Erschüttert

Heute möchte ich mal einen etwas anderen Beitrag schreiben, weil ich unbedingt etwas loswerden muss.

Als wir am Sonntagabend von der Metro Station zurück nach Hause gelaufen sind, sind wir an einer Gedenkstelle mit Kerzen und Blumen vorbeigekommen. Ich habe mir keine großen Gedanken darüber gemacht und habe sie mir auch nicht näher angeschaut.

Am Montag haben wir uns auf der Arbeit über einen Vorfall unterhalten, der von lokalen Medien auf diese Weise geschildert wurde: Ein drogenabhängiger Mann wäre in einen Juwelier eingebrochen und habe den Ladeninhaber bedroht. Um diesen zu schützen, hätten das Sicherheitspersonal den Angreifer totgeschlagen.
Wir haben darüber diskutiert, ob es gerechtfertigt ist, einen Menschen zu töten, um einen anderen zu schützen und ob das Totschlagen vielleicht unabsichtlich geschah. Ich bin auf keine abschließende Antwort bei diesen Fragen gekommen, da ich sie sehr schwierig fand. Außerdem musste ich an die Gedenkstelle am Vortag denken.

Heute habe ich jedoch eine völlig andere Version von diesem Vorfall erfahren. Meine Mitbewohnerin hat über den Vorfall etwas gelesen und ist dann zu der Gedenkstelle gegangen und hat sich dort die Sicht, der Menschen dort schildern lassen. Ich habe mir eben ein paar Artikel darüber durchgelesen und versuche jetzt mal die andere Version des Vorfalls zu schildern: Das Opfer soll ein bekannter Queer und LGBTQ+ Aktivist, sowie Drag Performer, der viel über sein Leben als HIV positiver berichtet hat, gewesen sein. Dieser wurde am helllichten Tag auf der offenen Straße verfolgt und soll um nach Schutz zu suchen in das Juwelier Geschäft geflohen sein. Dort wurde er von dem Ladenbesitzer, der als Faschist bekannt sein soll, eingeschlossen. In einem Video auf YouTube sieht man, wie das Opfer erst mit einem Feuerlöscher versucht die Scheibe zu zerbrechen. Er krabbelt, dann zum Fenster und versucht dort die Scheibe zu zerbrechen. Von außen treten 2 Männer aggressiv die Scheibe ein und treten auf den am Boden liegenden Mann ein, dabei soll einer der Täter der Ladenbesitzer sein. Obwohl eine große Gruppe Männer um das Geschehen stehen, greifen zwei Männer erst relativ spät ein. Nach einem cut geht das Video damit weiter, dass die die Polizei vor Ort ist. Als der Mann sich aufrichten will, wird er erneut getreten und beworfen. Er versucht wegzurennen, bricht jedoch unter Tritten zusammen. Noch bevor das Opfer das Krankenhaus errichte, soll es gestorben sein. Laut einem Artikel im Internet sei der Ladenbesitzer überhaupt nur angeklagt worden sein, weil das Video bekannt wurde.

Ein Grund, warum mich dieses Ereignis sehr betroffen macht, ist, dass das ganze nur 400 Meter von unser Wohnung abgelaufen ist. An einem öffentlichem Platz am helllichten Tag! Mir geht es nicht darum, die genaue Wahrheit über die Tat herauszufinden. Diese wird wahrscheinlich zwischen den Versionen liegen. Aber wie kann es sein, dass jemand einfach so quasi vor meiner Haustür tot getreten wird? In einem Viertel, was eigentlich für seine Toleranz bekannt ist. Wieso ist niemand frühzeitig eingeschritten und hat das Opfer beschützt? Eine andere Frage, die ich mir stelle, ist: Wie hätte ich reagier? Wäre ich dazwischen gegangen? Jeder möchte diese Frage wahrscheinlich mit „Ja“ beantworten, aber stimmt es auch? Ich bin mir sicher, dass man bei so einer Brutalität auch abgeschreckt wird. Aber irgendjemand hätte doch einschreiten müssen! Wie fühlt sich jemand, der ohne zu Zögern einen Menschen tot treten kann? Wieso passiert so etwas noch im 21. Jahrhundert? Wieso töten sich Menschen überhaupt gegenseitig? Tausende Fragen gehen mir durch den Kopf und ich finde keine Antwort. Ich bin einfach nur völlig schockiert und erschüttert.

Zum Schluss möchte ich noch einmal klar stellen, dass ich nicht weiß, was an den Versionen dran ist und, dass ich niemanden etwas wegen Gerüchten unterstellen möchte. Ich hoffe, dass ich das auch deutlich gemacht habe. Ich finde es nur sehr extrem, wie sehr die Erzählungen auseinander gehen. Ich will auch nochmal betonen, dass auch wenn es ein Video gibt, dort nicht alles einwandfrei zu erkennen ist und es durch den Schnitt auch verändert worden sei kann.

Das sind die Artikel, die ich gelesen habe. Ob ihr, das Video sehen möchtet müsst ihr selber entscheiden.

Greece: queer activist Zak Kostopoulos lynched to death in Athens

https://www.pinknews.co.uk/2018/09/24/gay-activist-zak-kostopoulos-lynched-to-death-in-greece/

https://www.newsbomb.gr/ellada/news/story/918978/zak-kostopoylos-ponos-odyni-kai-ena-giati-stin-kideia-toy-33xronoy

Richtig angekommen

Jetzt bin ich seit einer Woche in Athen und bin so langsam richtig angekommen. Mittler Weile habe ich mir mein Zimmer so eingerichtet, dass ich mir vorstellen kann, hier ein halbes Jahr zu bleiben.

So langsam brauche ich auch meistens kein Google Maps mehr, um meinen Weg zur Arbeit oder „nach Hause“ zu kommen. Allerdings ist die App schon sehr hilfreich! Gerade, wenn man versucht ohne auszukommen und sich deshalb total verläuft. Aber auch, wenn ich einige Wege jetzt schon zig mal gelaufen bin, entdeckt man immer etwas neues.

Ich arbeite momentan im Kerameikos. Dort haben wir eine Kampagne in der wir die Funde aus verschiedenen Abhüben eines Brunnens bearbeiten. Ich arbeite momentan zum ersten Mal richtig im Leben und deshalb sind die acht Stunden Arbeit jeden Tag schon sehr anstrengend. Mit daran ist jedoch die Sonne schuld, da wir fast immer draußen bei 30° C sind. Es helfen auch zwei Archäologiestudentinnen als Praktikantinnen, die mir netter Weise viel über ihr Studium erzählen. Das Arbeitsklima ist übrigens auch insgesamt sehr freundlich.

Ich unternehme jeden Tag einen kleinen Ausflug. Heute bin ich nach dem Ausschlafen auf den Wochenmarkt hier in Exarchia gegangen, wo man günstig sehr frische Lebensmittel kaufen konnte. Danach bin ich in die Plaka gelaufen und habe mich auf den Areopag gesetzt und von dort die Stadt bestaunt. Im Anschluss war ich mit den beiden Studentinnen bei einer Aufführung der Tragödie Ion von Euripides unter den drei Höhlen an der Akropolis. Sie war auf Griechisch, deshalb habe ich leider nicht alles verstanden und konnte zwischendurch dem Theaterstück nicht folgen. Dennoch war das Stück sehr beeindruckend und spannend. Danach sind wir noch für eine knappe Stunde die Akropolis hoch gestiegen. Ich war zwar letzten Herbst schon dort oben, aber es ist immer wieder atemberaubend. Gerade im warmen Abendlicht sehen die alten Tempel, aber auch das Häusermeer darum herum wunderschön aus.

  • Nächste Woche beginnen wir mit unserem Sprachkurs. Oft verstehe ich schon einige Brocken des Gesprächs, wenn ich es höre, aber leider kann ich kaum etwas selber sagen. Mir hilft mein Graecum aber vor allem beim Lesen viel weiter. Ich habe mir ein paar Comics auf Griechisch gekauft, mit denen ich hoffentlich auch ein bisschen lernen kann. Mir passiert es auch immer öfter, dass ich auf Griechisch angesprochen werde. Das zeigt mir, dass ich nicht immer für eine Touristin gehalten werde. Das freut mich sehr, weil ich dadurch versuche, mich der Kultur richtig anzupassen.

Mit meiner Mitbewohnerin habe ich mich jetzt sogar in einem Fitnessstudio angemeldet, was ich von mir selber echt nicht erwartet hätte. Jetzt heißt es nur: Durchhalten!

Momentan tritt das West-Nil-Fieber in Griechenland auf, was von Mücken übertragen werden kann. Obwohl ich versuche mich vernünftig zu schützen, habe ich unzählige Mückenstiche. Deshalb mache ich mir ein paar Sorgen.

Heute möchte ich auf den Monastiraki-Flohmarkt gehen und danach wollen wir ans Meer fahren.

Zwischen Einbauschränken und Mamorsäulen

Wie ist es in Griechenland? Warm! Tagsüber wird es bisher immer mindestens 30°C und selbst jetzt um halb 11 abends hat es sicher gerade mal auf 24° abgekühlt. Ich bin echt froh, dass ich im Hochsommer nicht hier sein werde, weil man das nicht auszuhalten ist.

Am Samstag sind wir erstmal nach IKEA gefahren, weil unsere Wohnung nicht so gut ausgestattet ist und wir auch noch ein paar Sachen brauchten. Es kommt mir allein schon beim Schreiben echt komisch vor, an seinem ersten Tag nach IKEA zu fahren, was es doch überall gibt. Aber es war schon nötig. Naja, ich werde schon noch aus dieser Gewohnheitenblase rauskommen – hoffe ich zumindest!

Es sind übrigens außer mir noch 5 andere Kulturweit-Freiwillige in Athen. Mit zweien davon wohne ich zusammen hier in Exarchia. Als ich Freitagnacht vollgepackt zu meiner Wohnung geirrt bin, dachte ich nur so „Oh Gott, wo bin ich hier gelandet?“. Die Häuserfassaden sind fast ausnahmslos voll gesprayt, in manchen Ecken riecht es unangenehm und man begegnet vielen Obdachlosen. Ich wusste schon vorher, dass Exarchia ein bisschen anders ist, aber so völlig erschöpft und orientierungslos nach der langen Reise kam es mir schon sehr schlimm vor.
Ich glaube nicht, dass ich nach drei Tagen das Viertel richtig einschätzen kann, aber ich sehe es schon in einem bisschen anderem Licht. Hier gibt es sehr viele niedliche Bücherläden, Tavernen und Imbisse. Wo findet man sonst eine wirklich riesige Folienkartoffel mit verschiedenen Salaten und Soßen für 3€? Außerdem erkennt man immer wieder Gravitties von einem Künstler wieder. Trotzdem würde ich, als Frau, an einigen Orten nachts nicht alleine hergehen.

Sonntag bin ich mit meiner Mitbewohnerin zum Monastiraki Platz gelaufen, um ein bisschen was von der Stadt zu sehen. Wir haben die griechischen Agora von der Straße ausgesehen und haben uns zwischen den Touristen ein bisschen treiben lassen. Völlig ausgehungert haben wir günstige Falafeln gefunden. Dabei sind wir auch an dem Hotel vorbeigekommen in dem ich letzten Herbst während der Studienfahrt übernachtet habe. Alleine bin ich noch ein bisschen durch die Plaka (Altstadtviertel) geschlendert. Dabei habe ich die Akropolis schön sehen können und bin an der römischen Agora und der Hadrians Bibliothek vorbeigekommen.

Heute hatte ich meinen ersten Arbeitstag. Meine Ansprechpartnerin hat mir das neoklassizistische Haus, dass in Heinrich Schliemanns Besitz war, des Deutschen Archäologischen Instituts und stellte mir die anwesenden Mitarbeiter vor. Alle waren ziemlich freundlich, hilfsbereit und haben mir direkt mit Ratschlägen zu unserem Kakerlaken-Problem helfen wollen. Nach einer Einführung zu allgemeinen Dingen durfte ich auch schon Feierabend machen. Ab morgen werde ich in Kerameikos für 1,5 Monate arbeiten. So genau weiß ich noch nicht, was auf mich zukommt, aber ich freue mich schon. Eben habe ich mich schon ein bisschen zu den Ausgrabungen dort eingelesen, um nicht total unvorbereitet zu sein.

Am Nachmittag bin ich zum Syntagma Platz vorbei an der National Bibliothek, der Universität und der Akademia gelaufen. Dort habe ich mir das Grabmal des unbekannten Soldaten am Parlamentsgebäude und den Wachwechsel davor angeschaut. Zurück bin ich durch die Einkaufsstraße zum Monastriaki gelaufen.

Jetzt sollte ich aber mal schnell schlafen gehen, weil ich morgen sehr früh aufstehen muss.

Vorbereitungsseminar

Die ersten 10 Tage des Freiwilligendienst bestanden aus dem Vorbereitungsseminar am Werbellinsee (ca. 60 km nördlich von Berlin). An diesem haben alle 330 Freiwillige, die jetzt für 6 oder 12 Monate ins Ausland gehen, und ein paar „In-Comerinnen“, die für 3 Monate in Deutschland sind, teilgenommen. Das Seminar bestand aus Homezones, Workshops, Infoveranstaltungen und den Partnertagen.

Die Homezones waren Kleingruppen, die nach den Einsatzländern geordnet waren. Beim Zwischenseminar werden wir (fast) alle aus dieser Gruppe wiedersehen. In meine Homezone waren Spanien, Italien, Mazedonien und Griechenland eingeteilt. Wir haben uns echt alle gut verstanden, worüber ich sehr froh bin! In der Zone haben wir verschiedenen Thematiken bearbeitet.

Die Workshops konnte man wählen und diese wurden dann zugeteilt. Es gab immer eine sehr große Bandbreite an Themen. Am Dienstag sind wir nach Berlin gefahren, um dort verschiedene Stadtführungen zu haben. Ich hätte die Beschreibung meines Projekts jedoch lieber vernünftig lesen sollen, denn ich war im einzigen Workshop, der keine Stadtführung war. Stattdessen saßen wir nur in einem kleinen, dunklen und stickigen Theater in Neukölln. Danach hatten wir noch einen Termin bei Politikern, der aber schon sehr interessant war.

Für uns drei Freiwillige, die im Deutschen Archäologischen Institut arbeiten werden, ist der erste Partnernachmittag ausgefallen und deshalb sind wir nach Berlin ins Pergamonmuseum gefahren, was echt sehr beeindruckend war.

Am Donnerstag ging es dann für uns drei wieder nach Berlin zur Zentrale des DAI. Dort haben wir erst einiges Allgemeines erfahren, bevor wir das ganze Institut gezeigt bekommen haben. Ich fand sowohl das Gebäude als auch den persönlichen und freundlichen Umgang sehr schön! Danach haben wurde uns noch die die wissenschaftlichen Labore gezeigt in denen Tier- und Menschenknochen und Botanik untersucht werden. Dieser Tag war mein absolutes Highlight!

Man hat auch sehr viele Leute kennen gelernt, wodurch sicher einige Freundschaften entstehen werden. Mir hat es auch sehr gefallen, dass die meisten sehr offen sind. Durch die viele gemeinsame Zeit hat man auch vergessen, dass man sich erst seit ein paar Tagen kennt.

Fazit: Ich fand das Seminar deutlich besser als erwartet, weil die Themen doch viel tiefgründiger waren und man noch einiges gelernt hat. Außerdem lernt man sehr viele neue Menschen kennen. Allerdings kann man auch nicht leugnen, dass es sehr anstrengend war