeden Morgen: aufstehen um unsere 9 Pflanzenbabys auf den Balkon zu tragen und ihnen zumindest ein paar Stunden in der Sonne zu ermöglichen. Die zwei anderen Pflanzen, die sich zu der Sonne hingezogen fühlen sind wir. Die Stunden morgens in der Sonne zählen also zu den Tageshighlights.
So sitzen wir da, Tee trinkend, Menschen und Autos auf dem Parkplatz vor meiem Balkon beobachtend. Der kleine Nachbarsjunge hält schon täglich Ausschau nach uns. Längst ist uns die Umgebung vertraut geworden. Die Ruhe an Sonntagen, die Rufe der Kutschenfahrer, die ihre Pferde antreiben, die aufheulenden Motoren, der etwas schwerfällige dicke Hund, von dem Franzi fest überzeugt ist, dass er Schwanger ist, ich denke er hat eine tote Taube gevespert, die wir auf der Straße haben liegen sehen. Es macht unheimlich viel Spaß die Menschen zu beobachten. Den Rentner mit seiner Baskenmütze, der den ganzen Morgen auf dem Parkplatz verbringt. Außerdem ist uns aufgefallen, dass Autos, wenn man sie von oben anschaut, Ähnlichkeiten mit Raumschiffen oder Kellerasseln haben. Generell, wenn man den Autos beim Parken so zusieht, dann bekommt man sehr viel Lust das Spiel Rush hour zu spielen.
Heute ist schon Tag 8 und niemals hätte ich gedacht, dass Quarantäne zu zweit in einer Ein-Zimmer-Wohnung so okay ist. Ich dachte spätestens ab Tag 5 sterben wir vor Langeweile, gehen uns mächtig auf die Nerven und wollen einfach nur noch raus. Aber anscheinend sind wir gute Quarantänebuddies. Langeweile war bisher tatsächlich noch nicht vorhanden. Und das, obwohl wir echt wenig machen, aber irgendwie habe ich gelernt, dass man nicht immer alles auf einmal machen mus und jetzt kann ich einfach in der Sonne sitzen, ohne etwas nebenher zu machen.
Was zählt sonst so zu unseren täglichen Ritualen? Den Tee zig Mal aufzugießen, Einkaufslisten für Elena zu schreiben, in meinem georgischen 1300 Seiten Wälzer zu lesen, den ich von Paula zum Geburtstag bekommen habe und in dem man so schön abtauchen kann. Es ist sowieso erstaunlich, ich dachte ich würde die Außenwelt viel mehr vermissen, aber ich meide von mir aus Kontakte und möchte einfach nur meine Ruhe haben. Wir schweigen, machen nebeneinander unser Ding, wer telefonieren möchte geht auf unseren Telefon-Balkon, wer frische Luft will auch. Sobald es Dunkel wird, machen wir unser Ambientelicht an, schwäbeln vor uns hin, putzen uns auf dem Balkon die Zähne, reden über Humboldt, über den Franzi ihre Hausarbeit schreibt, schauen Netflix, schlucken Vitamine, achten auf unsere ausreichende Bewegung und veranstalten aus diesem Grund abendliche Tanzpartys und essen, essen, essen.
Einmal am Tag ist es außerdem Pflicht das Puzzlestück mit Felix LObrechts Nase, dass mir Franzi mitgebracht und geschenkt hat zu berühren. Das bringt Glück und außerdem müssen wir es immer wieder fest an die Wand drücken, damit es nicht aus dem selbstgebastelten Washi-Tape-Rahem fällt. Wir sind echt genügsam. Die Zeit vergeht erstaunlich schnell dafür, dass wir so wenig machen. Wir haben Schnupfen, sind müde, schmecken nicht so viel und sitzen unsere Zeit ab. Selbst aus Niesattacken machen wir ein kreatives Spiel. Sich Gesundheit zu wünschen ist uns mittlerweile zu langweilig, deshalb wünschen wir uns andere DInge. Prodkutivität, einen guten Appetit, Schönheit, usw.
Hätte mir jemand vor einem halben Jahr gesagt, dass ich in Bulgarien 2 Wochen mit Franzi in Quarantäne bin, ich hätte gedacht: wie verrückt. Und jetzt sind wir hier, hatten eigentlich ganz andere Pläne, wollten mit dem Mietwagen durchs Land fahren, doch stattdessen wird sich wohl die Aussicht von meinem Balkon in Franzis Gedächtnis einbrennen. Und klar, vielleicht reden wir alles schön, aber was soll man denn auch sonst machen? Jedenfalls bin ich froh, dass ich nicht alleine krank bin. Das Erlebnis schweißt zusammen. Trotz der Tatsache, dass wir 24/7 seit 2 Wochen zusammen sind, haben wir noch immer gute Gespräche, größter Streitpunkt sind falsch zusammengesetzte Puzzleteile und an sich haben wir gemerkt, dass unsere Quarantäne auch nicht arg anders ist, als unsere Reise in Irland. Dort haben wir auch die meiste Zeit zu zweit verbracht. Wir hatten nur mehr Kontakt zu Kühen und Schafen und hatten mehr Bewegungsfreiheit, aber ansonsten ist das hier eine Revival-Veranstaltung.
Natürlich freuen wir uns trotzdem, wenn wir wieder raus dürfen. Es ist anstrengend andere über den eigenen Gesundheitszustand up to date zu halten und auf Hilfe angewiesen zu sein. Aber schön ist es, dass sich hier alle so um mich/uns kümmern. Durch die Quarantäne bin ich wirklich gezwungen in meinem Alltag zu sein, und das fühlt sich ziemlich gut an, so eine Routine zu haben. Ich habe mir echt viel vorgenommen für die Zeit, organisatorischen Kram, aber natürlich habe ich auch jetzt nicht die Motivation irgendetwas davon abzuarbeiten.
Was wir gelernt haben? Wir sind erschreckend gut darin uns zu isolieren, aber auch uns selbst zu beschäftigen. Mit der kulturweit playlist könnte man laut Franzi ein Café eröffnen, die eignet sich sehr gut um nebenher zu arbeiten, und ich freue mich wirklich sehr darauf wieder mein Bett für mich alleine zu haben.
Seit wir in Quarantäne sind Lachen wir wirklich ziemlich oft und herzhaft, nehmen das Geschehen draußen viel aufmerksamer wahr und hören ziemlich viel Gemischtes Hack. Es ist die längste Übernachtungsparty unseres Lebens, nur, dass man am nächsten Morgen nicht gehen kann oder besser gesagt darf.
Jetzt mache ich mich weiter daran Rumys Texte zu überarbeiten. Im Moment bin ich sehr fasziniert von ihren Erzählungen und fast ein wenig süchtig. Und dann wird es wohl auch schon wieder Zeit fürs Kochen.