Zurückgekommen

Jetzt bin ich schon lange wieder in Deutschland. Am 20.02. bin ich zurückgeflogen und hatte dann noch 5 Tage Nachbereitungseminar. Eigentlich wollte ich schon lange wieder schreiben, aber irgendwie hat mir der Elan dazu gefehlt.

„Wie war es denn?“ „Hat es dir gefallen?“ „Was hast du da eigentlich gemacht“

Fragen die mir oft gestellt wurden. Fragen die auch gerecht fertigt sind. Fragen die aber auch nerven und die ich müde bin zu beantworten. Ich habe das Gefühl, dass die meisten nicht wirklich verstehen, wie es ist weggewesen zu sein. Natürlich waren auch einige weg, aber ich glaube, dass das für jeden anders ist. Trotzdem kann wohl kaum jemand 100%ig nachvollziehen, wie es war. Muss aber auch niemand. Es ist schließlich meine Erfahrung. Ich merke sogar immer wieder, dass ich selber gar keine Ahnung habe, was viele meiner Freunde machen oder was sie beschäftigt, was ich sehr schade finde. Nach dem Abitur ist man sowieso schon in einer Phase, wo sich jeder orientiert und wo auch viele Freundschaften auseinander gehen. Für mich ist es aber schwer herauszufinden, hatten wir nichts zu tun, weil ich weg war oder weil es jetzt so ist? Ich bereue, dass ich nicht noch mehr Kontakte gehalten habe.

Schon am Beginn des Freiwilligendienst war es mir bewusst, dass ich irgendwann das letzte Mal für lange Zeit durch die vertrauten Straßen gehen werde und meine vertrauten Plätze aufsuchen werde. Und irgendwann musste ich diesen Gang auch machen. Noch einmal alles genau ansehen, in sich aufsaugen und genießen und in sich fühlen. Gerade spaziere ich in meinen Gedanken nochmal diesen letzten Rundgang. Ich habe jedes Haus, jede Gasse, jeden Geruch klar vor meinem inneren Auge aber gleichzeitig verschwimmt es wieder. Natürlich weiß ich, dass ich wieder kehren werde. Aber ich weiß, dass diese Situation – dieses Lebensgefühl nie wieder kommen wird. Dieses unbeschwerte Leben, das ich selber so gestalten kann wie ich es will ohne auf jemanden Rücksicht zu nehmen.

Aber wie ist es zurück zukehren? In Athen habe ich immer gesagt, ich freue mich auf meinen Freund, meine Katze und mein Gewehr am meisten. Erstmal ist es wunderschön wieder im eigenem weichen Bett zu schlafen. Meine Katze hat mich erst nicht wieder erkannt und dann ignoriert. Mittlerweile verstehen wir uns aber wieder ganz gut. Wir haben unser Kaninchen, die übrigens schon 2016 von meiner Schwester „Athene“ getauft wurde, begraben. Jetzt sitze ich hier ohne Athene nicht in Athen. Ganz schöne dumme Ironie. Ich hab auch schon ein paar Wettkämpfe geschossen und eine Meisterschaft verkackt. Ich habe irgendwie damit gerechnet, dass ich bei mindesten dem Level einsteige, mit dem ich gegangen bin. Ich muss aber einsehen, dass man bei einem halben Jahr ohne Training schon aus der Übung kommt. Ich weiß auch gar nicht, wie das mit dem Schießen weiterlaufen soll, wenn ich aus Paderborn für das Studium weggehe. Aber das ist gerade im Moment ja ziemlich egal. Ich habe viele Freunde wiedergetroffen, was echt schön war. Ich habe gar nicht gemerkt, wie sehr viele mir gefehlt haben.

In dem halben Jahr hat sich so viel geändert, dass ich dachte hier hat sich auch viel geändert. Es ist aber ein bisschen so, als wäre die Zeit stehen geblieben. Fast alles ist genau gleich. Die gleichen verrosteten Zahnräder greifen in einander und drehen sich träge weiter. Auf viele Dinge habe ich einen anderen Blick bekommen. Manches kommt mir so unwichtig oder lächerlich vor, was vorher für mich einen großen Wert hatte.

Auch die Möglichkeiten hier sind ganz anders. In Athen war zum Ende immer am Rand der Erschöpfung, weil ich so viel wie möglich sehen und erleben wollte, ohne etwas zu verpassen. Ich wollte überall nochmal essen, die letzten Museen machen und neue Wege entdecken. Und was kann ich hier machen? Es regnet die meiste Zeit, ist kalt und grau. Ich habe mir für zu Hause so viel vorgenommen und hab jetzt auf nichts davon Lust. Ich war zwar schon einmal im Museum in der Kaiserpfalz und das war auch interessant, aber es ist im Vergleich zu vielen Museen in Athen doch sehr langweilig. Ich weiß nicht, was ich hier gerne esse. In Athen habe ich viele Produkte sehr verpasst, aber jetzt verpasse ich das Essen aus Athen noch viel mehr. Ich traue mich nicht hier Griechisch essen zu gehen, weil ich damit rechne, dass schon die Konserven Gigantes (Riesen Bohnen) aus Athen 1000 mal besser als alles hier schmecken. In Athen wüsste ich rund um die Uhr, wo ich lecker und günstig essen kann, während hier sogar MCs um 2 Uhr nachts zu hat.

Apropos Essen ich habe heute Nacht geträumt, ich wäre mit meiner Oma in Athen und würde ihr erklären, wo man Pita essen kann und wieviel das kostet. Ich träume fast jede Nacht von Athen. Meistens bin ich da, kurz bevor ich zurück muss. Ich habe im Traum Angst vor der Heimkehr und bin froh, noch eine oder zwei Wochen dort zu verbringen und dann wache ich auf und bin schon wieder zurück. Ich träume auch oft von allen meinen Katzen dort mit denen ich mich angefreundet habe. Von vielen habe ich mich nicht richtig verabschiedet. Athen werde ich wiedersehen, aber sie? Ja gut, es sind nur Katzen, die mich wahrscheinlich sowieso schon vergessen haben, aber ich vermisse sie trotzdem! Ich träume auch ab und zu von meinem Mitbewohnern oder den anderen Freiwilligen dort oder von der Arbeit.

Ich weiß, dass ich das jetzt alles hinter mir lassen muss, mich darüber freuen soll, dass ich das erleben durfte und den Abschied nicht so dramatisieren sollte, aber das versuche ich ja auch. Oft denke ich, wenn ich jetzt in Athen wäre, wäre alles viel einfacher, alle meine Probleme wären gelöst. Aber ich muss einsehen, dass ich meine Situation so hinnehmen muss, wie sie ist.

Von Wellen, Mülltonnen voller Katzen und Kouroi

Es ist dunkel und leichter Nieselregen benetzt mein Gesicht. Trotz der Musik, die aus meinen Kopfhörern dröhnt, höre ich das Meer neben mir rauschen. In der Ferne erkenne ich vereinzelte Häuser, Laternen und den kleinen Hafen von Skala. Seine Lichter werden von den Wellen reflektiert und weggetragen. Auf der anderen Seite ist ein Feld und dahinter eine atemberaubende Bergkulisse. Auf dieser Straße ist niemand – nur ich. Langsam beginne ich mich zu drehen und breite die Arme aus. Die Welt um mich herum verschwimmt, wie die Lichtspiegelungen im Meer. Ich lasse die vergangenen Wochen Revue passieren.

Diese und die nächste Woche werde ich in Atalanti arbeiten. Das liegt in  Mittelgriechenland. Währenddessen wohne ich in Skala, einem winzigen Dorf am Meer. Wenn man jetzt im Herbst durch die wenigen Straßen läuft, trifft man auf deutlich mehr streunende Hunde und scheue Katzen auf Menschen. Der Strand an dem sich im Sommer die Touristen tummeln ist verlassen und voller Algen und Müll. Es gibt einige Hunde, die wie blöd hinter jedem Auto her rennen und alles und jeden anbellen. Aber es gibt auch liebe Hunde, die gestreichelt werden möchten. Werde ich beim Heimweg wieder den Hund von gestern treffen? Möchte ich das überhaupt? Ich bin nämlich kein großer Fan von nassen Hunden. Aber ich komme sicher an der „Katzenmülltonne“ vorbei. Das ist ein Container in dem immer Katzen sitzen und nach Essen suchen.

Ich drehe mich immer noch und muss aufpassen, dass ich nicht mit meinem Schwung in den Grasstreifen taumle, obwohl meine Schuhe sowieso schon durchnässt sind. In Atalanti gibt es ein archäologisches Museum in dem ich arbeite. Dort werden einige Funde aus der Grabung vom Heiligtum bei Kalapodi bearbeitet und aufbewahrt. Mit der wissenschaftlichen Hilfskraft inventarisiere ich gerade Funde von 2018 indem wir sie sortieren, in digitalen Dateien vervollständigen und fotografieren. Dabei gibt es wirklich sehr viele interessante Stücke. Mir wurde auch das kleine Museum und die Ausgrabungsstätte ausführlich gezeigt.

Wie man in zahlreichen Medien lesen konnte:

https://www.deutschlandfunk.de/griechenland-bauer-findet-antike-steinstatuen.2850.de.html?drn:news_id=942507
https://rp-online.de/panorama/ausland/atalanti-archaeologen-finden-auf-feld-in-griechenland-weitere-antike-statuen_aid-34269365
https://weather.com/de-DE/wissen/mensch/news/2018-11-04-archaologen-finden-auf-feld-in-griechenland-weitere-antike-statuen

wurden in der Nähe von Atalanti 4 Kouroi (ein Kouros ist eine meist nackte Männerstatue) aus Kalkstein und Gräber gefunden. Ein Olivenbauer wollte ältere Bäume entfernen und ist dabei auf die Statuen gestoßen. Die örtliche griechische Archäologie hat sie weiter ausgegraben. Wir sind zu der Grabung gefahren und haben sie uns angeschaut. Es gab 2 große „Löcher“, die ich auf 4 Meter tief schätzen würde. In dem einen wurden die 4 Kouroi und eine Mauer gefunden. In dem anderen gab es drei große Kalkstein und Ton Sarkophage und mehrere kleine Gräber in Keramikgefäßen. Die Statuen sind doch kleiner, als wir erwartet hatten und liegen einfach vor dem Museum, wo wir sie gut anscheuen konnten. Wir haben auch den prächtigen Schmuck aus den Gräbern bewundern können. In einem Ring steckte noch ein Fingerknochen, was ich sehr gruselig fand. Donnerstag war ich dabei, als einer der Sarkophage ausgeräumt wurde. Die Steinplatte darüber war zerbrochen und auf die darunter begrabene Person gefallen, sodass ihr Kiefer weit aufgebrochen war. In dem Grab waren viele sehr schöne Grabbeilagen, wie Gefäße mit Blumenverzierungen und vielleicht sogar einen Spiegel. Zuerst wird alles so weit frei gelegt, wie es nur geht (auch ganz klischeehaft mit Pinseln), dann muss alles dokumentiert werden, indem die genauen „Standorte“ der Funde im Sarkophag vermessen, fotografiert und gezeichnet werden. Dann werden die Gestände vorsichtig nach und nach ganz befreit und in Tüten mit entsprechenden Kärtchen gepackt. Ohne Frage ist das sehr spannend und wichtig, um alles richtig zu erforschen. Allerdings wurde dieser Mensch dort begraben, um seine Ruhestätte zu haben. Jetzt landen ihre Knochen wahrscheinlich in irgendeinem Depot und bleiben da wahrscheinlich bis sie zerfallen. Ich frage mich, ob es nicht besser wäre, wenn man die Gebeine nicht wieder rückbestatten würde und dem Toten wieder seinen zugedachten Platz gibt. Ich bin mir nicht sicher, ob mir die Vorstellung gefällt, meine Knochen werden in 2500 Jahren wieder ausgegraben und ich lande in irgendwelchen Plastiktüten, in denen mein Körper und mein Kopf auch noch getrennt werden. Oder mein Ring wird mitsamt meinem Fingerknochen ausgestellt…

Ich höre auf mich zu drehen, weil mir völlig schwindelig ist und ich zurück zum Abendessen muss. Außerdem ist es ziemlich kalt geworden. Über die Sachen, die ich noch erlebt habe, werde ich wann anders nachdenken müssen.

 

 

Vielen Dank, dass du bis zum Schluss gelesen hast. Ich würde mich über einen Kommentar freuen, damit ich weiß, ob das hier überhaupt gelesen wird! Bis bald

Zwischen Einbauschränken und Mamorsäulen

Wie ist es in Griechenland? Warm! Tagsüber wird es bisher immer mindestens 30°C und selbst jetzt um halb 11 abends hat es sicher gerade mal auf 24° abgekühlt. Ich bin echt froh, dass ich im Hochsommer nicht hier sein werde, weil man das nicht auszuhalten ist.

Am Samstag sind wir erstmal nach IKEA gefahren, weil unsere Wohnung nicht so gut ausgestattet ist und wir auch noch ein paar Sachen brauchten. Es kommt mir allein schon beim Schreiben echt komisch vor, an seinem ersten Tag nach IKEA zu fahren, was es doch überall gibt. Aber es war schon nötig. Naja, ich werde schon noch aus dieser Gewohnheitenblase rauskommen – hoffe ich zumindest!

Es sind übrigens außer mir noch 5 andere Kulturweit-Freiwillige in Athen. Mit zweien davon wohne ich zusammen hier in Exarchia. Als ich Freitagnacht vollgepackt zu meiner Wohnung geirrt bin, dachte ich nur so „Oh Gott, wo bin ich hier gelandet?“. Die Häuserfassaden sind fast ausnahmslos voll gesprayt, in manchen Ecken riecht es unangenehm und man begegnet vielen Obdachlosen. Ich wusste schon vorher, dass Exarchia ein bisschen anders ist, aber so völlig erschöpft und orientierungslos nach der langen Reise kam es mir schon sehr schlimm vor.
Ich glaube nicht, dass ich nach drei Tagen das Viertel richtig einschätzen kann, aber ich sehe es schon in einem bisschen anderem Licht. Hier gibt es sehr viele niedliche Bücherläden, Tavernen und Imbisse. Wo findet man sonst eine wirklich riesige Folienkartoffel mit verschiedenen Salaten und Soßen für 3€? Außerdem erkennt man immer wieder Gravitties von einem Künstler wieder. Trotzdem würde ich, als Frau, an einigen Orten nachts nicht alleine hergehen.

Sonntag bin ich mit meiner Mitbewohnerin zum Monastiraki Platz gelaufen, um ein bisschen was von der Stadt zu sehen. Wir haben die griechischen Agora von der Straße ausgesehen und haben uns zwischen den Touristen ein bisschen treiben lassen. Völlig ausgehungert haben wir günstige Falafeln gefunden. Dabei sind wir auch an dem Hotel vorbeigekommen in dem ich letzten Herbst während der Studienfahrt übernachtet habe. Alleine bin ich noch ein bisschen durch die Plaka (Altstadtviertel) geschlendert. Dabei habe ich die Akropolis schön sehen können und bin an der römischen Agora und der Hadrians Bibliothek vorbeigekommen.

Heute hatte ich meinen ersten Arbeitstag. Meine Ansprechpartnerin hat mir das neoklassizistische Haus, dass in Heinrich Schliemanns Besitz war, des Deutschen Archäologischen Instituts und stellte mir die anwesenden Mitarbeiter vor. Alle waren ziemlich freundlich, hilfsbereit und haben mir direkt mit Ratschlägen zu unserem Kakerlaken-Problem helfen wollen. Nach einer Einführung zu allgemeinen Dingen durfte ich auch schon Feierabend machen. Ab morgen werde ich in Kerameikos für 1,5 Monate arbeiten. So genau weiß ich noch nicht, was auf mich zukommt, aber ich freue mich schon. Eben habe ich mich schon ein bisschen zu den Ausgrabungen dort eingelesen, um nicht total unvorbereitet zu sein.

Am Nachmittag bin ich zum Syntagma Platz vorbei an der National Bibliothek, der Universität und der Akademia gelaufen. Dort habe ich mir das Grabmal des unbekannten Soldaten am Parlamentsgebäude und den Wachwechsel davor angeschaut. Zurück bin ich durch die Einkaufsstraße zum Monastriaki gelaufen.

Jetzt sollte ich aber mal schnell schlafen gehen, weil ich morgen sehr früh aufstehen muss.

Herzlich Willkommen

Schön, dass du meinen Blog ließt! Ehrlich gesagt, habe ich keine richtige Ahnung, wie man einen Blog schreibt, aber ich werde es einfach versuchen.

Der Titel dieses Blog „Die Geschichte endet nicht mit uns“ ist ein Zitat, das Sokrates zugeordnet wurde. Ich fand es passend, da die Geschichte Athens nicht mit dem Tod dieses Philosophen endete, sondern immer weiter läuft, sodass ich jetzt auch für ein halbes Jahr diese Stadt erleben darf. Und es werden sicherlich auch in 2400 Jahren andere Menschen nach Athen reisen.

Ich werde im Deutschen Archäologischen Institut Athen arbeiten und freue mich darauf sehr. Seit der 7. Klasse möchte ich Archäologe werden und möchte durch den Freiwilligendienst entscheiden, ob ich Archäologie wirklich studieren soll.

Ich habe letzten Herbst auf einer Studienfahrt Athen kennen und lieben gelernt und habe mich deshalb besonders über meine Zuteilung gefreut.

Einerseits freue ich mich total auf dieses einmalige Erlebnis, darauf eine andere Kultur und Menschen kennen zu lernen, selbstständig zu werden und meine eigenen Entscheidungen zu fällen. Anderseits habe ich auch ein bisschen Angst, auf mich alleine gestellt zu sein. Immer steht die Frage im Raum, wenn ich mich mit Freunden treffe „Sehen wir uns nochmal bevor ich dann so lange weg bin?“. Es ist auch ein ziemlich schade so viele Einladungen und Veranstaltungen zu verpassen. 

Ich hoffe, dass ich diesen Blog regelmäßig führe und von interessanten Dingen berichten kann.