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Der Geist der Freundschaft

  – Kunst in Saigon –

 

Es ist eine Reise dem Begehren folgend auf der Suche nach den Fragmenten der Bedeutung.“ – Lap Xuan („Nothingness“ – HCM – 2017)

Auf der Suche sein nach Sinn und Verstehen. Auf der Suche nach Orten, die über das Materielle hinaus weisen. In Dimensionen der Tiefe wandeln. Im Kunst Erleben leben – ich fange an aufmerksamer zu finden.

Fragment eins:

Als einen Heilungsprozess, beschreibt Lap Xuan (*1986) ihre Performances. Sie sitzt auf einem der niedrigen Metallhocker und strahlt dabei eine sympathische Nähe aus. Hinter ihr auf der Wand steht „Don´t mess with my art“, ein Überbleibsel einer anderen Performance hier in Gallery MoT+++. Zugegeben es ist ein ungewöhnlicher Ort für eine Galerie, eine halbe Stunde vom Stadtzentrum entfernt in Binh Quoi, im Erdgeschoss eines edlen Apartmentgebäudes. Die Anziehung dieses Ortes ist dennoch groß, denn sechs Monate lang finden hier Performances und Artist Residences statt. Überall konservieren Relikte der kostbaren Momente die Visionen vergangener Performances. Es lässt sich nicht verraten was geschehen ist, es ist in die Körper und Objekte übergegangen. Aber es lässt sich neu anders erleben, wenn man will und vielleicht kann es auch heilen.

 

 

Fragment zwei:

An den bemalten Wänden hängt Marias Masterarbeit über die „vietnamesische“ Kunstszene. Sie ist „researcher in residence“ und stellt so ihre Beobachtungen und Forschungen zum Diskurs bereit. Es geht darum die westliche souveräne Forschungsperspektive aufzugeben und sich selbst in der Bewegung zu reflektieren. Eine wichtige Methodik, welcher die These, dass westliche Kunstparadigmen noch immer stark die Ausbildung und Standards asiatischer zeitgenössischer KünstlerInnen dominieren, vorwurfsvoll entgegen steht.

Fragment drei:

Schaue ich mich im Raum um, ist es schwer zu sagen, wer nicht KünstlerIn ist. Fast alle die hier sind schaffen in irgendeiner Weise. Jeder Blick ist herzlich und meint, wir sind Menschen und aus Freude machen wir eben Kunst. Keine Hierarchien und Vermarktungsfassaden. Freude und Leidenschaft, als Motivation, weil Ruhm auch nur selten eine Option ist. Wir alle sind irgendwie KünstlerInnen, singt der Geist der Freundschaft hell und tanzt umher.

Fragment vier:

Schon die erste moderne Ausstellung, welche ich hier in Saigon besuchte, stand genau unter diesem Motto – Spirit of Friendship. The Factory of Contemporary Art, der größte Ausstellungsort moderner Kunst in Saigon (Distrikt zwei) veranstaltete im Rahmen dieser auch Diskussionsveranstaltungen und Vorträge. Dabei wurden die Probleme der lokalen Kunstszene sehr konkret öffentlich benannt. Es fehlt an staatlichen Strukturen, KritikerInnen, KuratorInnen, KäuferInnen. Die Kunstszene scheint im immateriellen Schatten der konsumierenden Großstadt gefangen. Auf der Suche nach sich selbst und Verbündeten, muss sie kooperieren um zu bestehen.

Viele KünstlerInnen emigrieren ins Ausland erst zum Studium und dann finden sie dort Ausstellungsorte, bleiben. Verständlich, an den vietnamesischen Kunsthochschulen lerne man vor allem zu reproduzieren und schön zu malen, um zu verkaufen – erklärt ein älteres Mitglied eines KünstlerInnenkollektivs. Er schloss sich nach dem Studium deshalb mit seinen Kommilitoninnen zusammen. So waren sie unabhängiger und konnten sich endlich ausprobieren. Ganz im Sinne des Geistes der Freundschaft natürlich.

Fragment fünf:

Fast alle Veranstaltungen sind kostenlos. Wenn man schaut, findet man Kunst auf einmal wirklich überall. An den weißen Wänden der kühlen Cafes (z.Bsp: Red Door, Soma oder L´uisine) hängen Fotografien oder Gemälde. Auf den improvisierten Leinwänden laufen experimentelle Kurzfilme (z.Bsp: Saigon Outcast, the Hive, Yoko…). Auf den Holztischen kann man durch das Saigon Artbook blättern (z.Bsp: inpages, Factory…). Zwischen den dicken Seiten atme ich endlich die Bedeutung ein. Der Geschmack von Wassermelonenesaft liegt noch auf meiner Zunge, als ich zum ersten Mal Bao Zoans Fotografien von Saigon sehe. Blinzel und mit aufgerissenen Augen minutenlang anstarre. Die Bilder überlagern die Stadt seitdem mit ihrem tiefenscharfen Filter. Ich schreibe ihm, man könnte meinen, beseelt vom Geist der Freundschaft, aber das wäre wahrscheinlich zu pathetisch.

Bao Zoan antwortet mir auf meine Mail via Google Übersetzer:

Er war Automechaniker und kündigte um frei zu sein, um die Stadt zu erkunden. Er fotografierte und sah so die Freude des Momentes. Nach einem Jahr verstand er, dass die Fotografie ihn erwählt hat. Es ist ein Prozess, der von den kleinen Dingen ausgeht und ihn jeden Tag wachsen lässt.

 

c. Bao Zoan – https://www.instagram.com/p/BZEoNG5gpkp/?taken-by=baozoan

 

Kunstorte in Saigon:

  • Gallery Quynhhttp://galeriequynh.com
  • Gallery MoT+++ http://motplus.xyz
  • The Factory of Contemporary Arthttp://factoryartscentre.com/en/home/
  • inpages, Soma, Vin Galleryhttp://www.vingallery.com/showing
  • in Coffee Shops (Snap Cafe, Red door, L´uisine…)
  • Chaos Downtown (Le Thi Rieng)
  • Bao Zoan: https://www.instagram.com/baozoan/
  • Lap Xuan: http://lapxuan.info (1)

Mehr über Kunst in Vietnam:

The 6 Best Art Galleries in Ho Chi Minh City, Vietnam

https://www.nytimes.com/2017/08/11/arts/design/vietnamese-art-has-never-been-more-popular-but-the-market-is-full-of-fakes.html

http://www.vervemagazine.in/travel-and-spaces/playing-to-the-galleries-vietnam

https://www.citypassguide.com/en/travel/vietnam/blog/blog/the-saigonese-art-scene

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