The Latvians go crazy – Identität und Mentalität

An jeder Ecke ein Narvesen. Kioske, in denen man Kaffee, Hotdogs, Süßigkeiten und Bustickets kaufen kann. Ich glaube es gibt mehr Narvesen als Letten.

Die Meness Aptieka, Mond Apotheken. Ungefähr genauso oft zu finden. Wie bei jedem Laden gibt es auch hier eine Kundenkarte mit Rabatten. Wenn ich Glück habe bekomme ich den Rabatt auch ohne eigene Karte, sondern mit der Mitarbeiterinnen Karte.

Letzte Woche, nachdem ich meinen Blogbeitrag veröffentlicht habe, bin ich ins Sprachcafé vom DAAD (Deutscher Akademischer Austauschdienst) gegangen. Ich wurde von Jöran, dem Veranstalter, begrüßt.

In Lettland leben so wenige Menschen, dass er jetzt schon der Zweite ESC-Teilnehmer ist, den ich hier kennengelernt habe. Ein Deutscher, der seit siebzehn Jahren in Lettland lebt, fließend Lettisch spricht und damals nach seinem Freiwilligendienst nach Lettland zurückgekommen ist.

Ich saß zwischen ein paar lettischen Deutschlehrerinnen und habe dem Vortrag einer Deutschen Medizinstudentin zum Thema Feminismus zugehört. Danach hat ein Gespräch, nicht nur aus verschiedenen Nationen, sondern auch unterschiedlichen Generationen begonnen. War ganz interessant zu sehen, dass Feminismus für sie keine große Rolle spielt und alles doch okay ist, so wie es gerade ist.

Später habe ich mich noch mit zwei anderen Lettinnen unterhalten. Immer wieder spannend, was im Ausland so über Deutschland gesagt wird. Dinge, die ich oft nicht weiß. Düsseldorf, die Modehauptstadt Deutschlands? Generell gehen alle irgendwie nach Düsseldorf oder Dortmund.

Nach und nach sind alle gegangen. Übrig blieben Verena, Jöran, drei Medizinstudentinnen, von denen ich eine schon öfter gesehen habe, Ich und circa 10 offene Weinflaschen.

Wir haben die übrigen Snacks in Tupperdosen eingepackt und angefangen über Lettland und Letten zu sprechen. Nach und nach wurde es immer emotionaler.

Wie mit Letten in Kontakt kommen? Von der Mentalität her eher zurückhaltend.

Wie muss eine Veranstaltung aussehen, dass man miteinander in Kontakt kommt?

Müsste Lettland nicht eigentlich daran interessiert sein mehr junge Leute ins Land zu locken? Die meisten bleiben nur für ein Semester. Wie kann man das Medizinstudium und drumherum gestalten, dass die Studis dortbleiben wollen?

Was ist lettische Identität? Gibt es die überhaupt?

Ich habe schon öfter gehört: „der größte Feind des Letten, ist der Lette.“ Kein Kollektivismus vorhanden. Lettland ist erst seit 1991 unabhängig. Über Jahrhunderte besetzt. Deshalb sind die Lieder und Tänze das, was Heimat und Identität gibt. Deshalb ist der Krieg in der Ukraine etwas, dass Lettland nahe geht. So viel Solidarität. Es ist ein Schicksal, was alle hier gut nachempfinden können. Die Kluft zwischen Russen und Letten. Das Dilemma.

Ich habe bisher nur die lettische Seite gehört. Wie eine Lettin von einer russischen Kundin angeschnauzt wurde, weil diese mit ihr auf Lettisch, statt auf Russisch geredet hat. Ich verstehe, dass russisch-sprachige nicht den Sinn darin sehen eine so wenig gesprochene Sprache zu lernen, aber ich finde auch es ist eine Sache von Respekt die Sprache des Landes in dem man wohnt zu lernen.

Ich habe gehört, dass es zwischen jungen Leuten Kommunikationsschwierigkeiten gibt, weil sie die Sprache der anderen nicht sprechen. Ich habe aber auch das Gegenteil gehört, dass viele Jugendliche beide Sprachen sprechen.

Ich verstehe auch die russische Seite. Als Lettland unabhängig wurde waren viele ja schon Jahre in Lettland. Schon damals wäre es ein komischer cut gewesen nach zehn Jahren im Land: so jetzt müsst ihr Lettisch sprechen. Generell gibt es gar nicht die Kapazität für so viele Leute Lettisch zu lernen. Und soweit ich das beurteilen kann, gibt es auch wenig bis keine wirklichen Integrationsversuche. Die Schuld wird immer der anderen Seite zugeschoben.

Nun zurück zu uns sechs Deutschen, die angetrunken abends im Kulturhaus sitzen und meinen, sie könnten die Situation verstehen und sich darüber eine Meinung bilden. Wir haben so wenig Kontakt, so viele sich widersprechenden Informationen. Selbst von Jöran zu sagen: „die Letten sind so und so“, ist etwas, was ich nicht gerne höre. Klar so in etwa kann man schon sagen, dass sie eher zurückhaltend sind. Zu sagen, sie brauchen Alkohol und dann tauen sie auf finde ich aber seltsam. Das wurde über die Finnen auch gesagt. Ich finde, dass kann man so ziemlich über die gesamte Menschheit sagen, dass Menschen redseliger und waghalsiger werden, nachdem sie getrunken haben. Ich schreibe hier ja auch oft: typisch Letten/Lettland. Aber das alles geht so tief und ich bin absolut nicht in der Position darüber zu urteilen.

Es war ein sehr spannender Abend. Mein Kopf lief danach auf Hochtouren. So viele Themen über die man nachdenken kann. Was ist überhaupt Deutsche Identität und Mentalität? Gestern habe ich mit Verena und Abdullah, unserem neuen Mitbewohner, herausgefunden das Lüften etwas sehr Deutsches ist. Wir haben sogar ein Wort für die Sache.

Zurück zu meiner Woche. In meiner Stammbäckerei gibt es jetzt Bananenbrot. Das ist unglaublich lecker. Im tschechischen Pub in meiner Straße saßen die letzten zwei Wochen viele slowenische, slowakische und tschechische Hockeyfans. Sonst ist das immer sehr leer.

Lasse, den ich vom Trip nach Saaremaa kenne und eine Freundin von ihm sind in Riga auf ein Konzert gegangen und haben bei mir übernachtet. Während sie am Donnerstag auf dem Manneskin Konzert waren, war ich mit Verena zum ersten Mal in der Petrikirche. Eine Kirche in der Deutsche Gottesdienste sind. Wir waren bei einem Konzert vom Kammerorchester. Die Akustik war der Hammer!

Am Freitag war ich mit Lasse im Barrikaden Museum (über die 90er Jahre und die letzten Tage unter den Soviets). Danach haben wir in der Unibib Unisachen gemacht, waren bei Humana und haben dann schnell Abend gegessen. Vaclav ist vorbeigekommen um sein Hemd zu bügeln. Er hat ein Konzert gefunden, worüber es sehr schwierig war herauszufinden was es eigentlich ist. Zuerst stand da was von formellem Dresscode. Dann von Cowboys.

Also hat er mit dem Bügeleisen noch mehr Falten in sein Hemd gebügelt. Ich konnte gar nicht hinsehen, aber es war trotzdem sehr lustig. Wir sind ne Stunde nach offiziellem Beginn gekommen, aber sie waren gerade erst am Aufbauen. Also waren wir noch im Park in der Moskauer Vorstadt. Als wir dann zurückgekommen sind war ordentlich was los. Der Raum war etwa so groß wie mein WG-Zimmer. Ansonsten gab es davor noch eine Bar und ein paar Sofas. Sah eigentlich aus wie ein Wohnzimmer. Die Decke war verspiegelt. Wir sind abgetaucht in die lettische Subkultur mit Trapmusik. Die Jungs hatten Hunger, also sind wir zum nächsten Imbiss gelaufen. Eine indische Pizzeria. Die Bilder vom Menü waren Bilder von Canva, auf denen noch das Wasserzeichen drauf war. Egal. Leckere Samoas gegessen. Als wir wieder zurück waren war DJ-Wechsel. Der DJ hat mir definitiv nochmal klar gemacht, dass nicht jeder DJ werden kann. Es war kaum jemand im Raum. Lasse und ich haben aus Mitleid ein bisschen getanzt, damit er nicht ganz alleine im Raum ist. Aber irgendwann sind wir auch rausgegangen. Vor dem Haus standen viele Letten, die sich unterhalten haben, ihren Müll auf die Straße geworfen haben. Irgendwann kam die Polizei und hat die Party aufgelöst. Kurz war vorher noch die Überlegung da zum Rave zu gehen, aber ich bin definitiv raus aus der die ganze Nacht feiern Phase. Auf der Straße lagen Blumen. Die habe ich mit nach Hause genommen, schön in meine Rhabarberlimoflasche gestellt und bin schlafen gegangen.

Am nächsten Morgen habe ich mal wieder einen Ausflug alleine gemacht. Nach Salaspils in den Botanischen Garten. Unterwegs kurz Panik, weil mein Bankkonto gesperrt war. Schon alle möglichen Szenarien durchgegangen, Mails geschrieben und plötzlich ging es einfach wieder. Durch das Palmenhaus gelaufen, beeindruckt von den riesigen Pflanzen.

Erinnert mich sehr an Bandnudeln

Schwere Beine. Ins Gras gelegt und Mittaggegessen. Dann bin ich noch bis an den Stadtstrand gelaufen. Die Infrastruktur in Salaspils hat mich sehr überrascht. Alles neu, Radwege, Blumen, Schilder. Krasser Kontrast zu den Blöcken. Der Deich an der Daugava auch richtig schön. Ein paar Kreuzworträtsel gemacht und zurück nach Riga gefahren.

Ich war noch im Restaurant Cau Falafel essen. Der Kellner hat mir 5 Minuten lang erklärt, dass Falafel hier aus regionalen grauen Erbsen ist, die sonst traditionell an Weihnachten gegessen werden. Wie viele Proteine da drin sind und dass man da echt kein Fleisch braucht. Der Meinung bin ich auch. Sehr cooler Laden von fünf Typen, die da in der Küche stehen und aus regionalen Produkten sehr leckere Sachen kochen. Danach lag ich noch im Park.

Am Samstag sind Lasse und ich nach Saulkrasti (Sonnenrand oder so übersetzt) gefahren. Wunderschöner natürlicher Strand.

Wir waren baden. Schwimmen ging nicht richtig, weil sehr flach. Der Sand quietscht bei jedem Schritt. Dann haben wir schön Kräuterbaguette, Karums und Eis gekauft und auf dem Supermarktparkplatz gegessen um dann festzustellen, dass der nächste Zug in 1o Minuten kommt und wir 12 Minuten brauchen. Deutsche können selbst im Urlaub nicht entspannen. Also sind wir da hingehetzt. Gerade noch bekommen. Lasse noch bei Humana ein Hemd für die Oper gekauft. Ich bin nicht mitgekommen.

Am Montag ist er wieder gefahren. Ich hatte zum letzten Mal Pädagogik. War mir gar nicht so bewusst. Seltsam jetzt Ilze nie mehr zu sehen. Wieder Bananenbrot gekauft und in meinen Lieblingspark gelegt. Lettisch lernen und vor allem chillen. Der Park ist mein Wohnzimmer geworden. Hab mich irgendwie nicht so fit gefühlt und es war schön einfach zu sein und zu entspannen.

Am Dienstag hatte ich dann meine Lettischprüfung. Erfolgreich bestanden. Dachte die ganze Zeit ich kann absolut nichts, aber habe mir intensiv ein paar Sätze gemerkt für die mündliche Prüfung und jetzt habe ich das Gefühl schon voll viel zu verstehen. So aus dem Kontext heraus.

Habe ein leckeres Eis gegessen. Von der Marke Eskimo. Gibt es auch in Bulgarien. Schon etwas seltsam.

Mit Verena gekocht und dann wollten wir zum internationalen Abend gehen, den wir auf Facebook gesehen hatten. Das war in einer Bar, aber irgendwie war die Veranstaltung nicht vorhanden. Nebenan ist eine Kneipe, die ich immer beim Vorbeigehen gesehen habe und die immer rappelvoll ist. Ein Lette hat uns bei der Bierauswahl beraten und dann saßen wir etwas abseits und haben unser Bier getrunken. Dann sind wir noch zum Fluss gelaufen um den Sonnenuntergang zu sehen. War nicht so krass. Auf dem Rückweg haben wir euphorische Schreie gehört denen wir zum Public Viewing gefolgt sind. Lettland gegen die Schweiz. Richtige WM-Stimmung. Nach Hause gelaufen. Die Motorengeräusche machen mich noch wahnsinnig.

Am Mittwoch nach der Geovorlesung bin ich mit Lisa und Rafael aus dem Kurs nach Jurmala gefahren. Wir haben uns Pizza geholt und am Strand gegessen.

Dann haben wir Wizard gespielt. Ich habe Haushoch verloren. Die Beiden sind schwimmen gegangen. Die Sonne ist rot im Meer verschwunden. Das Wasser war an manchen Stellen fluoreszierend hellblau. Am Ende war die Sonne nicht halbrund, sondern sah erst aus wie ein Pilz, dann wie ein Omnibus und schließlich wie ein Quadrat, bevor sie ganz untergegangen ist.

Wir haben uns im Wasser immer weiter in den Sand runtergeschraubt und die schöne Aussicht genossen. Ab und zu hat jemand aus Lisas Familie angerufen und über die Bluetooth Box haben wir mitbekommen, ob sie nicht eine Brotbackmaschine haben will. Ein richtiger Sommerabend.

Gestern ist Lettland zum ersten Mal ins Halbfinale der Hockeyweltmeisterschaft gekommen. Hupkonzert, Freudenschreie, Trommeln, das volle Programm. So laut kennt man die Letten sonst nicht. Sie sind stolz auf alles was aus Lettland ihrer Meinung nach bekannt ist. Was niemand wirklich kennt, aber naja, schön zu sehen wie glücklich sie über den Einzug ins Halbfinale sind.

Heute Morgen bin ich aufgestanden und habe gemerkt, dass ich nichts richtig dringend machen muss. Viele Sachen am PC, Orgakrams. Ich könnte auch schon anfangen Geo zu lernen. Aber ich glaube das ist eine eher aussichtslose Angelegenheit. Also habe ich heute Zeit. Bin zum Mezapark gefahren.

Wurde ein paar Mal gefragt ob ich irgendeine Straße kenne, den Weg zum Zoo weiß. Leider reicht mein Lettisch nicht aus um Wegbeschreibungen zu geben. Es riecht sehr gut nach Kiefern hier. Ich lag am Seestrand und habe die Stille genossen.

Jetzt sitze ich am Picknicktisch, schreibe bei schöner Aussicht und esse gleich mein Buchweizenmischmasch irgendwas.

Eine Entenmutter die vorbeischwimmt und 10 kleine Entlein, die auf ihren Rücken hüpfen und sie als Speedboot benutzen. Zwei Kinder die Angeln, ein paar Letten, die nen Salto ins Wasser machen, ein Ausflugsboot Kapitän, der sein Boot säubert. Ein richtiger Urlaubstag.

Bald kommt Mama. Morgen ist ein Festival in Jurmala. So lange bin ich gar nicht mehr hier. Ganz schön seltsam. Zurück in ne andere Realität. Habe definitiv ein paar Lieblingsorte hier, aber so langsam habe ich mich auch darauf eingestellt bald zu gehen und nicht mehr groß Sachen, die ich noch entdecken will. Ich freu mich auf Mama und ein paar Museen mit ihr abzuklappern, das Meer noch ein paar Mal zu sehen und das schöne Wetter zu genießen.

Kann man nicht früh genug sagen. Keine Stunde später geht hier ein kalter Wind. Wenn man so durch Riga fährt, dann merkt man, dass hier echt überall Baustelle ist. Wie Stuttgart… Es ist voll schön, dass ich mich jetzt hier zurechtfinde und Riga Normalität geworden ist. Ohne Google Maps herumlaufen, Straßennamen wissen und Lieblingsspots.

Gerade war ich noch im Kunstmuseum Rigaer Börse. Stillleben mit Pilzen. Das ist lettische Kunst. Die Bilder der Ausstellung leuchten förmlich. Richtig starke Farben. Ab und zu ein paar Bildern mit Kühen drauf. Mag ich sehr! Es gab auch eine Porzellanausstellung. Ich als Porzellanexpertin muss sagen das hässlichste Porzellan kommt aus Deutschland. Entweder wir übertreiben richtig, oder es sind einfach ganz schlichte Sachen. Auf den österreichischen Tellern waren immer Nackte drauf. Find ich seltsam davon zu essen. Aber das macht man ja wahrscheinlich nicht. Zierteller, ich weiß. Und das skandinavische Porzellan war sehr stylish, aber auch manchmal dunkel. Auf jeden Fall verschiedene Eindrücke. Ein tolles Gebäude, tolle Böden und eine Südostasienausstellung. Was ich gut finde: keine Raubkunst, sondern Geschenke der letzten Jahre von Botschaftern und anderen Leuten. Ein Wayang Puppentheater. Indonesisches Weltkulturerbe. Das war sehr spannend.

Löwenzahngelbe Wiesen

Ich habe den Zustand der Tiefenentspannung erreicht und wahrscheinlich entferne ich mich gerade schon wieder davon. Nachdem ich mich von meinem Wochenendtrip nach Vilnius erholt habe, hatte ich ganz kurz Alltag. Uni auf der anderen Flussseite. Schön an den Schienen entlang gelaufen mit viel grün und Ratten. Die letzte Präsentation für dieses Semester in der Markthalle fertig machen. Dann wollte ich im Park lesen. Aber überall war Polizei. Ganz seltsam. Bestimmt 10 Autos. Und plötzlich ging es los. Sirenen an und eine riesen Polizeikaravne in die andere Richtung.

Uzvaras Park

Ich liebe es Dienstags nach Lettisch nach Hause zu laufen. Tolles Abendlicht und das Gefühl nach Gehirnoverload zu entspannen. Ich war auf einem riesigen Friedhof im Wald, habe mich zwischen den Gräbern verlaufen, weil es irgendwann keine Wege mehr gab. Als ich wieder nach draußen gefunden habe, bin ich am Friedhofsblumenmarkt vorbeigelaufen. Seltsam, aber obwohl es ganz normale Blumen sind ist die Stimmung doch anders, als auf Märkten in der Stadt.

In meinem Lieblingspark saßen Rentner auf der Bank mit Gitarre und haben in Mikrofone Volkslieder gesungen. Ich habe mittag gegessen und Zweitklässlern, einer hieß Rudolfs, zugeschaut, wie sie komplett klatschnass im Brunnen gespielt haben. Mit ihren Rollern sind sie durchs Wasser gefahren und es war interessant zuzusehen wie aus Spiel plötzlich Streit wird und dann doch alles wieder okay ist. So schön wie Parks auf so unterschiedliche Weisen genutzt werden können.

Am Mittwoch wollte ich eigentlich sehr produktiv sein, aber ich bin in 2-3 Humanas hängen geblieben. Danach habe ich im Park ein bisschen Uni gemacht, aber es war viel zu interessant die Menschen um mich herum zu beobachten: Mormonen, die Menschen nach Glück fragen, Bolt Essenslieferer, die Mittagspause machen, einer der hinter mir meditiert, eine free walking tour, die vorbeiläuft. Lifehack wenn man mal aufs Klo muss: die Unitoiletten liegen super Zentral und sind auch richtig sauber. Dann ging es zur Cottagebesprechung in den Park zum Teahouse. Wir hatten alle so gute Laune, weil es so schön warm war. Kurze Besprechung der Einkaufsliste und wer was mitnimmt. Danach nochmal kurz zu Humana Sonnenbrillen kaufen und sommerliche Sachen.

Das Café Gauja, ein klein bisschen Biergarten vibes. Nur in cooler

Am Donnerstag dann voller Vorfreude zum Bahnhof und mit dem Zug nach Cesis. Schöne Zuggespräche. In Cesis ist der Einkauf dann ein bisschen eskaliert. Zwei volle Einkaufswägen, acht große Tüten später, standen wir dann vor Rimi. War n bisschen realitätsfern die Vorstellung, dass wir da mit einem Bolt (Taxi) zur Unterkunft fahren können. Hatte irgendwie nicht die Muse das vorher anzumerken. Lange hin und her überlegt, aber blieb uns ja nichts anderes übrig, als zum Busbahnhof zu laufen. Vollbepackt in den Bus rein. Zwischen den Sitzen hängenbleiben und von Omas ausgelacht werden. Haben uns gefühlt wie die wilden Hühner oder die Mädchen WG von KiKa auf dem Weg ins Abenteuer. In Rauna dann Musik an und Richtung cottage gelaufen. Wir waren die Hauptattraktion. Es war anstrengend, aber auch ziemlich lustig.

Dafür war es umso schöner am Cottage anzukommen und zu sehen wie traumhaft die Umgebung ist. Am Hang gelegen, mit kleinem See als Ausblick. Wunderschönes Haus. Schuhe aus und rein in den See. Richtig erfrischend und belebend die Kälte zu spüren. Honigmelone und Zimtschnecken gegessen. Danach ist jeder in seine eigene Welt abgetaucht. Stille. Gemüse schnippeln mit Aussicht. Ofengemüse. Wie ich das vermisst habe! Öfen sind so toll! Viel geredet und gelacht, rein in den Whirlpool, oder die treffendere Beschreibung „hot pot“, wie wir liebevoll das Plastikbecken voller Teichwasser getauft haben. Das hat schon was im warmen Wasser zu sehen und der Sonne beim Untergehen zuzuschauen. Richtig schön mal wieder so ne Runde unter girls.

Cottage Puskalni <3

Danach sind wir regelrecht im Sofa versunken. Es war so gemütlich bei Kerzenlicht dazusitzen und zu spüren, wie der ganze Körper und der Geist entspannt. Keine nervigen Sachen machen, einfach sein. Am nächsten morgen Yoga auf dem wackeligen Steg am See machen, dann ins Dorf laufen um einzukaufen und Magnus abholen. Der ist mit seinem Nutellaglas vorbeigekommen um uns zu besuchen. Till kam später auch noch mit dem Fahrrad. 100 km!!!

Nach dem Pfannkuchenfrühstück haben Sandra und ich auf dem Trampolin ein bisschen was für die Uni gemacht. Hat sogar Spaß gemacht. Dann haben wir wieder Gemüse geschnitten, leckere Salate gemacht und nach einem Grillfail gab es dann doch wieder Ofengemüse. Die Jungs waren noch schnell im hot pot und dann sind sie auch schon wieder los zum Bus. Wir haben es uns auch noch im hot pot gemütlich gemacht. Dann habe ich mich in die Hängematte gelegt nach dem Abwaschen, sehr meditativ, und mit Lisa telefoniert, während ich auf den See geschaut habe. Später wieder schön reden auf dem Sofa.

Am Samstag waren Jana, Sandra und ich morgens nackt im See schwimmen. Richtig schön. Die Nachbarn haben ihre Hühner gefüttert und gegärtnert. In der Ferne hört man Rasenmäher und Hunde. Wir haben zu viel Essen gehabt und das war das einzige, was mich gestresst hat, so viel essen zu müssen. Das Wasser war so kalt, dass wir uns erstmal wieder aufwärmen mussten. Dann sind Jana, Sandra und ich wieder ins Dorf gelaufen um uns die Ruine dort anzuschauen. Ein richtig schöner Pfad mit coolen Schaukeln, dann haben wir alle versucht Klimmzüge zu machen, na ja. Jana ist die Ruine hochgekraxelt. Cooler Ausflug.

Zurück im Cottage haben wir Pizzateig gemacht und auf dem Steg Eis gegessen. Das ist hier sehr seltsam verpackt und sieht aus wie eine riesige Wurst. Hat besser geschmeckt als erwartet. Der hot pot war noch viel zu heiß. Wir mussten immer wieder raus und uns im See ablühlen. Dann haben wir noch unsere 40 Meter lange Rutsche angeschalten. Am Anfang war es sehr langsam, aber dann haben wir die zweite Düse aufbekommen und wow ging das ab. In jeder Kurve hat es uns fast rausgehauen, aber wir hatten so nen Spaß. Jana kennt keine Grenzen: ob im Dunkeln und kalten schwimmen, eine 10 Meter hohe Ruine hochzuklettern oder rückwärts diese Rutsche runter zu rutschen. Ich habe so laut gelacht.

Hinter der Rutsche ein Storch zu sehen. Krasse Tiere. Flügelspannweite 2,10 m und werfen die ihren Kopf richtig in den Nacken beim Klappern

Wir haben unsere Pizzen belegt, eine Nudelrestepfanne und nen Salat gemacht. Voll aufs Essen gefreut und dann gemerkt: das was wir gekauft haben ist gar kein Backpapier sondern Butterbrotpapier… Beim Ofengemüse war das nicht so schlimm, aber der Pizzateig hat sich mit dem Papier verbunden und war nicht mehr zu lösen. Ein echter Tiefpunkt. Also saßen wir da und haben Pizza mit Papier gegessen. War auch ne sehr lustige Situation. Keine Ahnung wieso das mein Humor ist…

Dann haben wir den ESC geschaut. Aber waren alle so müde, dass wir noch vor der Punktevergabe schlafen gegangen sind.

Letzter morgen, eingespieltes team. Alles lief wie am Schnürchen. Frühstück in der Sonne, chillen auf dem Trampolin.

Es war so schön diesen Ort kennenlernen zu dürfen und ein paar Tage im Paradies zu leben.

Ich habe es genossen mit Greta, Lilli, Sandra und Jana zu reden und sie besser kennenzulernen, gemeinsam für sich zu sein.

Die Busfahrt zurück war anstrengend. Zu warm und zu unbequem. Wortlose Konversation mit der Frau vor mir. Ich liebs diese Momente mit Fremden. Zu mittag nur Dillchips gegessen. Hat sich angefühlt wie ein verkaterter Tag. Froh, in Riga angekommen zu sein. Überall in der Stadt rotköpfige Männer mit Eishockey-Shirts auf E-Scootern, die für die Eishockey-WM angereist sind. Ich vermute mal die meisten aus Großbritannien (während der roten Köpfe, aber kann natürlich auch andere Nationen betreffen). Jedenfalls gehören die jetztm zum Stadtbild.

Am Montag dann meine Präsentationen gehalten, leckeres Eis gegessen und den Tag im Park verbracht.

Gestern hat es seit Ewigkeiten mal wieder geregnet. War auch sehr schön mal wieder so nen gemütlichen zuhause Tag zu haben. Wieder neuen Fokus setzen was ich jetzt noch so vorhabe. Morgen kommt Lasse aus Estland für ein Konzert nach Riga ins hostel Karla. Am Freitag gehe ich mit Vaclav zu einem Konzert, bei dem ich keine Ahnung habe was mich erwartet. Jetzt gleich gehe ich zu einem Vortrag ins Sprachcafe. Kostenlose Snacks und Wein sind ganz schön gut um mich anzulocken. Am Wochenende möchte ich sehr gerne ans Meer. Einfach mal wieder nen netten Tagesausflug machen alleine.

Die Wiesen sind hier nicht grün, sondern gelb. So viel Löwenzahn. Habe leider kein Foto gemacht. Im Park wachsen die so hoch, dass man gar nicht sieht, dass da Menschen liegen. Nur ab und zu, wenn sich jemand hinsetzt taucht zwischen dem gelb ein roter Körper auf. Eincremen!!!

Estland, Lettland, Litauen, Lettland

Ich war an so vielen Orten in den letzten beiden Wochen. Erst war es so warm, dass ich sogar im T-Shirt herumgelaufen bin und viel draußen war. Beim Spazieren gehen und Kirchen entdecken, irgendwie sind die immer zu, wurden Lina und ich fast in einem Innenhof eingeschlossen. War auch sehr spannend, das Gelände. Alte Häuser, wie ein kleines seperates Dorf in der Stadt und es war so warm.

Dann ist es wieder Winterjacken-kalt geworden. Ich war im Ballett in Giselle, habe in der Unibibliothek Präsentationen vorbereitet und meine Sachen gepackt.

Die wunderschöne Decke in der Oper

Am Freitag in der früh bin ich dann zum Busbahnhof gelaufen. Noch so verpeilt, dass ich falsch abgebogen bin, eine riesige Baustelle gesehen und kurz gedacht habe, dass der Busbahnhof über Nacht abgerissen wurde. War nicht der Fall. Im Bus nach Estland nochmal kurz schlafen. Aussteigen in Pärnu.

Da wurden wir erwartet von Berit, unserer Tourleiterin. Da haben wir dann festgestellt, dass wir die einzigen vier aus Riga sind. Wir dachten da ist ein ganzer Bus voll mit uns. Aber nein. Wir vier und der Rest Erasmusstudis aus Estland. Also rein in den nächsten Bus und ab da ging unsere Rentnerbustour los.

Berit hat uns auf jede Toilette und Möglichkeit Fotos zu machen aufmerksam gemacht. Eine halbstündige Fährfahrt später waren wir auf der drittgrößten Insel Estlands: Muhu. Klingt sehr nach Kuh, aber hab keine Kühe gesehen. Berit war wie ein podcast, dem ich unterwegs zugehört habe. Durch das Mikro im Bus hat sie uns ganz viele Fakten erzählt. Estland hat 2222 Inseln, Lettland keine.

Zuerst waren wir in einem kleinen Fischerdorf. Das war wie ein Freilichtmuseum und sah aus wie die Bretagne. Auf den Steinmauern liegen manchmal umgedrehte Boote. Ein Zeichen für einen Fischer im Ruhestand. Keller sind hier oft in kleinen Hügeln. Sieht aus wie bei Bilbo Beutlin zuhause. Das Wetter hat alle drei Minuten gewechselt. Regen, Sonne, Wind.

Aus dem Bus heraus habe ich Wildgänse fliegen sehen. Sofort an Nils Holgerson gedacht. Auch Kraniche, immer in Paaren, waren oft auf den Feldern. Manchmal vergesse ich wie groß manche Vögel sind. Auch Störche.

Auf der Insel wachsen ganz viele Wachholderbüsche. Die sind bis zu 850 Jahre alt und wachsen sehr langsam. Auf Englisch heißen die übrigens Juniper. Die Beeren brauchen zwei Jahre bis sie reif sind. SInd erst grün, dann blau, dann fast schwarz.

Mittagessen gab es im Windmühlenmuseum. Debora und ich haben gar nicht genug bekommen von der leckeren Butter. Draußen sind wir ausgelassen in jedes Holzauto und auf alle Holztiere geklettert, die so herumstanden.

Unser Mittagessen
Der Windmühlenpark

Die Bewohner Saaremaas, der größten Insel Estlands, sprechen das Ö anders aus als alle anderen Esten und deshalb kann man sie als Saaremaabewohner identifizieren.

Es folgen noch ein paar weitere „fun“facts:

Die höchste Klippe ist ganze 21,3 m hoch. Ansonsten ist das Festland eher NN.

Oft sieht man seltsame Holzschaukeln, auf der ganze Hochzeitsgesellschaften schaukeln.

Am Meer findet man sehr schnell Fossile. Aber nur, wenn man nach meiner Theorie nach, das Kind in der Familie ist, dass immer Sachen findet. Linus hätte bestimmt gleich krasse Sachen gefunden. Lisa ist auch ne gute Finderin. Ich habe trotzdem ein paar Muschelabdrücke gefunden.

Die Holzhäuser überall sehen so schön aus. Inseln sind irgendwie immer ähnlich. Ein Ort für Reiche, egal in welchem Land, immer sehen die Häuser ähnlich aus und sind aus Holz.

Wir waren auch noch bei Quellen im Wald und haben das Wasser getrunken um „für immer jung zu bleiben“. Das Wasser reinigt sich, da es ein Karstgebiet ist und unter dem Flussbett unterirdische Höhlen sind. So blubbert das Wasser wie in einem Whirlpool. Die Insel ist der perfekte Ort für eine Umweltbildungexkursion.

Die Cottages sind so idyllisch an einem Fischbach/becken im Wald gelegen. Wir haben uns ein Zimmer unterm Dach erobert. Dann sind wir sofort zum Meer gelaufen. Ich habe mit Jirji aus Brünn Deutsch geredet, habe festgestellt, dass Luka auch in Weini studiert und die Meeresbrise genossen. Am Meer war eine kleine Insel, also Sand umgeben von Knöcheltiefenwasser. Diejenigen von uns, die keine wasserdichten Schuhe anhatten, haben Jirji und Lasse als menschliche Fähre benutzt um auf der Insel auf die Insel zu kommen.

Strand auf Estnisch heißt übrigens Rand. Kein Scherz. Ich lieb’s.

Die Bauern auf der Insel benutzen Algen als Dünger, damit die Kartoffeln nicht zu süßlich schmecken, aufgrund des sandigen Bodens.

Abendessen gab es in einem Gebäude, dass so aussah, wie ich mir eine Aprèsskihütte vorstelle. War auf jeden Fall so kalt wie in den Bergen. Danach mussten wir uns erstmal aufwärmen und haben Karten gespielt. Solange, bis wir alles lustig fanden, sogar Antonias Flachwitz, den sie uns als Tausch gegen Zahnpasta erzählen musste. Höchste Zeit fürs Bett.

Von der Sonne geweckt wurden. Friedvolle Atmosphäre, aufs Wasser schauen und die Wärme der Sonne genießen. Mein Lieblingsmoment des Wochenendes. So muss das Paradies sein.

Frühstück war total lecker. Kurvenreiche Fahrt, auf der Lisa uns Zöpfe geflochten hat. Südlichster Punkt der Insel, erstmal rauf auf den Leuchtturm. Richtig gutes Wetter. Von dort oben auf Lettland geschaut, den Strand entlang auf Fossiliensuche. Im Norden bekomme ich immer richtig Lust Fahrrad zu fahren, weil alles so schön flach ist.

Südlichste Spitze Saaremaas

Die Farben der Natur, Ostseeblau, Wachholdergrün, überflutete Felder, traumhaft. Ganz neue Landschaftskulisse in die ich mich verliebt habe. Kurzer Stopp am Wikingergrab, dass vor ein paar Jahren entdeckt wurde. Auf der Insel wurde auch im 2. Weltkrieg gekämpft. Ein sehr brutaler Kampf. In Kuressare, der Hauptstadt, haben wir eine Burgführung bekommen. Was soll ich sagen, vielleicht war die Gruppe zu groß, aber Burgen sind einfach nicht meins. Obwohl die guide sehr witzig war. Das Beste an Burgen ist für mich immer die Aussicht. Schnell Essen gegangen. Trotzdem zu spät zurück am Bus gewesen. Turboeinkauf fürs Abendessen und Gruppeneinteilung für die Sauna.

Anscheinend sollten in die Sauna 10 Leute reinpassen. Nope, da wäre man ja ganz schön ins Schwitzen gekommen, auch ohne Feuer. Wir saßen zu viert drin. Lisa hat nach dem Feuer geschaut, das Handtuch herumgeschwenkt und uns entspannen lassen. Nach dem Saunagang erstmal raus in den Fluss. Adrenalinkick. Kalt und dann wieder warm. Rein in den whirlpool, während die anderen neben uns mit dem Grillen angefangen haben. Ein richtig entspannter Abend. Haben Brot geröstet, eine riesige Schüssel Salat gemacht, ein Bierchen getrunken und im Wintergarten auf den Regen draußen geschaut.

Bin meiner Lieblingsbeschäftigung als Spülmaschine nachgegangen und habe mit Till über egozentrische Deutsch geredet, die immer davon ausgehen, dass Österreicher alles über Deutschland wissen. Aka Ich.

Zu lange wach geblieben. War so müde am nächsten Morgen. Berit hat erzählt, dass auf der Insel 10 Bären leben. Wir sind zum ältesten, und höchstgelegenen Teil der Insel gefahren. Ganze 60 Höhenmeter. Ich wollte so gerne Tiere sehen, aber wir waren zu viele und zu laut. Der Waldboden so weich. Flüsternd mit Berit über ihren Beruf unterhalten. Sie ist eigentlich Englischlehrerin und macht oft draußen Unterricht. Hat ganz viele Fortbildungen gemacht und Tourimus und Philologie studiert.

Wälder sind für mich wie Kirchen oder Bibliotheken. Heilige Orte der Stille.

Der Busfahrer war irgendwie immer im Bus. Nie ist er mit ausgestiegen. Hätte mich nicht gewundert, wenn er auch im Bus geschlafen hätte.

Unser letzter Stopp war ein Meteoritenkrater. Auch sehr spannend und noch unerforscht.

Zurück auf dem Festland sind wir noch in Pärnu ans Meer gelaufen, ein als einer der schönsten Strände Skandinaviens ausgezeichneter Strand. Ich habe Till erklärt wie Wind ensteht, mit Luka ein schönes Gespräche geführt und einen sehr leckeren Falafelwrap gegessen. Zeit für die Heimfahrt. Nach einem Wochenende ohne Zeit für mich war ich ganz schön erschöpft.

Am Montag war ich mit Dana Kuchen essen und habe mich auf meinen Lettischtest vorbereitet.

Mittwochmorgen ging es dann schon wieder los nach Vilnius. Ich war noch gar nicht richtig bereit und hatte keine Vorfreude. Zu viele Reize auf einmal.

Im Bus saß neben mir ein Franzose, der sehr schlecht Englisch konnte und alles sehr aufregend fand. Ich hab geschlafen um den aufregenden Überholmannövern des Busfahrers zu entgehen. Der Franzose hat in Servietten verpackte Eier und Brote ausgepackt und mir auch gleich angeboten. Es war sehr skurril ihn und seine lettische/litauische? Freundin beim kommunizieren zu beobachten. Aber auch süß.

In Vilnius bin ich zuerst auf einem Hinterhofparkplatz spazieren gegangen und habe mir streetart angeschaut. Dann Richtung Stadtzentrum. Die Häuser sind viel niedriger als in Riga. Die Straßen viel enger und es ist so ruhig. Habe das Leben dort sofort romantisiert und mir vorgestellt, wie ich in einer Wohnung dort lebe und Philosophie studiere, Weinglasschwenkend. Litauen hat es anscheinend unter die Top 20 der glücklichsten Nationen geschafft. Heißt schonmal kein preiswertes Studentendasein.

Wie immer ist mein Herz gebrochen, als ich alte Männer als Bolt (Lieferando) Essenslieferer habe rumfahren und alte Frauen ihre drei rote Beete und zwei Narzissensträuße verkaufen sehen.

Vilnius, die Stadt, der vorallem rosanen, Kirchen. Polnische Touris (Litauen hat mal zu Polen gehört. Und Litauen war mal das größte Land Europas. Sehr lange her).

Ich habe total die Italienvibes bekommen und es ist so schön eine Innenstadt mit ganz viele Cafés, verschlungenen Gassen und ohne Autos zu sehen.

Ich bin am Fluss Neris entlang zur weißen Brücke gelaufen und habe Käsekuchen gegessen. Das Ufer so schön grün, allerlei Aktivitäten möglich. Auf einer Parkbank geschlafen und gelesen. Dann bin ich ins MO Museum der modernen Kunst gegangen. Ausstellung über Litauen. Eines der besten Kunstmuseen, in denen ich bisher war. Alles voll spannend. Mit Audioguide und interessanten Instellationen und Gemälden. Danach war ich essen und bin durch die Stadt Richtung Hostel gelaufen. Dafür habe ich kurz Vilnius verlassen. Denn ich bin über die Brücke nach Uzupis gelaufen.

In den 90er Jahren haben Künstler auf der anderen Flussseite einen eigenen Stadt gegründet. Damit hat niemand ein Problem. Ein schönes Viertel, voller Kunst und mit eigener Verfassung. Ein kleiner Auszug:

  • Jeder hat das Recht Fehler zu machen
  • Jeder hat das Recht zu lieben
  • eine Katze ist nicht verpflichtet ihre Besitzer zu lieben, muss aber von Zeit zu Zeit helfen, wenn es nötig ist
  • Manchmal hat jeder das Recht sich nicht seiner Pflichten bewusst zu sein
  • jeder hat das Recht glücklich zu sein
  • Jeder hat das Recht unglücklich zu sein
  • jeder ist verantwortlich für die eigene Freiheit

Der Nationalfeiertag von Uzupis ist übrigens am 1.April um auf die Unwichtigkeit von vielen politischen Entscheidungen aufmerksam zu machen und zu appellieren sich nicht so ernst zu nehmen.

Über die nächste Brücke, schwubs, zurück in Vilnius und gleich im downtown forest hostel. Voll der schöne Ort. Alles grün und ganz viele Camper. In der Hängematte im Abendessen gelesen.

Am nächsten morgen ein kurzes Gespräch mit einem philipinischen Student, der gerade in Daugavpils studiert. Dann bin ich ganz schön ins Schwitzen gekommen, als ich den Berg mit den drei Kreuzen hochgelaufen bin. Viele asiatische Touristen.

Fast wie die Akropolis

Wieder runter und an der Kathedrale so in mein Buch vertieft gewesen, lese gerade 1984, dass ich den Beginn der free walking tour verpasst habe. Zum Glück noch gejoined, bevor sie den Platz verlassen haben.

Kathedrale und Glockenturm

Auf der Tour durch viele Hinterhöfe gelaufen und interessante Sachen erfahren. Was mir nicht mehr aus dem Kopf geht ist der Fakt, dass Europa ursprünglich von Asiaten besiedelt wurde. Daher auch der Ursprung der europäischen Sprachen. Und lettisch und litauisch, keinerlei Verbindung zu anderen Sprachen, sind noch am ursprünglichsten. So ursprünglich, dass die Stadtführerin meinte, sie kann Sanskrit im Kontext verstehen, ohne es je gelernt zu haben. Das ist so krass.

Danach habe ich schnell einen Bagel gegessen, an einem Tisch an dem zuvor Erasmusstudis aus Riga saßen, und bin dann zurück zum Treffpunkt für die nächste tour. Wie es der Zufall so will, haben an der tour dann auch Sandra, Greta, Jana und Lilli teilgenommen. Anderer Stadtbereich, anderer Teil der Geschichte. Von Kunstwerken, die aus rostigem Material bestehen und 100.000 Euro gekostet haben, über Treppen, deren Stufen aus ehemaligen Grabsteinen sind, sehr morbide und wird nach und nach rückgebaut und an die jüdische Gemeinde zurückgegeben.

Radisson blus in allen Ländern waren früher Hotels für Ausländer, in denen sie vom KGB bespitzelt wurden. Soviet Stadtzentrum, im Hintergrund neue Wolkenkratzer. Einkaufsstraße in der früher die einzige Pizzeria war, wo jahrelang auf ein Auto gewartet, fünf Stunden für Bananen angestanden wurde und heute ein Stripclub neben einem Kinderoptiker ist. Ich liebe Kontraste. Dahinter das moderne Zentrum. Europaplatz, so viel Geld für Renovierungen. Anscheinend sind alle baltischen Staaten etwa gleich auf. Aber mir kommt Lettland definitiv heruntergekommener vor. Aber ich verbringe dort ja auch die meiste Zeit und nicht nur im Touribezirk.

Hinter den Hochhäusern dann das frühere Armenviertel. Holzhäuser, die je nach Kultur anders gebaut wurden. Wo sich eine eigene Srpache aus litauisch, polnisch, russisch und jiddisch entwickelt hat. Häuser, die zum Teil in verschiedenen Farben gestrichen, unterschiedlichem Zustand sind, weil früher das Haus aufgeteilt wurde und so bis zu 12 Briefkästen an einem Haus sind.

Litauen erinnert mich irgendwie an Rumänien im Vergleich zu Bulgarien. Ist die lustige Variante von Lettland. Die ungewöhnliche Flagge gelb, grün, rot. Ein blutiger Kampf im Wald bei Sonnenschein. Kleine Jungs, die auf Plätzen mit sozialistischen Denkmälern skaten.

Während der Kreuzzüge, wurde als Anreiz für die Taufe ein Wollshirt vergeben. So kam es, dass manche sich haben mehrmals taufen lassen. Heidentum ist bei vielen noch ein Teil der Identität.

Die russische Minderheit ist wirklich eine Minderheit.

Nach diesem ganzen neuen Wissen hatte ich große Lust auf ein Apfelschorle. Wir waren in Uzupis am Vilna Fluss im Biergarten und sind dann zum Bahnhof gelaufen. Vier Stunden Zugfahrt für mich an die Küste. Ein kleines Reisetief. Reisen ist anstrengend. Zum Glück war das Hostel gleich neben dem Bahnhof und es hat noch niemand geschlafen. Mit einer Deutschen, die ihren österreichischen Gedenkdienst in Vilnius macht und Holocaustworkshops an Schulen gibt, unterhalten. Voll spannend. Geschlafen wie ein Stein.

Am nächsten morgen erfahren, dass kein Bus nach Liepaja (Lettland) fährt. Problem auf später verschoben. In Litauen ist mir jetzt auch erstmals aufgefallen, dass die Leute sehr harsch und unfreundlich sind. Einfach keine aufgesetzte Höflichkeit finde ich eigentlich ziemlich gut, aber trotzdem war es immer ein bisschen hart so abgehackt zu kommunizieren. Klaipeda sieht sehr nach Hansestadt aus. Bisschen Bremerhaven like. Der unfreundliche Schein trügt, ich glaube die Frau am Fährticketschalter hat mir ein Ticket spendiert. Sehr nett. Mit der Fähre, samt Fahrrad auf die kurische Nehrung übergesetzt.

Die ersten Kilometer auf dem Fahrrad sehr schön und euphorisch. Ein Strand für mich.

Frühstück und dann voller Elan weiter. Aber nicht lange. Baustelle, Fahrradumleitung auf die Autostraße. Stressiges Fahrrad fahren. Habe immer wieder versucht zurück auf den Fahrradweg zu kommen. Aber die Wege dorthin waren sandig und dreckig. Da hatte mein Rad keine Chance. Also miesgelaunt weiter auf der Hauptstraße. Im Gesicht eine biblische Plage, oder ganz viele Proteine. Habe ich nicht bestellt, aber die Mücken sind wie Regen auf mich geprasselt. Mit zusammengekniffenem Gesicht im nächsten Dorf endlich eine geteerte Abzweigung bwkommen.

So viele schöne Häuser. Wieder Insel, Reichenort.

Ein Fahrradweg für mich alleine. Ein Ort wo sich Fuchs und Karla Guten Tag sagen. Der Fuchs und das Mädchen. Magischer Moment. Kilometer machen, Angst den Bus zurück zu verpassen gibt mir Antrieb. Bin mit den Gedanken ganz woanders und nicht im Moment auf der Nehrung. Nächster Stopp: die toten Dünen. Dünen, die ganze Dörfer überdeckt haben. Sehr hoch und still. Mittagspause. Milchbrötchenkringel mit Philadelphia gegessen. Guter Snack.

Dann weiter durch den Wald heizen. Ich dachte ich muss nur 49 km fahren, aber es sind mehr. Wenn man alleine unterwegs wird, dann wird man irgendwann ausgelassen und fängt an zu singen, oder in meinem Fall, mit Straßenschildern zu reden und die 49 zu grüßen. Wie bei into the wild. Bei 55km war dann wirklich Schluss. Uferpromenade, Lust bekommen auf Ferien im Holzhaus. Der Ort an der Grenze zu Kaliningrad zu touristisch für mich. Fands davor schöner. Alle tragen die Marke HH (Holly Hansson oder so). Lesen und auf den Bus warten. Im Bus einschlafen. So auf ne Dusche freuen und stolz auf mich sein. 55 km bin ich gefahren!

So müde abends kurzzeitig beschlossen, dass ich einfach zurück fahre. Ist mir zu anstrengend noch nach Liepaja irgendwie zu kommen. Ich habe keine Energie mehr und alles was ich will ist, nach Riga zurück zu fahren. Eine Sache nehm ich noch mit, dachte ich mir und stehe um 4:30 Uhr auf um mit dem Zug nach Siauliai zu fahren. Dort steht ein Hügel mit über 300.000 Kreuzen. Ein Symbol der Liebe und des Widerstandes während der Sovietzeit. Doch ich verpasse knapp den Bus, der nur sehr unregelmäßig kommt, bin hungrig und müde und beschließe, dass es mir nicht wert ist den ganzen Tag frierend auf den nächsten Bus zu warten.

Also spontan doch zurück nach Riga. Immerhin war die Fahrt in den 2 Etappen billiger, als sie es von Klaipeda gewesen wäre. Ich ergattere den letzten Sitz im Expressbus, den Notsitz vorne neben dem Busfahrer. Zum Glück schlafe ich wieder schnell ein und muss nur ein paar wenige skandalöse Überholmannöver mitanschauen.

Es ist echt der Beste und der Schlimmste Platz mit Aussicht. So schön vertraut wieder in Lettland zu sein. Ich brauche ein paar Tage Ruhe. Sachen organisieren, mein eigenes Zimmer, Routine. Bald wird es wieder warm. Ich freue mich auf unser cottage Wochenende ab Donnerstag, aber davor muss ich einiges von der to do Liste abarbeiten, damit ich die Zeit genießen kann.

Mein Körper fährt runter. Erstmal nen Mittagsschlaf gemacht. Jetzt noch schön zusammen kochen, Netflix schauen, lesen, Yoga. Das ist mir gerade wichtiger als noch was neues zu sehen. Reizakku ist leer. Aber Litauen hat sich trotzdem gelohnt. Es war so schön. Vilnius gehört jetzt zu meinen Lieblingsstädten. Zusammen mit Istanbul und Florenz wie ich bemerkt habe.

Heide Getreide, Zeit was zu essen!