Abendspaziergang

Es ist bereits reltiv dunkel. Ich stehe am Omonia Platz und überlege – überlege welchen Weg ich gehe. Meine Entscheidung  fällt auf den Unüblicheren, damit ich nicht immer das gleiche sehe. Als erstes bleibe ich am Schaufenster eines Waffenladens stehen. Ich bin ein bisschen enttäuscht, weil mich das meiste nicht interessiert.  Ich vermisse den Schießsport schon sehr, deshalb habe ich den Griechischen Schießsportverband angeschrieben und Kontaktdaten von zwei Vereinen bekommen, die ich noch unbedingt anschreiben muss. Aber im Schaufenster gibt es keine Sportwaffen.

Ich komme am Kotzia Platz vorbei. Er ist schon recht groß und von beleuchteten Häusern umsäumt. Viele Kinder aber auch Jugendliche oder junge Erwachsene treffen sich hier und spielen mit einander. Einige Meter weiter passiere ich den Fleisch und Fischmarkt. Jetzt sind die langen Markthallen leer, dennoch riecht es noch sehr deutlich nach den angebotenen Produkten. Gegenüber ist der Gemüsemarkt auf dem ich gestern eingekauft habe. Ich weiche einer großen Pfütze aus. Sie erinnert mich an den heftigen Regen vor 1 1/2 Wochen, als es vier Tage ohne Pause in Strömen geregnet hat.

Auf der linken Seite steht eine kleine Kapelle aus groben Stein. Sie scheint zwischen den Betonbauten ein bisschen fehl am Platz, strahlt aber gerade deshalb eine gewisse Schönheit aus. Unter dem kleinen Dach vor ihrer Tür schläft ein  Obdachloser. Obdachlose und Bettler gibt es in Athen unglaublich viele. Morgens und abends sind sie in ihre Decken gerollt und schlafen, aber einige liegen auch einfach so auf der Straße. In einigen Situationen hätte ich in Deutschland sicher Hilfe geholt oder wie soll man damit umgehen, wenn jemand mitten ausgebreitet auf dem Bürgersteig liegt und nicht erkennbar ist, ob er überhaupt lebt. Aber wie geht man hier mit diesem Thema um? Wegschauen? Helfen? Ich habe schon mitbekommen, wie Mütter ihre kleinen Kinder zum Betteln losschicken, während sie selber am Handy spielen. Muss man solche Leute gerade deshalb helfen oder unterstützt man dadurch die Ausbeutung der Kinder? Auf jeden Fall ist das kein leichtes Thema.

Auf der rechten Straßenseite sehe ich eine kleine Bäckerei, in der ich schon Brot gekauft habe. Nicht nur obdachlose Menschen gibt es hier reichlich, sondern auch sehr viele herrenlose Tiere. Die meisten Hunde streifen friedlich durch die Straßen und erhoffen sich den einen oder anderen Leckerbissen, doch es ist auch Vorsicht geboten. Ich habe schon von einigen Leuten gehört, dass sie oder andere angefallen wurden. Jetzt sehe ich den Falafelladen in dem ich heute mein Mittagessen gekauft habe. Als ich letztes Jahr hier war, ist er mir aufgefallen. Heute habe ich eine Mexikanische Falafel gegessen, die allerdings so scharf war, dass meine Augen getränt haben, aber es war trotzdem unglaublich lecker. Während an ich an meinem „Stammsupermarkt“ vorbei gehe, kann ich die angestrahlte Akropolis bewundern.

Auf dem vor mir liegendem Monastiraki Platz tümmeln sich viele Menschen. Ich wende mich jedoch nach links, um der Ermou, das ist die Einkaufstraße zwischen Monastiraki und Syntagma, zu folgen. Das erste, was mir auffällt, ist der Autostau, der sich auf der Straße gebildet hat. Aber es gibt auch viele Menschen-Trauben, die mir die Wege versperren. Aber, dass es so voll sein wird, war mir schon vorher klar. Ich mag diesen Trubel um mich herum manchmal schon ganz gerne. Auf der rechten Seite laufe ich an einem Pizza Imbiss vorbei, wo ich gestern ein Stück gekauft habe. Mein Fazit: Für zwischendurch mal ganz in Ordnung, aber es gibt deutlich bessere Pizzen! An zahllosen Läden komme ich vorbei. Ich kann meine Spiegelung in den erleuchteten Schaufenstern erkennen. Wenn ich Einkaufen gehe, sage ich immer Γειά σας (Hallo) und die Verkäufer sprechen mich dann normaler Weise auf Griechisch an. Die meisten sind dann ziemlich verwirrt, dass ich sie dann nicht verstehe, weil sie mich für Griechisch halten. Aber das finde ich eigentlich ganz gut, weil ich dann nicht auffalle. Viele besonders blonde Frauen, die direkt als Ausländer erkannt werden, haben hier es manchmal nicht ganz so leicht und normaler Weise werden auch eher Ausländer als Einheimische beklaut.

Das schützt mich jedoch nicht vor den aufdringlichen Parfumverkäufern, die einem unbedingt eine Probe andrehen wollen von dem – sagen wir oft sehr unansprechenden – Gerüchen andrehen. Generell musste ich hier bisher einige unangenehme Gerüche mehr erdulden. An mehreren Straßenecken spielen Straßenmusiker mehr oder weniger schöne Musik. Ein Mann verkauft an einem mobilen Stand geröstete Maiskolben und Maronen. Gut, dass ich schon gegessen habe, sonst hätte ich mir hier sicher etwas gekauft. Jetzt bin ich am Syntagma Platz angekommen. Tausende Lichter blenden mich grell. In diesem Lichtermeer fahren Skater über den Platz und machen Tricks. An den Seiten des Platzes ist Wasser bunt angesprüht. Vor dieser Kulisse führt ein Mann lautstark einen Videoanruf.

Ich verlasse den Platz und schlagartig wird es windiger. Unzählige Autos fahren an mir vorbei und es ist ungemütlich laut. In den teuren Hotels, an denen ich vorbei laufe, sitzen Leute bei Kerzenschein in Sälen mit Kronleuchtern, während vor ihren Fenstern Obdachlose ihr Nachtlager aufschlagen. Beim Vorbeigehen achte ich auf das numismatische Museum, die Akademia, Universität und die Nationalbibliothek. Im Hintergrund sieht man den angestrahlten Lycabettus Berg, der höher als die Akropolis ist. Ich werde langsam vom Laufen müde. Eine Werbeanzeige mit einem Granatapfel springt mir ins Auge. Heute durfte ich einen aus dem Kerameikos mitnehmen. Ich habe vorher noch nie darüber nachgedacht, wie sie wachsen, bis ich den Baum auf dem archäologischen Gelände gesehen habe. Und zufällig führt an dieser Stelle die Straße rechts hoch auch zum Institut.

Ich biege jedoch erste einige Meter später ab – in „mein“ Exarchia. Auf der rechten Seite liegt ein Cafe mit heißer Schokolade für 1,50€. Jeden Tag nehme ich mir eigentlich vor dort zu bestellen, aber bisher habe ich das irgendwie noch nicht gemacht. Aber jetzt hat es sowieso zu. Auf die runtergelassenen Rollläden einer Buchhandlung ist ein Graffiti gesprayt, was mir ins Auge sticht, obwohl hier ausnahmslos alles vollgesprayt ist. Übrigens hilft es mir total bei Heimweh oder schlechter Laune in einen Buchladen zu gehen. Auch wenn ich das meiste nicht verstehe ist es die Atmosphäre und der Geruch von Büchern, die mich total beruhigt.

An der letzten Kreuzung, die ich überqueren muss, ist eine Fußgängerampel zur falschen Seite gedreht, sodass ich am Anfang immer auf die falsche geguckt habe. Inzwischen laufe ich einfach immer dann über die Straße, wenn ich glaube, dass niemand kommt. Hier halten sich nämlich die wenigsten Fußgänger und Roller an Ampeln und auch viel Autos fahren über rot. Aus den Bars an den Straßenseiten dröhnt Musik und für einen Mittwochabend sitzen viele Leute davor und unterhalten sich. Immer wenn ich an einem Baum vorbei laufe habe ich diesen Geruch in der Nase: den Duft nach Urlaub. Ich habe keine Ahnung, welche Pflanze ich da rieche, aber ich verbinde das total mit Urlauben. Allerdings verfliegt der schnell, als ich zur unserer Haustür komme. Der gegenüberliegende Platz wird nämlich nicht nur als Parkplatz, sondern auch als öffentliche Toilette genutzt. Außerdem riecht es nach Gras, was wahrscheinlich von den Leuten kommt, die vor meiner Haustür sitzen. Zum Glück lassen sie mich ohne Probleme durch und erleichtert lasse ich die Tür hinter mir ins Schloss fallen. Ich bin wieder „Zuhause“.