Von Frühlingsgefühlen zur Eiseskälte

Wenn ich heute aus dem Fenster schaue, sehe ich graue Wolken. Hellgrau, dunkelgrau. Trist und kalt. Da kann ich es fast gar nicht mehr glauben, dass ich letztes Wochenende bei blauem Himmel und Sonnenschein durch die Stadt spaziert bin, mich in einen Park gesetzt habe und eine Banitsa mit Kürbis, Walnüssen und Zimt gegessen habe. Es war so warm, dass in mir anstatt Herbst- eher Frühlingsgefühle geweckt wurden.

Letzten Samstag war ich zum ersten mal im Sofioter Opernhaus, um mir das Ballett „La Bayadère“ anzuschauen. Es war ein Gastspiel, die Hauptrollen wurden von Svetlana Zakharova und Denis Rodkin vom Bolshoi getanzt. Es war wunderschön.

Mittwochs müssen wir immer erst um halb elf beim Sprachkurs sein. Da ich diese Woche viel zu früh losgegangen war, hatte ich noch Zeit, mich bei Sonnenschein in einen Park zu setzen und ein чебурек с извара zu essen.

Und jetzt, an diesem Wochenende, sitze ich an meiner Heizung gelehnt anstatt auf einer Parkbank. Es ist kalt geworden. Eiskalt. Aber ich mag den Winter. Meine Lieblingsjahreszeit. Den Schnee, der hoffentlich bald vom Himmel rieselt. Es ist so gemütlich, in Cafés zu sitzen und eine heiße Schokolade zu trinken.

Ich mag es durch die Kälte zu laufen und verfroren von Buchladen zu Buchladen zu stiefeln, um mich aufzuwärmen und herumzustöbern.

Gestern habe ich die Kinderbücher durchgeschaut und all die Bücher aus meiner Kindheit gefunden: Briefe von Felix, Pettersson und Findus, Conni. Ich glaube, ich besitze fast alle Conni-Bücher. Ich bin mit ihr groß geworden. Deshalb war ich auch kurz davor, mir eine bulgarische Ausgabe für meine Sammlung zu kaufen. Ich konnte mich dann aber doch noch zurückhalten mit dem Gedanken, dass ich das auch noch in den nächsten Monaten kaufen kann.

Aber ein Buch musste gestern dann doch schon mit. Winnie Pooh habe ich mir schon in meinen ersten Wochen hier gekauft. Gestern habe ich endlich Pippi Langstrumpf gefunden!

Vielleicht ist es Quatsch, sich Bücher zu kaufen, die man nicht wirklich lesen kann. Aber es hat in mir ein kleines Gefühl von Freude ausgelöst und wenn es einem nicht gut geht, soll man sich schließlich etwas gutes tun. #selfcare

Eine Woche voll PASCH

PASCH, PAD, DSD – alles irgendwelche Buchstabenkombinationen, von denen ich bis zum Vorbereitungsseminar noch nie etwas gehört hatte. Und auch dort konnte niemand so richtig erklären, was genau die Unterschiede sind und wie das alles zusammenhängt. Ist für mich auch nicht so wichtig, das zu verstehen, dachte ich noch beim Vorbereitungsseminar, doch schon an meinem ersten Tag am Goethe-Institut musste ich feststellen, dass ich in dieser Annahme falsch lag. Ich habe mich viel mit der PASCH-Initiative beschäftigt und jetzt das Gefühl, wenigstens ein bisschen einen Überblick zu haben. (Infos zu der PASCH-Initiative findet man hier.)

Meine erste, größere Aufgabe in der Einsatzstelle war es, ein Projekt meiner Vorgängerin zuende zu bringen: Zum 10-jährigen Jubiläum von PASCH hatte sie angefangen, eine Broschüre zu „10 Jahre PASCH in Bulgarien“ zu erstellen. Und wie das immer so ist, muss man manche Menschen gefühlt 100 mal daran erinnern, etwas zu machen, bevor sie es dann wirklich tun. Deshalb war ich sehr überrascht, dass es nach mehreren Erinnerungsmails doch noch einige Schüler_innen gab, die ihre Erfahrungsberichte eingeschickt haben. Nicht so einfach war es, von einer Lehrerin ein paar Sätze über ihre Schule für ein kurzes Schulporträt zu bekommen. Nachdem sie nach vielen Emails meinerseits dann doch endlich mal geantwortet hatte, enthielt ihre Mail leider nicht die Antwort auf meine Fragen. Irgendwann hat sie mir dann endlich Infos über ihre Schule geschickt – 5 Seiten mit tausend (unnötigen) Infos, wie „Wir haben neue Taschenrechner bekommen“. Also habe ich mir den Text dann selbst zusammengeschrieben. Eine weitere Herausforderung war es, ein Foto von ihr in guter, druckbarer Qualität zu bekommen. Im Endeffekt hat sie dann eins beim Fotografen machen lassen, das wir dann endlich zum Druck geben konnten. Das hat aber auch dazu geführt, dass sie verärgert bei meiner Kollegin angerufen hat, um sich darüber zu beschweren, dass die Praktikantin gefälligst mal ihre Mails checken sollte und sagen soll, ob es nun endlich gut genug ist. Dabei hatte ich ihr schon längst eine sehr freundliche, dankende Antwort geschickt.

Überraschend und erfreut darüber, dass ich nun alle Texte und Bilder zusammen hatte, ging es dann an die Kommunikation mit dem Grafiker. Zwischendurch ein wenig davon genervt, dass manche Korrekturen nach dem 3. mal anmerken immer noch nicht umgesetzt wurden, sorgte sein Verständnis von Wortwolken dann erstmal zu einer allgemeinen Erheiterung.

Wortwolke

Aber auch das ließ sich klären und vor zwei Wochen konnten wir die letzte Fahne für den Druck freigeben. Da kein Vorabexemplar gedruckt werden konnte, stieg die Spannung auf das Ergebnis sehr. Auch der Kommentar des Institutsleiter „Da wollen wir mal hoffen, dass nicht zu viele Tippfehler drin sind“ lies meine Nervösität steigern. Als die fertigen gedruckten Broschüren dann eine Woche später geliefert wurden, war ich sehr zufrieden mit dem Ergebnis und habe mich sehr gefreut.  Vom Institutsleiter gab es nur den Kommentar „Bisher habe ich auch noch keine Tippfehler gefunden“ – was hat er bloß immer mit seinen Tippfehlern? – was mich auch sehr erleichtert hat.

Abschließend kann ich sagen, dass es mir viel Spaß gemacht hat, die Broschüre fertig zu stellen und es ein tolles Gefühl ist, den fertigen Druck in der Hand zu halten.

Letzte Woche ging es dann PASCH-mäßig weiter und zwar wurde die 19. Schule in Sofia in die PASCH-Initiative aufgenommen. Dafür wurde am Mittwoch ein ganztägiger Workshop mit „einigen“ Schüler_innen an der Schule durchgeführt, in dem sie eine kurze Präsentation erarbeitet haben, die sie am nächsten Tag bei der feierlichen PASCH-Eröffnung präsentiert haben. Ich fand es interessant, bei dem Workshop zuzuschauen, weil mich Theater (und Theaterpädagogik) sehr interessiert. Leider war der Vormittag sehr chaotisch. Noch am Freitag zuvor hatte mir der zuständige Lehrer am Telefon versichert, er habe 25 Schüler_innen ausgesucht. Am Mittwoch Morgen saßen dann aber nicht nur 25 Schüler_innen im Stuhlkreis, sondern 48! Einige mussten zwischendurch für eine Stunde weg, andere blieben nur bis zur Mittagspause. Oh man. Ich hatte dann irgendwie ein schlechtes Gewissen, weil ich die Kommunikation mit dem Lehrer und den Workshopleitern übernommen hatte, aber eine Kollegin hat mir später zum Glück versichert, dass ich da nichts für konnte und es nicht vorhersehen konnte, dass der Lehrer sich nicht an die Absprachen hält.

Nach dem Mittagessen wurde es dann zum Glück besser und es waren nur noch die Schüler_innen da, die auch am nächsten Tag bei der Präsentation dabei waren. In kleinen Gruppen zum Thema „In meiner Stadt der Zukunft sehe ich …“ erarbeiteten sie kleine Theaterszenen. Ich war positiv überrascht, was sie sich in nur 10 Minuten ausgedacht hatten.

Am nächsten Tag trafen wir uns um 8 Uhr in der Schule und es gab noch eine letzte Probe, bevor um 10 Uhr die Veranstaltung begonnen hat. Ich finde, die Schüler_innen haben es alle sehr gut gemacht und ich fand es sehr mutig, sich nach so einer kurzen Probenzeit und dann auch noch auf einer Fremdsprache auf die Bühne zu stellen.

Für mich war es auch sehr interessant, mal eine bulgarische Schule von innen zu sehen. Direkt am Eingang stand man vor einem Drehkreuz und durfte die Schule nur betreten und verlassen, wenn man reingelassen wurde. Eine weitere Sache, die mir im Vergleich zu den Schulen in Deutschland fremd war, war, dass die Schüler_innen alle mit ihren Handys rumlaufen durften. Wenn ich mich an meine Schule erinnere, dann wurde das Handy schon einkassiert, wenn man es nur in der Hosentasche hat hervorstehen sehen.

Fazit: Die letzten Wochen waren sehr aufregend und interessant.

In die Angst geworfen

Alle diejenigen, die beim Vorbereitungsseminar ein Seminar mit mir hatten – vor allem die Menschen in meiner Homezone – werden gemerkt haben, wie unsicher ich bin. Wie stark mich meine Ängste vor allem in Bezug auf soziale Situationen einschränken. Alle anderen, die mich nur am letzten Abend haben tanzen sehen, werden es vielleicht nicht so stark gemerkt haben.

Bei der Arbeit merke ich immer mehr, dass es mir trotz großer Anstrengung nicht gelingt, meine Unsicherheit und Ängste  zu verstecken. Und irgendwie verunsichert mich das noch mehr, weil ich nicht einschätzen kann, wie die Anderen darüber denken und weil in meinem Kopf natürlich ganz stark die Annahme ist, dass sie direkt schlecht von mir denken.

Aber ich gebe mir wirklich Mühe. Ich gehe zu den Kolleginnen hin und stelle Fragen. Ich telefoniere (wenn es sich nicht per Email umgehen lässt). Es geht zwar immer ein großes Zögern voraus, aber das sieht zum Glück niemand. Häufig überrascht es mich, dass ich es meistens irgendwie hinbekomme.  Und noch mehr überrascht es mich, wie ich manche Situationen überstanden habe, in denen ich plötzlich in eine Angstsituation hineingeworfen wurde. Wenn ich an die letzten Wochen denke, sind mir besonders diese beiden Situationen im Kopf hängen geblieben:

  1. Es gab eine Stehrunde, bei der alle Mitarbeiter*innen im Flur zusammengekommen sind und kurz erzählt haben, was in den nächsten zwei Wochen so ansteht. Als eine Kollegin die Broschüre erwähnte, an deren Erstellung ich mitgewirkt habe, kam sie leider auf die Idee, dass ich etwas dazu sagen könne. Darauf war ich nicht vorbereitet. All die Menschen, die darauf warten, dass ich etwas sage. Da hat sich mein Gehirn direkt in den Panik-Modus geschaltet, ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen und nur ein schnelles »Die wird hoffentlich bald fertig« stammeln.
  2. Direkt nach dieser Stehrunde ging es damit weiter, dass ich gebeten wurde, zusammen mit dem Praktikanten durch die Sprachkurse zu laufen und eine Veranstaltung zu bewerben. Da ich irgendwie auch schlecht hätte sagen können, dass mir das zu viel Angst bereitet, musste ich da wohl irgendwie durch. Auf wackligen Beinen gingen wir also ins andere Gebäude und noch in der Hoffnung, nicht selbst etwas sagen zu müssen, klopfte ich mit meiner zittrigen Hand an die erste Tür. Ich war ganz froh, Flyer zu haben, die ich in der Hand halten konnte, um nicht ganz verloren zu wirken. Leider wurde aus meinem Plan stumm zu bleiben nichts und auch ich musste in einem der Kurse das Reden übernehmen. Mit leiser, brüchiger Stimme brachte ich einige Sätze hervor und noch Stunden später konnte ich die Angstreaktionen in meinem Körper spüren.

Jetzt im Nachhinein bin ich mir nicht sicher, was ich denken soll. Ob es gut war, weil ich gesehen habe, dass ich auch solche Situationen irgendwie überlebe. Oder ob es nicht gut war, weil ich auch jetzt noch die Angst spüren kann und viele negative Gedanken auftauchen, wenn ich mich an die Situationen zurück erinnere.