Ich habe den nachfolgenden Text noch im Kloster in Albanien geschrieben (inzwischen bin ich wieder in Deutschland). Da allerdings das Verbreiten von Fake News in Albanien inzwischen verboten ist, ich aber gerne Albanien nochmal besuchen würde, hier einmal kurz ein Disclaimer: Das hier sind Informationen, wie ich sie gesagt bekommen habe. Lieber Edi (der albanische Präsident), wenn du möchtest, dass ich keine Fake News verbreite, dann poste doch bitte deine Anweisungen auch auf Englisch oder Deutsch, danke.
Ich wollte eigentlich erst einen Beitrag darüber schreiben, wie das Kloster hier funktioniert und was hier geschieht und ihn „Nonnen mit Wanderschuhen“ nennen – habe mich dann aber dagegen entschieden. Dann habe ich mit „Es geht weiter, immer weiter“ angefangen, einem Beitrag über meine Liebe für den Balkan und das Dilemma des Gehens oder Bleibens.
In einer gewissen Weise geht dieser Text auch genau um dieses Thema, auch wenn von einer etwas anderen Perspektive:
Was ist dir deine Freiheit wert? Deine Freiheit dorthin zu fahren, wohin du möchtest. Kann man das wirklich bestimmen? Für mich wurde diese Frage entschieden, aber nicht von mir.
Doch von Anfang an. Ich bin seit Montag pünktlich mit dem ersten Coronafall wieder in Albanien. Die ersten beiden Infizierten waren Italiener, die vorher durch komplett Albanien gereist sind. Am Dienstag schlossen darauf hin alle Schulen, Kindergärten, Universitäten und Behörden. Die Zahl der Infizierten stieg auf 10. Am Mittwoch wurden dann alle Restaurants und Cafés in Tirana und Durrës geschlossen. Wer sein Restaurant trotzdem aufmacht, muss mit 5.000 Euro Strafe rechnen. Das entspricht hier etwa einem Jahresgehalt! Außerdem fahren keine ÖPNV–Busse mehr in beiden Städten.
Heute wurde tatsächlich nichts geschlossen. Morgen geht es dafür aber los. Ab 6:00 bis Sonntag ist aller Verkehr per Kraftfahrzeug verboten. Also keine Pkws, keine Busse, keine Taxis, nichts. Die einzigen, die dann noch fahren dürfen, sind Diplomaten, Lieferverkehr und Fahrzeuge von der Regierung, wie zum Beispiel Polizeiautos.
Die Grenzen in den Kosovo und nach Montenegro sind zu. Reisende aus Griechenland (wie zum Beispiel eine Freiwillige aus dem Süden) werden unter Quarantäne für 14 Tage gestellt. Sollten sie doch draußen erwischt werden müssen auch sie mit 5.000 Euro Strafe rechnen.
Ärzte, die freiwillig Corona behandeln bekommen 1.000 Euro extra (etwa 2 Ärztemonatsgehälter). Fahrer bekommen 500 Euro. Auch pensionierte Ärzte dürfen sich für diesen Dienst freiwillig melden.
Und mitten in diesem Chaos: ich.
In einem Kloster in Shkodra, gleichzeitig in Panik und sich darüber wundernd, warum denn alle so Panik haben.
Mein Alltag hier ist gechillt, angenehm und sorglos. Zusammen mit einer anderen Freiwilligen räume ich den Dachboden auf oder spiele Fußball mit einem anderem Jungen aus dem Kloster und seinen Freunden aus der Nachbarschaft. Morgens fahren wir zu einem albanischen Jungen, also naja er ist 21, der seit einem Motorradunfall halbseitig gelähmt ist und machen Physiotherapie – oder versuchen es zumindest – und er macht große Fortschritte. Heute stand er sogar kurz und gab uns beiden Brofists. Das sind wirklich schöne Momente für die ich dankbar bin und in solchen Momenten bereue ich es nicht wieder zurück gekommen zu sein, sondern bin froh.
Eigentlich hatte ich auch nicht, den Wunsch zurück zu kehren nach Deutschland. So schätze ich die Lage hier einfach noch nicht ein. Ja klar, es gibt Coronafälle, aber nicht hier und im Kloster gibt es notfalls genug Medikamente und Essen für alle. Vertraut mir, ich räume, wie gesagt gerade auf, da gibt es wirklich erstmal genug.
Aber zu sehen, welche Maßnahmen die Regierung ergreift und zu hören, dass andere Freiwillige oder Praktikanten ausreisen und so schnell wie möglich nach Deutschland wollen, ist beängstigend.
Und das Gefühl, dass man ab morgen, also für euch heute, eingesperrt sein wird, ist kacke. Ich möchte einfach die Option haben, im Notfall das Land verlassen zu können oder besser gesagt, mich generell fortbewegen zu können.
Ich weiß, dass diese ganzen Schritte sinnvoll sind und vermutlich für ein Land wie Albanien ohne wirklich
funktionierendes Gesundheitssystem die einzige Chance sind, die es gibt diesen Virus abzuwenden. Und an sich bin ich hier vermutlich sicherer als in Deutschland. Geringere Ansteckungsgefahr und in meinem Alter habe ich vermutlich auch keinen schlimmen Verlauf zu erwarten, trotzdem schätze ich meine Freiheit sehr. Dorthin gehen zu könne, wohin ich wollte, war für mich immer eine Selbstverständlichkeit. Doch zu wissen, dass ich jetzt nicht einfach nach Hause kann (ohne vorher 2 Tage Rad zu fahren) ist blöd. Ich glaube, ich war noch nie so weit entfernt von meiner Familie, wie jetzt gerade, auch wenn Albanien näher an Deutschland liegt, als Barcelona.
Um die Frage zu beantworten: Was ist dir deine Freiheit wert? Für mich wurde diese Frage von der albanischen Regierung beantwortet. Meine Freiheit ist die Gesundheit aller Albaner wert.
Ob ich das persönlich auch so sehe oder ob ich Sonntag, wenn dann wieder Busse fahren, schnell nach Deutschland abhaue, weiß ich noch nicht. Nur bei einem bin ich mir sicher, mit Erdbeben, noch einem Erdbeben und jetzt Corona, habe ich glaube ich so viel erlebt in Albanien, dass mein Studium auch gerne mit etwas weniger Krisen auskommen kann.