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… zur gegenseitigen Befruchtung: Fachleitertagung 2010

Letzte Woche durfte ich endlich mal wieder Großstadtluft schnuppern und eine Woche an der Fachleitertagung der Deutschen Schulen Chiles 2010 teilnehmen. Meine Betreuerin (gleichzeitig auch die Fachleiterin dieser Schule) konnte aufgrund zu hoher Unterrichts- und Organisationsbelastung nicht hinfahren. Da die Schule sich aber bemüht, sich wieder mehr in den Kreis der deutschen Schulen Chiles zu integrieren, wurde ich hingeschickt. Natürlich gleich verbunden mit dem Kompliment „So jung, und schon Fachleiterin!“ Hab ich natürlich gerne geschmeichelt entgegengenommen. Mit meinen 8 Stunden Unterricht, die ich hier gebe, bin ich im Vergleich zu den lokalen Lehrkräften mit 30-40 Stunden schon ein wichtiger Bestandteil dieser Schule *hust*.

Die Tagung selber war sehr produktiv – neben organisatorischen Dingen wie der B1-, B2- und C1-Prüfungen (die allesamt nicht an unserer Schule angeboten werden) gab es auch Einblicke in neue Unterrichtsmethoden wie das Projektlernen und in die Umsetzung des Rahmenplans für DaF. Besonders interessant für mich war der Montag, an dem wir die Grundlagen des kompetenzorientierten Deutschunterrichts erlernt haben. Prinzipiell wirklich alles sehr hilfreich, vor allem im Bereich des sozialen Lernens, nur eine Sache hat es für mich dann doch wieder zu pädagogisch gemacht: Nach der nachmittäglichen Kaffeepause mussten wir uns zu zweit Rücken an Rücken stellen und dann mit unserem Rücken kommunizieren, wie wir den Workshop bis dahin fanden. Manchmal ist nonverbal nicht unbedingt besser – oder ernster.

Ich musste auch feststellen, dass ich bereits die allbekannte „Ich-weiß-alles“-Einstellung von Lehrpersonen eingenommen habe, sodass mir die Gruppenarbeit mit zwei Kollegen, bei der wir eine Erörterung zum Thema „Megastädte“ schreiben mussten, doch etwas schwerer fiel. Soviel zur erfolgreichen Umsetzung von sozialem Lernen.

Einige Anekdoten noch aus den Sprüchen und Taten meiner Kollegen:

Über Heinrich von Kleist, „Das Erdbeben von Chili“ – „Der Mann hatte eine sozial sehr niedrige Stellung – er war nämlich Lehrer.“

Bei der Vorstellung der Serie „Die Deutschen“ für den Unterrichtsgebrauch wurde auf wundersame Art und Weise „Die Deutschen und der Sex“ ausgewählt. An den katholischen Schulen darf das aber nicht gezeigt werden ;).

Statt „zu Hause“ wurde „zu Essen“ gelesen – im Einklang mit den alle 1.5-2 Stunden stattfindenen Pausen

Ansonsten – ich wollte aus Santiago gar nicht mehr weg. Ich habe bei der liebsten alten Dame gewohnt (die lustigerweise jetzt in Hamburg ist), die sich so nett um mich gekümmert hat. Die Wohnung lag außerdem in Vitacura / Las Condes, einer der schönsten Stadtteile Santiagos – und einer der deutschesten, mit der deutschen Botschaft, der Clinica Alemán und dem deutschen Sportclub Manquehue. Der Clinica Alemán habe ich dann auch gleich einen Besuch abgestattet, da ich gestürzt bin und mein Knie wieder dick angeschwollen war. Da haben sich dann aber auch die Grenzen der deutschen Blase gezeigt, ich habe mit Mühe einen Arzt auftreiben können, der Englisch sprach (den ich dann aber besser auf Spanisch verstanden habe…). Der hat mich gleich wegen Verdacht auf Miniskusanriss in den Kernspin gesteckt, was mich süße 580€ (inklusive Besprechung) gekostet hat. Ich habe aber nur eine Disfunktion der Kniescheibe, was zu der erneuten Schwellung geführt hat. Sehr gut, ich habe mir schon Horrorgeschichten ausgedacht, wie ich in Chile operiert werden muss und dann den Krankenschwestern und Pflegern nicht mitteilen kann, dass ich auf Paracetamol allergisch bin und dann elend an einem Kreislaufzusammenbruch verrecke, weil es mir intravenös gegeben wurde. Oder so. Vielleicht hatte ich auch einfach nur Angst vor einer OP.

Andere tolle Sachen, die ich erlebt habe, beinhalteten ins Kino gehen (das nächste hier ist in Puerto Montt, da kommt man so schlecht nach Hause danach), mit Lisa (CBD-Praktikantin) eine Fotosession auf dem Santa Lucia zu machen, in einem englischen Second-Hand-Buchladen ein Buch für nur CH$6000 (knapp 9€) aufzutreiben – hier in Chile gibt es eine Büchersteuer, sodass Bücher, insbesondere ausländische, über meinem Budget liegen – sowie  den San Cristobal besteigen und meine deutsche Blase zu erweitern – ich habe dort auch wieder zwei Deutsche kennen gelernt, von denen der eine Professor an der Catholica arbeitet und bin mit denen noch gut chilenisch essen gegangen (danke für’s Ausgeben ;)).

Ich überlege gerade, ob auch wirklich alle verstehen, was ich mit „Deutscher Blase“ meine. Nämlich nicht mein Organ, sondern die Situation, wenn man im Ausland nur mit Deutschen abhängt.

Allgemein hat mich die Lautstärke vielleicht ein bisschen gestört, dafür war die Stadt aber so lebhaft, und vor allem auch so sonnig (auch wenn die Bewohner meinten, dass jetzt der Herbst kommen würde) dass ich nur mit Widerwillen in den Bus nach Puerto Varas zurück gestiegen bin…

Aber, was soll’s, da bin ich wieder, und so schlimm ist es auch nicht. Nur rieche ich nach zwei Tagen in der WG schon stark nach dem Holzofen, mit dem da geheizt wird. Angeblich eine sehr chilenische Erfahrung.

Was sehr schade ist – und zu dem Thema Santiago und Kleinstadt passt – Javiera, eine Musiklehrerin in meinem Alter, hat gekündigt und geht wieder zurück nach Santiago zu ihrer Familie. Konnte es hier alleine nicht aushalten. Heute geht es zu ihrem Geburtstag und zum Abschied noch mal Pichanga essen.

 

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