Zurück in Athen

Seit dem 20. Februar bin ich wieder in Athen. Genau 2 Jahre nachdem ich von meinem Freiwilligendienst 2019 wieder zurück nach Deutschland gekehrt bin.

Ich bin nicht das erste Mal wieder in Griechenland, sondern habe im Sommer 2019 und im Frühjahr 2020 jeweils Praktika in Olympia wieder mit dem Deutschen Archäologischen Institut gemacht und war vorher beide Male für eine Woche Urlaub in Athen. Letzten März mussten wir das Praktikum allerdings 2,5 Wochen früher als geplant abbrechen, wegen des Beginns des ersten Lockdowns in Griechenland.

Seit dem Wintersemester 2019 studiere ich Ur- und Frühgeschichte und klassische Archäologie an der Universität zu Köln. Nach dem Ende meines Freiwilligendienstes stand für mich fest, dass ich nach Athen für längere Zeit zurückkommen muss. Frustriert über das die frühe Abreise aus Griechenland habe ich mich letztes Jahr im April bei der Erasmus Restplatzvergabe meiner Universität beworben und einen Studienplatz in Athen erhalten. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich fest angenommen, dass die Covid 19 Pandemie bis 2021 längst vorbei sei. Da lag ich offensichtlich ziemlich falsch.

Auf meinen bevorstehenden Auslandsaufenthalt habe ich mit gemischten Gefühlen geblickt. Einerseits war ich voller Vorfreude und konnte es kaum erwarten zurück nach Griechenland und nach Athen zu kommen. Anderseits hatte ich aber auch Angst, dass ich diese einmalige Chance, die mir das Erasmus+ Stipendium bietet, zu verspielen und nicht richtig nutzen zu können, wie in einem anderen Jahr. Ich weiß auch nicht, ob es so schlau ist in eine Stadt zurückzukehren, die man schon relativ gut kennt, statt ein ganz neues Land oder eine andere Stadt neu zu entdecken. Allerdings war ich mir sehr sicher, dass ich sonst immer Sehnsucht nach Athen haben würde.

Ich lebe jetzt in Athen in einer WG mit 3 französischen Erasmus Studentinnen, die zum Glück alle total lieb sind, in der Nähe von Exarchia, wo ich während meines Freiwilligendienst gelebt habe. Meine Universität, die Nationale und Kapodistrias Universität Athen– kurz ΕΚΠΑ – , ist ca. 7 km von meiner Wohnung entfernt, allerdings war es mir wichtiger zu Fuß das Zentrum und die Akropolis zu erreichen.

Als ich in Athen angekommen bin war natürlich Lockdown. Für die Einreise brauchte ich einen negativen PCR Test und musste mich registrieren. Zu diesem Zeitpunkt herrschte am Wochenende eine Ausgangsperre ab 18 Uhr und unter der Woche ab 21 Uhr. Tagsüber darf das Haus aber auch nur mit einem triftigen Grund und einem entsprechenden Formular verlassen werden. In ganz Griechenland gilt eine Maskenpflicht und nur die Geschäfte des täglichen Bedarfs waren geöffnet. Auch im Supermarkt und in der Drogerie durfte man nur die Produkte kaufen, die zum täglichen Bedarf zählen, die anderen durften nicht verkauft werden, um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten. Interessant fand ich, was unter täglichen Bedarf verstanden wird: So konnte man Weihrauch kaufen, aber Besteck, Geschirr und Makeup nicht. Außerdem durfte man seine Gemeinde nicht verlassen.

Nach und nach wurde die Ausgangsbeschränkung am Wochenende von 18 auf 19 und schließlich auf 21 Uhr gelockert. Dafür wurde es verboten öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, um zu einem anderen Ort zu gelangen, wo man spazieren gehen oder Sport machen möchte. Außerdem durfte man nur Geschäfte im Radius von 2km besuchen.

Vor ein paar Wochen wurden dann zu meiner Freude die archäologischen Stätten wieder geöffnet, Museen bleiben aber weiterhin geschlossen. Ich habe direkt am Tag der Öffnung mit einer meiner Mitbewohnerinnen die Akropolis besucht, was genau mein 20. Besuch auf der Akropolis war. Mittlerweile war ich schon 4 Mal dieses Jahr dort, also in meinem Leben insgesamt 23 Mal.

Seit dem 03.04. ist es erlaubt am Wochenende in seiner Region – also für mich in Attika – zu reisen. Zu diesem Anlass bin ich mit einem griechischen Freund zum Poseidon Tempel von Kap Sounio gefahren.

Seit letzten Montag, also dem 05.04. ist auch in Attika trotz der steigenden Coronafallzahlen das click-away und click-in in Geschäften wieder erlaubt. Seitdem ist die völlig ausgestorbene Stadt vom Anfang meines Aufenthalts wieder mit Leben gefüllt.

Das Semester in Griechenland hat schon am 01.03. begonnen und mein Sprachkurs sogar schon 2 Wochen eher. Daher hatte ich dieses Frühjahr leider gar keine Semesterferien und das merke ich leider auch ein bisschen. Alle meine Kurse sind auf Neugriechisch, dauern anders als in Deutschland jeweils 3 Zeitstunden und haben am Ende des Semesters eine Prüfung, in der die Inhalte abgefragt werden. Mir fällt es, ehrlich gesagt, relativ schwer den Kursen zu folgen, insbesondere wenn die Präsentanionen der Dozierenden zu viel oder zu wenig Text enthalten. Trotz meiner leicht schwindenden Motivation macht mir die Uni Spaß und ich sehe es als eine Chance über mich selbst herauszuwachsen.

Der Lockdown und die steigenden Fallzahlen lösen in mir einen Konflikt zwischen der Vernunft zu Hause zu bleiben und Kontakte zu vermeiden und die Sehnsucht meine Zeit hier zu nutzen und zu genießen aus. Ich bin in erster Linie sehr froh, so tolle Mitbewohnerinnen zu haben, da ich mir ein Erasmus online Semester ohne jegliche Kontakte gar nicht vorstellen kann. Neben diesen habe ich auch ein paar Erasmus Studierende wie aus meinem Sprachkurs getroffen. Ich möchte aber eigentlich nicht in dieser Erasmus Bubble bleiben und am richtigen griechischen Leben teilzunehmen. Während meines Freiwilligendienst hatte ich nur zu Menschen meiner Arbeit und zu den anderen Freiwilligen Kontakt, was im Rückblick sehr schade ist. Die Studierenden meines Departments sind auf Facebook sehr aktiv und sind alle sehr hilfsbereit mir meine Fragen zu beantworten. Gestern habe ich ein Mädchen aus meinem Studiengang und ein paar ihrer Freunde getroffen und mit ihnen und einer meiner Mitbewohnerinnen die griechische Agora und die Akropolis besucht. Ich habe außerdem meine Neugriechischlehrerin, bei der ich 2 Semester Neugriechisch in Köln gelernt habe, hier in Athen besucht.

Insgesamt bin ich sehr glücklich in Athen zu sein. Manchmal bin ich ein bisschen frustriert oder sehne mich nach dem normalen Leben (mit offenen Museen und Reisemöglichkeiten!!!!). Besonders am Anfang hat es mich unglaublich angestrengt den ganzen Tag Englisch (und ein bisschen Griechisch) zu sprechen und manchmal vermisse ich es schon, mich ohne Sprachbarriere auszudrücken. Abends falle ich immer sehr erschöpft aber zufrieden ins Bett. Manchmal ist es für mich schwer zu realisieren, dass ich nicht träume, sondern wirklich wieder in dieser wunderbaren Stadt zu leben.

Es gibt noch so viel zu erzählen, aber das ist erstmal eine erste Zusammenfassung meiner ersten 7 Wochen zurück in Athen!

Von Wellen, Mülltonnen voller Katzen und Kouroi

Es ist dunkel und leichter Nieselregen benetzt mein Gesicht. Trotz der Musik, die aus meinen Kopfhörern dröhnt, höre ich das Meer neben mir rauschen. In der Ferne erkenne ich vereinzelte Häuser, Laternen und den kleinen Hafen von Skala. Seine Lichter werden von den Wellen reflektiert und weggetragen. Auf der anderen Seite ist ein Feld und dahinter eine atemberaubende Bergkulisse. Auf dieser Straße ist niemand – nur ich. Langsam beginne ich mich zu drehen und breite die Arme aus. Die Welt um mich herum verschwimmt, wie die Lichtspiegelungen im Meer. Ich lasse die vergangenen Wochen Revue passieren.

Diese und die nächste Woche werde ich in Atalanti arbeiten. Das liegt in  Mittelgriechenland. Währenddessen wohne ich in Skala, einem winzigen Dorf am Meer. Wenn man jetzt im Herbst durch die wenigen Straßen läuft, trifft man auf deutlich mehr streunende Hunde und scheue Katzen auf Menschen. Der Strand an dem sich im Sommer die Touristen tummeln ist verlassen und voller Algen und Müll. Es gibt einige Hunde, die wie blöd hinter jedem Auto her rennen und alles und jeden anbellen. Aber es gibt auch liebe Hunde, die gestreichelt werden möchten. Werde ich beim Heimweg wieder den Hund von gestern treffen? Möchte ich das überhaupt? Ich bin nämlich kein großer Fan von nassen Hunden. Aber ich komme sicher an der „Katzenmülltonne“ vorbei. Das ist ein Container in dem immer Katzen sitzen und nach Essen suchen.

Ich drehe mich immer noch und muss aufpassen, dass ich nicht mit meinem Schwung in den Grasstreifen taumle, obwohl meine Schuhe sowieso schon durchnässt sind. In Atalanti gibt es ein archäologisches Museum in dem ich arbeite. Dort werden einige Funde aus der Grabung vom Heiligtum bei Kalapodi bearbeitet und aufbewahrt. Mit der wissenschaftlichen Hilfskraft inventarisiere ich gerade Funde von 2018 indem wir sie sortieren, in digitalen Dateien vervollständigen und fotografieren. Dabei gibt es wirklich sehr viele interessante Stücke. Mir wurde auch das kleine Museum und die Ausgrabungsstätte ausführlich gezeigt.

Wie man in zahlreichen Medien lesen konnte:

https://www.deutschlandfunk.de/griechenland-bauer-findet-antike-steinstatuen.2850.de.html?drn:news_id=942507
https://rp-online.de/panorama/ausland/atalanti-archaeologen-finden-auf-feld-in-griechenland-weitere-antike-statuen_aid-34269365
https://weather.com/de-DE/wissen/mensch/news/2018-11-04-archaologen-finden-auf-feld-in-griechenland-weitere-antike-statuen

wurden in der Nähe von Atalanti 4 Kouroi (ein Kouros ist eine meist nackte Männerstatue) aus Kalkstein und Gräber gefunden. Ein Olivenbauer wollte ältere Bäume entfernen und ist dabei auf die Statuen gestoßen. Die örtliche griechische Archäologie hat sie weiter ausgegraben. Wir sind zu der Grabung gefahren und haben sie uns angeschaut. Es gab 2 große „Löcher“, die ich auf 4 Meter tief schätzen würde. In dem einen wurden die 4 Kouroi und eine Mauer gefunden. In dem anderen gab es drei große Kalkstein und Ton Sarkophage und mehrere kleine Gräber in Keramikgefäßen. Die Statuen sind doch kleiner, als wir erwartet hatten und liegen einfach vor dem Museum, wo wir sie gut anscheuen konnten. Wir haben auch den prächtigen Schmuck aus den Gräbern bewundern können. In einem Ring steckte noch ein Fingerknochen, was ich sehr gruselig fand. Donnerstag war ich dabei, als einer der Sarkophage ausgeräumt wurde. Die Steinplatte darüber war zerbrochen und auf die darunter begrabene Person gefallen, sodass ihr Kiefer weit aufgebrochen war. In dem Grab waren viele sehr schöne Grabbeilagen, wie Gefäße mit Blumenverzierungen und vielleicht sogar einen Spiegel. Zuerst wird alles so weit frei gelegt, wie es nur geht (auch ganz klischeehaft mit Pinseln), dann muss alles dokumentiert werden, indem die genauen „Standorte“ der Funde im Sarkophag vermessen, fotografiert und gezeichnet werden. Dann werden die Gestände vorsichtig nach und nach ganz befreit und in Tüten mit entsprechenden Kärtchen gepackt. Ohne Frage ist das sehr spannend und wichtig, um alles richtig zu erforschen. Allerdings wurde dieser Mensch dort begraben, um seine Ruhestätte zu haben. Jetzt landen ihre Knochen wahrscheinlich in irgendeinem Depot und bleiben da wahrscheinlich bis sie zerfallen. Ich frage mich, ob es nicht besser wäre, wenn man die Gebeine nicht wieder rückbestatten würde und dem Toten wieder seinen zugedachten Platz gibt. Ich bin mir nicht sicher, ob mir die Vorstellung gefällt, meine Knochen werden in 2500 Jahren wieder ausgegraben und ich lande in irgendwelchen Plastiktüten, in denen mein Körper und mein Kopf auch noch getrennt werden. Oder mein Ring wird mitsamt meinem Fingerknochen ausgestellt…

Ich höre auf mich zu drehen, weil mir völlig schwindelig ist und ich zurück zum Abendessen muss. Außerdem ist es ziemlich kalt geworden. Über die Sachen, die ich noch erlebt habe, werde ich wann anders nachdenken müssen.

 

 

Vielen Dank, dass du bis zum Schluss gelesen hast. Ich würde mich über einen Kommentar freuen, damit ich weiß, ob das hier überhaupt gelesen wird! Bis bald