Zurück in Athen

Seit dem 20. Februar bin ich wieder in Athen. Genau 2 Jahre nachdem ich von meinem Freiwilligendienst 2019 wieder zurück nach Deutschland gekehrt bin.

Ich bin nicht das erste Mal wieder in Griechenland, sondern habe im Sommer 2019 und im Frühjahr 2020 jeweils Praktika in Olympia wieder mit dem Deutschen Archäologischen Institut gemacht und war vorher beide Male für eine Woche Urlaub in Athen. Letzten März mussten wir das Praktikum allerdings 2,5 Wochen früher als geplant abbrechen, wegen des Beginns des ersten Lockdowns in Griechenland.

Seit dem Wintersemester 2019 studiere ich Ur- und Frühgeschichte und klassische Archäologie an der Universität zu Köln. Nach dem Ende meines Freiwilligendienstes stand für mich fest, dass ich nach Athen für längere Zeit zurückkommen muss. Frustriert über das die frühe Abreise aus Griechenland habe ich mich letztes Jahr im April bei der Erasmus Restplatzvergabe meiner Universität beworben und einen Studienplatz in Athen erhalten. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich fest angenommen, dass die Covid 19 Pandemie bis 2021 längst vorbei sei. Da lag ich offensichtlich ziemlich falsch.

Auf meinen bevorstehenden Auslandsaufenthalt habe ich mit gemischten Gefühlen geblickt. Einerseits war ich voller Vorfreude und konnte es kaum erwarten zurück nach Griechenland und nach Athen zu kommen. Anderseits hatte ich aber auch Angst, dass ich diese einmalige Chance, die mir das Erasmus+ Stipendium bietet, zu verspielen und nicht richtig nutzen zu können, wie in einem anderen Jahr. Ich weiß auch nicht, ob es so schlau ist in eine Stadt zurückzukehren, die man schon relativ gut kennt, statt ein ganz neues Land oder eine andere Stadt neu zu entdecken. Allerdings war ich mir sehr sicher, dass ich sonst immer Sehnsucht nach Athen haben würde.

Ich lebe jetzt in Athen in einer WG mit 3 französischen Erasmus Studentinnen, die zum Glück alle total lieb sind, in der Nähe von Exarchia, wo ich während meines Freiwilligendienst gelebt habe. Meine Universität, die Nationale und Kapodistrias Universität Athen– kurz ΕΚΠΑ – , ist ca. 7 km von meiner Wohnung entfernt, allerdings war es mir wichtiger zu Fuß das Zentrum und die Akropolis zu erreichen.

Als ich in Athen angekommen bin war natürlich Lockdown. Für die Einreise brauchte ich einen negativen PCR Test und musste mich registrieren. Zu diesem Zeitpunkt herrschte am Wochenende eine Ausgangsperre ab 18 Uhr und unter der Woche ab 21 Uhr. Tagsüber darf das Haus aber auch nur mit einem triftigen Grund und einem entsprechenden Formular verlassen werden. In ganz Griechenland gilt eine Maskenpflicht und nur die Geschäfte des täglichen Bedarfs waren geöffnet. Auch im Supermarkt und in der Drogerie durfte man nur die Produkte kaufen, die zum täglichen Bedarf zählen, die anderen durften nicht verkauft werden, um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten. Interessant fand ich, was unter täglichen Bedarf verstanden wird: So konnte man Weihrauch kaufen, aber Besteck, Geschirr und Makeup nicht. Außerdem durfte man seine Gemeinde nicht verlassen.

Nach und nach wurde die Ausgangsbeschränkung am Wochenende von 18 auf 19 und schließlich auf 21 Uhr gelockert. Dafür wurde es verboten öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, um zu einem anderen Ort zu gelangen, wo man spazieren gehen oder Sport machen möchte. Außerdem durfte man nur Geschäfte im Radius von 2km besuchen.

Vor ein paar Wochen wurden dann zu meiner Freude die archäologischen Stätten wieder geöffnet, Museen bleiben aber weiterhin geschlossen. Ich habe direkt am Tag der Öffnung mit einer meiner Mitbewohnerinnen die Akropolis besucht, was genau mein 20. Besuch auf der Akropolis war. Mittlerweile war ich schon 4 Mal dieses Jahr dort, also in meinem Leben insgesamt 23 Mal.

Seit dem 03.04. ist es erlaubt am Wochenende in seiner Region – also für mich in Attika – zu reisen. Zu diesem Anlass bin ich mit einem griechischen Freund zum Poseidon Tempel von Kap Sounio gefahren.

Seit letzten Montag, also dem 05.04. ist auch in Attika trotz der steigenden Coronafallzahlen das click-away und click-in in Geschäften wieder erlaubt. Seitdem ist die völlig ausgestorbene Stadt vom Anfang meines Aufenthalts wieder mit Leben gefüllt.

Das Semester in Griechenland hat schon am 01.03. begonnen und mein Sprachkurs sogar schon 2 Wochen eher. Daher hatte ich dieses Frühjahr leider gar keine Semesterferien und das merke ich leider auch ein bisschen. Alle meine Kurse sind auf Neugriechisch, dauern anders als in Deutschland jeweils 3 Zeitstunden und haben am Ende des Semesters eine Prüfung, in der die Inhalte abgefragt werden. Mir fällt es, ehrlich gesagt, relativ schwer den Kursen zu folgen, insbesondere wenn die Präsentanionen der Dozierenden zu viel oder zu wenig Text enthalten. Trotz meiner leicht schwindenden Motivation macht mir die Uni Spaß und ich sehe es als eine Chance über mich selbst herauszuwachsen.

Der Lockdown und die steigenden Fallzahlen lösen in mir einen Konflikt zwischen der Vernunft zu Hause zu bleiben und Kontakte zu vermeiden und die Sehnsucht meine Zeit hier zu nutzen und zu genießen aus. Ich bin in erster Linie sehr froh, so tolle Mitbewohnerinnen zu haben, da ich mir ein Erasmus online Semester ohne jegliche Kontakte gar nicht vorstellen kann. Neben diesen habe ich auch ein paar Erasmus Studierende wie aus meinem Sprachkurs getroffen. Ich möchte aber eigentlich nicht in dieser Erasmus Bubble bleiben und am richtigen griechischen Leben teilzunehmen. Während meines Freiwilligendienst hatte ich nur zu Menschen meiner Arbeit und zu den anderen Freiwilligen Kontakt, was im Rückblick sehr schade ist. Die Studierenden meines Departments sind auf Facebook sehr aktiv und sind alle sehr hilfsbereit mir meine Fragen zu beantworten. Gestern habe ich ein Mädchen aus meinem Studiengang und ein paar ihrer Freunde getroffen und mit ihnen und einer meiner Mitbewohnerinnen die griechische Agora und die Akropolis besucht. Ich habe außerdem meine Neugriechischlehrerin, bei der ich 2 Semester Neugriechisch in Köln gelernt habe, hier in Athen besucht.

Insgesamt bin ich sehr glücklich in Athen zu sein. Manchmal bin ich ein bisschen frustriert oder sehne mich nach dem normalen Leben (mit offenen Museen und Reisemöglichkeiten!!!!). Besonders am Anfang hat es mich unglaublich angestrengt den ganzen Tag Englisch (und ein bisschen Griechisch) zu sprechen und manchmal vermisse ich es schon, mich ohne Sprachbarriere auszudrücken. Abends falle ich immer sehr erschöpft aber zufrieden ins Bett. Manchmal ist es für mich schwer zu realisieren, dass ich nicht träume, sondern wirklich wieder in dieser wunderbaren Stadt zu leben.

Es gibt noch so viel zu erzählen, aber das ist erstmal eine erste Zusammenfassung meiner ersten 7 Wochen zurück in Athen!

Zurückgekommen

Jetzt bin ich schon lange wieder in Deutschland. Am 20.02. bin ich zurückgeflogen und hatte dann noch 5 Tage Nachbereitungseminar. Eigentlich wollte ich schon lange wieder schreiben, aber irgendwie hat mir der Elan dazu gefehlt.

„Wie war es denn?“ „Hat es dir gefallen?“ „Was hast du da eigentlich gemacht“

Fragen die mir oft gestellt wurden. Fragen die auch gerecht fertigt sind. Fragen die aber auch nerven und die ich müde bin zu beantworten. Ich habe das Gefühl, dass die meisten nicht wirklich verstehen, wie es ist weggewesen zu sein. Natürlich waren auch einige weg, aber ich glaube, dass das für jeden anders ist. Trotzdem kann wohl kaum jemand 100%ig nachvollziehen, wie es war. Muss aber auch niemand. Es ist schließlich meine Erfahrung. Ich merke sogar immer wieder, dass ich selber gar keine Ahnung habe, was viele meiner Freunde machen oder was sie beschäftigt, was ich sehr schade finde. Nach dem Abitur ist man sowieso schon in einer Phase, wo sich jeder orientiert und wo auch viele Freundschaften auseinander gehen. Für mich ist es aber schwer herauszufinden, hatten wir nichts zu tun, weil ich weg war oder weil es jetzt so ist? Ich bereue, dass ich nicht noch mehr Kontakte gehalten habe.

Schon am Beginn des Freiwilligendienst war es mir bewusst, dass ich irgendwann das letzte Mal für lange Zeit durch die vertrauten Straßen gehen werde und meine vertrauten Plätze aufsuchen werde. Und irgendwann musste ich diesen Gang auch machen. Noch einmal alles genau ansehen, in sich aufsaugen und genießen und in sich fühlen. Gerade spaziere ich in meinen Gedanken nochmal diesen letzten Rundgang. Ich habe jedes Haus, jede Gasse, jeden Geruch klar vor meinem inneren Auge aber gleichzeitig verschwimmt es wieder. Natürlich weiß ich, dass ich wieder kehren werde. Aber ich weiß, dass diese Situation – dieses Lebensgefühl nie wieder kommen wird. Dieses unbeschwerte Leben, das ich selber so gestalten kann wie ich es will ohne auf jemanden Rücksicht zu nehmen.

Aber wie ist es zurück zukehren? In Athen habe ich immer gesagt, ich freue mich auf meinen Freund, meine Katze und mein Gewehr am meisten. Erstmal ist es wunderschön wieder im eigenem weichen Bett zu schlafen. Meine Katze hat mich erst nicht wieder erkannt und dann ignoriert. Mittlerweile verstehen wir uns aber wieder ganz gut. Wir haben unser Kaninchen, die übrigens schon 2016 von meiner Schwester „Athene“ getauft wurde, begraben. Jetzt sitze ich hier ohne Athene nicht in Athen. Ganz schöne dumme Ironie. Ich hab auch schon ein paar Wettkämpfe geschossen und eine Meisterschaft verkackt. Ich habe irgendwie damit gerechnet, dass ich bei mindesten dem Level einsteige, mit dem ich gegangen bin. Ich muss aber einsehen, dass man bei einem halben Jahr ohne Training schon aus der Übung kommt. Ich weiß auch gar nicht, wie das mit dem Schießen weiterlaufen soll, wenn ich aus Paderborn für das Studium weggehe. Aber das ist gerade im Moment ja ziemlich egal. Ich habe viele Freunde wiedergetroffen, was echt schön war. Ich habe gar nicht gemerkt, wie sehr viele mir gefehlt haben.

In dem halben Jahr hat sich so viel geändert, dass ich dachte hier hat sich auch viel geändert. Es ist aber ein bisschen so, als wäre die Zeit stehen geblieben. Fast alles ist genau gleich. Die gleichen verrosteten Zahnräder greifen in einander und drehen sich träge weiter. Auf viele Dinge habe ich einen anderen Blick bekommen. Manches kommt mir so unwichtig oder lächerlich vor, was vorher für mich einen großen Wert hatte.

Auch die Möglichkeiten hier sind ganz anders. In Athen war zum Ende immer am Rand der Erschöpfung, weil ich so viel wie möglich sehen und erleben wollte, ohne etwas zu verpassen. Ich wollte überall nochmal essen, die letzten Museen machen und neue Wege entdecken. Und was kann ich hier machen? Es regnet die meiste Zeit, ist kalt und grau. Ich habe mir für zu Hause so viel vorgenommen und hab jetzt auf nichts davon Lust. Ich war zwar schon einmal im Museum in der Kaiserpfalz und das war auch interessant, aber es ist im Vergleich zu vielen Museen in Athen doch sehr langweilig. Ich weiß nicht, was ich hier gerne esse. In Athen habe ich viele Produkte sehr verpasst, aber jetzt verpasse ich das Essen aus Athen noch viel mehr. Ich traue mich nicht hier Griechisch essen zu gehen, weil ich damit rechne, dass schon die Konserven Gigantes (Riesen Bohnen) aus Athen 1000 mal besser als alles hier schmecken. In Athen wüsste ich rund um die Uhr, wo ich lecker und günstig essen kann, während hier sogar MCs um 2 Uhr nachts zu hat.

Apropos Essen ich habe heute Nacht geträumt, ich wäre mit meiner Oma in Athen und würde ihr erklären, wo man Pita essen kann und wieviel das kostet. Ich träume fast jede Nacht von Athen. Meistens bin ich da, kurz bevor ich zurück muss. Ich habe im Traum Angst vor der Heimkehr und bin froh, noch eine oder zwei Wochen dort zu verbringen und dann wache ich auf und bin schon wieder zurück. Ich träume auch oft von allen meinen Katzen dort mit denen ich mich angefreundet habe. Von vielen habe ich mich nicht richtig verabschiedet. Athen werde ich wiedersehen, aber sie? Ja gut, es sind nur Katzen, die mich wahrscheinlich sowieso schon vergessen haben, aber ich vermisse sie trotzdem! Ich träume auch ab und zu von meinem Mitbewohnern oder den anderen Freiwilligen dort oder von der Arbeit.

Ich weiß, dass ich das jetzt alles hinter mir lassen muss, mich darüber freuen soll, dass ich das erleben durfte und den Abschied nicht so dramatisieren sollte, aber das versuche ich ja auch. Oft denke ich, wenn ich jetzt in Athen wäre, wäre alles viel einfacher, alle meine Probleme wären gelöst. Aber ich muss einsehen, dass ich meine Situation so hinnehmen muss, wie sie ist.

καλή χρόνια in Athen

Ich wünsche euch allen frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr (καλή χρόνια)!

Dieses Jahr bin ich Weihnachten in Athen geblieben und habe zum ersten mal ohne meine Familie gefeiert. Dafür ist aber mein Freund zu mir gekommen. Zwischen den Jahren sind wir zusammen nach Nafplio, eine der schönsten Städten in Griechenland, gefahren.

Am Heiligabend ist es in Griechenland üblich feiern zu gehen und Weihnachten wird zusammen mit der Familie und Freunden nur am 25. und 26. gefeiert. Wir sind trotzdem am 24. in die deutsch evangelische Kirche gegangen, die ganz in der Nähe von uns ist und mit deren Freiwilligen wir uns schon ein paar mal getroffen haben. Der Gottesdienst war wirklich sehr schön und auch eine Abwechslung zu der katholischen Christmette in die ich sonst gehe. Anschließend haben wir zusammen gekocht und Geschenke unter dem provisorischen Weihnachtsbaum, der eigentlich ein geschmückter Weihnachtsstern ist, ausgepackt.

An Silvester werden in Griechenland traditionell die Geschenke ausgetauscht und es wird eher mit der Familie gefeiert. Außerdem sind private Feuerwerke und Böller verboten. Selbst Wunderkerzen haben wir nirgendwo gefunden. Allerdings finde ich das gar nicht mal so verkehrt. Natürlich ist ein Feuerwerk schön und Böllern macht Spaß, aber einerseits gibt man nicht unnötig viel Geld aus und anderseits hat Athen schon so ein Problem mit Feinstaub. Allerdings gab es ein Feuerwerk über der Akropolis. Dazu sind wir auf den Areopag, meinen Lieblingsplatz, gestiegen und konnten von dort über die ganze Stadt blicken. Allerdings war es sehr windig und regnerisch, weshalb wir danach direkt wieder klitschnass nach Hause gegangen sind.

Jetzt ist 2018 zu Ende und 2019 beginnt. Dieses Jahr habe ich mir keine Vorsätze ausgedacht, die sowieso wieder in den Wind geschlagen werden. Stattdessen habe ich ein bisschen über 2018 nachgedacht. Für mich ist in diesem Jahr viel passiert. Um ein Jahr Revue passieren zu lassen finde ich es hilfreich Bildergalerien zu durchblättern, Storys aus verschiedenen sozialen Netzwerken zu durchblättern oder alte Playlist sich anzuhören.

Mein 2018 hat mit einer Silvesterparty bei einer Kompanie meines Schützenvereins begonnen. Wenn ich an den Abend denke, muss ich unwillkürlich lächeln. Dann habe ich im Januar meine Brille ausgesucht, die ich momentan aber so gut wie gar nicht mehr trage. Ich blättere durch meine Galerie und finde Bilder von Partys und Abende, wo ich erst überlegen muss, wo das war, aber plötzlich schießen mir 1000de kleine Geschichten dazu durch den Kopf. Ob es ein Geburtstag, ein Ball, ein Spaziergang mit unseren Kaninchen oder der Katze, eine Kritzelei in einem Schulheft oder ein verkrüppeltes Selfie ist, es ist wert sich daran zu erinnern. Ich vergesse zu schnell die kleinen Augenblicke, obwohl gerade sie so schön sind. 2018 hatten wir unsere Abiparty und ich war mit Freunden auf einem Kraftklubkonzert und habe dadurch eine neue Lieblingsband dazugewonnen. Im März war unsere Mottowoche und damit auch mein letzter richtiger Schultag. Kaum zu glauben, dass ich seit einem 3/4 Jahr nicht mehr im Unterricht war und trotzdem hab ich gestern noch geträumt, ich wäre in den Geschichtsunterricht ohne Lateinhausaufgaben gegangen.

Am 06. April habe ich von Kulturweit meine Zusage zum Freiwilligendienst bekommen und erfahren, dass ich nach Athen komme. Darüber habe ich mich extrem gefreut, weil ich ja schon im Herbst zuvor in Athen war. Auch das „Italien ist aber auch ein schönes Land“ meiner Oma konnte meine Vorfreunde nicht dämpfen. Ein paar Tage später bin ich volljährig geworden und habe am nächsten Tag meine Physik LK Abiturklausur geschrieben. Was bedeutet es volljährig zu sein? Man muss sich keine Gedanken mehr machen, wann man zu Hause sein muss oder ob man irgendwo kontrolliert wird, aber anderseits hat man auch die volle Verantwortung. Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich das bis jetzt ganz verstanden hab, was das für mich bedeutet. Ich denke daran zurück, wie es war zum ersten Mal ganz alleine Auto zu fahren. Bekomme ich das überhaupt hin, wenn ich wieder komme? Dann habe ich meinen Führerschein ein gutes Jahr und bin davon fast 6 Monate nicht selber gefahren.

Ich finde weiter Bilder von Essen, Partys, meinen Haustieren, Pferdchenkarusselln und dem Zeltlager, Schützenfesten. Ende Juni hatte ich dann endlich meine Abientlassung und meinen Abiball. Damit bin ich offiziell aus der Schule raus und habe mein Abitur. Habe ich nicht darauf 12 Jahre lang hingearbeitet? Trotzdem merkt man jetzt erst, wie viel ein Schulabschluss einem im Alltag bringt. Was bringt mir irgendwelche Quantentheorie, wenn ich mich einfach verlaufen habe 0der wenn ich eine Reise plane? Nicht viel. Außerdem merke ich, wie ich immer mehr vergesse. Nach unserem Schützenfest bin ich mit zwei meiner besten Freundinnen nach Irland geflogen. Diesen Urlaub haben wir zum Abi geschenkt bekommen. Wir waren in Dublin, Doolin und Galway und hatten wir eine wirklich tolle Zeit. Außerdem war das überhaupt mein erster Urlaub ohne meine Familie.

Im September bin ich dann zum Vorbereitungsseminar an den Werbelinsee gefahren. Davon habe ich ja schon in einem anderen Beitrag geschrieben, also lest den gerne durch, wenn ihr den noch nicht kennt. Zuvor habe ich mit den anderen, die nach Athen und die ans DAI gehen sollten, mich in Kontakt gesetzt und mir eine WG organisiert. Vom Abschiednehmen und Ankommen muss ich jetzt nicht viel schreiben, weil ich ja darüber diesen Blog führe. Trotzdem habe ich hier unglaublich viel gelernt. Ich kenne jetzt nicht nur den Unterschied zwischen einer Diskus- und einer Zeltlampe oder von Psi-, Phi- und Tau- Figurieren, sondern ich weiß jetzt auch, wie ich am besten meine Wäsche wasche, wie ich ohne Bügeleisen oder Wasserkocher auskomme. Ich musste lernen, dass wenn man nichts einkauft, der Kühlschrank leer bleibt. Ich habe überhaupt mein selbstverdientes Geld bekommen und habe halbwegs gelernt damit umzugehen. Ich habe eine fast fremde Stadt kennen und lieben gelernt. Ich weiß, was ich studieren möchte und wie mein zukünftiges Leben vielleicht verlaufen wird. Ich weiß, wie es ist mit Kakerlaken zu leben und Angst zu haben im Dunkeln einen Fuß auf den Boden zu setzen, aber ich habe auch gelernt, wie man sie halbwegs los wird und damit lernen kann. Ich habe gelernt, dass nicht jede Situation einfach ist, aber dass ich damit umgehen muss. Und nicht zu letzt habe ich Griechisch besser gelernt. Es ist noch lange nicht gut, aber immerhin verstehe ich einiges, wenn sich Leute auf der Straße unterhalten, ich angesprochen werde oder etwas kaufen möchte. Außerdem habe ich mein eigentlich verhasstes Altgriechisch wieder ein bisschen lieb gewonnen. Mir kommt es oft ein bisschen vor, wie nach Hause zu kommen. Etwas zu begegnen, wovon viele Leute weniger verstehen als man selber, etwas womit man Klugscheißen kann und was mir das Neugriechisch erleichtert. Ich habe viele neue Leute kennen gelernt und Freundschaften geschlossen, aber ich verliere auch den Kontakt zu manchen Freunden, was ich sehr traurig finde.

In diesem Jahr habe ich erst für die Schule gelernt, habe den Stoff dann wieder vergessen und lerne jetzt für mein Leben. Aber es gibt trotzdem noch so unendlich viel zu lernen. Am liebsten würde ich so viel mehr wissen. Ich möchte durch ein Museum gehen und alles begreifen, einordnen und behalten können. Ich möchte die Stadt richtig kennen lernen. Ich möchte richtig Griechisch sprechen können. Ich möchte alles archäologische begreifen. Ich möchte wissen, wie ich mich in Situationen richtig verhalte.

Werde ich das alles in 2019 lernen? Nein, sicher nicht. Aber ich kann weiter dazu lernen.

Wie stelle ich mir mein 2019 vor? Es wird sicher nicht so spektakulär wie das letzte Jahr. Ende Februar werde ich leider wieder nach Deutschland zurückkehren und dann im Herbst anfangen zu studieren. Aber wie schon gesagt: Die kleinen Augenblicke sind das, für was es sich zu Leben lohnt und die kann man nicht voraussehen. Aber ich bin mir sicher, dass sie schön werden!

Zwischenseminar

Ich sitze in meinem Büro und warte darauf, dass ich sich die Fotos von DNG zu JPGs umwandeln, damit ich mit meiner Fotoliste zur Inventarisierung weiter machen kann. Mein Block schweift zum Fenster. Der Himmel ist eintönig weiß und eine Taube sitzt auf dem Hausdach gegenüber. Meine Gedanken schweifen ab und breiten wie der Vogel vor dem Fenster ihre Flügel aus und schweben los. Zwei Wochen zurück zum Zwischenseminar.

Mit gemischten Gefühlen habe ich an das Zwischenseminar erwartet. Einerseits habe ich mich gefreut, die anderen Freiwilligen wieder zu treffen, die ich auf dem Vorbereitungsseminar kennen gelernt habe und ein bisschen mehr in Griechenland herumzukommen. Anderseits hatte ich aber keine Lust auf langweilige und anstrengende Workshops. Am Wochenende vorher kamen die anderen Freiwilligen aus Spanienen, Rom und Rhodos zu uns nach Athen. Zusammen oder in kleineren Gruppen sind wir durch die Stadt gezogen. Sonntag sind wir zusammen auf die Akropolis und anschließend ins Akropolismuseum gegangen. Damit war ich dieses Jahr schon 5 mal auf der Akropolis. Abends sind wir zusammen essen gegangen und haben die Tage bei einem Glas Wein ausklingen gelassen.

Am Montag haben wir uns am Syntagmaplatz, wo auch das Paralmentsgebäude steht, getroffen. Von dort sind wir zusammen mit unserem Trainer und einer Kulturweit Mitarbeiterin nach Selianitika gefahren. Das ist ein kleiner Ort am Golf von Korinth also im Norden des Peloponnes. Dort waren wir in einem Gelände mit einem großen Garten und vielen Katzen untergebracht. Am Ende trennt nur eine schmale Straße das Ende des Geländes vom Meer. Leider war es deutlich zu kalt, um schwimmen zu gehen.

Das Seminar war in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eingeteilt. In der ersten Einheit haben wir über unsere Erlebnisse geredet und uns gegenseitig unsere Einsatzstellen vorgestellt. Am Mittwoch sind wir nach Delphie gefahren. Leider machen hier die meisten archäologischen Stätten im Winter schon um 15 Uhr Schluss und deshalb hatten wir ein bisschen Zeitdruck. Letzten Herbst war ich zwar auch schonmal in Delphie, aber es war trotzdem interessant alles wieder zuerkennen und mit einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Dadurch, dass ich viele Museen und archäologische Stätten mit Leuten besichtigt habe, die „wirklich Ahnung haben“, bin ich viel kritischer mit der Ausstellungsweise geworden. Man muss nicht immer alles gut heißen wie es dargestellt wird, denn es ist wichtig im Hinterkopf zu behalten, dass es sich fast immer nur um Theorien handelt. Für die Zukunft haben wir über Projekte geredet, die wir machen sollen und Ideen gesammelt. Ich habe gemerkt, dass ich schon mit meinem begonnen habe. Ich stelle mir nämlich einen persönlichen Reiseführer über Athen zusammen. Zum Schluss haben wir noch Themen, die wir uns zuvor gewünscht hatten, besprochen.

Abends haben wir uns auch mit unserem Trainer zusammen gesetzt und uns gegenseitig Fotos unserer Einsatzstellen gezeigt, gewichtelt, gemeinsam musiziert und gesungen oder einfach nur geredet. Donnerstag war es so stürmisch, dass man auf dem Weg zum Essen, wenn man nicht aufgepasst hat, völlig nass von den Wellen, die sich ander Straße gebrochen haben, geworden ist. Ich habe sehr viel mit den Katzen im Gelände gespielt und war auch froh nocheinmal aus dem Stadttrubel rauszukommen.

Am Freitag sind wir dann zurück gefahren und waren alle zusammen auch mit unserem Trainer nochmal Essen und sind danach in ein paar Bars gegangen. Am folgenden Tag bin ich mit den beiden anderen, die beim DAI sind, in den Kerameikos und in das Nationalmuseum gegangen. Anschließend haben wir uns für einen gemeinsamen Abschied nochmal mit allen in einer Bar getroffen. Nach einer durchfeierten Nacht und nur 2 Stunden Schlaf, habe ich am Sonntag noch beim Jubeläum der PASCH Schulen in Griechenland mitgeholfen. Beim anschließend letzten Essen mit den Freiwilligen, die noch in Athen waren, war ich deshalb nervlich ein bisschen am Ende.

Zusammenfassend fand ich die Woche zusammen mit den beiden Wochenenden echt sehr toll! Es war schön alle wieder zu treffen. Obwohl wir die Freiwilligen, die nicht in Athen sind, ja kaum kennen, ist eine Vertrautheit da, als wäre man schon länger befreundet. Der Austausch von Erfahrungen fand ich persönlich auchs sehr wichtig und spannend. Man hat auf die eigene Situation verschiedene Blickrichtungen kennengelernt. Allein schon anderen meine Stadt zu zeigen macht einem bewusst, was es doch für ein Luxus ist in so einer tollen Stadt leben zu dürfen.

Von Wellen, Mülltonnen voller Katzen und Kouroi

Es ist dunkel und leichter Nieselregen benetzt mein Gesicht. Trotz der Musik, die aus meinen Kopfhörern dröhnt, höre ich das Meer neben mir rauschen. In der Ferne erkenne ich vereinzelte Häuser, Laternen und den kleinen Hafen von Skala. Seine Lichter werden von den Wellen reflektiert und weggetragen. Auf der anderen Seite ist ein Feld und dahinter eine atemberaubende Bergkulisse. Auf dieser Straße ist niemand – nur ich. Langsam beginne ich mich zu drehen und breite die Arme aus. Die Welt um mich herum verschwimmt, wie die Lichtspiegelungen im Meer. Ich lasse die vergangenen Wochen Revue passieren.

Diese und die nächste Woche werde ich in Atalanti arbeiten. Das liegt in  Mittelgriechenland. Währenddessen wohne ich in Skala, einem winzigen Dorf am Meer. Wenn man jetzt im Herbst durch die wenigen Straßen läuft, trifft man auf deutlich mehr streunende Hunde und scheue Katzen auf Menschen. Der Strand an dem sich im Sommer die Touristen tummeln ist verlassen und voller Algen und Müll. Es gibt einige Hunde, die wie blöd hinter jedem Auto her rennen und alles und jeden anbellen. Aber es gibt auch liebe Hunde, die gestreichelt werden möchten. Werde ich beim Heimweg wieder den Hund von gestern treffen? Möchte ich das überhaupt? Ich bin nämlich kein großer Fan von nassen Hunden. Aber ich komme sicher an der „Katzenmülltonne“ vorbei. Das ist ein Container in dem immer Katzen sitzen und nach Essen suchen.

Ich drehe mich immer noch und muss aufpassen, dass ich nicht mit meinem Schwung in den Grasstreifen taumle, obwohl meine Schuhe sowieso schon durchnässt sind. In Atalanti gibt es ein archäologisches Museum in dem ich arbeite. Dort werden einige Funde aus der Grabung vom Heiligtum bei Kalapodi bearbeitet und aufbewahrt. Mit der wissenschaftlichen Hilfskraft inventarisiere ich gerade Funde von 2018 indem wir sie sortieren, in digitalen Dateien vervollständigen und fotografieren. Dabei gibt es wirklich sehr viele interessante Stücke. Mir wurde auch das kleine Museum und die Ausgrabungsstätte ausführlich gezeigt.

Wie man in zahlreichen Medien lesen konnte:

https://www.deutschlandfunk.de/griechenland-bauer-findet-antike-steinstatuen.2850.de.html?drn:news_id=942507
https://rp-online.de/panorama/ausland/atalanti-archaeologen-finden-auf-feld-in-griechenland-weitere-antike-statuen_aid-34269365
https://weather.com/de-DE/wissen/mensch/news/2018-11-04-archaologen-finden-auf-feld-in-griechenland-weitere-antike-statuen

wurden in der Nähe von Atalanti 4 Kouroi (ein Kouros ist eine meist nackte Männerstatue) aus Kalkstein und Gräber gefunden. Ein Olivenbauer wollte ältere Bäume entfernen und ist dabei auf die Statuen gestoßen. Die örtliche griechische Archäologie hat sie weiter ausgegraben. Wir sind zu der Grabung gefahren und haben sie uns angeschaut. Es gab 2 große „Löcher“, die ich auf 4 Meter tief schätzen würde. In dem einen wurden die 4 Kouroi und eine Mauer gefunden. In dem anderen gab es drei große Kalkstein und Ton Sarkophage und mehrere kleine Gräber in Keramikgefäßen. Die Statuen sind doch kleiner, als wir erwartet hatten und liegen einfach vor dem Museum, wo wir sie gut anscheuen konnten. Wir haben auch den prächtigen Schmuck aus den Gräbern bewundern können. In einem Ring steckte noch ein Fingerknochen, was ich sehr gruselig fand. Donnerstag war ich dabei, als einer der Sarkophage ausgeräumt wurde. Die Steinplatte darüber war zerbrochen und auf die darunter begrabene Person gefallen, sodass ihr Kiefer weit aufgebrochen war. In dem Grab waren viele sehr schöne Grabbeilagen, wie Gefäße mit Blumenverzierungen und vielleicht sogar einen Spiegel. Zuerst wird alles so weit frei gelegt, wie es nur geht (auch ganz klischeehaft mit Pinseln), dann muss alles dokumentiert werden, indem die genauen „Standorte“ der Funde im Sarkophag vermessen, fotografiert und gezeichnet werden. Dann werden die Gestände vorsichtig nach und nach ganz befreit und in Tüten mit entsprechenden Kärtchen gepackt. Ohne Frage ist das sehr spannend und wichtig, um alles richtig zu erforschen. Allerdings wurde dieser Mensch dort begraben, um seine Ruhestätte zu haben. Jetzt landen ihre Knochen wahrscheinlich in irgendeinem Depot und bleiben da wahrscheinlich bis sie zerfallen. Ich frage mich, ob es nicht besser wäre, wenn man die Gebeine nicht wieder rückbestatten würde und dem Toten wieder seinen zugedachten Platz gibt. Ich bin mir nicht sicher, ob mir die Vorstellung gefällt, meine Knochen werden in 2500 Jahren wieder ausgegraben und ich lande in irgendwelchen Plastiktüten, in denen mein Körper und mein Kopf auch noch getrennt werden. Oder mein Ring wird mitsamt meinem Fingerknochen ausgestellt…

Ich höre auf mich zu drehen, weil mir völlig schwindelig ist und ich zurück zum Abendessen muss. Außerdem ist es ziemlich kalt geworden. Über die Sachen, die ich noch erlebt habe, werde ich wann anders nachdenken müssen.

 

 

Vielen Dank, dass du bis zum Schluss gelesen hast. Ich würde mich über einen Kommentar freuen, damit ich weiß, ob das hier überhaupt gelesen wird! Bis bald

Abendspaziergang

Es ist bereits reltiv dunkel. Ich stehe am Omonia Platz und überlege – überlege welchen Weg ich gehe. Meine Entscheidung  fällt auf den Unüblicheren, damit ich nicht immer das gleiche sehe. Als erstes bleibe ich am Schaufenster eines Waffenladens stehen. Ich bin ein bisschen enttäuscht, weil mich das meiste nicht interessiert.  Ich vermisse den Schießsport schon sehr, deshalb habe ich den Griechischen Schießsportverband angeschrieben und Kontaktdaten von zwei Vereinen bekommen, die ich noch unbedingt anschreiben muss. Aber im Schaufenster gibt es keine Sportwaffen.

Ich komme am Kotzia Platz vorbei. Er ist schon recht groß und von beleuchteten Häusern umsäumt. Viele Kinder aber auch Jugendliche oder junge Erwachsene treffen sich hier und spielen mit einander. Einige Meter weiter passiere ich den Fleisch und Fischmarkt. Jetzt sind die langen Markthallen leer, dennoch riecht es noch sehr deutlich nach den angebotenen Produkten. Gegenüber ist der Gemüsemarkt auf dem ich gestern eingekauft habe. Ich weiche einer großen Pfütze aus. Sie erinnert mich an den heftigen Regen vor 1 1/2 Wochen, als es vier Tage ohne Pause in Strömen geregnet hat.

Auf der linken Seite steht eine kleine Kapelle aus groben Stein. Sie scheint zwischen den Betonbauten ein bisschen fehl am Platz, strahlt aber gerade deshalb eine gewisse Schönheit aus. Unter dem kleinen Dach vor ihrer Tür schläft ein  Obdachloser. Obdachlose und Bettler gibt es in Athen unglaublich viele. Morgens und abends sind sie in ihre Decken gerollt und schlafen, aber einige liegen auch einfach so auf der Straße. In einigen Situationen hätte ich in Deutschland sicher Hilfe geholt oder wie soll man damit umgehen, wenn jemand mitten ausgebreitet auf dem Bürgersteig liegt und nicht erkennbar ist, ob er überhaupt lebt. Aber wie geht man hier mit diesem Thema um? Wegschauen? Helfen? Ich habe schon mitbekommen, wie Mütter ihre kleinen Kinder zum Betteln losschicken, während sie selber am Handy spielen. Muss man solche Leute gerade deshalb helfen oder unterstützt man dadurch die Ausbeutung der Kinder? Auf jeden Fall ist das kein leichtes Thema.

Auf der rechten Straßenseite sehe ich eine kleine Bäckerei, in der ich schon Brot gekauft habe. Nicht nur obdachlose Menschen gibt es hier reichlich, sondern auch sehr viele herrenlose Tiere. Die meisten Hunde streifen friedlich durch die Straßen und erhoffen sich den einen oder anderen Leckerbissen, doch es ist auch Vorsicht geboten. Ich habe schon von einigen Leuten gehört, dass sie oder andere angefallen wurden. Jetzt sehe ich den Falafelladen in dem ich heute mein Mittagessen gekauft habe. Als ich letztes Jahr hier war, ist er mir aufgefallen. Heute habe ich eine Mexikanische Falafel gegessen, die allerdings so scharf war, dass meine Augen getränt haben, aber es war trotzdem unglaublich lecker. Während an ich an meinem „Stammsupermarkt“ vorbei gehe, kann ich die angestrahlte Akropolis bewundern.

Auf dem vor mir liegendem Monastiraki Platz tümmeln sich viele Menschen. Ich wende mich jedoch nach links, um der Ermou, das ist die Einkaufstraße zwischen Monastiraki und Syntagma, zu folgen. Das erste, was mir auffällt, ist der Autostau, der sich auf der Straße gebildet hat. Aber es gibt auch viele Menschen-Trauben, die mir die Wege versperren. Aber, dass es so voll sein wird, war mir schon vorher klar. Ich mag diesen Trubel um mich herum manchmal schon ganz gerne. Auf der rechten Seite laufe ich an einem Pizza Imbiss vorbei, wo ich gestern ein Stück gekauft habe. Mein Fazit: Für zwischendurch mal ganz in Ordnung, aber es gibt deutlich bessere Pizzen! An zahllosen Läden komme ich vorbei. Ich kann meine Spiegelung in den erleuchteten Schaufenstern erkennen. Wenn ich Einkaufen gehe, sage ich immer Γειά σας (Hallo) und die Verkäufer sprechen mich dann normaler Weise auf Griechisch an. Die meisten sind dann ziemlich verwirrt, dass ich sie dann nicht verstehe, weil sie mich für Griechisch halten. Aber das finde ich eigentlich ganz gut, weil ich dann nicht auffalle. Viele besonders blonde Frauen, die direkt als Ausländer erkannt werden, haben hier es manchmal nicht ganz so leicht und normaler Weise werden auch eher Ausländer als Einheimische beklaut.

Das schützt mich jedoch nicht vor den aufdringlichen Parfumverkäufern, die einem unbedingt eine Probe andrehen wollen von dem – sagen wir oft sehr unansprechenden – Gerüchen andrehen. Generell musste ich hier bisher einige unangenehme Gerüche mehr erdulden. An mehreren Straßenecken spielen Straßenmusiker mehr oder weniger schöne Musik. Ein Mann verkauft an einem mobilen Stand geröstete Maiskolben und Maronen. Gut, dass ich schon gegessen habe, sonst hätte ich mir hier sicher etwas gekauft. Jetzt bin ich am Syntagma Platz angekommen. Tausende Lichter blenden mich grell. In diesem Lichtermeer fahren Skater über den Platz und machen Tricks. An den Seiten des Platzes ist Wasser bunt angesprüht. Vor dieser Kulisse führt ein Mann lautstark einen Videoanruf.

Ich verlasse den Platz und schlagartig wird es windiger. Unzählige Autos fahren an mir vorbei und es ist ungemütlich laut. In den teuren Hotels, an denen ich vorbei laufe, sitzen Leute bei Kerzenschein in Sälen mit Kronleuchtern, während vor ihren Fenstern Obdachlose ihr Nachtlager aufschlagen. Beim Vorbeigehen achte ich auf das numismatische Museum, die Akademia, Universität und die Nationalbibliothek. Im Hintergrund sieht man den angestrahlten Lycabettus Berg, der höher als die Akropolis ist. Ich werde langsam vom Laufen müde. Eine Werbeanzeige mit einem Granatapfel springt mir ins Auge. Heute durfte ich einen aus dem Kerameikos mitnehmen. Ich habe vorher noch nie darüber nachgedacht, wie sie wachsen, bis ich den Baum auf dem archäologischen Gelände gesehen habe. Und zufällig führt an dieser Stelle die Straße rechts hoch auch zum Institut.

Ich biege jedoch erste einige Meter später ab – in „mein“ Exarchia. Auf der rechten Seite liegt ein Cafe mit heißer Schokolade für 1,50€. Jeden Tag nehme ich mir eigentlich vor dort zu bestellen, aber bisher habe ich das irgendwie noch nicht gemacht. Aber jetzt hat es sowieso zu. Auf die runtergelassenen Rollläden einer Buchhandlung ist ein Graffiti gesprayt, was mir ins Auge sticht, obwohl hier ausnahmslos alles vollgesprayt ist. Übrigens hilft es mir total bei Heimweh oder schlechter Laune in einen Buchladen zu gehen. Auch wenn ich das meiste nicht verstehe ist es die Atmosphäre und der Geruch von Büchern, die mich total beruhigt.

An der letzten Kreuzung, die ich überqueren muss, ist eine Fußgängerampel zur falschen Seite gedreht, sodass ich am Anfang immer auf die falsche geguckt habe. Inzwischen laufe ich einfach immer dann über die Straße, wenn ich glaube, dass niemand kommt. Hier halten sich nämlich die wenigsten Fußgänger und Roller an Ampeln und auch viel Autos fahren über rot. Aus den Bars an den Straßenseiten dröhnt Musik und für einen Mittwochabend sitzen viele Leute davor und unterhalten sich. Immer wenn ich an einem Baum vorbei laufe habe ich diesen Geruch in der Nase: den Duft nach Urlaub. Ich habe keine Ahnung, welche Pflanze ich da rieche, aber ich verbinde das total mit Urlauben. Allerdings verfliegt der schnell, als ich zur unserer Haustür komme. Der gegenüberliegende Platz wird nämlich nicht nur als Parkplatz, sondern auch als öffentliche Toilette genutzt. Außerdem riecht es nach Gras, was wahrscheinlich von den Leuten kommt, die vor meiner Haustür sitzen. Zum Glück lassen sie mich ohne Probleme durch und erleichtert lasse ich die Tür hinter mir ins Schloss fallen. Ich bin wieder „Zuhause“.

Erschüttert

Heute möchte ich mal einen etwas anderen Beitrag schreiben, weil ich unbedingt etwas loswerden muss.

Als wir am Sonntagabend von der Metro Station zurück nach Hause gelaufen sind, sind wir an einer Gedenkstelle mit Kerzen und Blumen vorbeigekommen. Ich habe mir keine großen Gedanken darüber gemacht und habe sie mir auch nicht näher angeschaut.

Am Montag haben wir uns auf der Arbeit über einen Vorfall unterhalten, der von lokalen Medien auf diese Weise geschildert wurde: Ein drogenabhängiger Mann wäre in einen Juwelier eingebrochen und habe den Ladeninhaber bedroht. Um diesen zu schützen, hätten das Sicherheitspersonal den Angreifer totgeschlagen.
Wir haben darüber diskutiert, ob es gerechtfertigt ist, einen Menschen zu töten, um einen anderen zu schützen und ob das Totschlagen vielleicht unabsichtlich geschah. Ich bin auf keine abschließende Antwort bei diesen Fragen gekommen, da ich sie sehr schwierig fand. Außerdem musste ich an die Gedenkstelle am Vortag denken.

Heute habe ich jedoch eine völlig andere Version von diesem Vorfall erfahren. Meine Mitbewohnerin hat über den Vorfall etwas gelesen und ist dann zu der Gedenkstelle gegangen und hat sich dort die Sicht, der Menschen dort schildern lassen. Ich habe mir eben ein paar Artikel darüber durchgelesen und versuche jetzt mal die andere Version des Vorfalls zu schildern: Das Opfer soll ein bekannter Queer und LGBTQ+ Aktivist, sowie Drag Performer, der viel über sein Leben als HIV positiver berichtet hat, gewesen sein. Dieser wurde am helllichten Tag auf der offenen Straße verfolgt und soll um nach Schutz zu suchen in das Juwelier Geschäft geflohen sein. Dort wurde er von dem Ladenbesitzer, der als Faschist bekannt sein soll, eingeschlossen. In einem Video auf YouTube sieht man, wie das Opfer erst mit einem Feuerlöscher versucht die Scheibe zu zerbrechen. Er krabbelt, dann zum Fenster und versucht dort die Scheibe zu zerbrechen. Von außen treten 2 Männer aggressiv die Scheibe ein und treten auf den am Boden liegenden Mann ein, dabei soll einer der Täter der Ladenbesitzer sein. Obwohl eine große Gruppe Männer um das Geschehen stehen, greifen zwei Männer erst relativ spät ein. Nach einem cut geht das Video damit weiter, dass die die Polizei vor Ort ist. Als der Mann sich aufrichten will, wird er erneut getreten und beworfen. Er versucht wegzurennen, bricht jedoch unter Tritten zusammen. Noch bevor das Opfer das Krankenhaus errichte, soll es gestorben sein. Laut einem Artikel im Internet sei der Ladenbesitzer überhaupt nur angeklagt worden sein, weil das Video bekannt wurde.

Ein Grund, warum mich dieses Ereignis sehr betroffen macht, ist, dass das ganze nur 400 Meter von unser Wohnung abgelaufen ist. An einem öffentlichem Platz am helllichten Tag! Mir geht es nicht darum, die genaue Wahrheit über die Tat herauszufinden. Diese wird wahrscheinlich zwischen den Versionen liegen. Aber wie kann es sein, dass jemand einfach so quasi vor meiner Haustür tot getreten wird? In einem Viertel, was eigentlich für seine Toleranz bekannt ist. Wieso ist niemand frühzeitig eingeschritten und hat das Opfer beschützt? Eine andere Frage, die ich mir stelle, ist: Wie hätte ich reagier? Wäre ich dazwischen gegangen? Jeder möchte diese Frage wahrscheinlich mit „Ja“ beantworten, aber stimmt es auch? Ich bin mir sicher, dass man bei so einer Brutalität auch abgeschreckt wird. Aber irgendjemand hätte doch einschreiten müssen! Wie fühlt sich jemand, der ohne zu Zögern einen Menschen tot treten kann? Wieso passiert so etwas noch im 21. Jahrhundert? Wieso töten sich Menschen überhaupt gegenseitig? Tausende Fragen gehen mir durch den Kopf und ich finde keine Antwort. Ich bin einfach nur völlig schockiert und erschüttert.

Zum Schluss möchte ich noch einmal klar stellen, dass ich nicht weiß, was an den Versionen dran ist und, dass ich niemanden etwas wegen Gerüchten unterstellen möchte. Ich hoffe, dass ich das auch deutlich gemacht habe. Ich finde es nur sehr extrem, wie sehr die Erzählungen auseinander gehen. Ich will auch nochmal betonen, dass auch wenn es ein Video gibt, dort nicht alles einwandfrei zu erkennen ist und es durch den Schnitt auch verändert worden sei kann.

Das sind die Artikel, die ich gelesen habe. Ob ihr, das Video sehen möchtet müsst ihr selber entscheiden.

Greece: queer activist Zak Kostopoulos lynched to death in Athens

https://www.pinknews.co.uk/2018/09/24/gay-activist-zak-kostopoulos-lynched-to-death-in-greece/

https://www.newsbomb.gr/ellada/news/story/918978/zak-kostopoylos-ponos-odyni-kai-ena-giati-stin-kideia-toy-33xronoy

Richtig angekommen

Jetzt bin ich seit einer Woche in Athen und bin so langsam richtig angekommen. Mittler Weile habe ich mir mein Zimmer so eingerichtet, dass ich mir vorstellen kann, hier ein halbes Jahr zu bleiben.

So langsam brauche ich auch meistens kein Google Maps mehr, um meinen Weg zur Arbeit oder „nach Hause“ zu kommen. Allerdings ist die App schon sehr hilfreich! Gerade, wenn man versucht ohne auszukommen und sich deshalb total verläuft. Aber auch, wenn ich einige Wege jetzt schon zig mal gelaufen bin, entdeckt man immer etwas neues.

Ich arbeite momentan im Kerameikos. Dort haben wir eine Kampagne in der wir die Funde aus verschiedenen Abhüben eines Brunnens bearbeiten. Ich arbeite momentan zum ersten Mal richtig im Leben und deshalb sind die acht Stunden Arbeit jeden Tag schon sehr anstrengend. Mit daran ist jedoch die Sonne schuld, da wir fast immer draußen bei 30° C sind. Es helfen auch zwei Archäologiestudentinnen als Praktikantinnen, die mir netter Weise viel über ihr Studium erzählen. Das Arbeitsklima ist übrigens auch insgesamt sehr freundlich.

Ich unternehme jeden Tag einen kleinen Ausflug. Heute bin ich nach dem Ausschlafen auf den Wochenmarkt hier in Exarchia gegangen, wo man günstig sehr frische Lebensmittel kaufen konnte. Danach bin ich in die Plaka gelaufen und habe mich auf den Areopag gesetzt und von dort die Stadt bestaunt. Im Anschluss war ich mit den beiden Studentinnen bei einer Aufführung der Tragödie Ion von Euripides unter den drei Höhlen an der Akropolis. Sie war auf Griechisch, deshalb habe ich leider nicht alles verstanden und konnte zwischendurch dem Theaterstück nicht folgen. Dennoch war das Stück sehr beeindruckend und spannend. Danach sind wir noch für eine knappe Stunde die Akropolis hoch gestiegen. Ich war zwar letzten Herbst schon dort oben, aber es ist immer wieder atemberaubend. Gerade im warmen Abendlicht sehen die alten Tempel, aber auch das Häusermeer darum herum wunderschön aus.

  • Nächste Woche beginnen wir mit unserem Sprachkurs. Oft verstehe ich schon einige Brocken des Gesprächs, wenn ich es höre, aber leider kann ich kaum etwas selber sagen. Mir hilft mein Graecum aber vor allem beim Lesen viel weiter. Ich habe mir ein paar Comics auf Griechisch gekauft, mit denen ich hoffentlich auch ein bisschen lernen kann. Mir passiert es auch immer öfter, dass ich auf Griechisch angesprochen werde. Das zeigt mir, dass ich nicht immer für eine Touristin gehalten werde. Das freut mich sehr, weil ich dadurch versuche, mich der Kultur richtig anzupassen.

Mit meiner Mitbewohnerin habe ich mich jetzt sogar in einem Fitnessstudio angemeldet, was ich von mir selber echt nicht erwartet hätte. Jetzt heißt es nur: Durchhalten!

Momentan tritt das West-Nil-Fieber in Griechenland auf, was von Mücken übertragen werden kann. Obwohl ich versuche mich vernünftig zu schützen, habe ich unzählige Mückenstiche. Deshalb mache ich mir ein paar Sorgen.

Heute möchte ich auf den Monastiraki-Flohmarkt gehen und danach wollen wir ans Meer fahren.

Zwischen Einbauschränken und Mamorsäulen

Wie ist es in Griechenland? Warm! Tagsüber wird es bisher immer mindestens 30°C und selbst jetzt um halb 11 abends hat es sicher gerade mal auf 24° abgekühlt. Ich bin echt froh, dass ich im Hochsommer nicht hier sein werde, weil man das nicht auszuhalten ist.

Am Samstag sind wir erstmal nach IKEA gefahren, weil unsere Wohnung nicht so gut ausgestattet ist und wir auch noch ein paar Sachen brauchten. Es kommt mir allein schon beim Schreiben echt komisch vor, an seinem ersten Tag nach IKEA zu fahren, was es doch überall gibt. Aber es war schon nötig. Naja, ich werde schon noch aus dieser Gewohnheitenblase rauskommen – hoffe ich zumindest!

Es sind übrigens außer mir noch 5 andere Kulturweit-Freiwillige in Athen. Mit zweien davon wohne ich zusammen hier in Exarchia. Als ich Freitagnacht vollgepackt zu meiner Wohnung geirrt bin, dachte ich nur so „Oh Gott, wo bin ich hier gelandet?“. Die Häuserfassaden sind fast ausnahmslos voll gesprayt, in manchen Ecken riecht es unangenehm und man begegnet vielen Obdachlosen. Ich wusste schon vorher, dass Exarchia ein bisschen anders ist, aber so völlig erschöpft und orientierungslos nach der langen Reise kam es mir schon sehr schlimm vor.
Ich glaube nicht, dass ich nach drei Tagen das Viertel richtig einschätzen kann, aber ich sehe es schon in einem bisschen anderem Licht. Hier gibt es sehr viele niedliche Bücherläden, Tavernen und Imbisse. Wo findet man sonst eine wirklich riesige Folienkartoffel mit verschiedenen Salaten und Soßen für 3€? Außerdem erkennt man immer wieder Gravitties von einem Künstler wieder. Trotzdem würde ich, als Frau, an einigen Orten nachts nicht alleine hergehen.

Sonntag bin ich mit meiner Mitbewohnerin zum Monastiraki Platz gelaufen, um ein bisschen was von der Stadt zu sehen. Wir haben die griechischen Agora von der Straße ausgesehen und haben uns zwischen den Touristen ein bisschen treiben lassen. Völlig ausgehungert haben wir günstige Falafeln gefunden. Dabei sind wir auch an dem Hotel vorbeigekommen in dem ich letzten Herbst während der Studienfahrt übernachtet habe. Alleine bin ich noch ein bisschen durch die Plaka (Altstadtviertel) geschlendert. Dabei habe ich die Akropolis schön sehen können und bin an der römischen Agora und der Hadrians Bibliothek vorbeigekommen.

Heute hatte ich meinen ersten Arbeitstag. Meine Ansprechpartnerin hat mir das neoklassizistische Haus, dass in Heinrich Schliemanns Besitz war, des Deutschen Archäologischen Instituts und stellte mir die anwesenden Mitarbeiter vor. Alle waren ziemlich freundlich, hilfsbereit und haben mir direkt mit Ratschlägen zu unserem Kakerlaken-Problem helfen wollen. Nach einer Einführung zu allgemeinen Dingen durfte ich auch schon Feierabend machen. Ab morgen werde ich in Kerameikos für 1,5 Monate arbeiten. So genau weiß ich noch nicht, was auf mich zukommt, aber ich freue mich schon. Eben habe ich mich schon ein bisschen zu den Ausgrabungen dort eingelesen, um nicht total unvorbereitet zu sein.

Am Nachmittag bin ich zum Syntagma Platz vorbei an der National Bibliothek, der Universität und der Akademia gelaufen. Dort habe ich mir das Grabmal des unbekannten Soldaten am Parlamentsgebäude und den Wachwechsel davor angeschaut. Zurück bin ich durch die Einkaufsstraße zum Monastriaki gelaufen.

Jetzt sollte ich aber mal schnell schlafen gehen, weil ich morgen sehr früh aufstehen muss.