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Tag 174 – Versumpfen

Der Wecker klingelt, ich höre ein grummeliges „Och nee“ aus Richtung Christian. Noch etwas verschlafen tapse ich in die Stube wo ich von Helen und Arne mit der ersten Anekdote des Tages begrüßt werde: Um Punkt sieben ist Helen hochgeschreckt mit der Frage: „War Sonja gerade hier?“ Ich glaube, das war Vorfreude 😉

Vom Herumgealber und Gekicher angelockt, kommt auch bald Christian aus seinem Nest und wir stillen unseren Frühstückshunger an dem riesen Teller selbstgemachten Kuchen, den uns die Vermieterin gestern vorbeigebracht hat (entgegen Arnes Befürchtung bleibt kein Krümelchen übrig). Als wieder alles im Auto verstaut ist, verabschieden wir uns vom Vermieter, lassen unser Auto jedoch vorerst auf dem Hof stehen. Schließlich haben wir gestern einen kleinen Wanderweg entdeckt, den wir jetzt – praktisch als Osterspaziergang – in Angriff nehmen wollen.

Und obwohl das zunächst einmal ein bisschen melodramatisch klingt: Der erste Teil des Weges wird durchaus anstrengend, da wir uns unseren eigenen Pfad durch eine matschige Kuhweide bahnen dürfen. Schon bald erfüllt ein fröhliches Schmatzen die Luft, ergänzt von dem ein oder anderen Seufzer. Nachdem wir die Herde unter vielen wachsamen Kuhaugen passiert haben, macht Arne kehrt, um sich mit den Tieren anzufreunden. Wir anderen schauen ihm gespannt (und zugegebenermaßen auch etwas belustigt) dabei zu.

Danach gewinnen wir wieder festen Boden unter den Füßen, als wir einen Damm besteigen und uns auf den Weg zurück zum Dorf machen. Ab ins Auto und nach Krapje, denn nach der Wanderung ist bekanntlich vor der Wanderung. Kaum ausgestiegen werden wir von einem jungen Hund angesprungen – unser „Fremdenführer“, wie uns sein Herrchen aus dem Fenster zuruft. Ein Stück des Weges begleitet er uns schwanzwedelnd (und seine Nase in unfeine Dinge steckend), dann kehrt er um. Wie gehen hingegen weiter, zuerst zu einer Wiese voller Schweine mit Kringellöckchen, dann zu einem Aussichtstum und schließlich entlang der Straße zurück.

Eine kurze Fahrt mit dem Auto, dann erreichen wir auch den letzten Punkt auf der heutigen Liste: Jasenovac, das einstmals größte Konzentrationslager Kroatiens und nach Gefangenenzahlen eines der größten in ganz Europa. Vom „Auschwitz des Balkans“ selbst ist nichts mehr erhalten, aber es gibt eine kleine (geschlossene) Gedenkstätte und ein Mahnmal. Die Infotafeln sind so vergilbt, dass man sie kaum noch lesen kann und im Mahnmal selbst steht nur eine einzelne Kerze. Kein Wunder: Dieser Teil der Geschichte ist in Kroatien – ganz anders als in Deutschland – kaum präsent. Und doch, wie dieser Ort zeigt, nicht ganz unwichtig.

Und für alle, die es eher in bewegten Bildern mögen: https://www.youtube.com/watch?v=7RDs2Vuw_AQ – ein aktueller, serbischer Spielfilm über das Lager.

Mit Christian am Steuer treten wir danach unseren letzten Teil der heutigen Reise an: Auf der Autobahn geht es nach Slavonski Brod, der zweitgrößten Stadt Slawoniens. Wir checken in unser geräumiges Apartment ein und schälen uns aus den schlammverkrusteten Wanderstiefeln und den ebenso treckigen Hosen. Eine*r nach der bzw. dem anderen verschwindet unter der Dusche, ein Festessen wird vorbereitet und zum krönenden Abschluss spielen wir eine Runde Karten. Alles andere muss und kann bis morgen warten.