Verliebt in Riga

Puh, heute habe ich so viel geredet. Bin schon ganz heiser. So viele Eindrücke mal wieder.

Vor zwei Wochen war ich das erste Mal richtig in der Uni. Also naja, im ersten Seminar haben wir eine Führung durch das Gebäude bekommen und waren auf dem Dach. Und im „punishment“ room.

an den Wänden stehen auch Sachen auf Deutsch. Dort wurde über die Professoren geschimpft
Aussicht vom Unidach

Dort mussten Studenten früher als Bestrafung fürs Rauchen, Alkoholkonsum, oder weil sie zu viel an Frauen interessiert waren rein. Scherzhaft meinte unsere Dozentin, heute wäre wohl die Schlange vor dem Zimmer meterlang. War auf jeden Fall sehr interessant. Die ganzen Räume, Bilder der Direktoren an der Wand. Ein enorm großer Tisch und alles sehr offiziell. Kenne ich nicht von der PH Weingarten.

Danach waren wir noch Kaffee trinken, und alle möglichen Besorgungen machen. Mittlerweile entdecke ich immer mehr Bioläden, Märkte und Unverpackt Läden.

Beim ersten Lettischkurs in Präsenz, auf uralten Schulbänken, hat mein Kopf danach geraucht. Ich lerne so viel mehr als online. Dann Geo im neuen Gebäude. Leider in einem Raum ohne Fenster. Sehr deprimierend. Aber die Bib und die Lernräume sind sehr cool.

Es fühlt sich an, als ob ich jetzt richtig angekommen bin. Ich bin in einer neuen Phase. Die Zeit, die ich für mich alleine gebraucht habe ist vorbei. Jetzt mache ich wieder mehr mit anderen. Die perfekte Balance muss ich noch finden.

Ich hatte einen sehr lustigen WG Abend in der WG über mir. Mag es immer mal Gast-WG-Mitglied zu sein. Wir haben Kartoffelpuffer gemacht. Stellt sich heraus, nicht so geeignet wenn man hunger hat. Haben viel über Humor geredet.

Ich habe den letzten Schnee genossen. Sonne und Schneegestöber, einfach toll. Tagsüber hat es mittlerweile Plusgrade. Das macht einen riesen Unterschied. Es kommt mir jetzt viel wärmer vor. Trotzdem nur so 3 Grad, aber mein Gefühl für Kälte ist auf ner ganz neuen Ebene.

Für Wärme anscheinend auch. Die Sauna war gar nicht mal so heiß. Bis wir uns da erstmal zurecht gefunden haben in dem Hallenbad. Hin und hergewusel. Wo zieht man Jacken und Schuhe aus? Gänge wie in einem Labyrinth. Habe die Sauna sehr genossen. Die Schwimmerbecken waren im zweiten Stock. Wie lange ich schon nicht mehr geschwommen bin. Aussicht auf ein paar riesen Hochhäuser. Hat auch was.

Der Tag war tiefenentspannt. Nach der Sauna und dem Schwimmen noch Yoga gemacht. Mir war richtig warm. Allerdings nur bis ich abends aufs Streetfood Festival gegangen bin. Brrr war das kalt. Aber sehr cool. Ein DJ im Wohnmobil, eine Discokugel, coole Musik und wir wie wir unentspannt schnell unser essen aufessen und halb tanzend aus Spaß, halb um nicht zu erfireren, um ein Fass stehen.

Dann sind wir schnell ins Rockcafe und waren wahrscheinlich die ersten, die je in der Bar Tee bestellt haben. Im Folkklub war es leider schon zu voll, aber die Atmosphäre war so cool und das Essen hat sehr gut gerochen, deshalb haben wir uns gleich verabredet dort nochmal hinzugehen.

Am Samstag habe ich Greta, aus meinen Pädagogikkursen in die Humanawelt hinabgezogen. Wir waren auf meinem Lieblingsmarkt und haben alles Gemüse gekauft, was gut in einen wilden Eintopf passt. Haben übers Dorfleben gesprochen und zusammen gekocht. Das habe ich vermisst.

Sonntagmorgen ist Verena, die vorerst letzte WG Mitbewohnerin eingezogen. Leider mit Corona.

Ich bin abends mit den Germans, Melanie und Venca im Folkklub essen gegangen. Am Tag davor hat Greta ausführlich von Maultaschen geschwärmt, bei diesem Abendessen haben wir gar nicht mehr aufgehört über Brot zu sprechen. Melanie und ich haben die traditionellen grauen Erbsen gegessen. Klingt eklig, ist aber super lecker. Ein Gericht, dass in einem halben Kastenbrot daherkommt. Wir mussten am Ende echt kämpfen.

Livemusik, ich habe den anderen Arschloch beigebracht, wir haben BlackBalsam getrunken. Ein traditionelles lettisches Likör. Ich habe schwarze Johannisbeere genommen. War sehr lecker. Greta und ich sind noch zusammen nach Hause gelaufen. Wir reden immer so viel, dass mir der Weg noch kürzer vorkommt als er ist.

Am Dienstag waren wir am Stadtrand in einem Montessorikindergarten. Exkursion in alternativer Pädagogik. Einmal über die Schnellstraße rennen. „Oh my little chickens!“, Zitat Dozentin. Die Frau bringt mich immer zum Lachen. Im Gänsemarsch durch den Schneematsch.

Im Kindergarten umschauen und die Kinder beim Lernen beobachten. Die waren alle so bedacht und ruhig. Ganz geduldig. Es war so leise. Alles wurde sofort nach der Benutzung wieder zurückgeräumt. Tolle Materialien und tolle Kinder. Ich bin fan.

Ein paar Gedanken zu Riga. Ich freue mich immer, wenn ich nach Geo im Abendlicht zur Tramstation laufe. DIe Stadtkulise erwärmt mein Herz. Letzte Woche ist der Schnee geschmolzen und die Vögel sind da. Aber hier sieht man aus einem anderen Grund das der Frühling kommt. Seit kurzem stehen überall rote Miniroller herum. Die wurden wohl von der Stadt herausgerückt und da vertraue ich nun, dass die Wissen: ab jetzt ist der Frühling da.

Es war ja auch „Riga feiert das Frühlingserwachen“-Woche. Im Schnee dachte ich Riga ist eine super saubere Stadt. Jetzt kommt aber doch der ein oder andere Hundekothaufen zum Vorschein. Es sind viel mehr Menschen auf den Straßen. Es ist als ob RIga aufgewacht ist. Die Tauben fangen mit ihrem Gebalze an, die Autos nerven mich extrem. Jetzt weiß ich wie der Beton der Straßen in Riga aussieht.

Da wir am Samstag in die Oper sind, mussten wir am Donnerstag noch schnell Outfits kaufen gehen. Ich habe einen neuen Secondhand Laden gefunden. Antonia hat alles was glitzert anprobiert, Debora hat ein schönes Tuch gekauft, Anja haben wir in der Umkleide vergessen. Ein ganz normaler Einkauf. Die Musik bei den Humanas ist auch immer wild und gehört definitiv zum Einkaufserlebnis. Genau wie die Funde wie eine imitierte Lederhose, die fettesten Schulterpolster und Kleider, von denen man nie so genau weiß wie man die eigentlich trägt.

Am Freitag war ich Pfannkuchen frühstücken, habe nebenher etwas für die Uni gemacht und danach noch lettisch gelernt. Alles so gut es geht in einen schönen Tag integrieren.

Mein Tageshighlight: mit Verena, die endlich einen negativen Test hatte, zusammen die Abflüsse zu reinigen. Wobei ich eher die mentale Stütze war, die im Hintergrund Würgegeräusche gemacht hat, war. Ach war das am Spaß. Ein besonderes Gefühl. Sehr befriedigend wie gut das Wasser jetzt wieder abläuft.

Dann war ich in einer Fotoausstellung im Fotografiemuseum. Bilder einer Reisefotografin aus den Fünfzigern, bis in die Neunziger. Das war so inspirierend, dass ich danach ganz viele Fotos gemacht habe. Das Gebäude an sich, der Boden war natürlich auch schon wieder ein Traum.

Ein bisschen Ravensburgflair

Abends war ich zum Schokomuffins backen eingeladen. Natürlich die volle Dröhnung mit flüssigem Kern und Sahne. Aber natürlich auch einem Apfel zur Neutralisierung für zwischendurch. Dann waren wir noch einen cocktail trinken um die Ecke. Es ist so schön, dass immer was los ist und ich so zentral wohne.

Gestern morgen war die Sonne wieder da. Ich bin richtig aufgesprungen und hab mich schnell angezogen. Dann war ich auf einem neuen Markt. Pavillions draußen, Musik, so viele süße Leckereien. Meinen Gemüseeinkauf erledigt.

Dann konnte ich nicht widerstehen. Nicht gut mit leerem Magen einzukaufen. Ich habe ein Küchlein gekauft und erstmal gefragt was das eigentlich ist. Ich frage gerade immer die Verkäufer, was sie mir empfehlen würden. Dieses mal also Kartoffel, Karotten, Frischkäse. Schmeckt süßlich, meinte er noch. Ein wahres Abenteuer, wenn man ab und zu etwas probiert und gar nicht weiß, was man als nächstes erwartet. Ein neues kulinarisches Erlebnis. Tatsächlich süßlich. Und in der Mitte schmeckt es dann plötzlich wie Käsekuchen. Das war wild.

Die Sonne macht  mich so glücklich, dass ich ständig vor mich hinsummend durch die Gegend laufe. Ich habe mich durch verschiedene Marmeladen probiert und wurde gut beraten eine mit schwazrer Johannisbeere und Lavendel zu nehmen. Jetzt brauche ich nur noch Brot. Aus meiner Libelingsbäckerei. Ich bin auf dem Rückweg noch an der Daugava entlang gelaufen. Lag in der Sonne und habe den Möwen zugeschaut wie sie im sehr starken Wind auf der Stelle schweben. Leider ist der Verkehr ein konstantes Hintergrundgeräusch.

Auf dem Rückweg habe ich zufällig Jana getroffen und heute Lilli (beide aus Pädagogik). Echt lustig wie oft man sich hier sieht. Wie in Weingarten.

Abends dann die Oper. War das spannend die anderen Leute zu beobachten. So viele schönen Kleider. Wir haben gut reingepasst. Es macht mir großen Spaß mich schick zu machen. Das Gebäude, wie soll es anders sein, ein Traum. Das Bühnenbild, die Kostüme (das meiste mit sehr großer Wahrscheinlichkeit von Humana), das Licht, das Orchester. So viele neue Eindrücke. Pik Dame. Zum Glück gab es das Programmheft auf Englisch. Ansonsten könnte ich das Stück nur mit den 5 Wörtern zusammenfassen, die ich auf Russisch verstanden habe: ich weiß nicht, Stunde, Liebe, Schlüssel, Pik Dame.

Ein schöner Abend. Auch, wenn ich es für den Konstrast gerne gemacht hätte, bin ich danach nicht noch mit auf den rave und am nächsten Morgen in die Kirche.

Heute bin ich nämlich mit Greta auf Brunos und Mareks sehr illegalen Rädern, ans Meer gefahren. Der Bremsweg wird hier ganz anders berechnet… Licht? Klingel? Gangschaltung? Bremse? Nope für Greta. Ich war was das ganze angeht auf Mareks Klapprad dann doch ein wenig besser ausgestattet.

Am See Kizers

19 km durch Rigas Vorstadt. Sehen wo sich die Plattenbauten verstecken.

Über Brücken, Betonplatten, Restschnee bis zu einem Bohlenweg. Durch einen Kiefernwald mit leichten Nadelduft ans Meer. Es war so windstill, so ruhig wie ein See. Unterwegs ein bisschen „Ich seh den Sternenhimmel“ und Roller singen. Am Meer Humusbrot mit Oliven und danach Zimtschnecken essen. Die Wassertemperatur abchecken und die unfassbare Ruhe genießen. Es ware so viele Spaziergänger unterwegs. Leider hat man heute die Sonne gar nicht gesehen. Es war einfach nur bewölkt. Mit leichtem Nieselregen.

Naja. In unserem Mittagstief sind wir dann lieber mit dem Bus zurückgefahren. Eigentlich wollten wir nach dem Essen into the wild schauen. Aber wir haben so viel geredet. Ein sehr toller Redefluss über Auslandserfahrungen, die Balance und Schule. Dann kam Verena in die Küche. Nahtloser Übergang von Greta zu Verena. Und auch was fas Gespräch angeht. Ich war von 15-20:30 Uhr ununterbrochen in der Küche und habe geredet. Die Küche ist gerade ein sehr schön sauberer Ort, nachdem ich heute morgen sehr energisch den Herd geputzt habe. Mit Verena habe ich auch gar nicht mehr aufhören können zu reden. Dann bin ich aber nochmal los um unsere Schokokekscravings zu stillen. Davor habe ich noch Tickets für den nächsten rave gekauft.

Ich freue mich sehr wenn Linus und Alex kommen und wir dann dort hingehen. Es passiert so viel. Ich freue mich voll auf meinen ganzen Besuch. Ist ein bisschen schwierig, dass mit den Klausuren und der Uni zu koordinieren, aber richtig schön jetzt meine neue Stadt zu zeigen. Das Wetter zeigt nur Schauer an. Aber das ist mir sowas von egal. Ich habe so viel vor.

Jetzt bin ich gerade total fertig von diesem Tag. Morgen wieder Uni. Präsentationen, Lettischtest, Gruppenarbeit. Cottagewochenendeplanung, was für ein Wort. Das kann nur die deutsche Sprache. Morgen ist wieder ein traditionell lettisches Event um den Frühling zu begrüßen. Die Beschreibung klang sehr interessant und hat mich neugierig gemacht. Darts, Jubeln, Vögel treiben, Schaukeln dekorieren mit Folkloreensemble. Vielleicht ist es auch nur schlecht von Google übersetzt. Wir werden sehen.

 

In der Gertrudes Kirche, der Schutzpatronin der Reisenden, gleich nebenan, war ich jetzt auch mal
Das Essen war so lecker, dass muss jetzt auch noch hier Platz finden

 

Ab in den Süden nach Riga!

Heute Mittag bin ich in den Süden zurück gefahren, ja richtig, Riga liegt im Süden. Es kommt eben immer darauf an mit was man etwas vergleicht.

Bevor ich von meinen Reiseeindrücken berichte aber erst noch zu der Zeit davor in Riga.

Die letzte Woche war die Sonne sehr viel zu sehen. Das hat mich total glücklich gemacht. Ich habe mit der lieben Dachgeschoss WG Pizza gebacken und einen schönen WG Abend verbracht.

Wir waren im KGB Museum, Geheimdienst der Soviets. Das Gebäude ist gleich neben meinem Apartment. Dort wurden politische Gefangene eingesperrt. Wir haben eine Führung von einem österreichischen Zivildienstler bekommen. Super spannend und verstörend von den Ungerechtigkeiten und der Willkür zu hören. Traurigerweise wird das Museum dieses Jahr geschlossen, aufgrund von Einsturzgefahr. Sehr traurig, dass „kein Geld da ist“ um diesen wichtigen Teil der Vergangenheit aufzudecken.

Dann hat sich der Kriegsbeginn gejährt. Ich bin auf ein Benefizkonzert im Schneesturm gegangen. Zusammen mit Melanie, Venca, Amanda und lustigerweise habe ich meinen Mitbewohner Joseph getroffen, der sich AUCH mit Melanie verabredet hat. Wirklich ein Dorf. Der Schneesturm hat sehr gut zu den melancholischen Lieder gepasst. Melanie wurde die ganze Zeit gefilmt und ein Mann hinter uns hat uns auf seinem Handy einen Fernsehausschnitt von uns gezeigt. Wir sind jetzt landbekannt 🙂

Danach waren wir bei Lido, einer lettischen Kantine, essen. Roggenbrot mit Knoblauch, sehr lecker. Pfannkuchen und den Brotbeerennachtisch.

Am Sonntag waren wir: Marius, Marek, Debbie (die Dachgeschoss WG) und Antonia, auf dem Flohmarkt. In einem wilden Preis-Sprachmix aus russisch und lettisch bin ich nun stolze Besitzerin eines Kartensets und eines Schachbretts. In der Markthalle haben wir noch ein wenig rumgestöbert.

Danach waren Debbie und ich noch im Okkupationsmuseum. Das hat mir sehr geholfen die Geschichte Lettlands und das schwierige Verhältnis zwischen Letten und Russen besser zu verstehen. Die ganzen Gräueltaten und alles erst 30 Jahre her. Junge Unabhängigkeit. Der Einfluss der Deutschen überall. Schade, dass man nicht lernt in welchen Ländern das auch ne Rolle spielt. Die global player kaut man Jahre kang durch, aber alle „unwichtigen“ werden nicht mal genannt.

Lettland hat ein Drittel der Bevölkerung verloren durch Flucht und Krieg. Während sich Estland an Finnland gehangen hat und Litauen an Polen, blieb Lettland in der Mitte ein wenig zurück.

Das Baltikum ist sehr mystisch und naturverbunden. Die Nationalbibliothek in Riga wurde nach einer dieser nationalen Sagen designed. Es handelt sich um ein Schloss aus Licht. Um alle Bücher in die neue Bibliothek zu bekommen gab es wieder eine Menschenkette, die die Bücher von der alten in die neue transportiert hat. Sehr cool.

Es macht mir Spaß einen Ort tiefer zu verstehen und nicht nur, wie auf Reisen, an der Oberfläche zu kratzen.

Ich bin sehr viel draußen gewesen. In den Parks, die gefrorene Daugava. Und darauf Möwen, Enten, Raben und Spatzen. Ganz viel Sonne.

Überall Schnee und Eis. Und auf dem Eis Sand und Kies. Die Eiskönigin muss aus Lettland stammen. Wie können die Frauen hier in Röcken und hohen Schuhen auf dem Eis laufen?

Die Inflation ist krass. In Estland 25%. Dort sind die Preise schon skandinavisch. Lettland ist teurer als Deutschland, aber in Relation zum Norden, ist es schon wieder preiswert.

Ich war in der russisch orthodoxen Kirche. Der erste Kirche, seit ich hier bin. Am Donnerstag, nachdem ich in der Vorlesung viel Vorfreude hatte, vorallem auf Helsinki, bin ich dann nach Tallinn losgefahren. Im nachhinein hat mir Tallinn sehr viel besser gefallen. Auf der Busfahrt so viel Schnee und Seen mit Eisfischern, Wald und eine wunderschöne Farbe des Himmels. Achtung kitsch: Sonne ist das schönste Accessoires für Stadt und Natur.

Tallinn ist supersüß. Ich habe das kulturweit Netzwerk genutzt und bei Ben, einem Freiwilligen, geschlafen. War zum Glück gar nicht seltsam. Kaum hat er die Türe aufgemacht haben wir ununterbrochen geredet. Kleiner Abendspaziergang zur Linnahall. Einer Ruine, früher Stadthalle für die olympischen Spiele. Direkt am Meer. Windig, aber guter Blick auf die Stadt.

Die Häuser sind sehr niedrig im Vergleich zu Riga. Sehr süße Altstadt. Avi, Bens Mitbewohner war auch mit am Start. Ewig geredet, Nachmitternachtssnack und dann gut geschlafen.

Was gehört zu jeder Stadt? Richtig! Eine Freewalkingtour. Sehr viel Neues gelernt. Man ist nur Estnisch, wenn man ein startup hat. Bolt, das pendant zu uber kommt aus Estland. Genauso wie Skype. Gerade werden Essenslieferroboter entwickelt, die auch noch die Lieblingsmusik spielen. Der erste in den USA wurde leider von einem Bus überfahren.

Steven Seagull, die meistfotografierteste Möwe Tallinns
Gefühlt hat Riga als auch Tallinn mehr Türme, als die Stadt der Türme Ravensburg

Mit Kadri, unserem guide habe ich über Polarlichter geredet. Ein klares Zeichen des Klimawandels, dass man die gerade sogar in Deutschland sehen kann. Hat mit elektromagnetischen Phänomenen zu tun. Falls ich das jemals verstehe, hatte das in meiner Geo Vorlesung, sage ich Bescheid. Total schön viel Sonne. Hatte sogar einen leichten Sonnenbrand. Man gewöhnt sich an die Temperaturen. Ich hoffe, mir wird der Sommer in Deutschland nicht zu heiß. Am Freitag geht’s endlich in die Sauna!

Ich habe ein cooles Hipsterviertel entdeckt. Viel street art. Dann war ich in Kalamaja. Fischhaus übersetzt. Mir wurde ja schonmal gesagt Kala heißt Fisch. Maja, eines von weniggen Worten, die im estnischen und lettischen gleich sind Haus. Also das Viertel der Fischer. In der Markthalle habe ich Linsensuppe und veganes Gebäck gegessen. Die Stadt ist so cool. So modern und auf die Zukunft ausgerichtet. Ben hat mir erzählt, der einzige Ort in Tallinn in dem Kartenzahlung nicht möglich ist, ist die deutsche Botschaft… Na klar.

Ich hatte einen richtig schönen Tag.

Abends dann auf die Fähre nach Helsinki. Ganz eigene Welt. Mit shows und Einkaufsmöglichkeiten. Total absurd. Habe mich unwohl gefühlt. Deshalb lieber draußen auf dem offenen Deck gestanden und den Schneesturm auf dem Meer gespürt. War faszinierend. Helsinki ist fremd und vertraut. So weit entfernt, aber auch sehr westlich. Die Innenstadt hat mich stark an Stuttgart erinnert. Leider kein Kompliment. Aber genau wie Stuttgart hat Helsinki auch schöne Orte.

Das billigste host: cheap sleep. Der schlaf war auch ziemlich cheap. Eine witzige Sache: was war das erste was ich je mit Finnland in Verbindung gebracht habe? Die Band sunrise avenue und hollywood hills. Das glaubt mir jetzt niemand, aber welcher song lief, als ich im hostel an der Rezeption stand? Genau, hollywood hills.

Nachdem ich akzeptiert hatte, dass ich nur eine Nacht schlafen dort schlafen muss habe ich mich schnell abgefunden.

Wieder free walking tour. Der Dom von Helsinki ist schon beeindruckend.

Schnee in Helsinki. Das gehört zusammen. Ich hatte die volle Dosis. Wann sind Finnen offen? Wenn sie Alkohol trinken, singen oder nackt sind.

Anscheinend sind sie total naturverbunden. Glaube ich auch ein bisschen, genauso wie sie ein gutes Sozialsystem haben, zukunftsorientiert sind, das erste Land waren indem Frauen wählen durften UND gewählt werden konnten. Im Moment, bis zur nächsten Wahl in einem Monat, von 5 Frauen regiert wird. Ziemlich cool alles. Aber dieses Verständnis von Naturverbundenheit, da habe ich ein bisschen ein anderes. Überall gibt es Rentier- und Bärfleisch und ich habe noch nie so viele Leute mit Pelzmänteln oder Mützen gesehen. Diese Ignoranz und Unwissenheit sticht mitten ins Herz.  Spricht voll gegen die Fortschrittlichkeit.

Zweite Nationalsprache von Finnland ist Schwedisch. Alkoholkonsum ist ein großes Problem. Alkohol ist zwar teuer, aber Tallinn ist ja nur 2 Stunden entfernt. Und wird zur Alkoholbeschaffung reichlich genutzt. Sehr viele Menschen mit Einkaufswagen voll Bier auf der Fähre.

Irgendwie habe ich mir Helsinki großer vorgestellt. Ich bin in der berühmten Felsenkirche gewesen, habe einen tollen Bücherladen gefunden. Habe mich so treiben lassen.

Das aus 22km Kupfer bestehende Dach der Felsenkirche
Süßer Buchladen

Die Zentralbibliothek Oodi besucht. Was ein Design! Ein Ort, wie ich mir Utopie vorstelle. 3D-Drucker, Maschinen jeglicher Art, Nähmaschinen, Computer, Konferenzräume, Cafe, Kino, Restaurants, so viele Plätze zum Sitzen und lernen und lesen. Hat mich tief beeindruckt.

Oodi von außen

Dann war ich so halb ausversehen in der Mensa von Helsinki. Leider habe ich nicht verstanden was auf den Schildern stand und zwei Hauptgerichte genommen. Musste glücklicherweise nicht mehr zahlen, war teuer genug und das wollte mir der Typ nicht noch antun. Endlich mal wieder was gscheits zum Essen. Hier gibt es überall so viele Fertiggerichte in den Supermärkten, überall nur Fastfood. Ist das in Deutschland auch so?

Dann war ich noch im Designmuseum, habe mir Zimtkekse gekauft und im Dom gegessen und Tagebuch geschrieben.

Zurück auf der Fähre, von einem Land mit Äs und Ös wieder ins andere.

Avi hat mich reingelassen und ich bin erschöpft von diesem Städtetrip eingeschlafen.

Heute morgen, Ben hat noch geschlafen, sind Avi und ich noch ein bisschen durch einen anderen Teil von Tallinn gefahren und haben uns gut unterhalten. Über Rassismus, Länder, Kulturschock und Bewusstsein.

Jetzt sitze ich im Bus zurück nach Riga. Habe wahrscheinlich einen neuen Mitbewohner wenn ich ankomme und im Moment eine sehr volle Blase. Kleine Homage an Josi und ihr Gedicht über ihre kleine Blase 🙂 Daran muss ich jetzt gerade denken <3

Morgen beginnen die Vorlesungen in Präsenz. Ich freue mich auf Alltag und, dass es sich gerade so anfühlt wie nach Hause zu fahren. Ich freue mich aufs Einkaufen und weiter meine Stadt zu erkunden.