Ursprünglich stand in dem ersten Entwurf für diesen Blogeintrag, dass ich noch nicht so viel mit den Menschen hier über Politik reden konnte, nun das änderte sich gerade als ich diesen Eintrag beginnen wollte.
Der Strom fiel aus und so ließen wir die Arbeit ruhen und kamen ins Reden.
Zuerst unterhielt ich mich mit der Kollegin, mit der ich in einem Büro sitze. Sie berichtete mir, dass viele Entscheidungen hier politischer Natur seien und es innerhalb des Teams mit dem ich hauptsächlich zusammenarbeite politische Differenzen gibt, näher ins Detail möchte ich jetzt nicht gehen, sondern vielmehr von dem darauf folgenden Gespräch berichten, welches ich mit den Guides des Museum geführt habe.
Mich persönlich interessierten natürlich die persönlichen Ansichten und Meinungen meiner Kolleg_innen aber vielmehr noch die allgemeinen Themen dieser Wahl, bzw. was die Menschen bewegt. Wie manche von euch wissen schwebt mir momentan die Laufbahn des Diplomaten vor und so sind diese Zeiten eine gute Übung für später, immer wieder die eigene Position zu hinterfragen und sich zu verdeutlichen, dass man selbst sehr geprägt von seiner Kultur ist und manche Dinge vielleicht anders sieht, als die Menschen hier vor Ort, ich sehe mich als Beobachter und versuche deshalb so viele Ansichten wie möglich kennenzulernen.
Zeiten wie jetzt, in denen gewählt wird sind meiner Meinung nach nicht nur in politischer sondern auch in gesellschaftlicher Hinsicht interessant, sie gewähren tiefe Einblicke in die Gesellschaft und was diese bewegt. Aus dem heutigen Gespräch lernte ich einiges. Die Menschen hier legen besonderen Wert auf Innere Sicherheit und die damit verbundenen Gesetze, so wurde in dem Gespräch kritisiert, dass gegenüber Straftätern relative Milde herrsche und die Gefängnisstrafen nicht hoch genug seien bzw. in einem noch relativ jungen Gesetz teilweise gelockert wurden. Des weiteren ging es um die Straßenkriminalität, die besonders in Montevideo hoch sein soll, dies bestätigen auch die Reisehinweise des AA, EDA und State Department:
„In Montevideo gab es in den letzten Jahren einen spürbaren Anstieg der Kriminalität. Der Schwerpunkt liegt auf Raub- und Diebstahlsdelikten, zunehmend mit Waffengewalt. Bewaffnete Raubüberfälle auf Restaurants in besseren Wohngegenden Montevideos nehmen zu. Besonders kritisch sind bestimmte Straßen und Viertel der Altstadt und des Zentrums, insbesondere außerhalb der Geschäftszeiten, aber auch die Ausgehviertel Punta Carretas, Pocitos und Carrasco.“ (Auswärtiges Amt)
„In Montevideo und den Ferienorten an der Küste (z.B. Punta del Este) sind Entreissdiebstähle häufig. Raubüberfälle und Angriffe auf Passanten kommen vor. Besondere Vorsicht ist unter anderem am Karneval, an Konzerten und bei Fussballspielen geboten. Bewaffnete Raubüberfälle auf Restaurants in besseren Wohngegenden Montevideos (z.B. Pocitos und Punta Carretas) haben zugenommen. Autodiebstahl und Diebstahl aus geparkten oder vor einer Ampel haltenden Fahrzeugen kommen vor. In der Hauptstadt patrouilliert eine Touristenpolizei (Zentrum und Altstadt mit Hafen).“ (Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten, EDA)
„Violent crimes, such as homicides, armed robberies, carjacking and thefts have increased throughout the country and occur in urban areas frequented by U.S. government personnel, day and night. Criminals commonly travel in pairs on motorcycles to approach unsuspecting victims with a weapon and demand personal belongings. Armed criminals also target grocery stores, restaurants, financial centers, and small businesses, in which innocent bystanders are often victimized.“ (US State Department)
Man darf bei diesen Reisehinweisen aber nicht vergessen, dass diese oft übervorsichtig sind, denn besonders in der Altstadt hat sich die Sicherheit massiv verbessert dank Kameras und einem verstärkten Einsatz von Polizisten.
Dies ist natürlich nur eine Sache, die die Menschen bewegt, eine weitere ist das Sozialsystem, welches in Zukunft unter Druck geraten wird und bereits heute für Unzufriedenheit sorgt, so kritisierten meine Kolleginnen und Kollegen, dass sie selbst 3 Jobs hätten und wiederrum andere Familien von Kindergeld leben würden, ich weiß nicht wie die Sachlage hier ist. Klar ist aber und das ist worum es mir auch in dem Artikel geht, was die Menschen bewegt. Ich bin der festen Überzeugung, das Zuhören essenziell für eine Demokratie ist, danach kann der faktenbasierte Streit kommen, aber am wichtigsten ist zuhören und versuchen zu verstehen. Persönlich hat es mich schon überrascht, dass die Menschen hier in der Regel(!) meherere Jobs an einem Tag haben und selbst damit zur mittleren bis unteren Mittelschicht gehören.
Ein weiterer interessanter Punkt ist, dass die Uruguayos trotzdem noch wissen, dass es ihnen vergleichsweise gut geht. Auf dem Internationalen Korruptionsindex 2018 von Transparency international belegt Uruguay Platz 23 und ist damit nur einen Platz hinter den Vereinigten Staaten von Amerika und zwei Plätze hinter Frankreich (https://www.transparency.org/cpi2018)
„Uruguay is referred to as the cleanest country in Latin America and the one with the longest democratic tradition. Control of corruption has been explained by Uruguay’s democratic, political and economic development, which practically abolished clientelistic practices in politics and in the management of state resources.“ (Maíra Martini, Transparency International)
Besonders interessant ist dies in Hinblick auf die zwei großen Nachbarn, Argentinien (Platz 85) und Brasilien (Platz 105), wie man sieht haben beide Nachbarn deutlich schlechtere Ergebnisse als Uruguay und das wissen auch die Menschen hier. Als wir uns ca. eine Stunde unterhalten hatten und sich viel beschwert wurde, sagte ein Kollge: „Aber es kann auch schlimmer sein, wir können diese Probleme lösen und sind nicht von Korruption gelähmt“ Das ist ein entscheidender Unterschied zu Argentinien, meine Oma dort sagte mir am Telefon immer, dass es doch egal sei wen man wählt, korrupt seien sie doch alle. Dies ist in meinem Umfeld in Uruguay nicht der Fall, vielmehr werden die Menschen kritisiert, die nicht wählen gehen trotz Wahlpflicht. Es gibt ein Grundvertrauen in die politischen Institutionen und man streitet über die Sache und nicht die Institutionen, ein, wie ich finde, wichtiges und positives Signal.
Heute Abend findet das erste Fernsehduell statt, in dem sich die zwei aussichtsreichsten Kandidaten Daniel Martinez (Frente Amplio; Partei ist zur Zeit an der Regierung, links) und Luis Lacalle Pou (Partido Nacional (konservativ, rechts, zur Zeit Opposition, allerdings in einigen Bundesstaaten an der Macht). In der Debatte soll es unter anderem um Wirtschaft (Produktion, Arbeitsplätze, Infrastruktur und soziale Absicherung) gehen, das zweite Thema ist innere Sicherheit, das dritte humane Entwicklung (Bildung, Gesundheit, Sport und Kultur) und als letztes geht es um Zukunftsthemen wie Technologien und Innovationen, aber auch Klimaschutz.
Interessant ist, dass dies die erste Fernsehdebatte in der Geschichte Uruguays ist, man hat sie von den Amerikanern kopiert, ähnlich wie die Vorwahlen.
Ex-Präsident José Mujica hat dazu eine, wie ich finde interessante Meinung
Eine weitere interessante Tatsache über die Debatte ist, dass 16% der Uruguayos sagen, dass die Debatte ihre Wahlentscheidung noch beeinflussen kann, besonders bei den jungen Wählern (18-26) ist dieser Anteil relativ hoch https://www.subrayado.com.uy/el-16-los-uruguayos-dice-que-el-debate-presidencial-puede-modificar-su-voto-n555781
So, jetzt ist es auch schon bald soweit und die Debatte fängt an.
Hasta luego
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