Quarantäne!

Ziemlich viel Zeit ist seit meinem letzten Text vergangen. Schon mal vorweg: das liegt vor allem daran, dass ich zwischendurch Corona hatte und es deshalb wenig zu berichten gab. Danach ist dann wiederum wieder so viel passiert, dass ich noch keine Zeit dazu hatte, es aufzuschreiben. (Im großen und ganzen alles Ausreden, ich weiß!)

Im Februar habe ich mit den Lesefüchsen angefangen. An meiner Schule machen nur zwei Schüler*innen mit. Die Beiden sind total lieb und machen das echt gut, obwohl es erstmal nur online stattfindet.
Insgesamt war in der ersten Februarwoche sehr wenig in der Schule los, weshalb ich Mittwochnachmittag nach Kutaissi gefahren bin.

Viel von Kutaissi selbst hab ich aber nicht gesehen- wir sind am Donnerstag nämlich nicht dort geblieben, sondern sind nach Tskaltubo gefahren. Das ist ein ehemaliger Kurort der Sowjetunion, an den sogar Stalin gefahren ist. Viele der Sanatorien stehen leer und verfallen langsam, man kann sie sich als ‚lost places‘ anschauen. Manche werden allerdings immer noch von abchrasischen Flüchtlingen bewohnt. Diese Menschen wurden dort erst provisorisch untergebracht, inzwischen wurden sie jedoch mehr oder weniger von der georgischen Regierung „vergessen“. Diese Gebäude haben wir gemieden. Es war ein echt schöner Ausflug, auch wenn wir wieder viel tierische Begleitung hatten.

Am Freitag ging es mit dem Zug schon wieder zurück nach Tbilisi. Von dort haben Helly und ich mit einem Kumpel von ihr einen Ausflug in die Felsenstadt Uplisziche, die Teil der Seidenstraße war, gemacht. Es war sehr kalt und windig, aber trotzdem ein schöner Ausflug.

Am Wochenende waren wir noch von unserer Georgisch- Lehrerin zum Essen eingeladen worden. Sie kommt eigentlich aus Samegrelo, einer Region im Westen Georgiens (fast am Schwarzen Meer) mit einer besonderen Küche. Wir haben sehr gut gegessen (und auch getrunken, wie es sich bei georgischen „Festmählern“ so gehört) und wurden sogar zum Khinkali selbst machen eingeladen.

Die kommende Woche war nicht besonders aufregend, das Einzige, dass uns umtrieb, war, dass es Johannes‘ letzte Woche mit uns war – sein Freiwilligendienst ging nur ein halbes Jahr- und dass Helly in der folgenden Woche Geburtstag feiern würde. So stand uns allerlei Geschenk- Vorbereitung bevor.

An Johannes‘ letztem Wochenende sind wir alle bei strahlendem Sonnenschein den Mtatsminda bis zum Schildkrötensee entlang gewandert, am Sonntag waren wir (in ein bisschen dezimierter Gruppengröße) in Mtsketha wandern. Nach dieser zweiten Wanderung, bei der es sehr windig und so kalt war, dass es auf einmal auch angefangen hatte, zu schneien, wunderte ich mich überhaupt nicht darüber, dass ich am Sonntagabend sehr erschöpft war, und es mir nicht so gut ging. Als ich nach Hause kam, ging ich also ziemlich schnell ins Bett. Die Nachbarn unter meinem Zimmer hatten in den letzten Wochen immer wieder irgendwelche Arbeiten durchgeführt, deshalb wunderte ich mich gar nicht groß, als mein Bett zu vibrieren begann. Als Laeti dann in mein Zimmer kam und mich anschaute (ich kann den Blick nicht richtig beschreiben), war mir klar, dass nicht nur ich diese Vibration spürte- als ich hoch an die Decke blickte, schwang meine Lampe stark hin und her. Ein Erdbeben! In diesem Moment kam mir das alles relativ lustig vor- Laeti und ich liefen zu Vera, um ihr auch Bescheid zu sagen, als wir da waren war es schon vorbei und Vera hatte wohl nichts gemerkt. Erst später, als wir einen Sicherheitsleitfaden für Erdbeben von der deutschen Botschaft bekommen hatten und mich viele Lehrer*innen darauf angesprochen hatten, wurde mir klar, dass ein Erdbeben im 13. Stock eigentlich gar nicht sooo lustig ist.

Den nächsten Morgen quälte ich mich aus dem Bett und ging ganz normal zur Schule. Abends trafen wir uns zu einem Abschlussessen in einem Restaurant. Dorthin war ich gelaufen, weil ich mich etwas bewegen wollte und frische Luft brauchte, weil ich Kopfschmerzen hatte. In diesem Restaurant ging es mir auf einmal nicht mehr so gut: meine Beine und Arme schmerzten (ich dachte es sei Muskelkater vom Wandern) und ich konnte kaum essen. Von dort fuhren wir zu uns nach Hause, feierten Johannes‘ Abschied und Hellys Geburtstag rein.

Am Dienstag wurden die Kopfschmerzen noch schlimmer, ich begann zu husten und hatte Fieber. Mein Corona- Schnelltest war aber eindeutig negativ… dachte ich. Denn Mittwoch hatte auch Helly meine Symptome und ihr Schnelltest war mit einer ganz feinen Linie positiv. Also fischte ich meinen Test aus dem Müll und tatsächlich- eine quasi unsichtbare zweite Linie, die ich wohl übersehen hatte. Also gingen wir einen PCR- Test machen und das Ergebnis am nächsten Tag war, wie zu erwarten, positiv. Darauf folgten ungefähr 10 Tage Quarantäne, in denen nicht viel passierte- es war aber ein bisschen gemein, dass wir drin bleiben mussten, denn genau in dieser Zeit war in Tbilisi natürlich strahlender Sonnenschein und es fühlte sich sehr frühlingshaft an.

Der Tag, an dem unsere Quarantäne endlich vorbei war, war total merkwürdig. Ich wachte mit den Neuigkeiten des Krieges in der Ukraine auf- ein schrecklicher Weg, in seinen Tag zu starten. Dazu muss man sagen: hier in Georgien ist die Bedrohung durch Russland durchaus real, greifbar und nah.

Etwa 20 Prozent Georgiens stehen übrigens seit dem Georgien- Krieg 2008 unter russischer Kontrolle. Wohl auch deshalb solidarisieren sich viele Georgier*innen auch nach wie vor mit der Ukraine und kritisieren die Entscheidung der Regierung scharf, sich nicht den Sanktionen gegen Russland anzuschließen.

( Zum Nachlesen / Hören: https://www.deutschlandfunk.de/schleichende-okkupation-was-georgien-mit-der-ukraine-gemein-hat-dlf-a0729c5b-100.html

https://www.br.de/kultur/gesellschaft/georgien-blick-sorge-angst-ukraine-data-tavadze-interview-putin-100.html

https://jungle.world/artikel/2022/13/die-sorge-der-naechste-zu-sein )

Gleichzeitig war  an diesem schlecht gestarteten Tag wunderschönes Wetter. Erst trafen wir uns zum gemeinsamen Kafeetrinken, dann fuhren Helly und ich in eine Ausstellung in einer kleinen Kunstgallerie. Abends waren wir dann noch ein bisschen feiern- für mich fühlte sich das etwas komisch an.

Freitag ging ich Abends mit den anderen ins Kino, wir schauten uns die Neu- Verfilmung von „Mord auf dem Nil“ an.

Am Samstag hatte ich beschlossen, mit Paulina und Vera in Gudauri, einem der Skiorte Georgiens, der auf etwa 2200 Metern über dem Meeresspiegel liegt, Ski fahren zu gehen. Ich hatte ja schließlich extra meine Schneeausrüstung von Zuhause mitgebracht! Da wir nur für einen Tag hinfahren wollten, standen wir früh auf und nahmen um 9 Uhr morgens die Marschrukta (die frühere haben wir trotz unseres frühen Aufstehens nicht geschafft). Am Busbahnhof trafen wir zufällig noch andere deutsche Freiwillige, die wir teilweise schon kannten. Sehr deutsche Marschrukta also! Nach etwa zweieinhalb Stunden Fahrt kamen wir in Gudauri an. Da die anderen beiden schonmal dort waren, kannten sie sich gut aus und die Skiausrüstung war schnell ausgeliehen. Das Wetter war besser, als wir erwartet hatten und wir hatten einen schönen Tag (obwohl ich, wie zu erwarten, natürlich hingefallen bin und mir so wehgetan habe, dass ich dann erstmal aufgehört habe, zu fahren).

Zurück in Tbilisi waren wir noch mehr oder weniger zufällig das erste Mal auf einer der Friedensdemonstrationen. Auch den nächsten Tag waren wir dort nochmal.

Dann ging die Schule wieder los, in der ich ja wegen meiner Infektion für mehrere Tage nicht mehr gewesen war.

Am georgischen Muttertag, dem 3. März, fand noch eine Demo statt, auf die ich gern gehen wollte, aber quasi keiner der anderen kulturweit- Freiwilligen war mehr in der Stadt: Vera, Gabriel und seine Schwester (die ihn mit einer Freundin besuchen war) waren bei Helly und Paulina in Kutaissi, Laeti war in Batumi, Luis war in Deutschland. Friedrich, der da war, hatte wichtige Telefonate zu führen (man munkelt auch, dass er keine Lust hatte). Deshalb habe ich beschlossen, alleine zur Demo zu gehen. An diesem Tag wurden dort Kleiderspenden gesammelt und gepackt. Es gab sichtbar viel zu tun und ich wollte gern helfen, also fragte ich junge Frauen, die etwas taten, wir ich helfen könnte. Richtig weitergeholfen haben sie mir nicht. (Ohrwurm auf dieser Demo: Der letzte Song/ Alles wird gut von KUMMER)

Da entdeckte ich die Freiwilligen, die ich vor wenigen Tagen am Busbahnhof gesehen hatte. Sie halfen offensichtlich! Also sprach ich sie an: „Ihr wisst zwar nicht, wer ich bin, aber ich kenne euch…“. Dafür musste ich mich ein bisschen überwinden, eigentlich mache ich so etwas nicht gern. Aber es hat sehr gut funktioniert: ich half und blieb bis 23 Uhr, als es anfing zu regnen und wir viele der Kartons in einen eigens angefahrenen LKW eingeladen hatten (so richtig mit Menschenketten!!) Danach ging ich mit Samuel und Swea (die anderen Freiwilligen) in eine Weinbar. Dort jobbt Samuel, deshalb waren wir ganz allein und die Bar hatte eigentlich schon zu. Zum Inventar der Bar gehörte auch eine hochschwangere Katze. Sie setzte sich immer abwechselnd auf Sweas und meinen Schoß, wir sangen alle zusammen. Irgendwann meinte Swea: „Also ich glaube der Katze geht es gerade gar nicht gut…“. Ungefähr zehn Minuten später kam das erste Katzenbaby auf die Welt. Und ich verstand plötzlich, wieso meine Hose nass geworden war, nachdem die Katze dort saß: ihre Fruchtblase war einfach auf mir geplatzt!

Nach dieser Katzengeburt (gerade noch so am georgischen Muttertag) fuhr ich nach Hause, um Laeti, die inzwischen aus Batumi zurückgekehrt war, reinzulassen.

Am Tag darauf kamen alle wieder nach Tbilisi zurück und an diesem Freitag sind wir dann noch ins Bassiani feiern gegangen. Wir waren bis halb 9 in dem Club und da wir dann alle Hunger hatten, waren wir noch frühstücken und erst um 12 Uhr wieder zuhause. Daraufhin war erstmal ausschlafen angesagt!

Am 6. März waren wir dann alle zusammen in der Oper von Tbilisi und sahen uns das Ballett Schwanensee an. Dieses Ballett hatte ich, als ich in der 10. Klasse an einem Schüleraustausch mit Russland teilnahm, schon einmal in Sankt Petersburg gesehen und auch hier war es echt schön. Nach dem Ballett war ich von Nino und Nata zu ihnen nach Hause eingeladen worden, also fuhr ich zu ihnen nach Hause. Sie hatten georgisch für mich gekocht- es war sehr lecker und total schön mit den beiden.

Den nächsten Tag musste ich nicht in die Schule, weil Ferien waren… und die würden entsprechend genutzt werden!

Bis ganz bald,

Clara

(diesmal wirklich bald, ich muss ja noch ziemlich genau einen Monat nacherzählen!)