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Tag 139 – Muscheln

Letzter Tag in Osijek – und was für einer! Eigentlich haben wir so gar keinen Plan, was wir heute noch machen wollen. Das Slawonien-Museum hat zu und ansonsten steht nichts mehr auf unserer Liste. Angesichts des schönen Wetters schwingen wir uns also (trotz immer noch schmerzender Pobacken) auf unsere Drahtesel und radeln am Fluss entlang. Das wage Ziel: Die Unterstadt (wie die Altstadt hier Korrekterweise heißt). Dort angekommen gehört die erste Bank uns. Eine Eidechse leistet uns beim Sonnenbaden Gesellschaft.

Um allerdings doch noch etwas zu unternehmen, umrunden wir die Mauern: Auf zum Muschel-Museum! Ein Muschel-Museum in Osijek (weiter weg vom Meer geht es in Kroatien eigentlich nicht) – ein Witz?* Wir sind gespannt. Im hintersten Eck eines Hofs werden wir fündig. Und dabei hatten wir schon gedacht, wir hätten uns verfahren. Mein Vorschlag „Vielleicht der Hai dort hinten?“ war eigentlich nur halb ernst gemeint.

Die Eingangstür steht offen, ist aber durch ein hüfthohes Brett versperrt. „Dobar dan!“, rufen wir in den Raum hinein und werden von einem älteren Mann begrüßt. Schon bei den ersten englischen Worten ruft er seine Frau zu Hilfe und zusammen nehmen sie uns herzlich in Empfang. Was dann folgt, lässt mich immer noch schmunzeln! Zuerst gibt uns seine Frau eine Privattour durch die Ausstellung – immerhin rund drei Millionen Muscheln (auch wenn von ihnen „nur“ sechs Prozent in den Glasvitrinen ausgebreitet liegen)! Und jede einzige Muschel scheint eine Geschichte zu haben. Erzählt werden sie uns in einem bunten Mix aus Englisch, Deutsch, Kroatisch, Händen und Füßen. Und auch für unsere Hände gibt es einiges zu tun, denn immer wieder werden die Glastüren beiseite geschoben und uns besonders schöne Exemplare in die vorsichtigen Hände gelegt.

Nach den Fundstücken aus der Region wenden wir uns den Briefmarken zu – selbstverständlich auch mit maritimen Motiven! Und schon ist es Zeit für einen Kaffee. So etwas gibt es auch nur in Kroatien! Wir setzen uns in den angrenzenden Ausstellungsraum und der Inhaber des Museums gesellt sich wieder zu uns. Schließlich hat auch er viel zu erzählen! Und obwohl unser gebrochenes Kroatisch zu vielen Rückfragen führt, lernen wir doch, dass er fast alle der Muscheln selbt gesammelt hat. Überall auf der Welt ist er ins Wasser gesprungen und von der Küste zwischen Pula und Rijeka kennt er jeden einzelnen Zentimeter. Hauptberuflich ist er Richter, in seiner Freizeit sammelt er – und zwar so ziemlich alles!

Keine zehn Minuten später stehen wir in seinem Büro und schauen uns die Planung seines nächsten Projekts an: Ein Hobby-Museum. Dort möchte er gerne all die Schätze ausstellen, die er neben den drei Millionen Muscheln noch so angehäuft hat: Barbiepuppen, Bierflaschen, Streichholzschachteln, Schlüsselanhänger, Pins, Feuerwehrausrüstungen, Postkarten, Fotoapparate – die Liste nimmt kein Ende.

Nach einiger Zeit kommt seine Frau dazu und lacht. Ob wir noch einmal zu den Muscheln zurückkehren wollen? Absolut, denn leider haben wir nicht mehr so viel Zeit – und dabei gibt es noch so viele Geschichten! Am Ende müssen wir hoch und heilig versprechen, bald wieder zu kommen. Unter zahlreichen „Vidimo se“ und „Hvala puno“ verabschieden wir uns schließlich – jedoch nicht, ohne einen Info-Zettel, eine Visitenkarte und eine Muschelhalskette zugesteckt zu bekommen. Noch ein schnelles Foto und einen Eintrag in das Gästebuch, dann ist es höchste Zeit wieder auf die Fahrräder zu steigen.

Im Eiltempo jagen wir die Uferpromenade zurück zum Appartment und packen unsere Sachen zusammen. Wieder zu Fuß geht es zum Busbahnhof. Wir decken uns mit etwas zu trinken und zu essen ein; sieben Stunden sind es für mich nach Rijeka. Zwei Busse stehen für uns bereit: Ein Doppeldecker und ein normaler Bus. Aber beide haben das gleiche Ziel: Es geht nach Hause.

 

*Natürlich haben wir auch gefragt: Warum ein Muschelmuseum in Osijek! Die Antwort: In lang vergangenen Zeiten war auch hier das Meer. Noch heute findet man deswegen Fossilien in dieser Gegend (ein paar davon gibt es selbstverständlich auch im Museum zu sehen). Ganz schön philosophisch, aber wo er Recht hat… Meine ganz persönliche Theorie ist allerdings: In Slawonien hat er einfach genug Platz für seine Sammlungen 😉