καλή χρόνια in Athen

Ich wünsche euch allen frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr (καλή χρόνια)!

Dieses Jahr bin ich Weihnachten in Athen geblieben und habe zum ersten mal ohne meine Familie gefeiert. Dafür ist aber mein Freund zu mir gekommen. Zwischen den Jahren sind wir zusammen nach Nafplio, eine der schönsten Städten in Griechenland, gefahren.

Am Heiligabend ist es in Griechenland üblich feiern zu gehen und Weihnachten wird zusammen mit der Familie und Freunden nur am 25. und 26. gefeiert. Wir sind trotzdem am 24. in die deutsch evangelische Kirche gegangen, die ganz in der Nähe von uns ist und mit deren Freiwilligen wir uns schon ein paar mal getroffen haben. Der Gottesdienst war wirklich sehr schön und auch eine Abwechslung zu der katholischen Christmette in die ich sonst gehe. Anschließend haben wir zusammen gekocht und Geschenke unter dem provisorischen Weihnachtsbaum, der eigentlich ein geschmückter Weihnachtsstern ist, ausgepackt.

An Silvester werden in Griechenland traditionell die Geschenke ausgetauscht und es wird eher mit der Familie gefeiert. Außerdem sind private Feuerwerke und Böller verboten. Selbst Wunderkerzen haben wir nirgendwo gefunden. Allerdings finde ich das gar nicht mal so verkehrt. Natürlich ist ein Feuerwerk schön und Böllern macht Spaß, aber einerseits gibt man nicht unnötig viel Geld aus und anderseits hat Athen schon so ein Problem mit Feinstaub. Allerdings gab es ein Feuerwerk über der Akropolis. Dazu sind wir auf den Areopag, meinen Lieblingsplatz, gestiegen und konnten von dort über die ganze Stadt blicken. Allerdings war es sehr windig und regnerisch, weshalb wir danach direkt wieder klitschnass nach Hause gegangen sind.

Jetzt ist 2018 zu Ende und 2019 beginnt. Dieses Jahr habe ich mir keine Vorsätze ausgedacht, die sowieso wieder in den Wind geschlagen werden. Stattdessen habe ich ein bisschen über 2018 nachgedacht. Für mich ist in diesem Jahr viel passiert. Um ein Jahr Revue passieren zu lassen finde ich es hilfreich Bildergalerien zu durchblättern, Storys aus verschiedenen sozialen Netzwerken zu durchblättern oder alte Playlist sich anzuhören.

Mein 2018 hat mit einer Silvesterparty bei einer Kompanie meines Schützenvereins begonnen. Wenn ich an den Abend denke, muss ich unwillkürlich lächeln. Dann habe ich im Januar meine Brille ausgesucht, die ich momentan aber so gut wie gar nicht mehr trage. Ich blättere durch meine Galerie und finde Bilder von Partys und Abende, wo ich erst überlegen muss, wo das war, aber plötzlich schießen mir 1000de kleine Geschichten dazu durch den Kopf. Ob es ein Geburtstag, ein Ball, ein Spaziergang mit unseren Kaninchen oder der Katze, eine Kritzelei in einem Schulheft oder ein verkrüppeltes Selfie ist, es ist wert sich daran zu erinnern. Ich vergesse zu schnell die kleinen Augenblicke, obwohl gerade sie so schön sind. 2018 hatten wir unsere Abiparty und ich war mit Freunden auf einem Kraftklubkonzert und habe dadurch eine neue Lieblingsband dazugewonnen. Im März war unsere Mottowoche und damit auch mein letzter richtiger Schultag. Kaum zu glauben, dass ich seit einem 3/4 Jahr nicht mehr im Unterricht war und trotzdem hab ich gestern noch geträumt, ich wäre in den Geschichtsunterricht ohne Lateinhausaufgaben gegangen.

Am 06. April habe ich von Kulturweit meine Zusage zum Freiwilligendienst bekommen und erfahren, dass ich nach Athen komme. Darüber habe ich mich extrem gefreut, weil ich ja schon im Herbst zuvor in Athen war. Auch das „Italien ist aber auch ein schönes Land“ meiner Oma konnte meine Vorfreunde nicht dämpfen. Ein paar Tage später bin ich volljährig geworden und habe am nächsten Tag meine Physik LK Abiturklausur geschrieben. Was bedeutet es volljährig zu sein? Man muss sich keine Gedanken mehr machen, wann man zu Hause sein muss oder ob man irgendwo kontrolliert wird, aber anderseits hat man auch die volle Verantwortung. Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich das bis jetzt ganz verstanden hab, was das für mich bedeutet. Ich denke daran zurück, wie es war zum ersten Mal ganz alleine Auto zu fahren. Bekomme ich das überhaupt hin, wenn ich wieder komme? Dann habe ich meinen Führerschein ein gutes Jahr und bin davon fast 6 Monate nicht selber gefahren.

Ich finde weiter Bilder von Essen, Partys, meinen Haustieren, Pferdchenkarusselln und dem Zeltlager, Schützenfesten. Ende Juni hatte ich dann endlich meine Abientlassung und meinen Abiball. Damit bin ich offiziell aus der Schule raus und habe mein Abitur. Habe ich nicht darauf 12 Jahre lang hingearbeitet? Trotzdem merkt man jetzt erst, wie viel ein Schulabschluss einem im Alltag bringt. Was bringt mir irgendwelche Quantentheorie, wenn ich mich einfach verlaufen habe 0der wenn ich eine Reise plane? Nicht viel. Außerdem merke ich, wie ich immer mehr vergesse. Nach unserem Schützenfest bin ich mit zwei meiner besten Freundinnen nach Irland geflogen. Diesen Urlaub haben wir zum Abi geschenkt bekommen. Wir waren in Dublin, Doolin und Galway und hatten wir eine wirklich tolle Zeit. Außerdem war das überhaupt mein erster Urlaub ohne meine Familie.

Im September bin ich dann zum Vorbereitungsseminar an den Werbelinsee gefahren. Davon habe ich ja schon in einem anderen Beitrag geschrieben, also lest den gerne durch, wenn ihr den noch nicht kennt. Zuvor habe ich mit den anderen, die nach Athen und die ans DAI gehen sollten, mich in Kontakt gesetzt und mir eine WG organisiert. Vom Abschiednehmen und Ankommen muss ich jetzt nicht viel schreiben, weil ich ja darüber diesen Blog führe. Trotzdem habe ich hier unglaublich viel gelernt. Ich kenne jetzt nicht nur den Unterschied zwischen einer Diskus- und einer Zeltlampe oder von Psi-, Phi- und Tau- Figurieren, sondern ich weiß jetzt auch, wie ich am besten meine Wäsche wasche, wie ich ohne Bügeleisen oder Wasserkocher auskomme. Ich musste lernen, dass wenn man nichts einkauft, der Kühlschrank leer bleibt. Ich habe überhaupt mein selbstverdientes Geld bekommen und habe halbwegs gelernt damit umzugehen. Ich habe eine fast fremde Stadt kennen und lieben gelernt. Ich weiß, was ich studieren möchte und wie mein zukünftiges Leben vielleicht verlaufen wird. Ich weiß, wie es ist mit Kakerlaken zu leben und Angst zu haben im Dunkeln einen Fuß auf den Boden zu setzen, aber ich habe auch gelernt, wie man sie halbwegs los wird und damit lernen kann. Ich habe gelernt, dass nicht jede Situation einfach ist, aber dass ich damit umgehen muss. Und nicht zu letzt habe ich Griechisch besser gelernt. Es ist noch lange nicht gut, aber immerhin verstehe ich einiges, wenn sich Leute auf der Straße unterhalten, ich angesprochen werde oder etwas kaufen möchte. Außerdem habe ich mein eigentlich verhasstes Altgriechisch wieder ein bisschen lieb gewonnen. Mir kommt es oft ein bisschen vor, wie nach Hause zu kommen. Etwas zu begegnen, wovon viele Leute weniger verstehen als man selber, etwas womit man Klugscheißen kann und was mir das Neugriechisch erleichtert. Ich habe viele neue Leute kennen gelernt und Freundschaften geschlossen, aber ich verliere auch den Kontakt zu manchen Freunden, was ich sehr traurig finde.

In diesem Jahr habe ich erst für die Schule gelernt, habe den Stoff dann wieder vergessen und lerne jetzt für mein Leben. Aber es gibt trotzdem noch so unendlich viel zu lernen. Am liebsten würde ich so viel mehr wissen. Ich möchte durch ein Museum gehen und alles begreifen, einordnen und behalten können. Ich möchte die Stadt richtig kennen lernen. Ich möchte richtig Griechisch sprechen können. Ich möchte alles archäologische begreifen. Ich möchte wissen, wie ich mich in Situationen richtig verhalte.

Werde ich das alles in 2019 lernen? Nein, sicher nicht. Aber ich kann weiter dazu lernen.

Wie stelle ich mir mein 2019 vor? Es wird sicher nicht so spektakulär wie das letzte Jahr. Ende Februar werde ich leider wieder nach Deutschland zurückkehren und dann im Herbst anfangen zu studieren. Aber wie schon gesagt: Die kleinen Augenblicke sind das, für was es sich zu Leben lohnt und die kann man nicht voraussehen. Aber ich bin mir sicher, dass sie schön werden!

Abendspaziergang

Es ist bereits reltiv dunkel. Ich stehe am Omonia Platz und überlege – überlege welchen Weg ich gehe. Meine Entscheidung  fällt auf den Unüblicheren, damit ich nicht immer das gleiche sehe. Als erstes bleibe ich am Schaufenster eines Waffenladens stehen. Ich bin ein bisschen enttäuscht, weil mich das meiste nicht interessiert.  Ich vermisse den Schießsport schon sehr, deshalb habe ich den Griechischen Schießsportverband angeschrieben und Kontaktdaten von zwei Vereinen bekommen, die ich noch unbedingt anschreiben muss. Aber im Schaufenster gibt es keine Sportwaffen.

Ich komme am Kotzia Platz vorbei. Er ist schon recht groß und von beleuchteten Häusern umsäumt. Viele Kinder aber auch Jugendliche oder junge Erwachsene treffen sich hier und spielen mit einander. Einige Meter weiter passiere ich den Fleisch und Fischmarkt. Jetzt sind die langen Markthallen leer, dennoch riecht es noch sehr deutlich nach den angebotenen Produkten. Gegenüber ist der Gemüsemarkt auf dem ich gestern eingekauft habe. Ich weiche einer großen Pfütze aus. Sie erinnert mich an den heftigen Regen vor 1 1/2 Wochen, als es vier Tage ohne Pause in Strömen geregnet hat.

Auf der linken Seite steht eine kleine Kapelle aus groben Stein. Sie scheint zwischen den Betonbauten ein bisschen fehl am Platz, strahlt aber gerade deshalb eine gewisse Schönheit aus. Unter dem kleinen Dach vor ihrer Tür schläft ein  Obdachloser. Obdachlose und Bettler gibt es in Athen unglaublich viele. Morgens und abends sind sie in ihre Decken gerollt und schlafen, aber einige liegen auch einfach so auf der Straße. In einigen Situationen hätte ich in Deutschland sicher Hilfe geholt oder wie soll man damit umgehen, wenn jemand mitten ausgebreitet auf dem Bürgersteig liegt und nicht erkennbar ist, ob er überhaupt lebt. Aber wie geht man hier mit diesem Thema um? Wegschauen? Helfen? Ich habe schon mitbekommen, wie Mütter ihre kleinen Kinder zum Betteln losschicken, während sie selber am Handy spielen. Muss man solche Leute gerade deshalb helfen oder unterstützt man dadurch die Ausbeutung der Kinder? Auf jeden Fall ist das kein leichtes Thema.

Auf der rechten Straßenseite sehe ich eine kleine Bäckerei, in der ich schon Brot gekauft habe. Nicht nur obdachlose Menschen gibt es hier reichlich, sondern auch sehr viele herrenlose Tiere. Die meisten Hunde streifen friedlich durch die Straßen und erhoffen sich den einen oder anderen Leckerbissen, doch es ist auch Vorsicht geboten. Ich habe schon von einigen Leuten gehört, dass sie oder andere angefallen wurden. Jetzt sehe ich den Falafelladen in dem ich heute mein Mittagessen gekauft habe. Als ich letztes Jahr hier war, ist er mir aufgefallen. Heute habe ich eine Mexikanische Falafel gegessen, die allerdings so scharf war, dass meine Augen getränt haben, aber es war trotzdem unglaublich lecker. Während an ich an meinem „Stammsupermarkt“ vorbei gehe, kann ich die angestrahlte Akropolis bewundern.

Auf dem vor mir liegendem Monastiraki Platz tümmeln sich viele Menschen. Ich wende mich jedoch nach links, um der Ermou, das ist die Einkaufstraße zwischen Monastiraki und Syntagma, zu folgen. Das erste, was mir auffällt, ist der Autostau, der sich auf der Straße gebildet hat. Aber es gibt auch viele Menschen-Trauben, die mir die Wege versperren. Aber, dass es so voll sein wird, war mir schon vorher klar. Ich mag diesen Trubel um mich herum manchmal schon ganz gerne. Auf der rechten Seite laufe ich an einem Pizza Imbiss vorbei, wo ich gestern ein Stück gekauft habe. Mein Fazit: Für zwischendurch mal ganz in Ordnung, aber es gibt deutlich bessere Pizzen! An zahllosen Läden komme ich vorbei. Ich kann meine Spiegelung in den erleuchteten Schaufenstern erkennen. Wenn ich Einkaufen gehe, sage ich immer Γειά σας (Hallo) und die Verkäufer sprechen mich dann normaler Weise auf Griechisch an. Die meisten sind dann ziemlich verwirrt, dass ich sie dann nicht verstehe, weil sie mich für Griechisch halten. Aber das finde ich eigentlich ganz gut, weil ich dann nicht auffalle. Viele besonders blonde Frauen, die direkt als Ausländer erkannt werden, haben hier es manchmal nicht ganz so leicht und normaler Weise werden auch eher Ausländer als Einheimische beklaut.

Das schützt mich jedoch nicht vor den aufdringlichen Parfumverkäufern, die einem unbedingt eine Probe andrehen wollen von dem – sagen wir oft sehr unansprechenden – Gerüchen andrehen. Generell musste ich hier bisher einige unangenehme Gerüche mehr erdulden. An mehreren Straßenecken spielen Straßenmusiker mehr oder weniger schöne Musik. Ein Mann verkauft an einem mobilen Stand geröstete Maiskolben und Maronen. Gut, dass ich schon gegessen habe, sonst hätte ich mir hier sicher etwas gekauft. Jetzt bin ich am Syntagma Platz angekommen. Tausende Lichter blenden mich grell. In diesem Lichtermeer fahren Skater über den Platz und machen Tricks. An den Seiten des Platzes ist Wasser bunt angesprüht. Vor dieser Kulisse führt ein Mann lautstark einen Videoanruf.

Ich verlasse den Platz und schlagartig wird es windiger. Unzählige Autos fahren an mir vorbei und es ist ungemütlich laut. In den teuren Hotels, an denen ich vorbei laufe, sitzen Leute bei Kerzenschein in Sälen mit Kronleuchtern, während vor ihren Fenstern Obdachlose ihr Nachtlager aufschlagen. Beim Vorbeigehen achte ich auf das numismatische Museum, die Akademia, Universität und die Nationalbibliothek. Im Hintergrund sieht man den angestrahlten Lycabettus Berg, der höher als die Akropolis ist. Ich werde langsam vom Laufen müde. Eine Werbeanzeige mit einem Granatapfel springt mir ins Auge. Heute durfte ich einen aus dem Kerameikos mitnehmen. Ich habe vorher noch nie darüber nachgedacht, wie sie wachsen, bis ich den Baum auf dem archäologischen Gelände gesehen habe. Und zufällig führt an dieser Stelle die Straße rechts hoch auch zum Institut.

Ich biege jedoch erste einige Meter später ab – in „mein“ Exarchia. Auf der rechten Seite liegt ein Cafe mit heißer Schokolade für 1,50€. Jeden Tag nehme ich mir eigentlich vor dort zu bestellen, aber bisher habe ich das irgendwie noch nicht gemacht. Aber jetzt hat es sowieso zu. Auf die runtergelassenen Rollläden einer Buchhandlung ist ein Graffiti gesprayt, was mir ins Auge sticht, obwohl hier ausnahmslos alles vollgesprayt ist. Übrigens hilft es mir total bei Heimweh oder schlechter Laune in einen Buchladen zu gehen. Auch wenn ich das meiste nicht verstehe ist es die Atmosphäre und der Geruch von Büchern, die mich total beruhigt.

An der letzten Kreuzung, die ich überqueren muss, ist eine Fußgängerampel zur falschen Seite gedreht, sodass ich am Anfang immer auf die falsche geguckt habe. Inzwischen laufe ich einfach immer dann über die Straße, wenn ich glaube, dass niemand kommt. Hier halten sich nämlich die wenigsten Fußgänger und Roller an Ampeln und auch viel Autos fahren über rot. Aus den Bars an den Straßenseiten dröhnt Musik und für einen Mittwochabend sitzen viele Leute davor und unterhalten sich. Immer wenn ich an einem Baum vorbei laufe habe ich diesen Geruch in der Nase: den Duft nach Urlaub. Ich habe keine Ahnung, welche Pflanze ich da rieche, aber ich verbinde das total mit Urlauben. Allerdings verfliegt der schnell, als ich zur unserer Haustür komme. Der gegenüberliegende Platz wird nämlich nicht nur als Parkplatz, sondern auch als öffentliche Toilette genutzt. Außerdem riecht es nach Gras, was wahrscheinlich von den Leuten kommt, die vor meiner Haustür sitzen. Zum Glück lassen sie mich ohne Probleme durch und erleichtert lasse ich die Tür hinter mir ins Schloss fallen. Ich bin wieder „Zuhause“.

Erschüttert

Heute möchte ich mal einen etwas anderen Beitrag schreiben, weil ich unbedingt etwas loswerden muss.

Als wir am Sonntagabend von der Metro Station zurück nach Hause gelaufen sind, sind wir an einer Gedenkstelle mit Kerzen und Blumen vorbeigekommen. Ich habe mir keine großen Gedanken darüber gemacht und habe sie mir auch nicht näher angeschaut.

Am Montag haben wir uns auf der Arbeit über einen Vorfall unterhalten, der von lokalen Medien auf diese Weise geschildert wurde: Ein drogenabhängiger Mann wäre in einen Juwelier eingebrochen und habe den Ladeninhaber bedroht. Um diesen zu schützen, hätten das Sicherheitspersonal den Angreifer totgeschlagen.
Wir haben darüber diskutiert, ob es gerechtfertigt ist, einen Menschen zu töten, um einen anderen zu schützen und ob das Totschlagen vielleicht unabsichtlich geschah. Ich bin auf keine abschließende Antwort bei diesen Fragen gekommen, da ich sie sehr schwierig fand. Außerdem musste ich an die Gedenkstelle am Vortag denken.

Heute habe ich jedoch eine völlig andere Version von diesem Vorfall erfahren. Meine Mitbewohnerin hat über den Vorfall etwas gelesen und ist dann zu der Gedenkstelle gegangen und hat sich dort die Sicht, der Menschen dort schildern lassen. Ich habe mir eben ein paar Artikel darüber durchgelesen und versuche jetzt mal die andere Version des Vorfalls zu schildern: Das Opfer soll ein bekannter Queer und LGBTQ+ Aktivist, sowie Drag Performer, der viel über sein Leben als HIV positiver berichtet hat, gewesen sein. Dieser wurde am helllichten Tag auf der offenen Straße verfolgt und soll um nach Schutz zu suchen in das Juwelier Geschäft geflohen sein. Dort wurde er von dem Ladenbesitzer, der als Faschist bekannt sein soll, eingeschlossen. In einem Video auf YouTube sieht man, wie das Opfer erst mit einem Feuerlöscher versucht die Scheibe zu zerbrechen. Er krabbelt, dann zum Fenster und versucht dort die Scheibe zu zerbrechen. Von außen treten 2 Männer aggressiv die Scheibe ein und treten auf den am Boden liegenden Mann ein, dabei soll einer der Täter der Ladenbesitzer sein. Obwohl eine große Gruppe Männer um das Geschehen stehen, greifen zwei Männer erst relativ spät ein. Nach einem cut geht das Video damit weiter, dass die die Polizei vor Ort ist. Als der Mann sich aufrichten will, wird er erneut getreten und beworfen. Er versucht wegzurennen, bricht jedoch unter Tritten zusammen. Noch bevor das Opfer das Krankenhaus errichte, soll es gestorben sein. Laut einem Artikel im Internet sei der Ladenbesitzer überhaupt nur angeklagt worden sein, weil das Video bekannt wurde.

Ein Grund, warum mich dieses Ereignis sehr betroffen macht, ist, dass das ganze nur 400 Meter von unser Wohnung abgelaufen ist. An einem öffentlichem Platz am helllichten Tag! Mir geht es nicht darum, die genaue Wahrheit über die Tat herauszufinden. Diese wird wahrscheinlich zwischen den Versionen liegen. Aber wie kann es sein, dass jemand einfach so quasi vor meiner Haustür tot getreten wird? In einem Viertel, was eigentlich für seine Toleranz bekannt ist. Wieso ist niemand frühzeitig eingeschritten und hat das Opfer beschützt? Eine andere Frage, die ich mir stelle, ist: Wie hätte ich reagier? Wäre ich dazwischen gegangen? Jeder möchte diese Frage wahrscheinlich mit „Ja“ beantworten, aber stimmt es auch? Ich bin mir sicher, dass man bei so einer Brutalität auch abgeschreckt wird. Aber irgendjemand hätte doch einschreiten müssen! Wie fühlt sich jemand, der ohne zu Zögern einen Menschen tot treten kann? Wieso passiert so etwas noch im 21. Jahrhundert? Wieso töten sich Menschen überhaupt gegenseitig? Tausende Fragen gehen mir durch den Kopf und ich finde keine Antwort. Ich bin einfach nur völlig schockiert und erschüttert.

Zum Schluss möchte ich noch einmal klar stellen, dass ich nicht weiß, was an den Versionen dran ist und, dass ich niemanden etwas wegen Gerüchten unterstellen möchte. Ich hoffe, dass ich das auch deutlich gemacht habe. Ich finde es nur sehr extrem, wie sehr die Erzählungen auseinander gehen. Ich will auch nochmal betonen, dass auch wenn es ein Video gibt, dort nicht alles einwandfrei zu erkennen ist und es durch den Schnitt auch verändert worden sei kann.

Das sind die Artikel, die ich gelesen habe. Ob ihr, das Video sehen möchtet müsst ihr selber entscheiden.

Greece: queer activist Zak Kostopoulos lynched to death in Athens

https://www.pinknews.co.uk/2018/09/24/gay-activist-zak-kostopoulos-lynched-to-death-in-greece/

https://www.newsbomb.gr/ellada/news/story/918978/zak-kostopoylos-ponos-odyni-kai-ena-giati-stin-kideia-toy-33xronoy

Richtig angekommen

Jetzt bin ich seit einer Woche in Athen und bin so langsam richtig angekommen. Mittler Weile habe ich mir mein Zimmer so eingerichtet, dass ich mir vorstellen kann, hier ein halbes Jahr zu bleiben.

So langsam brauche ich auch meistens kein Google Maps mehr, um meinen Weg zur Arbeit oder „nach Hause“ zu kommen. Allerdings ist die App schon sehr hilfreich! Gerade, wenn man versucht ohne auszukommen und sich deshalb total verläuft. Aber auch, wenn ich einige Wege jetzt schon zig mal gelaufen bin, entdeckt man immer etwas neues.

Ich arbeite momentan im Kerameikos. Dort haben wir eine Kampagne in der wir die Funde aus verschiedenen Abhüben eines Brunnens bearbeiten. Ich arbeite momentan zum ersten Mal richtig im Leben und deshalb sind die acht Stunden Arbeit jeden Tag schon sehr anstrengend. Mit daran ist jedoch die Sonne schuld, da wir fast immer draußen bei 30° C sind. Es helfen auch zwei Archäologiestudentinnen als Praktikantinnen, die mir netter Weise viel über ihr Studium erzählen. Das Arbeitsklima ist übrigens auch insgesamt sehr freundlich.

Ich unternehme jeden Tag einen kleinen Ausflug. Heute bin ich nach dem Ausschlafen auf den Wochenmarkt hier in Exarchia gegangen, wo man günstig sehr frische Lebensmittel kaufen konnte. Danach bin ich in die Plaka gelaufen und habe mich auf den Areopag gesetzt und von dort die Stadt bestaunt. Im Anschluss war ich mit den beiden Studentinnen bei einer Aufführung der Tragödie Ion von Euripides unter den drei Höhlen an der Akropolis. Sie war auf Griechisch, deshalb habe ich leider nicht alles verstanden und konnte zwischendurch dem Theaterstück nicht folgen. Dennoch war das Stück sehr beeindruckend und spannend. Danach sind wir noch für eine knappe Stunde die Akropolis hoch gestiegen. Ich war zwar letzten Herbst schon dort oben, aber es ist immer wieder atemberaubend. Gerade im warmen Abendlicht sehen die alten Tempel, aber auch das Häusermeer darum herum wunderschön aus.

  • Nächste Woche beginnen wir mit unserem Sprachkurs. Oft verstehe ich schon einige Brocken des Gesprächs, wenn ich es höre, aber leider kann ich kaum etwas selber sagen. Mir hilft mein Graecum aber vor allem beim Lesen viel weiter. Ich habe mir ein paar Comics auf Griechisch gekauft, mit denen ich hoffentlich auch ein bisschen lernen kann. Mir passiert es auch immer öfter, dass ich auf Griechisch angesprochen werde. Das zeigt mir, dass ich nicht immer für eine Touristin gehalten werde. Das freut mich sehr, weil ich dadurch versuche, mich der Kultur richtig anzupassen.

Mit meiner Mitbewohnerin habe ich mich jetzt sogar in einem Fitnessstudio angemeldet, was ich von mir selber echt nicht erwartet hätte. Jetzt heißt es nur: Durchhalten!

Momentan tritt das West-Nil-Fieber in Griechenland auf, was von Mücken übertragen werden kann. Obwohl ich versuche mich vernünftig zu schützen, habe ich unzählige Mückenstiche. Deshalb mache ich mir ein paar Sorgen.

Heute möchte ich auf den Monastiraki-Flohmarkt gehen und danach wollen wir ans Meer fahren.

Zwischen Einbauschränken und Mamorsäulen

Wie ist es in Griechenland? Warm! Tagsüber wird es bisher immer mindestens 30°C und selbst jetzt um halb 11 abends hat es sicher gerade mal auf 24° abgekühlt. Ich bin echt froh, dass ich im Hochsommer nicht hier sein werde, weil man das nicht auszuhalten ist.

Am Samstag sind wir erstmal nach IKEA gefahren, weil unsere Wohnung nicht so gut ausgestattet ist und wir auch noch ein paar Sachen brauchten. Es kommt mir allein schon beim Schreiben echt komisch vor, an seinem ersten Tag nach IKEA zu fahren, was es doch überall gibt. Aber es war schon nötig. Naja, ich werde schon noch aus dieser Gewohnheitenblase rauskommen – hoffe ich zumindest!

Es sind übrigens außer mir noch 5 andere Kulturweit-Freiwillige in Athen. Mit zweien davon wohne ich zusammen hier in Exarchia. Als ich Freitagnacht vollgepackt zu meiner Wohnung geirrt bin, dachte ich nur so „Oh Gott, wo bin ich hier gelandet?“. Die Häuserfassaden sind fast ausnahmslos voll gesprayt, in manchen Ecken riecht es unangenehm und man begegnet vielen Obdachlosen. Ich wusste schon vorher, dass Exarchia ein bisschen anders ist, aber so völlig erschöpft und orientierungslos nach der langen Reise kam es mir schon sehr schlimm vor.
Ich glaube nicht, dass ich nach drei Tagen das Viertel richtig einschätzen kann, aber ich sehe es schon in einem bisschen anderem Licht. Hier gibt es sehr viele niedliche Bücherläden, Tavernen und Imbisse. Wo findet man sonst eine wirklich riesige Folienkartoffel mit verschiedenen Salaten und Soßen für 3€? Außerdem erkennt man immer wieder Gravitties von einem Künstler wieder. Trotzdem würde ich, als Frau, an einigen Orten nachts nicht alleine hergehen.

Sonntag bin ich mit meiner Mitbewohnerin zum Monastiraki Platz gelaufen, um ein bisschen was von der Stadt zu sehen. Wir haben die griechischen Agora von der Straße ausgesehen und haben uns zwischen den Touristen ein bisschen treiben lassen. Völlig ausgehungert haben wir günstige Falafeln gefunden. Dabei sind wir auch an dem Hotel vorbeigekommen in dem ich letzten Herbst während der Studienfahrt übernachtet habe. Alleine bin ich noch ein bisschen durch die Plaka (Altstadtviertel) geschlendert. Dabei habe ich die Akropolis schön sehen können und bin an der römischen Agora und der Hadrians Bibliothek vorbeigekommen.

Heute hatte ich meinen ersten Arbeitstag. Meine Ansprechpartnerin hat mir das neoklassizistische Haus, dass in Heinrich Schliemanns Besitz war, des Deutschen Archäologischen Instituts und stellte mir die anwesenden Mitarbeiter vor. Alle waren ziemlich freundlich, hilfsbereit und haben mir direkt mit Ratschlägen zu unserem Kakerlaken-Problem helfen wollen. Nach einer Einführung zu allgemeinen Dingen durfte ich auch schon Feierabend machen. Ab morgen werde ich in Kerameikos für 1,5 Monate arbeiten. So genau weiß ich noch nicht, was auf mich zukommt, aber ich freue mich schon. Eben habe ich mich schon ein bisschen zu den Ausgrabungen dort eingelesen, um nicht total unvorbereitet zu sein.

Am Nachmittag bin ich zum Syntagma Platz vorbei an der National Bibliothek, der Universität und der Akademia gelaufen. Dort habe ich mir das Grabmal des unbekannten Soldaten am Parlamentsgebäude und den Wachwechsel davor angeschaut. Zurück bin ich durch die Einkaufsstraße zum Monastriaki gelaufen.

Jetzt sollte ich aber mal schnell schlafen gehen, weil ich morgen sehr früh aufstehen muss.