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In den Bergen nach der Flut

– über das Leben der Lolo, einer ethnischen Gruppe in Vietnams Norden –

Einmal war da eine Flut.

Das Wasser stieg an,

immer weiter,

reichte bis zum Himmel,

irgendwann.

Und die Menschen?

Gott rettete nur ein Mädchen und ihren jüngeren Bruder,

indem er sie in eine Bronzetrommel tat.

Das Mädchen in eine große Trommel,

den kleinen Bruder in eine kleinere Trommel.

Als die Flut vorbei war,

waren sie ganz alleine in den Bergen.

Die Beiden wurden ein Paar.

Sie wurden so die Wiedererschaffer der Menschheit,

nach der Flut.

So klingt eine zentrale Legende der Lolo.

Die Lolo, sind eine der 53 ethnischen Minderheiten in Vietnam.

Sie leben in den nördlichen Bergen,

nahe der chinesischen Grenze.

Ungefähr 3.300 Menschen, welche diese Kultur auf unterschiedliche Weisen leben,

gibt es in Vietnam.

Je nach der dominierenden Farbe in ihrer traditionellen Kleidung werden sie in

Blumen-Lolo, Schwarze Lolo, Weiße Lolo und Rote Lolo

unterteilt.

Es dauert über ein Jahr diese Kleidung zu besticken und

Mütter fertigen sie traditionell für ihre Töchter.

Diese,

mit grafischen Ornamenten bestickten Westen und Röcke,

tragen sie aber nur zu den großen Festen.

Zu Beerdigungszeremonien zum Beispiel.

Dann werden auch die heiligen Bronzetrommeln ausgegraben,

welche ansonsten an einem besonderen Ort unter der Erde verborgen liegen.

Der Philosophie des Yin-Yangs folgend,

verkörpern sie das weibliche und männliche Prinzip

und müssen deswegen gleichzeitig

von einem alleinstehenden Mann oder einem, dessen Frau gerade nicht schwanger ist, gespielt werden.

Nur so kann die verstorbene Seele ihren Weg zurück zu ihrem Geburtsplatz finden.

Die Lolo,

welche nach Sprachfamilien zu den sino-tibetischen Völkern eingeteilt werden,

leben auch in China (Yi-People) und Thailand.

Insgesamt sind es circa 8 Millionen Menschen,

welche im weitesten Sinne

ähnliche Überzeugungen und Traditionen teilen.

Den Lolo ist es wichtig in der Nähe einer Wasserquelle und in den Bergen zu siedeln.

In engen Dorfgemeinschaften von etwa 20-25 Häusern,

mit einem eigenen Friedhof

und einem Gemeinschaftsraum.

Vorgezogen wird es wenn innerhalb dieser Gemeinschaft auch geheiratet

und dann monogam gelebt wird.

Ihr Jahr zählen die Lolo in 12 Monaten,

jeder ist einem Tier zugeordnet,

feiern aber auch das chinesische Neujahr.

Eine eigene Bildschrift gab es einmal,

diese wird allerdings heute kaum bis gar nicht mehr verwendet.

Stattdessen

steigt das Bildungsniveau nach westlichem Vorbild.

Als ich auf dem Moped durch den Dong Van Karst Global Geopark in der

touristisch unbekannteren Ha Giang Provinz fahre,

begegnen mir immer wieder Frauen in bunten Röcken, Leggings, bestickten Westen und Winterjacken,

die auf ihrem Rücken in Bambus- oder Plastikkörben Holz oder ihre Kinder die steilen Bergstraßen hinauftragen.

Wenn ich die Dörfer durchquere kommen mir oft

fahrradfahrende winkende Kinder entgegen.

Sie kommen aus den

,häufig eigens für eine ethnische Gruppe bestimmten,

Schulen.

Die Schilder an den Schulen helfen mir diese Menschen

ungefähr in das Netz aus unbekannt,

geheimnisvoll klingenden Namen:

Hmong, Pupeo, Tày und Lolo

einzuordnen.

Nur eine illusorische Idee

erhasche ich so,

wie das Leben dieser Menschen,

hier abgeschieden in den Bergen,

ca. 6 Stunden von Hanoi entfernt,

(über 90% gehören hier zu einer ethnischen Minderheit Vietnams)

wohl sein mag.

Im Dezembernebel blicke ich auf die Reisterrassen,

auf den Fluss im Tal

und die Holzhäuser an den grünen Hängen.

Vorwiegend von dem arbeitsintensiven Reis und Maisanbau

leben

die Menschen hier.

Auch Viehzucht und der wachsende Tourismus unterstützen das Einkommen der Bewohner,

welche laut Einkommensstatistik zu den Ärmsten Vietnams gehören.

Für mich war es eine Reise in

eine vergessene Märchenwelt.

In mir

erstrahlt die kindliche Freude,

die ungläubig staunend,

jeden Atemzug,

dieser kalten Winterluft

im Fahrtwind

tief einatmet.

Quellen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Völker_Vietnams

https://north-vietnam.com/ha-giang/

Berührende Portraits :

http://wordvietnam.com/people-culture/the-big-story/the-ethnic-minorities

Lolo:

http://www.vietnamtourism.com/en/index.php/about/items/1827

http://www.trekkinghagiang.com/things-to-see/lo-lo-ethnic-group-ha-giang-vietnam/

https://www.traveldudes.org/travel-tips/lolo-ethnic-group-vietnam/15802

http://www.trekkinghagiangtour.com/ha-giang-tour-stories-from-the-highlands-of-the-lo-lo-ethnic-minority/

Über ihre traditionelle Kleidung:

http://hauteculturefashion.com/lung-cu-lolo-ethnic-minority-vietnam/

        http://hauteculturefashion.com/ethnic-travel-vietnam-black-lolo/

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Der vierte Monat

Ein Sonnenaufgang

irgendwann ist die Sonne wohl aufgegangen

in den Winterwolken

im Nebel

hinter den Reisfeldbergen.

Ich bin schon unterwegs,

schon wieder.

Denn für wenige Stunden ist Licht.

Licht, dass den Weg hinauf und hinab weist.

Licht, dass auf dem Asphalt einen Teppich auslegt.

Licht, dass tief in mich reflektiert.

Ein Sonnenuntergang,

in Pastell und hinter den Wolkenkratzern,

verteilt sich

flugmüde

die Zeit,

zwischen den Leben,

hier und hier.

So bleibt:

Die Melancholie der Straßenlaternen.

Sie besingt im Echo des Gefühls

die Momente als Geschichten.

Eine Rakete veredelt den Nachthimmel funkelnd,

es dröhnt der Knall,

im Kerzenschein.

Warten, dass diese Nacht nie vergeht.

Zwei Horizonte versuchen

einen Kreis formen.

 

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Der dritte Monat

Der Hunger nach Welt
Ich erkenne die Sterne wieder

in der Nacht

als die Welt still wird

nur Zikaden zirpen

Ich schlafe weniger

weil tanzen lebendiger ist

und die Welt vor meiner Tür

Hochzeit feiert und Häuser baut

Ich finde den Baum

nicht mehr vor lauter Wald

und verliere mein zu Hause

in so viel Stadt

Ich schmecke die Sehnsucht

das Obst vom Markt

meinen Alltag

Diese Welt pulsiert in mir

schwillt an als Suche nach Jahreszeiten

entlädt sich dann in der Flucht in den Norden

Reise ins Märchenland

Diese Welt versucht anzukommen

das Chaos ertragen

indem die Einsamkeit still leuchtet

wie ein Stern

Millionen Lichtjahre entfernt

      Brauchst du Abstand oder mehr Nähe in dieser Welt?

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Auf dem Boden

Zwischen Plastikstühlen und fahrbaren Verkaufsständen findet in Saigon ein Großteil des Lebens auf der Straße statt. Überall sind Menschen am Plaudern oder Essen. In den hohen bunten Gassen bleibt der Duft von gebratenen Fleisch hängen.

Und auf dem Boden liegt der Müll.

Plastikbecher, Plastiktüten, Essensreste, Bierdosen und gefüllte Müllbeutel.

Später dann im braunen Fluss treibt der Müll langsam in Richtung Pazifik.

Es stinkt, wenn man den Fluss überquert. Ein Duft, den man nicht beschreiben will.

Warum?

Fehlt es an Bewusstsein, Infrastruktur oder Verantwortung?

Vietnam gehört mit China, Indonesien, Thailand und den Philippinen laut eines Berichtes der NGO „Ocean Conservatory“ zu den Ländern, die für über 60% des Mülls in den Weltmeeren verantwortlich sind.

Diese Länder sind alle in den letzten Jahren wirtschaftlich besonders schnell gewachsen.

Wachsender Wohlstand, bedeutet auch wachsender Plastikkonsum.

Kein Marktbesuch ohne Plastiktüte.

Kein Eiskaffee ohne Plastikbecher und Strohalm, zum leichteren Transport, verpackt in einer speziellen Becherplastiktüte.

Keine Mahlzeit zum mitnehmen von der Garküche ohne Besteck, Tüte und Styropordose.

Kurz verwendet, schnell entsorgt, auf der Straße, in den Fluss oder in einen Müllbeutel.

Gefüllte Müllbeutel werden jeden Tag von der städtischen Müllabfuhr abgeholt.

Also stell deinen Müll, ungetrennt, einfach auf den wenn vorhandenen Bürgersteig, hat mir meine Vermieterin am ersten Tag hier erklärt.

Warte dann auf die Ratten, die Müllabfuhr oder die ve chai.

Die ve chai, sind private Müllsammler, die etwa 20% des städtischen Mülls, besonders Plastikflaschen, Dosen und Papier, sammeln und zu privaten Recyclinganlagen bringen.

Das ist gut, besser als den Müll einfach zu vergraben oder zu verbrennen, wie es mit den anderen 80% geschieht.

Leider sind sowohl die Mülldeponien, als auch die privaten Recyclinganlagen unzureichend im Bezug auf toxische Substanzen ausgestattet.

Die Mülldeponien haben Lecks.

Die Recyclinganlagen keine Kapazitäten toxische Substanzen fachgerecht zu entsorgen.

In ländlichen Regionen ist diese Infrastruktur nur rudimentär ausgeprägt.

Nur 40-60% des Mülls werden dort tatsächlich entsorgt. Der Rest bleibt am Wegesrand liegen oder wandert mit dem Fluss in den Ozean.

Und nun?

Es gibt eine „National Waste Strategy“, die vorsieht 85% des Mülls in den Städten zu recyclen. Es gibt außerdem lokale, wie internationale Organisationen, die Müll aufsammeln und das Bewusstsein der Bevölkerung erhöhen wollen (zum Beispiel Sach&Xanh aus Saigon).

Bis 2025 steigt der Plastikkonsum in den asiatischen Ländern laut Prognosen auf über 200 Millionen Tonnen pro Jahr.

So gibt es wohl zwei Szenarien für die Zukunft.

Eins

Überall liegt Müll und es stinkt, man trägt eine Atemmaske und bahnt sich den Weg. Die Straßen sind leerer an Menschen geworden, voller an Müll. Die Fischer haben Probleme Fisch zu fangen, da es mehr Plastik als Fisch gibt im Meer und im Fluss.

Zwei

Die Lecks in den Mülldeponien sind minimiert, Müll wird in Elektrizität umgewandelt, bessere Recyclinganlagen werden gebaut und der Entsorgungsservice in den Städten, wie auf dem Land verbessert.

Das sind nach „Ocean Conservatory“ die vier notwendigen Maßnahmen, welche in Vietnam, wie auch in den anderen asiatischen wirtschaftlich stark wachsenden Ländern umgesetzt werden müssen. Dann, könnten allein diese fünf Länder (Indonesien, China, Thailand, Philippinen und Vietnam), zu einer Minimierung von über 45% des Plastikmülls, der weltweit in die Meere gelangt, beitragen.

Innovative Technologien wären notwendig und hohe Investitionen.

Und auch das Bewusstsein und Verantwortungsgefühl jedes Einzelnen müsste sich ändern.

Schon sehe ich Plakate auf den Straßen, bunt gezeichnet, die darauf verweisen, seinen Müll in den entsprechenden Müllkörben zu entsorgen.

Die Schüler freuen sich, als wir Wiederverwendbare-Plastikflaschen bemalen.

Immer mehr NGO´s und Unternehmen beschäftigen sich hier in Vietnam mit dem Thema.

Also Hoffnung?

Diskussionen beginnen.

Hier und überall auf der Welt, wo es ähnlich aussieht.
Denn auch wenn es vielleicht nicht überall stinkt, weil das Müllentsorgungssystem funktioniert, werden täglich über 3,5 Millionen Tonnen Plastik konsumiert.

Überall.

Meine Mitfreiwilligen und mich beschäftigt dieses Thema wirklich sehr.
Einen großartigen Beitrag zu dem Thema hat Leonie geschrieben:
http://www.stay-with-me.de/informationen/blog/

Meine Quellen:

https://e.vnexpress.net/projects/trash-talk-vietnam-slowly-sinking-under-mountains-of-waste-3633166/index.html

https://umvietnamstudy.wordpress.com/2013/01/06/trash-in-vietnam-a-problem-too-big-to-sweep-under-the-rug/

https://oceanconservancy.org/blog/2017/08/04/72-hours-vietnam-observations-craft-recycling-villages/

https://www.forbes.com/sites/davisbrett/2016/04/30/vietnams-littering-epidemic/#78926cf9725d

https://www.ecowatch.com/these-5-countries-account-for-60-of-plastic-pollution-in-oceans-1882107531.html

http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/abfall-prognose-die-vermuellung-der-welt-a-930919.html

 

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Blicke aus meinem Fenster

  

Wenn ich die Augen öffne und meine Balkontür auch, dann erblicke ich Häuser und Dächer und eine Gasse. Ohne mich zu bewegen kann ich dem Treiben der Menschen zu sehen. Menschen beim Häuserbauen, beim Essen in der Garküche, beim Ballspielen und Karaoke-Singen. Kann betrachten, wenn der Regen fällt.

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Der zweite Monat

Mango, Passionsfrucht, Maracuja und Annans

mein Kühlschrank ist voll

Ich

mit wenigen vietnamesischen Worten

allein auf den Markt der Farben

allein im Unterricht

allein sein

Bedeutet das Angekommen sein?

Unterwegs

mit dem Boot

dem Flugzeug

dem Bus durch das Land

es stürmt und es brennt

die Sonne, der Himmel, mein Herz

Plastiktüten, Blätter und Fragen

wirbeln durch meinen Kopf

Spazierengehen zwischen den Bauten der Ungerechtigkeit

warum wohnen Menschen in Hütten auf Müll und Sumpf gebaut

mit Blechdächern und ohne fließendes Wasser

während

andere Menschen hinter Stacheldrahtzäunen ihre Kinder von der Elite-Schule abholen lassen und die Klimaanlage ein bisschen höher stellen, damit der Apfel besser schmeckt

während

für mich

im goldenen Licht unter dem Mückennetz

jeder Gedanke leicht geschrieben ist

ich beide Welten besuche in ihrem Haus

und dann

mit lachenden Gesichtern

das Leben feire

jung und frei

mich am nächsten Morgen dann

schäme für die Kontraste und meine Schuld daran

Vor meinem Fenster spielen Vögel und Kinder und schief gesungene Lieder verrückt

in meinem Kopf findet sich für Soziale Ungerechtigkeit keine Metapher

und das Prasseln des Regens wird zu Paukenschlägen

die den Zusammenhang

zerstören

und

mindestens

30.000 Häuser

und

89 Leben

   im Südosten und Norden Vietnams

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Gefühltes Zuhause

 

 Es sind 11.641 km, 63 Tage und 6 Stunden Zeitdifferenz von hier bis zu meinem Zuhause in Leipzig. Von hier, meinem neuen Zuhause in Saigon bis in die Vergangenheit, meine Geborgenheit, meine Kindheit.

Und irgendwo zwischen den Kontinenten versuche ich Anzukommen. Vielmehr als ein Ort ist es doch immer das Gefühl, welches mein Zuhause ist. Das Gefühl, ein Vertrauen, ein Glauben an sich selbst und die Welt, dass sie gut ist und es wunderschön lebendig zu sein. Dass es ziemlich unglaublich ist dieses zufalls-schicksals Leben, genau jetzt hier. Egal wo.

Es ist das Gefühl, wenn ich mit Leonie auf ihrem Bett liege, das warme Licht der neuen Lampe scheint,wir Eis, Joghurt oder Maracuja essen, meistens alles davon und ich ganz aufgeregt bin, weil ich nicht erwarten kann ihr alles zu erzählen und nicht weiß wo ich anfangen soll, weil die letzten Tage wieder so viel passiert ist. Dann genieße ich es bei ihr zu sein, zu zuhören, verstanden zu werden. Und ich glaube dann wirklich, dass alles gut ist und wird, weil wir ansonsten einfach so lange weiter reden bis es stimmt.

Und es ist das Gefühl, wenn ich aus dem klimatisiert kalten Cafe nur einige Minuten von meiner Wohnung entfernt, trete, in dem ich einen köstlichen Mango Smoothie getrunken habe und Saigons warme Luft mich umarmt und trägt. Mein Blick beim Nachhauselaufen fasziniert in jedes Schaufenster und in jede Seitenstraße wandert. Dann finde ich sie so wunderschön, so leicht und offen diese Stadt in der ich nun leben.

Es ist dieses Gefühl auf einem Berg im Bach Ma Nationalpark zu sitzen, während in Sekundenbruchteilen der Nebel aufbricht und eine Hügellandschaft im satten Grün entsteht und Atemzüge später wieder verschwindet, zu Nebel wird. Es ist still und unendlich laut, die Natur um mich. Und ich mitten in ihr so lebendig, klein und grenzenlos.

Es ist das Gefühl seine Stimme zu hören und die Vögel zwitschern im Hintergrund. Es ist das ziehende Sehnen, dass einen Raum erschafft ohne Distanz, in dem wir uns begegnen und deine Worte alle Welt übertrumpfen an Wirklichkeit.

So ist es unendlich dieses Gefühl von Zuhause für mich. Ich suche es jeden Tag hier, verloren im überfordernden Chaos, dass ich liebe, weil ich es nicht verstehen kann. Ich atme die verstaubte Luft, mein Stückchen Himmel hier, ein. Fühle mich lebendig, geliebt und dankbar, zuhause in dieser (Innen)Welt, zwischen Leipzig und Saigon.

Mit Leonie, Paul und Carlotta denen es gerade ganz ähnlich geht, habe ich für sagwas.net über Zuhause und Ankommen gesprochen, welche Herausforderungen man sich stellen muss, auf der Suche nach einem Zuhause auf Zeit. Entstanden ist ein Film den ihr hier sehen könnt:

Zuhause auf vietnamesisch

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Religionen in Vietnam – Augen auf

Auf der Suche nach einem Rückzugsort in der lauten Großstadtwelt betrete ich barfuß Pagoden, Tempel und Kirchen. Finde, mir (un)bekannte Religionswelten und spüre, dass sich vor mir ein Labyrinth aus Mythen, Bekenntnissen und Traditionen erstreckt. Finde Stille und Glanz. Ich will in dem Moment aufgehen und darüber hinaus doch auch versuchen zu verstehen. So verweile ich im Schneidersitz und beobachte mich selbst in einem neuen Kosmos aus Religionen in Vietnam.

   Daoismus

Als ich die Augen wieder öffne sitzt ist da ein Mann mit schwarzen strähnigen Bart um ihn herum bunte Drachen. Ich bin in einer daoistischen Pagode. Daoismus, das ist die Lehre des Weges. Das Dao, das allem immanente und grenzenlos transzendente Prinzip, welches der ganzen Welt zu Grunde liegt und über das, weil es alle Widersprüche vereint, sich nichts aussagen lässt, ist das zentrale Element der daoistischen Lehre. Alles ist in einem permanenten spontanen Wandel, welchen der Mensch geschehen lassen soll. Gleichmut, Relativierung und Nicht-Eingreifen in das Dao, bilden daher die zentralen Wertvorstellungen und sind einziger Weg zu einem wahren Glück. Auf Lao Tses Lehren aus dem 4.Jhdt. v. Chr. geht diese Weltanschauung, die Philosophie und Religion sein kann, zurück. Noch heute ist der Daoismus mit seinen Lehren in Südostasien prägend und manifestiert sich zum Beispiel auch in den Praktiken des Qi Gong und Feng Shui.

Buddhismus

Als ich die Augen wieder öffne sitzt vor mir ein goldener Mann, um ihn herum liegen Äpfel und Pomelos, sind Blumen und Räucherstäbchen aufgestellt. Ich bin in einem buddhistischen Tempel, davon gibt es viele hier in Vietnam seit dem 2. Jahrhundert vor Christus, als der Buddhismus aus China und Indien durch Gesandtschaften aus Mönchen hierher kam. Während der Kaiserzeit war er sogar Staatsreligion. Heute schwanken die Angaben wie viele Menschen sich zum Buddhismus bekennen, 15 , 66 , 9,3 Prozent. Verschiedenste Strömungen des Buddhismus gibt es in Vietnam, zu unterscheiden sind sie für mich als Laien schwer. Doch auch die Gläubigen, erklärt man mir, sehen keine Widersprüche und harte Grenzen zwischen den Lehren, sie verbinden verschiedenste Praktiken, leben den Synkretismus *. Auch andere Götter werden verehrt und Ahnen angebetet. Der Kern ihrer buddhistischen Religion ist der Glaube: an eine Befreiung durch Buddhas Hilfe, an die vier edlen Wahrheiten und den achtfachen Pfad. Zeremonien gibt es am Nachmittag, zur Dämmerung und zu den Mondfesten.

Cao Dai

Als ich die Augen wieder öffne schreibt Victor Hugo „Gott und Humanität. Liebe und Gerechtigkeit“ auf eine Leinenpapier um ihn herum ein vietnamesischer Gelehrter (Trang Trinh) und ein chinesischer Revolutionsführer (Sun Yat Sen). Die 1926 im Süden Vietnams von Ngo Minh Chieu nach Offenbarungen des Gottes Cao Dai („hoher Altar“) begründete Religion, strebt die Verschmelzung aller bisherigen Offenbarungen an. Sie sieht Jesus und Muhammed, Konfuzius und Victor Hugo, Lao Tse und Buddha als Propheten an und im Cao Dai die dritte Offenbarung und Vollendung dieser Lehren. Für Cao Dai haben alle diese Lehren den selben göttlichen Ursprung und sich bloß unterschiedlich manifestiert. Ziel der Religion ist keine komplette Vereinheitlichung aller Religionen, sondern ein toleranteres Miteinander im Sinne der Grundwerte Liebe und Gerechtigkeit. Der Caodismus lehrt zum Beispiel, wie der Buddhismus, die Seelenwanderung und stimmt mit seinen moralischen Geboten mit Islam und Christentum weitgehend überein. Die Hierarchie wurde von der katholischen Kirche übernommen. Das Symbol der Religion ist das Auge der Vorhersehung, es steht für das Herz, die Quelle des Lichtes und das Licht und der Geist sind eins, Gott ist der Schein des Geistes in der caodistischen Vorstellung.

 

Christentum

Als ich die Augen wieder öffne steht vor mir eine Frau in einem langen Gewand, darüber hängt ein Kreuz woran ein leidender junger Mann mit langem Haar hängt, um das Kreuz sind blinkende Neonröhren. Durch europäische Missionare kam im 16.Jhdt auch das Christentum, vorwiegend katholisch, nach Vietnam und wurde dann unter dem Druck der französischen Kolonialherrschaft in Vietnam verbreitet. Seitdem gibt es hier auch viele Kirchen, welche vom Stil wie die europäischen Kirchen sind und auch die Messe läuft ähnlich ab. Doch gibt es für mich auch einige Unterschiede. Zum Einen merke ich in den Kirchen die Einflüsse eines anderen ästhetischen Empfindens, so gibt es eine pinke Kirche, bunt flackernde Kreuze auf den Kirchtürmen und Neonröhren mit den Namen der Heiligen in deren Kapellen. Zum Anderen ist das Christentum in Vietnam in meinen bisherigen Erfahrungen nahtlos mit anderen Religionen und Bräuchen verbunden. So war ich bei einer vietnamesischen Familie zu Hause, fand dort einen Ahnenaltar, mit Bildern und Räucherstäbchen und einen weiteren bunten Altar für andere buddhistische Gottheiten. Als ich dann fragte welcher Religion sie denn angehörten, antwortete mir My, sie sei Christin und würde jeden Sonntag in die Kirche gehen.

Als ich die Augen wieder öffne sitze ich noch immer noch barfuß auf den Fließen im Schneidersitz und fühle mich wie zeitgereist. Der Motorlärm wird in meinem Kopf wieder lauter, vor dem offenen Fenster der Strudel der Geschäftigkeit der Stadt. Auch dort an den Bäumen am Straßenrand, an den Bussen und Autos, in den Läden und Banken sind in irgendeiner Ecke immer wieder einige Räucherstäbchen, Bilder oder kleine goldene Statuen, zu finden, Verweise auf ein Verbindung ins Weite. Vietnam, sich selbst offiziell als mehrheitlich atheistisch bezeichnendes Land, zeigt sich mir voller Traditionen aus verschiedensten Kulturkreisen, so gibt es Moscheen und Kirchen, Tempel und Pagoden, auch hinduistische Tempel und wahrscheinlich noch viele Religionen mehr, welche ich hier unerwähnt lasse. Doch vor allem gibt es einen privaten, ganz persönlich vermischten Glauben mit Kulten, die auf der Straße, so wie im Wohnzimmer praktiziert werden. Dabei beobachte ich, wie die Definitionsgrenzen und Dogmen von Religion an Konturen und Wichtigkeit verlieren in meinem Kopf.

Es gäbe noch viel mehr zu Religionen in der sozialistischen Republik Vietnam zu schreiben. In meinen Bildern fehlt die dunkle Schattierung, fehlen die historischen Kontexte, fehlen die Konflikte. Offiziell ist in Vietnam die Religionsfreiheit und Gleichheit aller Religionen vor dem Gesetz in der Verfassung (Artikel 70) festgeschrieben, dies gilt allerdings nur für staatlich registrierte Gemeinschaften. Das im letzten Jahr in Kraft getretene neue Religionsgesetz wurde von Menschenrechtsorganisationen und dem interreligiösen Konzil Vietnams stark kritisiert. So erhöht es, auch nach Angaben der Regierung, die Möglichkeiten zur Überwachung der Religionsgemeinschaften durch die Regierung. Den Gemeinschaften ist es verboten die nationale einheitliche Ordnung zu stören. Besonders aus den ländlicheren Religionen Vietnams gibt es viele Berichte über Personenkontrollen während der Zeremonien und über Verhaftungen von Mitgliedern.

Solche politischen Kontexte sind auch wichtig für das Verständnis von Religionen in Vietnam, doch es fällt mir schwer nach so kurzer Zeit hier, die Situation wirklich kritisch zu beurteilen. 

Die meisten Fragen bleiben bestehen, ich will deshalb weiter mit offenen Augen, meinen Weg durch dieses faszinierende Labyrinth suchen.

 

 

*Synkretismus: bedeutet die Verschmelzung verschiedener religiöser und philosophischer Praktiken zu einem eigenen System

 

 

 

Meine Quellen:

Allgemein:

https://www.vietnam-special-tours.de/land-leute/

http://www.farang.de/Landinfo/Vietnam.html

https://en.wikipedia.org/wiki/Buddhism_in_Vietnam (sowie alle Wikipedia Artikel zu den einzelnen Religionen, zu Pagoden, Feng-Shui, Kultur in Vietnam, etc.)

Zur Geschichte:

http://www.vietnam-aktuell.de/vietnam-info/geschichte-vietnam/


Cao Dai:

http://www.caodai.org/web/content.aspx?pageID=1

https://www.britannica.com/topic/Cao-Dai

http://www.patheos.com/library/cao-dai

Zur Religionsfreiheit und dem neuen Religionsgesetz:

http://www.scmp.com/week-asia/politics/article/2051224/vietnams-new-religion-law-smokescreen-political-repression

https://www.liportal.de/vietnam/gesellschaft/

http://www.missio-hilft.de/media/thema/religionsfreiheit/laenderberichte/09-vietnam.pdf

 

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Der erste Monat

Die Luft ist so warm,

dass alles zu Welt wird

alles aus mir wird nach aussen geschleudert

wie ein Strudel aus blinkenden Lichtern

vermischt sich

dann wenn der Regen fällt

für viele Stunden

wird mein Ich in die Stadt davon geschwemmt

der Regen auf meiner Stirn

reinigt, weil er lähmt

jede Bewegung in Frage stellt

was mach ich hier

ich nicke, lächle und laufe weiter

um mich ganz zu verteilen

in jedem Café

an jeder Kreuzung

und auf den Dachterrassen der Stadt

wirbeln meine Fasern durcheinander

meine schwitzende Haut,

versuche jetzt mit Stäbchen

Suppe zu essen

darüber kann ich lachen

zum Glück

zwischen den Wirklichkeiten

meiner Wirklichkeit und die dieser Stadt

sie sind nur zeitverschoben kongruent

ich muss diese Stadt, diesen Lärm, diese Fülle verlassen

damit in mir mehr Raum wird der ihr Resonanz gibt,

jedes Mal wenn ich meine Tür verschließe

fühlt es sich realer an

unglaublich lebendig

noch summe ich bloß

weil Worte Rätsel

und Begegnungen häufig nur monetärer Austausch sind –

ein Danke

ein Tschüss.

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Morgen im Mekong Delta – Doppeltbelichtete Flussszenerie

Während ich am Fenster sitze und die Sonne über Can Tho, einer Stadt im Mekong Delta, ca. drei einhalb Stunden von Saigon entfernt, den Himmel in ein pastellfarbenes Licht taucht, höre ich einen Hahn krähen, fühle mich ruhig und genieße die für mich strahlende Harmonie. Eine idyllische Szenerie, mitten in der viertgrößten Stadt Vietnams. Später empfinde ich auch auf dem kleinen Motorboot, welches uns sechs Freiwillige zu den schwimmenden Märkten, einer Kakaoplantage und einer Reisnudelfabrik bringt, immer wieder dieses wohlige Gefühl der Ausgeglichenheit. Und ich kann durchatmen, ankommen, denn die Luft schmeckt anders hier als in Saigon, ein bisschen frischer, ein bisschen freier. An unserem Boot vorbei treiben andere Boote, Hausboote, Touristenboote und Marktboote, auf denen zum Beispiel Gemüse und Obst verkauft wird und vorbei treibt auch Müll, ziemlich viel Müll. Das Leben auf den Booten und den Stelzenhäusern, ein buntes Chaos aus aufgehängten Habseligkeiten, lässt sich sehnsüchtig betrachten. Doch sie lässt sich nicht Verdrängen, die Dissonanz, der schwimmende Plastikmüll und die Ahnung, dass ein solches alltägliches Leben auf einem tropischen Fluss, nahe einer wachsenden Großstadt harte Arbeit bedeutet. Die schwimmenden Märkte im Morgenlicht glänzen unbeirrt voll Anmut. Wir kamen hierhin um den Alltag zu durchbrechen, fern der Großstadt eine andere Facette Vietnams zu erkunden und wir fanden:



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