Alle Beiträge von Karla Klante

Wenn die Möwe ruft… (Tag 29-35)

8:22 Uhr. Durch meine Jalousien dringt das Morgenlicht. Ich höre die Autos auf der Straße und natürlich, die Möwen. So ungefähr sind meine ersten Sinneseindrücke nach dem Aufwachen jeden Tag. Die Möwen zu hören hat etwas von Urlaub an sich und jeden Morgen freue ich mich auf den Frühling und Sommer hier.

Klar, der Herbst ist auch wunderschön. Die Sonne strahlt hier mit mehr Intensität, aber es ist eben doch schöner, wenn man den ganzen Tag draußen verbringen kann, ohne zu frieren.

Kleinstadtimpressionen

Am Anfang der Woche war ich etwas schwerfällig und hatte nicht so viel Motivation. Ich habe verzweifelt nach Inspirationen für den Online-Unterricht mit der 8. Klasse gesucht. Zum Glück habe ich auch sehr schnell welche von meiner Tante Jasmin erhalten. Danke! Das hat mich wirklich gepusht und jetzt bin ich auf jeden Fall kreativer, was die Gestaltung des Unterrichts angeht.

Auch um meine eigene Weiterbildung habe ich mich ein Stück weit gekümmert und meine Wohnung mit bulgarischen Vokabeln verziert. Mal sehen, ob ich mir so ein paar neue Worte aneignen kann.

Ein Highlight der Woche war definitiv der große Billa. Dort war ich davor noch nicht einkaufen. Er ist zwar ein Stück weiter weg, aber so habe ich auch noch einen neuen Teil von Shumen kennengelernt und es ist einfach sehr cool in einem Laden wirklich alles zu bekommen. So auch eine Reibe, an der ich mir natürlich noch im Laden schon in den Finger geschnitten habe.

Natürlich bin ich auch diese Woche wieder zum Denkmal hochgelaufen. Dieses Mal mit einer Deutschlehrerin. Sie läuft jeden Tag die 1300 Stufen hoch. Ich weiß nicht, ob ich mich dazu überwinden kann.

Nach Tagen der Isolation, habe ich mich am Freitagabend mit ein paar Schülern getroffen. Zusammen mit Marieta, Christina, Emir und Aleksander, die alle noch einen Blogbeitrag schreiben werden, war ich in einem Café. Wir haben viel gelacht, über Musik, die Geschichte Bulgariens, „die Deutschen“ Sternzeichen (das ist hier echt voll das Ding) und alles mögliche geredet. Es hat gut getan sich mal wieder mit ein paar Leuten in echt zu unterhalten. Danach hatten wir noch ein Zoommeeting um ein weiters Projekt zu planen. Aber die 11.Klasse hat das echt auch ohne mich schon sehr gut drauf.

Am Samstag war ich wieder mit Rumy in unserem geliebten Wald und sie hat mir neue Orte gezeigt.

Nora und Sara sind nicht so begeistert von Fotoshootings
einmal ohne mit Worte

„the perfect mushroom“

Ein traumhafter Herbsttag.

Nachdem Tom mir noch abends seine Liste von Dingen, die er in Bulgarien machen will, geschickt hat und voller Begeisterung von seinen Plänen, die er schmiedet, erzählt hat, bin ich auch endlich wieder aus meiner Trance aufgewacht. Im Moment bin ich so im Alltag beschäftigt, dass ich doch tatsächlich ganz vergessen hatte, warum ich eigentlich ins Ausland wollte. Und zwar um so viel Neues wie möglich zu entdecken. Das muss gar nicht heißen, dass ich riesige Reisen mache, aber schon allein in meiner Umgebung gibt es jede Menge Orte, die ich gut mit dem Zug abklappern kann. Definitiv etwas, was ich in naher Zukunft machen werde.

Den Sonntag habe ich also damit verbracht im Internet ein paar Orte zu finden und meine eigene Liste zu erweitern. Außerdem habe ich Kekse gebacken. Wer mich kennt, weiß wohl auch wie sie geworden sind… Sie sehen aus wie kleine Brötchen, aber hab sie natürlich trotzdem verspeist.

Auch heute habe ich wirklich sehr gute Laune. Nach erfolgreichem Unterricht mit der 8.Klasse und einer wirklich süßen Hausaufgabe, in der mir jeder seinen Lieblingsort in drei Sätzen vorstellen musste, habe ich mich nochmal nach draußen begeben, weil das Wetter einfach zu schön ist um drinnen zu bleiben. Im Studentski Park habe ich mich auf eine Bank in die Sonne gesetzt, gelesen, ein paar Jungen beim Rückwärtssalti üben zugeschaut und meine erste Mandarine in diesem Jahr gegessen. Ein sehr gelungener Tag.

 

HUMAN of Shumen

Marieta Petkova                     Weliko Tarnovo – Die Stadt der Liebe und Schönheit.

Die meisten Menschen haben Urteile über Bulgarien. Vor allem ist Bulgarien nur ein kleines Land in Osteuropa. Etwas, was die meistens nicht wissen ist, dass mein Heimatland nicht nur eine lange und interessante Geschichte hat, sondern auch schöne Natur und viele Sehenswürdigkeiten. Wissen Sie, dass die ersten Kenntnisse über Bulgarien ungefähr aus dem Jahr 300 n. Chr. sind? In diesem Blog werde ich nun meinen Heimatort beschreiben – und zwar über mein Lieblingsstadt Weliko Tarnovo. Am Ende werde ich euch ein Rezept für eine sehr leckere Süßigkeit geben.

Weliko Tarnovo ist nicht die größte und auch nicht die berühmteste Stadt in Bulgarien, aber bestimmt kann man viel da sehen. Tarnovo war die vierte Hauptstadt Bulgariens im Zeitraum von 1185 bis 1396. Der bulgarische Staat war mächtig und streng. Ein Beweis dafür ist die Festung von Tsarevets, die früher das Schloss der königlichen Familie war. Jetzt ist Tsarevets die berühmteste Sehenswürdigkeit in Tarnovo. Besonders schön ist die Ton- und Lichtshow am Abend.

Das Osmanische Reich im Lauf von 5 Jahrhunderten hat bis heute viele Spuren hinterlassen. Heute kann man viele Häuser, die typisch für die bulgarische Wiedergeburt sind, sehen. Besonders hübsch ist Samowodska Charschiya, eine Straße, in der es verschiedene Handwerke gibt. Man kann viele Leckereien wie Honigkuchen, Orechovka, das ist ein Kuchen mit Walnüsse, weiße Konfitüre, Rosenlimonaden und auch Kaffe, der im Sand gemacht ist, probieren.

Eine interessante Tatsache ist, dass in Weliko Tarnovo die erste bulgarische Große Volkversammlung stattgefunden hat.

 Andere Sehenswürdigkeiten, die man in Weliko Tarnovo oder in der Nähe von Tarnovo besuchen kann, sind das Mini Bulgarien (ein Museum im Freien, wo die berühmtesten Sehenswürdigkeiten in Bulgarien als Modelle dargestellt werden), Illusionsmuseum, viele Kirchen und Kloster, von denen die berühmtesten Preobrajenski Kloster und der Klosterkomplex der Heiligen Vierzig Märtyrer (bulg. ,,Свети 40 Мъченици) sind.

Ich schreibe nichts mehr über Tarnovo, weil meine Erzählung zu lang wird. Die Schönheit von Tarnovo kann nicht beschrieben werden, sondern man muss sie sehen, um sie zu schätzen.

 Am Ende werde ich euch ein einfaches Rezept für Orechowki (ореховки) geben. Orechowki sind bulgarischen Cookies mit Walnüsse, die nicht nur einfach vorzubereiten sind, sondern auch sehr lecker.

Zutaten:

3 Eiweiße

Puderzucker – 125gr

gemahlene Walnüsse –  250gr

Vanille – 1 Pck

Zitronensaft – 1/2 TL

Methode/Zubereitung:

Zuerst schlag die Eiweiße mit einer Prise Salz zu Schnee. Eine wichtige Bedingung, ist dass die Rührschüssel und auch die Rührstäbe des Mixers völlig trocken sein müssen. Dann gib den Puderzucker, die Vanille und den Zitronensaft hinzu und verrühre alles.

Gib nach und nach die gemahlenen Walnüsse dazu und quirle, damit alle Zutaten gleichmäßig verteilt sind. Form die Orechowki und ordne sie auf einem Backblech mit Backpapier. Back die Orechowki in einem vorgeheizten 150-Grad-Ofen, bis sie leicht braun werden. Dies dauert etwa 25 Minuten.

 

She sells sea-shells on the sea-shore (Tag 22-28)

Zdraveyte!

Nachdem diese Woche mit einer schlechten Nachricht begonnen hat, wurden dennoch ein paar wirklich passable Tage draus. Mit Rumy war ich in meinem geliebten Wald. Sie hat mir ihren Lieblingspfad gezeigt und während wir so durch den Wald streiften, habe ich ihren Geschichten gelauscht. Das ist wirklich sehr meditativ (generell wurde die ganze Woche von meditativen Dingen begleitet). Ich bin in eine ganz andere Welt abgetaucht.

„Life is beautiful.“ -Rumy, 03.11.2020

Mit Elena habe ich in der Schule die anstehende DSD-Prüfung vorbereitet. Wirklich eine Menge Papier, die da für so wenig Schüler gedruckt und organisiert werden muss. Nachmittags bin ich mit Jasmin und Soner wieder die Stufen zum Monument hochgelaufen. Gemeinsam macht es definitiv mehr Spaß. Oben angekommen haben die Beiden mir die Sternwarte gezeigt, die ich unbedingt noch erkunden will. Jasmin, unser Tourguide, hat uns dann durch den Lehrwald in Richtung Aussichtspunkt geführt. Soner war das nicht ganz geheuer, also hat er vorsichtshalber Fotos vom Weg gemacht. Die Aussicht auf die Herbstlandschaft ist wirklich traumhaft. Jasmin hat auch noch für uns gebacken. Sehr lecker.

Für Freitag habe ich mich mit Soner und Jasmin zu einem Filmeabend verabredet. Da Soners Mutter Köchin ist, gab es auch noch sehr leckeres Essen.

Seeeeehr leckere vegane Kekse

Jasmin und ich, beide ungefähr gleich gut/schlecht im Entscheidungen treffen, haben entschieden, dass wir den Film „Charlie und die Schokoladenfabrik“ anschauen, da Soner den noch nie gesehen hat. Wir haben viel gelacht und danach auch noch viel geredet, deutsche Kinderlieder auf YouTube angehört und Soners Füllersammlung bewundert.

Die herumgereichte Box, immer mit neuen Leckereien gefüllt

Am Sonntag gab es dann das Highlight der Woche: Ausflug nach Varna.

Ein mittelmäßiger Bekannte hat mir sehr von den Zugfahrten in Bulgarien vorgeschwärmt und da Viki auch immer sehr gerne Zug fährt, stand meinem ersten Zugabenteuer nichts mehr im Wege. Wir hatten superschönes Wetter und saßen in der Sonne während wir auf den Zug gewartet haben. Ich muss sagen, die Deutsche Bahn hat mehr Verspätung…

Sehr coole Züge

Wir haben uns ein 1.Klasse Ticket gegönnt, da wir gerne mehr Abstand zu anderen Mitfahrenden einhalten wollten. Die Sitze waren unglaublich bequem, wir haben das Rattern des Zuges gehört und die Landschaft genossen. Weite Felder und Flächen werden abgelöst von felsigen Bergen, die je nach Fantasie, an die ledrige Haut eines Elefanten oder an ein Gehirn erinnern. Von der strahlenden Sonne gewärmt und Dank offenem Fenster etwas frischer Luft, hätte ich ruhig noch eine Weile im Zug verbringen können. Doch wir hatten eine Menge vor in Varna.

Vikis wunderschöne Liste

Als erstes mussten wir uns aber um unseren Hunger kümmern. Dagegen hilft immer sehr gut ein Falafel Döner.

Die obere Pommes, hier im Bild zu sehen, wurde kurze Zeit später von einer hungrigen Möwe geklaut, indem sie meine Haare durcheinandergebracht hat und mit ihrem Schnabel die Pommes zu Fall brachte. Kurzer Schreck, aber wenn ich ehrlich bin, hätte ich ohne die Hilfe der Möwe meinen Döner bestimmt nicht geschafft. Nach dieser Stärkung konnte der Städtetrip beginnen.

Kathedrale

 

wieder wunderschöne Deckenmalereien
Römische Therme, ein Jammer, dass die nicht erhalten wurden…

 

Kräne am Hafen, oder eher Giraffen im Zoo…?

 

Das schwarze Meer 🙂

Am Hafen waren sehr viele Angler und auf der Staumauer sind die Menschen spazieren gelaufen. Es sah aber so aus, als ob sie am Rande der Welt laufen. Da im Hintergrund nichts als die Wolkendecke zu sehen war. Ich wollte unbedingt auch auf der Mauer laufen.

Aber natürlich nicht auf dem langweiligen Weg, der Treppe, hochgehen

Und da war es endlich: das schwarze Meer!

Wir saßen am Wasser und haben dem Meeresrauschen zugehört, die Wellen gesehen, den Wind auf dem Gesicht gespürt und die Meeresluft eingesogen. Am Strand sind wir dann noch auf Schatzsuche gegangen. Dabei hat Viki angefangen den Zungenbrecher: „She sells sea-shells on the sea-shore,…“ aufzusagen. Ich muss sagen, ich war und bin immernoch sehr beeindruckt. Das war mir irgendwie zu viel für meinen Kopf.

Vikis Freund, Ivan, hat angerufen und gefragt, ob er vorbeikommen kann. In Shumen gab es nämlich, zum zweiten Mal in dieser Woche, kein Wasser und zusätzlich auch noch keinen Strom. Zum Glück sind wir diesen Problemen mit unserem Ausflug entflohen.

Es gibt auch einen sehr schönen großen Park am Meer. Auf Ivan haben wir dann in einem Buchladen gewartet und sind dann gemeinsam Kuchen essen gegangen und in das Retromuseum. Hat sehr an ein DDR Museum erinnert, da es die Zeit zwischen 1944-1989 umfasst. Ein paar deutsche Produkte konnte ich also auch sehen. Und vieles, was noch in der Kindheit von Viki und Ivan präsent war.

Um die Wartezeit bis zum nächsten Zug zu überbrücken, waren wir dann noch ein Bier trinken, was eher runtergeext wurde, da wir dann doch rennen mussten. Aber es war eigentlich perfektes Timing. Die Heimfahrt verging dann auch sehr schnell, da wir wirklich über alles mögliche geredet haben.

Mein Fazit zu Varna: sehr viel schöner als gedacht. Ein bisschen habe ich mich wohl in die Stadt verliebt. Varna hat sehr viel Küstenstadtflair und ich kann mir vorstellen, wie die Stadt im Sommer nur so vor Touristen überläuft. Deshalb bin ich sehr froh, dass ich Varna fast menschenleer kennengelernt habe. Sonntags ist nämlich nie so viel los.

Am richtigen Tag in der richtigen Straße

So. Nun möchte ich noch eine neue Kategorie einführen. Für die 11. DSD-Klasse habe ich mir überlegt, dass ab jetzt jede Woche ein Schüler oder eine Schülerin etwas über sich und Bulgarien erzählt. Die Idee für das Projekt, klassische Nachtidee, ist inspiriert von dem instagram account HONY (humans of New York), auf dem Menschen aus mittlerweile aller Welt eine Geschichte aus ihrem Leben erzählen. Ich hoffe dadurch gibt es ganz unterschiedliche Eindrücke und Geschichten über verschiedene junge Menschen aus Bulgarien. Ich bin gespannt, wie sich das Projekt entwickelt, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Kultur, Politik und dem Alltag jeder für sich entdecken kann. Sie sind nämlich ganz frei, in dem was sie erzählen wollen. Deshalb werde ich die Texte auch nicht kommentieren. Es ist schließlich ihr Blogeintrag. Trotzdem hoffe ich natürlich, dass jeder Spaß am lesen hat.

 

HUMAN of Shumen

Hallo! Mein Name ist Soner und ich bin 17 Jahre alt. Ab jetzt für insgesamt 16 Wochen werden ich und meine Mitschüler von der 11. DSD-Klasse die Blogbeiträge schreiben. Dabei geht es um ein wunderschönes Projekt von der lieben Karla. Viel Spaß! 😊

Ich bin Schüler an dem Fremdsprachengymnasium in Shumen, Bulgarien und bin in der Leistungsgruppe. Dort lernen wir zwei Klassen zusammen mit einem gemeinsamen Ziel – das deutsche Sprachdiplom.

Normalerweise beginnt man erst in der 8. Klasse Deutsch zu lernen, aber ich habe es in der 6. Klasse begonnen und zwar mit Niveau A2. Das war so, weil ich ein Jahr verpasst habe, in dem ich Russisch gelernt habe. Meine Tante und mein Onkel leben aber schon seit über acht Jahren in Deutschland und damals habe ich mich in die deutsche Sprache, dank meiner Tante verliebt.

Nichts war einfach, aber ich lernte zu Hause fast nie, was auch heute fast genauso ist. Bei mir ist es so, wenn etwas mir Spaß macht, dann lerne ich es sofort und vergesse es dann nie. Das ist mein Geheimnis. Danach fragen mich so viele Menschen. Ich hoffe, dass genau diese, es hier gelesen haben.

Meine Tante und mein Onkel leben in Winnenden bei Stuttgart. Er arbeitet bei Metro und sie bei Bosch und ich versuche, jedes Jahr nach Deutschland zu fliegen, denn so verbessere ich meine Sprachkenntnisse und vor allem sehe ich meine Verwandten. Aber ich dachte nie, dass ich einen Mensch sehen werde, der dort war oder lebt, wo ich schon mehrmals war, das besucht hat, was ich auch besucht habe.

Dieses Jahr ist das aber schon passiert. Und zwar habe ich zuerst den Blog von Karla entdeckt, bevor ich sie gesehen und persönlich kennengelernt habe. Da habe ich gelesen, dass sie aus Stuttgart ist und ich war im Schock, ich habe es einfach nicht geglaubt. Und habe jedem von meinen Freunden gesagt: “Wenn sie sagt, dass sie aus dem Rems-Murr-Kreis oder aus der Nähe ist, werde ich einfach sterben”. Als sie zum ersten Mal bei uns in der Gruppe war, habe ich sie natürlich gefragt, woher sie genau kommt. Ich glaube, dass sie auch ein bisschen schockiert war. Ihre Antwort hat mich einfach fertig gemacht. Meine Stimme war danach fast nicht da, meine Seele schon längst in Deutschland. Na ja, das war so mega und natürlich werde ich es jedem und jeder erzählen, wie klein die Welt ist. Mit Karla und Jasmin haben wir uns schon ein paar Mal getroffen und viele gute Momente zusammen gesammelt. Natürlich haben wir auch viele Wangenmuskel trainiert. So viel dazu. Jetzt etwas über mich.

Deutsch war immer am ersten Platz für mich. Alle Menschen, die mich seit langem kennen, wissen, was ich so für diese Sprache tun kann. Wie ihr es vielleicht erraten könnt, möchte ich natürlich nach Deutschland, um dort zu studieren. Lehramt (Deutsch/Biologie) ist mein großer Traum, aber am meisten will ich in der Luft sein, nicht als Pilot oder Kapitän – NEIN. Der persönliche Kontakt mit Menschen aus verschiedenen Kulturen und Ländern ist für mich sehr wichtig, deshalb als Flugbegleiter. Ich kann ja auch vier Sprachen flüssig und möchte diese unbedingt benutzen.

Ich liebe auch Tiere und habe 3 Hunde. Die Zara, Matty und Rexi. Aus dieser Tierliebe entstand ein großes deutsch-bulgarisches Tierschutzprojekt, das ich mit meinen Freunden weiterentwickle und hoffe, dass wir eines Tages stolz darauf sein können, was wir so gemacht haben.

Das ist es für diese Woche! Seid bereit für den nächsten Beitrag von Marieta. Sie besitzt ein großes Schreibtalent, aber mehr werde ich nicht verraten. Bleibt gespannt darauf und habt einen schönen Abend!

Ihr Soner

 

 

 

Viva la Vivacom und Halloween auf dem Friedhof (Tag 15-21)

Meine Woche begann mit meinem wirklichen ersten Tag in der Schule. Nachdem mir vor Aufregung ganz heiß geworden ist, nicht die beste Eigenschaft in einer Zeit in der am Eingang Fieber gemessen wird, und ich erst einmal im Schatten abkühlen musste, ging es für mich das erste mal ins Schulgebäude. Keine Sorge, ich habe kein Fieber, meine Temperatur war nur leicht erhöht, aber ich habe gegoogelt und herausgefunden, dass viele Menschen eine Körpertemperatur von 37 Grad haben und das kein Grund zur Besorgnis ist. Jedenfalls hat Elena mir dann die Bibliothek, das Lehrerzimmer, die Toiletten und Klassenzimmer gezeigt und dann gign es auch gleich schon in die erste Klasse. Ich war ein bisschen nervös vor der Klasse zu stehen. So als ob man ein Referat halten muss. Aber ich habe mich nur kurz vorgestellt und in der Stunde, die wirklich sehr schnell rumging, zugehört. Während die Schüler Deutsch gelernt haben, habe ich versucht mir das ein oder andere Wort auf Bulgarisch aufzuschreiben, dass die Schüler erwähnten.

Nach der Stunde habe ich dann die anderen Deutschlehrerinnen kennengelernt. Alle waren sehr freundlich und wollten mich gleich mit in ihre Klassen nehmen. Also bin ich mit in die 8. Klasse gegangen. Die Schüler lernen erst seit diesem Schuljahr Deutsch, aber es ist leicht smalltalk zu machen. Ich habe also ein paar Worte und Sätze an die Tafel geschrieben und es war schön zu sehen, wie die Schüler langsam auftauten und einer mir sein Lieblingswort gesagt hat: „Faulenzen“. Ein wirklich gutes Wort. Nachdem ich sehr viele Fragen beantwortet habe, unter anderem welche Musik ich gerne höre und diese dann auch prompt auf dem Handy eines Schülers abgespielt wurde, habe auch ich mich entspannter gefühlt. So von Stunde zu Stunde zu hetzen und dann erst im Dunkeln nach Hause zu gehen war aber schon sehr stressig für den ersten Tag. Ich hatte ganz neue Erlebnisse zu verarbeiten.

Der Himmel, wenn ich die Schule verlasse

Besonders, als ich abends noch erfahren habe, dass auf meinen ersten Schultag wohl auch gleich mein vorerst letzter folgen würde. Die nächsten zwei Wochen gibt es nämlich online Unterricht. Da habe ich mir dann doch kurz Sorgen gemacht, was die Situation für mich bedeutet. Am nächsten Tag war ich dann aber eben doch noch einmal in der Schule. Diesmal in den DSD Klassen, den Deutsch-Leistungsklassen. Ich war sehr beeindruckt vom Anspruch der Präsentationsthemen der 12. Klässler. Sie haben noch diesen Monat ihre Prüfung über Dinge wie Sterbehilfe oder die Auswirkungen von gleichgeschlechtlicher Partnerschaft auf die Kinder. Sehr interessant also. In der 11. Klasse wurde ich dann von einem Schüler gefragt wo genau ich denn jetzt herkommen würde. Zuerst war ich ein bisschen irritiert über die Frage, aber als dann herauskam, dass seine Tante praktisch in meinem Nachbarort liegt konnten er und auch ich es kaum fassen. Zufälle gibts.

Da ich noch kein Internet hatte, die Betonung liegt zum Glück auf hatte, saß ich am nächsten Tag allein im Lehrerzimmer um ein paar Ideen zu sammeln und Dinge zu organisieren. Am Nachmittag habe ich mich dann mit zwei Schülern getroffen. Soner und Jasmin. Zuerst waren wir etwas trinken und später noch etwas essen. Uns haben die Muskeln in den Wangen wehgetan vom Lachen. Ein gutes Zeichen. Ich wurde gleich wieder eingeladen zum Essen. Da habe ich natürlich nicht Nein gesagt.

Mit Soner und Jasmin, wir sind dabei sehr starke Muskeln aufzubauen

Den nächsten Vormittag habe ich zwei nervenaufreibende Stunden bei zwei verschiedenen Internetanbietern mit Elena und zeitweise auch ihrem Mann Emil verbracht. Eine schwere Geburt war das einen Vertrag zu bekommen, den man auch wieder kündigen kann. Danach waren wir so erleichtert und ich so erschöpft und im Zeitstress, dass ich kurzerhand beschloss, das Wochenende über in Schumen zu bleiben und nicht wie geplant, oder auch eher ungeplant, mit den anderen Freiwilligen nach Plovdiv zu fahren. Ich muss sagen, es hat wirklich sehr gut getan. Kochen, lesen, meditieren, allein sein.

Nachdem meine Leidenschaft für Toast neu entfacht wurde, eines meiner Lieblingsgerichte
Mein liebster Mitbewohner, meine Pflanze Militschka

Halloween habe ich dann passend mit Viki auf dem Friedhof verbracht. Auf dem Weg dorthin hat sie mir von ihrer Begeisterung für tiny houses erzählt. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Der Friedhof ist sehr weit außerhalb der Stadt, aber es hat gut getan ein wenig zu laufen. Jetzt zur Friedhofsanalyse: es stehen sehr viele Bäume auf dem Friedhof. Sehr schön.

Sehr schön.
Nochmal sehr schön

Auf den Grabsteinen sind meist Fotos der Verstorbenen. Daran musste ich mich gewöhnen.

Manchmal steht ein Tisch an oder im Grab, damit man verweilen kann. Etwas, dass gruselig ist: wir haben tatsächlich Doppelgräber entdeckt, bei denen auch der Name und das Geburtsdatum der noch lebenden Person schon eingraviert ist, sodass nur noch das Todesdatum hingeschrieben werden muss. Makaber, ein Grab zu besuchen, auf dem schon der eigene Name steht. Der Kontrast zwischen trübem Herbstwetter und leuchtenden Blumen hat es mir jedoch so sehr angetan, dass ich gerne wieder auf den Friedhof gehen würde.

Aufgrund von sehr starkem Regen haben wir dann Schutz in einem Secondhand-Laden gesucht. Danach waren wir noch in einem Cafe, und als es noch immer nicht aufhören wollte, sind wir im strömenden Regen zu meiner Wohnung gelaufen um uns dort an einer Tasse Tee zu wärmen und herauszufinden was mit meiner Klimaanlage nicht stimmt. Viki hat es schnell herausgefunden. Stecker sind dafür da, dass man sie in die Steckdose steckt.

Tags drauf war ich wieder mit ihr verabredet und mit Elenas Sohn Simeon. Wir haben einen Spaziergang gemacht, ich habe Insider-Strandtipps bekommen und türkische Backwaren gekauft. Nachdem ich diese gegessen habe, musste ich erst einmal googlen wie viele Bulgaren Diabetes haben. Im Moment bin ich zu müde, aber ich werde es auf jeden Fall noch mit einer deutschen Statistik vergleichen.

Heute morgen habe ich dann auf die Techniker gewartet. Die Zeit habe ich damit verbracht alle Möbel zu verrücken um an eine zweite Steckdose zu kommen. Intuitives Feng-Shui.

Sehr unästhetisch davor

Trotz Sprachbarriere lief dann alles glatt mit den Technikern und viva la vivacom, ich habe WLAN! Deswegen habe ich einen Freudentanz aufgeführt. Ganz schön umständlich im Jahr 2020 ohne Internet zu leben. Eine noch größere Freude, als ich entdeckt habe, dass es in Bulgarien noch die Serie friends auf Netflix gibt.

Nach dem Mittagessen bin ich dann mit Nilyay, ihr erinnert euch, das Mädchen, das auch beim Müll sammeln dabei war, in die frisch renovierte Moschee gegangen. Der Mann dort hat gleich erkannt, dass ich Deutsche bin und mir alle Infos über die Moschee auf Deutsch gegeben. Wir waren beide verzaubert von der Schönheit der Moschee. Danach waren wir noch lange spazieren.

Ich wünschte, das wäre die Decke in meinem Zimmer…

Jetzt am Abend habe ich gleich mein WLAN sinnvoll genutzt und hatte ein sehr romantisches Candle-Light-Dinner mit Johanna und Sophia, die in Brasov, Rumänien, ihr FSJ machen. Sehr schön nicht allein essen zu müssen.

Unser gemeinsames Abendessen. Man beachte das lebensnotwendige Erdnussmus, das in Brasov hochgehalten wird

Das muss ich sowieso nur morgen noch. Am Mittwoch kommt Josi vorbei und wir stürzen uns in neue anstrengende Abenteuer, die es aber total Wert sind. Ich bin gespannt was wir alles erleben. Im Moment haben wir absolut keinen Plan…

Dowisch dane!

Achso, was diese Woche sonst noch so los war?

Bei Lidl gab es Kohl im Angebot
Ich habe jetzt den kleinsten Schneebesen aller Zeiten
Ein Geister-Halloween Pilz

Das wars auch schon.

Alltag ist anstrengend (Tag 7-14)

Meine zweite Woche hier hat mit einem Putztag begonnen und damit, dass es langsam kalt wird in meiner Wohnung. Also habe ich den Heizstrahler ausgepackt. Ich entdecke immer wieder neue Dinge in der Wohnung. Das ist wie ne Schatzkiste. Im Treppenhaus habe ich meinen Nachbarn getroffen und mit ein paar wenigen Worten bulgarisch und deutsch haben wir uns ganz nett einander vorgestellt. Den Tage habe ich also mit Alltagskram wie Wäsche waschen verbracht und damit, meinen Rucksack zu packen.

Am nächsten Morgen ging es nämlich schon um 6 Uhr los nach Sofia. Elena und ich wurden ganz luxuriös von Emile mit dem Taxi zum Busbahnhof gefahren. Nachdem wir zuerst ausversehen im falschen Bus waren, verlief die Fahrt im richtigen Bus sehr entspannt. DIe meiste Zeit habe ich schlafend verbracht. Zum Glück bin ich aufgewacht, als wir nach Veliko Tarnovo gefahren sind. Im Morgenlicht sah die Stadt zwischen den bewaldeten Bergen wunderschön aus. In Bulgarien gibt es wirklich unglaublich viel Wald.

Nach sechs Stunden im Bus, war ich sehr froh darüber auszusteigen. Die ersten Eindrücke von Sofia waren überwältigend. Der Bus ist durch das Viertel der Sinti und Roma gefahren. Das war sehr krass zu sehen, wie abgeschieden die Menschen dort vom Rest der Gesellschaft leben. Nachdem ich Deutschlehrerinnen aus ganz Bulgarien auf der Lehrerfortbildung kennengelernt habe, machte ich mich auf den Weg Josefines Wohnung zu suchen. Mit schwerem Rucksack und Bussen, die einfach nicht kommen wollten eine Qual. Ich war heilfroh, als ich irgendwann die Metro erreicht hatte. Metro fahren ist cool. Bei Josi angekommen gab es erst einmal eine roomtour und Essen. Die Wohnung ist superschön. Ich habe mich gefühlt, wie im Sternehotel, mit eigenem Zimmer und es war so schön warm! Zum Glück hat es sich auch gar nicht seltsam angefühlt bei jemandem zu übernachten, den man noch nie davor gesehen hat. Wir haben uns gleich gut verstanden und sind losgezogen um in der Innenstadt Eis zu essen und eine free walking tour zu machen. Dabei habe ich auch Elias, anderer Freiwilliger in Sofia, und seine Kollegin India kennengelernt. Die Tour fand im Dunkeln statt. Positiv: super schön beleuchtete Gebäude, negativ: superkalt. Es war extrem interessant zu erfahren aus wie vielen Kontrasten, Epochen und Schichten Sofia besteht.

Unterführung aus Steinen auf denen schon die Römer gelaufen sind
Früher öffentliches Bad, jetzt Museum

Es gibt auch heiße Quellen in Sofia an denen sich die Einheimischen ihr Wasser holen. Dort habe ich meine Trinkflasche dann zur Wärmeflasche umfunktioniert. Nach der Tour waren wir noch in der Bar Flip Flop und davor Foccacia essen. Es gibt gefühlt in jeder Straße nen Italiener und überall Pizza. In der Bar habe ich einen „Dark n stormy“ Cocktail getrunken.

Sah alles andere als dark n stormy aus…

Sofia bei Nacht war übrigens überraschend ruhig.

Am nächsten Morgen haben wir in Josis Freistunde gemeinsam Tassenkuchen gefrühstückt und unser Kunstprojekt Wohnung verschönern gestartet. Wir wollten einen Torbogen aus Flaschen fürs Wohn-/Arbeits-/Gästezimmer basteln.

Leider sind alle Flaschen heruntergefallen

Außerdem hatte ich meine erste Erfahrung mit Aquarellfarben beim Postkarten malen. Ich war in drei verschiedenen Postämtern bis ich eine Post gefunden hatte, die mir Briefmarken für Deutschland verkauft hat. Abends haben wir dann Kässpätzle für Elias, India, und Nele, auch Freiwillige in Sofia, gemacht. Superlecker. Nur das Abspülen war echt eklig. Alltag eben. Haben uns darüber unterhalten wie anstrengend es ist immer an alles zu denken beim Einkaufen und generell so ne Wohnung zu versorgen und alles zu kaufen, was an Ausstattung fehlt.

Deshalb ging es am nächsten Tag, nachdem ich in einer Kirche, die ich anschauen wollte fast eine Beerdigung gecrashed hätte und die russische Kirche aufgrund dieses Traumas dann nur noch von außen betrachtet habe, für Josi und mich zum Toaster kaufen. Lebensnotwendig!!!

Auch von außen schön
Der schnellste Toasterkauf aller Zeiten. In ca. einer Minute für diesen entschieden

Danach waren wir noch in einem der zahlreichen Second Hand Läden und auf dem Ladies Market auf dem es die verschiedensten Dinge gab.

Ein Laden in dem man „schöne“ Plastiktüten kaufen kann
Töpferwaren. Haben länger für die Auswahl einer Schüssel als für die des Toasters gebraucht
Noch ein Beweis, dass Alltag überfordernd ist wenn man so eine große Auswahl an Joghurt hat

Nach einer leckeren Lavacake Vorspeise gab es dann noch Ofengemüse.

Freitags ging es dann mit dem Bus ab nach Gabrovo. Dort haben sich alle acht Freiwilligen, die in Bulgarien sind getroffen. Im ersten Moment war es seltsam sich in echt gegenüberzustehen. Aber das hat sich schnell gelegt. Das Wochenende haben wir also zu acht auf engstem Raum verbracht, gute Gespräche geführt und wenig geschlafen.

Sergey, der Ansprechpartner von Tom und Connor, die in Gabrovo ihr FÖJ machen, hat uns eine kleine Stadtführung gegeben. Danach waren wir im Freilichtmuseum Etar. Man konnte traditionellen Handwerkern bei der Arbeit zusehen. Super interessant und das beste für Paula, Freiwillige in Sliwen, ganz viel Süßes. Ihr Kommentar: „I love everything with Pudding in it.“ Sehr amüsant. Nach einem ausgiebigen Mittagessen ging es dann Querbergauf zum Kloster Sokolski. Dabei waren wir dann vollständig, da Pius, Freiwilliger als Haskovo, erst mittags dazugestoßen ist.

Ein sehr schön friedlicher Ort an dem wir eine Pause gemacht haben um danach wieder zurück ins Dorf Etar zu laufen. Manche auf der asphaltierten Straße, andere durch Dornengestrüpp.

Warten auf den Bus zurück nach Gabrovo
Abendessen Linsensuppe in der Tasse

Nach einem partyvollen Abend ging es dann ab ins Bett.

Zweites Frühstück auf dem Parkplatz von Billa

Uns wurde viel über die Einheimischen von Gabrovo erzählt. Vor allem, dass sie einen ganz besonderen Humor haben sollen.

Natürlich waren wir neugierig und haben das Museum des Humors besucht.

Witzig oder?

Es waren genauso viele Spiegel wie Witze im Museum. Nach dem Museumsbesuch ging es auch schon wieder für alle in ihre Städte. Wirklich seltsam, dass es sich nach einem Wochenende so anfühlt, als ob man sich schon viel länger kennt.

Was ich diese Woche über Bulgarien gelernt habe?

  1. Ich weiß so wenig über Bulgarien, dass ich nicht einmal Vorurteile hatte.
  2. Hier wird nicht unbedingt am Zebrastreifen gehalten, dafür aber umso mehr, wenn man einfach mal so über die Straße will
  3. Es gibt extrem viele Apotheken
  4. Anscheinend ist Rammstein die bekannteste deutsche Band. Ich weiß nicht warum
Noch ein Foto von Paula, weil sie so glücklich war über ihren Honigkauf. Ich habe noch nie jemanden kennengelernt, der so euphorisch über Honig geredet hat 🙂

Morgen beginnt für mich der Schulalltag. Ich bin schon gespannt, aber ich wollte mich dieses Mal kurz halten mit dem Blogeintrag. Hat wieder nicht funktioniert. Nächstes Mal!

Tschao!

Übrigens sind alle schönen Fotos von unserer professionellen Fotografin Josefine. Danke <3

 

 

 

 

 

Time is conversation / (Tag 1-6)

Zdraveyte!

Noch nicht einmal eine Woche bin ich hier in Shumen, Bulgarien und doch ist schon so viel passiert!

Am 13.10.2020 bin ich losgeflogen in ein neues Leben. Über den Wolken habe ich Tagebuch geschrieben. Auch mal ne Erfahrung.

Gedichte lesen über den Wolken

Total absurd, dass Shumen nur 2 Flugstunden, aber 38 Stunden mit dem Zug entfernt ist. Zum Glück war der Flughafen in Varna nicht sehr groß, sodass ich mich trotz kyrillisch gut zurecht gefunden habe.

Am Ausgang standen Rumy, eine ehemalige Lehrerin meiner Schule, mit der ich schon E-Mail Kontakt hatte und Emile, der Mann meiner Ansprechpartnerin Elena und Taxifahrer. Bei strahlendem Sonnenschein und für mich aus dem kalten Deutschland kommend unfassbaren 20 Grad sind wir losgefahren in Richtung Shumen. Rumy kann kein Deutsch, aber Englisch. Wir haben uns angeregt unterhalten über alles mögliche. Ihre Ausstrahlung ist der Hammer! Über sie werde ich sicher noch das ein oder andere Mal schwärmen. Ein erstes Zeichen von Heimat: ein Stihlplakat neben der Autobahn. Nach einer knappen Stunde haben wir Shumen im strömenden Regen und mit gewaltigem Gewitter, solche Blitze habe ich noch nie gesehen (man hat erkannt wie sie sich in ihre Einzelteile auflösen) erreicht. Anschnallen ist hier übrigens nicht so verbreitet wenn man nicht gerade Autobahn fährt.

Wir haben Elena von der Schule abgeholt. Die Hälfte der Schüler hat von morgens bis mittags und die andere Hälfte von mittags bis abends Unterricht. Ich habe Euro in Leva getauscht und mir etwas zu Essen gekauft. Dabei war ich so überfordert, dass ich keine Ahnung habe was es war. Zu viert sind wir dann zu dem Wohnblock gefahren in dem meine Wohnung liegt.

Aussicht von meinem Wohnblock

Da standen wir also in meiner Wohnung und haben Pläne für die nächsten Tage geschmiedet. Ich habe meine Sachen ausgepackt, den Duschvorhang halbwegs repariert, mein Essen gegessen, mich auf mein Bett gesetzt und erst dann realisiert: ich bin ganz allein in einem fremden Land und das hier ist meine erste eigene Wohnung! Ein seltsamer Gedanke. Damit ich nicht zu viel darüber Nachdenke, habe ich einen Podcast (gemischtes Hack) gehört, was wirklich beruhigend war vor dem Einschlafen.

Am nächsten morgen hat Elena mir ein bisschen die Stadt gezeigt und den Weg zur Schule. Elena ist extrem lieb. Superschön mit ihr Deutsch zu reden, auch ich kann dadurch mein (hoch)deutsch verbessern :).

Elena und ich vor der Schule

Wir haben ausgemacht, dass ich mit ihr nach Sofia fahre, weil sie dort eine Fortbildung hat und ich die Gelegenheit nutzen kann um die Freiwilligen dort kennenzulernen. Also habe ich mich gleich bei Josefine eingemietet und freu mich schon mega die anderen in echt kennenzulernen, da wir uns bisher Coronabedingt beim Online Seminar nur über Zoom gesehen haben Am Nachmittag bin ich mit Rumy in die Bücherei gegangen. Natürlich habe ich auch sofort einen Büchereiausweis bekommen und gleich Bücher ausgeliehen. Eine Bibliothekarin, die Deutsch kann, hat mich eingeladen mit ihr zu malen und andere kreative Porjekte zu starten wann immer ich will. Nach der Bücherei sind wir zu Rumys kleinem verzauberten Traumhaus gegangen.

Rumys kleines Paradies

Ich wurde gleich mit viel Essen versorgt und habe mich extrem wohlgefühlt (das Haus besteht praktisch nur aus Kissen, Büchern und Tieren).

Auf dem Heimweg hatte ich ein sehr interessantes Gespräch. Mann der dabei ist ein Tuch auszuschütteln: Germania? Ich: da (ja), Stuttgart. Er: aaah! Mercedes, brumm brumm. So einfach ist es sich zu verständigen. Wenn man mit Rumy unterwegs ist kommt man übrigens keine 100 Meter weit ohne, dass sie eine Person kennt. Ein riesiges Dorf. Sie hat mir gesagt: „in Western Europe, time is money. On the Balkan, time is conversation.“ Wir sind extrem viel gelaufen. Rumy hat einen eigenen Pfad in den Wald von ihrem Garten aus. Es war mega interessant mit ihr über die Geschichte Bulgariens zu reden. Außerdem ist sie wirklich an allem und jedem interessiert und weiß superviel. Sie war eine leidenschaftliche Lehrerin und hat wirklich versucht ihren Schülern Hoffnung für eine Zukunft zu geben. Was für ein Privileg es ist, dass man in Deutschland so viele Möglichkeiten hat. Das ist mir erst in diesem Gespräch klar geworden. Fast ein Drittel der Abiturienten hier möchte nach Deutschland gehen um ein besseres Leben, eine bessere Zukunft zu haben. Sie hat mich nach Hause gebracht und unterwehs haben wir noch über die Formen der Wolken und den Himmel geredet.

Die größte Moschee Bulgariens

Nach dem ersten Tag habe ich schon so viele neue Eindrücke bekommen.

Den nächsten Vormittag habe ich damit verbracht die E-Mails meiner Schüler zu beantworten. SIe haben mir Sightseeing-Tipps gegeben. Also habe ich mich trotz Nebel auf den Weg gemacht die 1300 Stufen zum Monument 1300 Bulgarien zu erklimmen.

Die Einheimischen nutzen die Treppen zum trainieren anstatt in ein Fitnessstudio zu gehen es war also super anstrengend hochzulaufen. Ich habe mich gefühlt wie bei Temple Run. Aber als ich oben war, hatte sich der Nebel verzogen und ich habe die Aussicht genossen, den See von Shumen gesehen, in der Sonne gelesen und prompt einen Sonnenbrand bekommen…(mitte Oktober!!!).

Ausblick auf Shumen

Was auch sehr interessant ist, ich habe keine Ahnung was in den Backwaren drin ist, die ich hier kaufe. Es ist also immer eine Überraschung, wenn man reinbeißt und etwas Süßes erwartet hat und dann Käse schmeckt. War also doch keine Apfeltasche, wie ich vermutet hatte… Nachmittags habe ich mich mit einer ehemaligen Schülerin von Rumy getroffen. Rumy kennt wirklich extrem viele Leute und verschafft mir unmengen an Kontakten. Mit Viki war ich im Stadtpark spazieren. Mega beeindruckend, dass sie nach 5 Jahren, in denen sie fast kein Deutsch gesprochen hat besser Deutsch spricht, als ich je Französisch gesprochen habe. Sie hat mir Baniza (die bulgarische Variante von Börek) und Bosa (fermentierter Weizensaft, absolut nicht mein Ding) gekauft. Aber anscheinend lieben es die Leute, vorallem die Schüler, Leuten dabei zuzuschauen, wie sie das erste mal Boza trinken.

Baniza
Bosa

Danach war ich sehr lange Einkaufen. Es ist schwerer als man denkt so einzukaufen, dass nichts schlecht wird und auch echt schwer ohne Plastik einzukaufen. Obwohl ein Umdenken stattfindet und junge Leute, wie Viki an Nachhaltigkeit interessiert sind, hat sie es doch nicht leicht mit der älteren Generation hier. In Deutschland nachhaltig zu leben ist dagegen ein Kinderspiel. Abends habe ich dann noch mit einem anderen Freiwilligen, Pius, telefoniert. Es hat echt gut getan über die ganzen neuen Eindrücke mit jemandem zu reden, der ähnliche Erfahrungen macht. Deutsch zu reden, ohen möglichst verständliche Sätze zu bilden und besonders abends ist es wirklich angenehm noch ein bisschen zu reden. Zum Beispiel darüber, welches Herd- und Aufzugmodell man hat. (Dem Aufzug vertraue ich hier noch nicht so ganz).

Vertrauenswürdig?
Ein must-have in der Küche: der Kühlschrank-Ofen-Herd

Bisher habe ich auch noch kein WLAN. Ich war zwar schon bei mehreren Internetanbietern, aber Elena scheint noch nicht damit zufrieden zu sein was die Verkäufer mir anbieten. Ich verstehe absolut nichts von dem was geredet wird, also vertraue ich ihr da voll.

Am nächsten Tag war ich wieder mit Elena spazieren. SIe hat mir warmes Baniza gekauft, himmlisch, und ihrem Friseur vorgestellt. Ich verbringe sehr gerne Zeit mit ihr. Wie es der Zufall so will war sie schon in mehreren Städten in Baden-Württemberg und es ist immer wieder interessant mit den Leuten hier über ihr Bild von Deutschland zu sprechen. Dann waren wir noch in ihrer Wohnung und sie hat mir angeboten, dass sie mir Bücher von ihrem Sohn ausleiht. Lesen werde ich also auf gar keinen Fall verlernen. Dann war ich in einem von den zahlreichen Second Hand Läden hier und habe mich in ein Kleid verliebt. Wenn das so weiter geht brauche ich nen extra Koffer wenn es zurück nach Deutschland geht. Im Stadtpark habe ich dann noch ein bisschen gelesen. Abends habe ich ein paar süße Grüße von meinen ABSOLUT MEGA TOLLEN FREUNDEN zuhause gelesen, die sie mir in ein Buch geschrieben haben. DANKE! Wirklich mega schön.

So und jetzt zu gestern. Morgens habe ich mit einer Referendarin der Schule geschrieben, die ihr Deutsch verbessern und eine deutsche Freundin haben will. Here I am. Die Gespräche mit den Leuten hier sind wirklich absolut schön. Alle sind richtig freundlich und reden so lieb. Ich habe mich mit Viki und zwei Schülerinnen vor dem Theater getroffen. Mit Nilyay habe ich auf Englisch geredet und auch Deriya und Viki wollten lieber Englisch reden. WIr profitieren also alle davon unsere Englischkenntnisse zu verbessern. Wobei das Schulenglisch hier echt extrem gut ist. Wir haben Kekse gekauft für Rumy und saßen stundenlang bei ihr im Wohnzimmer. Es war total gemütlich und Deriya hat sehr viel erzählt. Rumy hat uns dauernd neue Dinge gezeigt. Hatte für jeden ein Buch, Spiel oder einen Test. Meine kleine Girlsgang <3. Wir haben uns angeregt unterhalten über Astrologie, Bücher, Feminismus, die verborgenen Stärken einer Frau, Psychologie, toxic masculinity, Nachhaltigkeit, Rassismus, Hitler, Ernährung, Trump, Privilegien, Medikamente, Gott, Rollenverteilung und Vorurteile. Deutsche tragen riesige Jacken?!?! War mir neu. So tolle Gespräche hatte ich schon lange nicht mehr. Und obwohl ab und zu eine Sprachbarriere da war haben wir uns alle verbunden und inspiriert gefühlt und Rumy hat uns auch noch selbstgemachten Traubensaft und Baniza serviert. Dann sind wir losgezogen um im Wald einen Bach von Müll zu befreien den eine Gruppe von Jungs am Abend zuvor dort gelassen hatten. Unmengen von Müll.

Kunstprojekt: wir erschrecken den Müll

Sie haben auf den Mülleimer geschossen, wir haben Patronenhülsen gefunden. Den Müll haben wir sehr schnell eingesammelt und noch dazu Feuersalamander entdeckt.

Auf bulgarisch heißen sie „vom Regen“. Der Rückweg mit den vollen Müllsäcken war eine Herausforderung. Mülltrennung ist hier freiwillig und vielen nicht klar, aber wir haben unser bestes getan den Müll zu sortieren. Danach waren wir noch einmal bei Rumy. Ein kommen und gehen. Zuerst kam ein Mann aus Pakistan, der auch eine Zeit lang in Deutschland gelebt hat. Natürlich im Schwabenland. Dann kam Sascha. Meisterelektriker, Muskelprotz und Katzenretter. Rumy hat über jeden wirklich nur Gutes zu erzählen. Die anderen haben mir gesagt sie ist ein Magnet für Tiere und Menschen und wie eine kleine Waldfee. Sie sei nicht von dieser Welt. Und wenn man sie so lächeln sieht, die Ruhe die sie ausstrahlt und ihre dicken Straßenhunde für deren Futter ihre ganze Rente draufgeht, dann kann man wirklich denken sie wäre einem Märchen entsprungen.

Mich haben sie überzeugt. Der Tag ist so schnell vergangen. Auf dem Heimweg hat mir Viki noch versprochen mir eine Pflanze für dieses Jahr auszuleihen. In meiner Wohnung habe ich dann erstmal alles Erlebte verarbeiten müssen. Ich bin so glücklich wie lange nicht mehr! So erfüllte Tage. Ich weiß, dass ich nicht immer so happy sein werde. 11 Monate sind zugleich lang und kurz. Und besonders jetzt während Corona ist die ganze Situation so unsicher, dass es mir schwer fällt mich ganz darauf einzulassen, weil es jederzeit sein kann, dass ich wieder nach Hause muss.

Heute habe ich mich wieder mit Viki getroffen und mit Rumy. Es war super windig draußen und wir sind durch den Wald zur Festung von Shumen gelaufen. Die liegt auf einem alten Berg und umschließt das alte Shumen. Lauter Ruinen.

Die alte Stadt
Viki und ich auf der Festung

Der gefährlichste Bär Shumens

Im Museum wurde viel über das Volk der Thraker berichtet. Von denen bin ich jetzt irgendwie fasziniert und werde alle neuen Informationen über sie aufsaugen. Auf dem Rückweg haben Viki und ich über die verschiedenen Alkoholsorten gesprochen und über die Bedeutung von Namen. Sie weiß sehr viel über Heilpflanzen, weil sie Apothekerin ist. Ich habe einen neuen Teil der Stadt gesehen. An jeder Ecke ein Second Hand Laden. Baufällige Häuser welche aus der Zeit vor dem Kommunismus stammen. Leider alles schöne Häuser. DIe sozialistischen Bauten sind alle ziemlich hässlich.

Bauruine

Meine versprochene Pflanze habe ich auch bekommen. Natürlich brauch sie auch einen Namen. Also haben wir sie Militschka getauft (Liebchen). Ein Kosewort, dass Rumy andauernd benutzt. Militschka leistet mir jetzt Gesellschaft.

Was ich neues über Bulgarien herausgefunden habe:

Es gibt Möwen, obwohl das Meer 100km entfernt liegt und ganz viele Straßenhunde und Katzen. Vor meiner Wohnung ist ein riesiges Holzlager, aber ich habe keinen Ofen also leider useless für mich. Meine Nachbarn scheinen allerdings noch mehr Holzscheite für den Winter zu lagern.

Ganz schön viel Holz vor der Hütte…

Man sieht extrem viele deutsche Produkte in den Läden. An jeder Ecke steht hier ein Kaffeeautomat.

In der Fußgängerzone stehen häufig Männer mit einer Personenwaage und fragen ob man sich für einen Leva wiegen möchte. Praktisch.

Facebook ist wirklich verbreitet. Ich habe jeden Tag neue Freundschaftsanfragen und bin bestimmt nach diesem Jahr mit der ganzen Schule befreundet. Hier wird auch gehupt wenn geheiratet wird. Merßi heißt Danke. Zum Glück ein einfaches Wort. Aber es gibt immer wieder Worte, die man sich irgendwie herleiten kann. So wie Kartofi. Klingt mega süß oder? Die Zucchini sind hier iwie viel hellgrüner.

Wenn eine Person stirbt, dann werden im Haus und auch draußen auf der Straße, eigentlich überall Zettel aufgehängt um an die Person zu erinnern. Auch am Todesjahrestag.

So, das hat länger gedauert als gedacht. Aber ich glaube jetzt habe ich alles geschrieben, was ich mitteilen wollte. Ich bin extrem gespannt auf die nächsten Wochen und meinen neuen Alltag. Merßi, für’s lesen. Ich hoffe ihr könnt euch Bulgarien jetzt ein bisschen besser vorstellen 🙂