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Freiwillige vor!

Wenn man schon als offizielle Berufsbezeichnung „Freiwillige“ hat, kann man sich immer so schwer aus Sachen die ebendiese erfordern ziehen. So kommt es, dass ich am Freitag, der offizielle „Dia del Alumno“, also Tag der Schüler ist, wohl bei den Liedern „High School Musical“ (Titelsong) sowie „I’m a single Lady“ mit einigen anderen Lehrerinnen meine heißen Latina-Tanzkünste zum Besten geben darf. Ich musste bei den Proben dann feststellen, dass das gar nicht so einfach ist, aber das wird schon. Videos, die in irgendeiner Form aufgenommen werden könnten, werden sofort gnadenlos der „conquistatora alemana“ (nicht nachfragen, wie es zu dem Namen gekommen ist, ich weiß es selber nicht mehr so genau. Hatte glaube ich etwas mit Keksen zu tun) zum Opfer fallen, das Beste, worauf ihr hoffen dürft, sind einige verschwommene Fotos von einer Handykamera.

Als Zweites werde ich mich dann Freitag abend am Colegio Alemán einfinden (das nennt man engagiert, sogar Freitag abend bei der Arbeit) und mit einigen anderen Lehrern und ein paar Schülern einen Bus besteigen, über Nacht in das nördlich gelegene Los Angelés (de Chile! Das andere wäre mit einem Bus über Nacht nur schwerlich zu erreichen) fahren und dort ein Wochenende lang via Techo para Chile („Verpflichtung!“ – so heißt tatsächlich der offizielle Titel dessen, was wir tun, also auf Deutsch, wohl gemerkt…) Aufbauhilfe bei einer vom Erdbeben schwer geschädigten Schule leisten. Um ehrlich zu sein freu ich mich schon riesig drauf, da ich das ganze Wochenende Spanisch sprechen werde und das sicher auch noch mal eine gute Art und Weise ist, sich mehr mit den Kollegen, die man noch nicht so gut kennt, anzufreunden. Und natürlich auch der gute Zweck. Ich bin schon ganz gespannt. Als erstes wurde ich gefragt, ob ich denn auch Werkzeuge mitbringen könnte. Mist. Genau die habe ich am Flughafen zu Hause gelassen, als klar wurde, dass ich nur ein Gepäckstück mitnehmen könnte. Sonst fahr ich ja nie ohne meine Säge weg.

Ganz freiwillig bin ich auch am Samstag mit der Rebecca nach Cochamó, das Kletterparadis Chiles (es wird im Lonely Planet als das „neue Yosemite“ bezeichnet, wobei da habe ich dann doch meine Bedenken), gefahren. Und was mache ich so in einem Kletterparadis?

Reiten! Da mein Knie immer noch nicht wieder komplett in Ordnung ist, und Rebecca die geniale Idee hatte, in Cochamó einen Tagesausflug auf Pferden zu buchen, habe ich mich dem spontan mal angeschlossen und bin am Samstag mit ihr da hingetuckert. Habe ich mir auch ehrlich verdient, nach dieser Woche – ich habe nicht mehr mitgezählt, wie viel Unterricht ich gegeben habe, ich weiß nur, dass ich inzwischen Expertin in Sachen spontan-mir-irgendwas-ausdenken-damit-die-Schüler-beschäftigt-sind-und-am-besten-noch-Deutsch-lernen bin. Auf der anderen Seite durfte ich dank meiner Unabhängigkeit vom Lehrplan meine kreative Seite mal ein bisschen ausleben und habe den Schülern Peter Fox, Fußball in Deutschland und Lola rennt nahe gebracht, was mir selber glaube ich noch mehr Spaß gemacht hat als den Schülern (Wer brauch Hörverständnisaufgaben zu „Stadtaffe“, „Glücklich“ oder „Fußball ist immer noch wichtig“? Ich habe auch spanische Übersetzungen zu sämtlichen umgangssprachlichen Ausdrücken).

Ich möchte lieber über das Wochenende schreiben, das war nämlich doch spannender. Tratsächlich ist das Wetter momentan genial (also verhältnismäßig. Ich möchte mich hier nicht mit meinen Kollegenen in der Karibik vergleichen, aber im Gegensatz zu letzter Woche sind 17°C und strahlender Sonnenschein einfach herausragend), sodass wir Samstag frohen Mutes um 8 Uhr den Bus nach Cochamó bestiegen haben, um um 10.30Uhr unsere Reittour im Campo Aventura anzutreten. Ich hatte mich, als ich meine Einsatzstelle erfahren habe, auch ziemlich darauf gefreut, hier mal klettern zu gehen und schon mit diversen lokalen Kletterern Kontakt aufgenommen, aber wie das Leben so spielt ist mein Knie dann immer noch dagegen. Aber man kann hier auch unheimlich viele andere Sachen machen, unter anderem halt Ein- bis Neuntagestrips auf einem dicken Pferd.

Schon alleine der Weg zum Campo Aventura versprach schon einiges an Abenteuer (wilde Hängebrücke über wildes Wasser), als wir dann ankamen und unseren Gaucho Francisco sahen war man dann auch direkt in seinem Stereotypendenken: Sombrero und Poncho, braungebrannt, halblange Haare, sprach nur Spanisch. Wir haben erst mal Kaffee und selbstgebackene Kekse bekommen, dann wurden wir mit den Pferden bekannt gemacht und mir wurde erklärt, wie das eigentlich geht. Reiten hier ist ein wenig entspannter als in Deutschland, so hält man die Zügel nur in einer Hand und die Pferde reagieren recht schnell auf Bewegungen und Druck von den Beinen. Nicht, dass ich so viel Ahnung von Reiten in Deutschland hätte, meine Vorerfahrungen beschränken sich auf Ponyreiten auf dem Jahrmarkt. Nevertheless, ich hatte viel Spaß – man nimmt die Landschaft um sich herum doch anders wahr, wenn man nicht selber laufen muss. Auch wenn mein Hintern am Ende ziemlich weh tat, und der Muskelkater am nächsten Tag sich einmal durch den ganzen Rücken zog. Was spannend war, war der Teil im Wald, wo wir tatsächlich Flüsse durchkreuzt haben und Schlammberge hochgeklettert sind. Beim Runterreiten hatte ich doch teilweise ein bisschen Panik. Mein Pferd hatte dazu noch eine gewisse Abneigung gegen Wasser, sodass man ihm immer noch einmal nett (oder weniger nett) sagen musste, dass es doch bitter weitergehen sollte, sobald ein Fluss oder Schlammpfützen auftraten. Allgemein war es aber natürlich das beste Pferd der Welt, schließlich hat es mich sicher wieder nach Hause getragen, ohne, dass ich gefallen wäre oder sonstigen Schaden davon getragen hätte.

Wieder im Campo haben wir die indische Besitzerin kennen gelernt, selbstgebackenen Kuchen gegessen, uns mit sämtlichen Farmtieren bekannt gemacht und sind dann schließlich wieder nach Puerto Varas zurück getuckert. Da waren wir dann mit Sasha, meiner einen amerikanischen Mitbewohnerin, die letzte Woche einfach mal so aus dem Nichts aufgetaucht ist, Pichanga essen (das wird bei mir grad recht regelmäßig) und die Nacht habe ich herausragend geschlafen.

War auch wichtig, am nächsten Tag war auch KUCHENDAY! Oder so. In Ensenada gab es die Fería de Murta, das ist eine lokale Frucht (siehe hier),deren Existenz einmal im Jahr an einem Wochenende mit dem Verkauf von viel Kuchen, Eis, Marmelade und was man noch so alles aus Murta herstellen kann, gefeiert wird. Dazu kam noch eine Band von halbwüchsigen Jungs, deren Hüftschwung es noch ein wenig an Übung fehlt, der aber definitiv zu dem Charme ihres eher unbeholfenen Auftritts beigetragen hat. Da das Wetter so schön war, sind wir vorher noch zu den Saltos de Petrohue gefahren (Wasserfälle) und dort ein wenig herumgewandert, und haben am Ende am Strand des Sees gegessen. Fast wie Sommer, wenn man davon absieht, dass es nachts immer noch richtig kalt wird. Aber immerhin wird jetzt geheizt. Meistens zumindest.

Hace frio

So kann man wohl die letzte Woche beschreiben – es ist kalt!! Tagsüber geht es meistens noch, aber nachts friert man schon trotz zwei Decken ganz schön. Am Wochenende waren meine Vermieter auch nicht da und da ich den Ofen nicht anbekomme, und die anderen die hier wohnen dazu auch nicht in der Lage sind, haben wir halt gefroren. Wieder mal ein typisch südchilenisches Erlebnis, habe ich mir sagen lassen. Um ehrlich zu sein kann ich aber darauf manchmal gerne verzichten. Auch wenn es natürlich großartigen Gesprächsstoff bietet, und man jetzt endgültig in den Kreis der geringverdienenden Lehrer aufgenommen ist, wenn man morgens mit sich-reibenden Händen in das Lehrerzimmer kommt und laut verkündet: „Uhhh, hace frio!“ – „Si, verdad, y no tengo califaction.“ – „Tengo califaction, pero esta muy caro, no puedo usarlo mucho.“ Und so weiter (wie ihr merkt, ich kann jetzt auch schon erweiterten Smalltalk machen, nicht mehr nur Wetter. Nein, ich kann auch über meine nicht-vorhandene Heizung sprechen).

Aber genug der Beschwerden. Man entdeckt bei dem ganzen Regen und der Kälte nämlich viel schneller positive Dinge im Leben, sowie seine romantische Seite. Gestern hat es gegen 15 Uhr aufgehört zu regnen und ein paar Strahlen Sonne kamen raus. Ich habe dann gleich alles stehen und liegen gelassen (inklusive einer Skypeverabredung, sorry noch mal) und bin mit meiner kleinen Taschenkamera losgezogen, um qualitativ hochwertige Fotos aus der Reihe „Nach dem Regen“ (zu finden hier) zu machen sowie einfach die Luft und die Ruhe zu genießen. Manchmal ist so eine Kleinstadt ja doch ganz schön.

Und mal wieder zu meinen Schulanekdoten (nimmt ja doch viel Zeit ein). Zum einen hatten wir Freitag „Pago de Piso“. Das heißt die jungen Lehrer/innen finanzieren eine Party für das gesamte Kollegium. In unserem Fall waren wir im „Kalimba“, einer örtlichen Karaokebar, und haben dort zwei Pisco Sour umsonst bekommen (die so stark waren, dass man danach auch kein Getränk mehr bezahlen musste) sowie diverse Kleinigkeiten zu Essen, haben Karaoke gesungen, ein wenig getanzt und viel geredet. Ich habe mich lange mit Jessica, einer Spanischlehrerin unterhalten, die ungefähr in meinem Alter ist und gerade mit ihrem Mann neu hinzugezogen ist. Sie – wie einige andere auch – war erstaunt dass ich ja doch Spanisch spreche. Ich sollte mir wohl doch angewöhnen, im Lehrerzimmer mehr Spanisch zu sprechen (Schamgrenze, ich komme). Nachdem sich die Gesellschaft gegen 1 Uhr aufgelöst hatte, bin ich noch mit ein paar Kollegen ins Barometro, die örtliche Disco, gezogen, aber auch nicht mehr so lange geblieben, weil ich am nächsten Morgen um 10 Uhr Spanisch hatte.

Aber das war zum Glück keine gewöhnliche Spanischstunde, sondern wir haben einen Ausflug gemacht – ins Museo Felmer in Nueva Braunau (das ist jetzt nicht nach dem Ort, aus der Mann mit dem kleinen Bart herkommt, benannt, sondern nach einem Ort in Tschechien…). Hierbei handelt es sich um ein deutsches Heimatmuseum wie man es aus seinem persönlichen Dorf kennt (hallo Syke. Ja, du bist eine Kleinstadt. Jetzt also nicht beleidigt sein.). Ein Mann hat alle möglichen alten Besitztümer der deutschen und österreichischen Einwanderer gesammelt und dort ausgestellt. Alex ist wohl gut mit dem Sohn des Gründers befreundet und wir hatten ein Privattour mit anschließendem Kaffee. Ich stelle auch noch eine Fotoreihe online, aber die Fotos habe ich mit der Kamera von Alex gemacht und hole mir die morgen erst ab. Zumindest war die Übermüdung nicht so schlimm, da das Ganze sehr interessant war sowie keine besondere Konzentration erforderte. Trotzdem bin ich abends um 23 Uhr im Bett gewesen und habe Sonntag bis 12 Uhr geschlafen.

Das lag allerdings nicht nur an der mehr oder weniger wilden Kleinstadtpartynacht, sondern auch an der Woche davor, die gekennzeichnet war von starken Spannungen um Deutschkollegium aufgrund eines Vorfalls, den ich als „Dienstgeheimnis“ wohl nicht preisgeben darf. Für mich war es auf jeden Fall eine starke Belastung, dass ein sehr rauher Ton im Kollegium geherrscht hat und zu allem Überfluss eine der Kolleginnen für 12 Tage krank geschrieben worden ist und ich spontan ihre Klassen übernehmen durfte (Positiv: wir haben am Freitag in den letzten zwei Stunden Waffeln gemacht. Und gegessen.). Jetzt kommt ab heute eine neue Lehrerin, um einige Klassen zu übernehmen, was eine große Entlastung für die anderen darstellt. Hoffen wir, dass das so bleibt.

Der heutige Tag dagegen war sehr lustig, wir haben nämlich einen Ausflug mit Englisch ins Theater nach Osorno gemacht. Ja, ich weiß, ich bin hier für Deutsch zuständig, aber wenn die doch noch eine Lehrerin zum Aufpassen brauchten, konnte ich ja schlecht „nein“ sagen. Romeo und Julia, um auch die Romantischen unter uns anzusprechen. Es war eine nette Abwechselung, zumal ich in meinem Bus mit Paula, einer der Spanischlehrerinnen, Aufsicht hatte und mich lange mit der unterhalten habe (es läuft langsam… also wirklich langsam, wenn sie langsam sprechen). Die Schüler waren wider Erwarten auch ganz artig, nur der Fakt, dass es nur zwei Toiletten gab, am Ende aber so circa 20 Schülerinnen mussten, hat zu leichten Verzögerungen bei der Abfahrt geführt.

So, genug der Bildung, ich habe ja auch noch so etwas wie Freizeit. Die verbringe ich gerade zum Teil bei meinem netten Physiotherapeuten Juan. Mhhh, wer sich da wie ich einen netten Latinlover, so groß, mit dunklen Haaren, muskulös gebaut (was sich unter der Krankenhauskleidung natürlich auch abzeichnet) und braun gebrannt vorstellt, der wird ungefähr genauso enttäuscht sein wie ich: Wieder nur der normale Durschnittschilene. Schlimm ist das, diese ganzen Namen werfen immer so große Erwartungen auf und dann kommt dann doch wieder die ernüchternde Realität. Nicht, dass der nicht nett wäre und keinen guten Job machen würden (wobei wir unsere Differenzen darüber hatten, ob man jetzt Elektrostimulation alle 10 Sitzungen machen sollte oder nicht), aber der könnte jetzt auch Martin oder Dominik heißen, das würde zumindest die Enttäuschung verringern.

Außerdem hatte ich überlegt, mich dann doch mal wieder sportlich zu betätigen (nachdem ich 4kg abgenommen habe, meine Hosen aber immer noch gleich sitzen, spreche ich das dem Muskelschwund zu) und das zu machen, was ich darf – Schwimmen gehen. Leider nicht so einfach hier. Die Schule hat zwar ein Schwimmbad, aber das ist nur Dienstags abends für Lehrer geöffnet, und wer jetzt behauptet, dass er nach 10 Stunden arbeiten, wovon 2 Stunden auch noch Schulversammlungen waren, auf denen wieder nichts außer Lamentierungen rausgekommen sind, immer noch Lust hat, ein paar Bahnen zu schwimmen, der lügt doch. Ich auf jeden Fall nicht. Alle anderen Schwimmbäder hier in Puerto Varas sind integriert in die Spas der verschiedenen Hotels, kosten dementsprechen und haben Rekordlängen von 8-12 Metern. Soviel also zu dem Plan. Vielleicht gönne ich mir im Juni als Geburtstagsgeschenk eine Monatsmitgliedschaft in dem Spa des Hotels nebenan, so gegen die massiven Winterdepressionen. Außerdem haben die noch einen kleinen Fitnessraum angeschlossen, sodass ich dort auch Fahrradfahren könnte, was meinem Knie wohl ganz gut tun soll.

Gut, das war es mal wieder. Ich bin gerade fleißig am Rezepte sammeln, sodass hoffentlich bald der versprochene Essenseintrag kommt. Und wer noch Bücher hat, die er nicht mehr will, die Bibliothek der Deutschen Schule Puerto Varas würde sich freuen. Dank der hier erhobenen Büchersteuer sind ausländische Bücher nämlich quasi unerschwinglich. Und über die Bilder nicht wundern, ich konnte einfach kaum welche zum Thema passende finden, also habe ich Eindrücke von Puerto Varas allgemein mit eingefügt.

… zur gegenseitigen Befruchtung: Fachleitertagung 2010

Letzte Woche durfte ich endlich mal wieder Großstadtluft schnuppern und eine Woche an der Fachleitertagung der Deutschen Schulen Chiles 2010 teilnehmen. Meine Betreuerin (gleichzeitig auch die Fachleiterin dieser Schule) konnte aufgrund zu hoher Unterrichts- und Organisationsbelastung nicht hinfahren. Da die Schule sich aber bemüht, sich wieder mehr in den Kreis der deutschen Schulen Chiles zu integrieren, wurde ich hingeschickt. Natürlich gleich verbunden mit dem Kompliment „So jung, und schon Fachleiterin!“ Hab ich natürlich gerne geschmeichelt entgegengenommen. Mit meinen 8 Stunden Unterricht, die ich hier gebe, bin ich im Vergleich zu den lokalen Lehrkräften mit 30-40 Stunden schon ein wichtiger Bestandteil dieser Schule *hust*.

Die Tagung selber war sehr produktiv – neben organisatorischen Dingen wie der B1-, B2- und C1-Prüfungen (die allesamt nicht an unserer Schule angeboten werden) gab es auch Einblicke in neue Unterrichtsmethoden wie das Projektlernen und in die Umsetzung des Rahmenplans für DaF. Besonders interessant für mich war der Montag, an dem wir die Grundlagen des kompetenzorientierten Deutschunterrichts erlernt haben. Prinzipiell wirklich alles sehr hilfreich, vor allem im Bereich des sozialen Lernens, nur eine Sache hat es für mich dann doch wieder zu pädagogisch gemacht: Nach der nachmittäglichen Kaffeepause mussten wir uns zu zweit Rücken an Rücken stellen und dann mit unserem Rücken kommunizieren, wie wir den Workshop bis dahin fanden. Manchmal ist nonverbal nicht unbedingt besser – oder ernster.

Ich musste auch feststellen, dass ich bereits die allbekannte „Ich-weiß-alles“-Einstellung von Lehrpersonen eingenommen habe, sodass mir die Gruppenarbeit mit zwei Kollegen, bei der wir eine Erörterung zum Thema „Megastädte“ schreiben mussten, doch etwas schwerer fiel. Soviel zur erfolgreichen Umsetzung von sozialem Lernen.

Einige Anekdoten noch aus den Sprüchen und Taten meiner Kollegen:

Über Heinrich von Kleist, „Das Erdbeben von Chili“ – „Der Mann hatte eine sozial sehr niedrige Stellung – er war nämlich Lehrer.“

Bei der Vorstellung der Serie „Die Deutschen“ für den Unterrichtsgebrauch wurde auf wundersame Art und Weise „Die Deutschen und der Sex“ ausgewählt. An den katholischen Schulen darf das aber nicht gezeigt werden ;).

Statt „zu Hause“ wurde „zu Essen“ gelesen – im Einklang mit den alle 1.5-2 Stunden stattfindenen Pausen

Ansonsten – ich wollte aus Santiago gar nicht mehr weg. Ich habe bei der liebsten alten Dame gewohnt (die lustigerweise jetzt in Hamburg ist), die sich so nett um mich gekümmert hat. Die Wohnung lag außerdem in Vitacura / Las Condes, einer der schönsten Stadtteile Santiagos – und einer der deutschesten, mit der deutschen Botschaft, der Clinica Alemán und dem deutschen Sportclub Manquehue. Der Clinica Alemán habe ich dann auch gleich einen Besuch abgestattet, da ich gestürzt bin und mein Knie wieder dick angeschwollen war. Da haben sich dann aber auch die Grenzen der deutschen Blase gezeigt, ich habe mit Mühe einen Arzt auftreiben können, der Englisch sprach (den ich dann aber besser auf Spanisch verstanden habe…). Der hat mich gleich wegen Verdacht auf Miniskusanriss in den Kernspin gesteckt, was mich süße 580€ (inklusive Besprechung) gekostet hat. Ich habe aber nur eine Disfunktion der Kniescheibe, was zu der erneuten Schwellung geführt hat. Sehr gut, ich habe mir schon Horrorgeschichten ausgedacht, wie ich in Chile operiert werden muss und dann den Krankenschwestern und Pflegern nicht mitteilen kann, dass ich auf Paracetamol allergisch bin und dann elend an einem Kreislaufzusammenbruch verrecke, weil es mir intravenös gegeben wurde. Oder so. Vielleicht hatte ich auch einfach nur Angst vor einer OP.

Andere tolle Sachen, die ich erlebt habe, beinhalteten ins Kino gehen (das nächste hier ist in Puerto Montt, da kommt man so schlecht nach Hause danach), mit Lisa (CBD-Praktikantin) eine Fotosession auf dem Santa Lucia zu machen, in einem englischen Second-Hand-Buchladen ein Buch für nur CH$6000 (knapp 9€) aufzutreiben – hier in Chile gibt es eine Büchersteuer, sodass Bücher, insbesondere ausländische, über meinem Budget liegen – sowie  den San Cristobal besteigen und meine deutsche Blase zu erweitern – ich habe dort auch wieder zwei Deutsche kennen gelernt, von denen der eine Professor an der Catholica arbeitet und bin mit denen noch gut chilenisch essen gegangen (danke für’s Ausgeben ;)).

Ich überlege gerade, ob auch wirklich alle verstehen, was ich mit „Deutscher Blase“ meine. Nämlich nicht mein Organ, sondern die Situation, wenn man im Ausland nur mit Deutschen abhängt.

Allgemein hat mich die Lautstärke vielleicht ein bisschen gestört, dafür war die Stadt aber so lebhaft, und vor allem auch so sonnig (auch wenn die Bewohner meinten, dass jetzt der Herbst kommen würde) dass ich nur mit Widerwillen in den Bus nach Puerto Varas zurück gestiegen bin…

Aber, was soll’s, da bin ich wieder, und so schlimm ist es auch nicht. Nur rieche ich nach zwei Tagen in der WG schon stark nach dem Holzofen, mit dem da geheizt wird. Angeblich eine sehr chilenische Erfahrung.

Was sehr schade ist – und zu dem Thema Santiago und Kleinstadt passt – Javiera, eine Musiklehrerin in meinem Alter, hat gekündigt und geht wieder zurück nach Santiago zu ihrer Familie. Konnte es hier alleine nicht aushalten. Heute geht es zu ihrem Geburtstag und zum Abschied noch mal Pichanga essen.

 

Einsatzstelle

Meine offizielle Einsatzstelle ist das „Colegio Aleman Puerto Varas“, bzw. die „Deutsche Schule Puerto Varas“. Nicht denken, dass das eine offizielle Deutsche Schule ist, es handelt sich hierbei nur um eine DSD-Schule, also eine Schule mit einem erweiterten Deutschprofil. Das sieht folgendermaßen aus:

Die Schüler fangen in der 1. Klasse mit 5 Stunden Deutsch die Woche an und behalten diese Fremdsprache auch bis zum Abschluss nach der 12. Klasse bei. Allerdings reduziert sich die Zeit in der 5. Klasse auf 4 Stunden die Woche. Es werden zwischenzeitlich Prüfungen für die verschiedenen Niveaustufen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens abgelegt, das höchste, was man machen kann, ist B1. Die Deutschlehrerinnen (es gibt keinen männlichen) sind alle sehr bewandert in der Sprache (das soll nicht immer so gewesen sein, meint meine Gastmutter), eine kommt aus Deutschland, meine Betreuerin hat dort einige Zeit gelebt (Au Pair und Teile des Studiums) und der Rest hat entweder deutsche Vorfahren oder ist anscheinend sehr sprachbegabt.

Man sollte nicht denken, dass in der Schule deswegen jeder Deutsch spricht, noch nicht mal die Schulleiterin tut das, nur die Schüler (zumindest teilweise…) und die Deutschabteilung.

Die Schule hat 700 Schüler von der 1. bis zur 12. Klasse. 1.-8. Klasse sind hier Grundschule (Basico) und die 9.-12. Klasse ist dann eine Art Oberstufe, die zur Hochschulreife führt (Medio). Dort beginnt man auch wieder von 1 zu zählen, also I° – IV° Medio.

Der Alltag sieht dann so aus: 7.50-8.00 Uhr hat man „Orientation“, also alle wichtigen organisatorischen Sachen werden mit der Klassenlehrerin besprochen. Gilt außer Freitags nicht für mich (ich weiß immer noch nicht so genau, warum, aber ich bin da in Maria-Josés Klasse für den Teil und die Sociedadstunde danach), weil ich ja zu den „Fachlehrern“ zähle. Die Stunden sind zwischen 45 Minuten vormittags und 40 Minuten nachmittags lang und gehen bis 16.05 (das Ende kann aber für Lehrer und für Schüler variieren). Eine Schulstunde zwischen 12 und 13.20 Uhr ist Mittagspause (für mich manchmal auch nicht, weil dann halt um 13.20 Uhr Schluss ist). Danach gibt es dann noch AGs und Hausaufgaben, wobei ich ganz ehrlich zugeben muss, dass ich nicht weiß, wie die Schüler das noch alles machen, das ist schon ein krasser Schultag.

Ich unterrichte zwei Kurse, bzw.werde zwei unterrichten, wenn die Raumfrage geklärt ist. Im Moment habe ich einen Anfängerkurs in der I°Medio (9. Klasse) mit Schülern, die erst nach der Basico hierher gewechselt sind. Das sind nur 8 Schüler, 2 Jungs, 6 Mädchen (allgemein scheinen hier mehr Mädchen auf die Schule zu gehen.Gibt es in Chile mehr Frauen? Oder bekommen reiche Eltern hauptsächlich Mädchen? Alles ungeklärte Fragen der Menschheit… ). Die anderen beiden werde ich dann einmal in der 8. zur Vorbereitung auf die A2-Prüfung haben, das sind dann die besten Schüler der Stufe, was mir das ganze natürlich um einiges erleichtert. Bei der I°Medio habe ich manchmal das Gefühl, dass die mir mehr Spanisch beibringen, als ich ihnen Deutsch. Aber nur manchmal. Inzwischen führen wir natürlich schon Gespräche auf höchstem Niveau: „Wie heichst do?“ „Mein Namen ist José“. Und so weiter. Ab und zu werde ich wohl auch Konversationsstunden in der III° Medio (11. Klasse) anbieten.

Ich fühle mich damit allerdings nicht so ganz ausgelastet, zumal ich dann den Rest der Zeit einfach hospitieren darf (weil selbst mit 4 Stunden Sprachkurs und Vorbereitungszeit für die Stunden komme ich gerade mal auf 20 – 25 Stunden (je nachdem, ob ich mal wieder ein Memoryspiel bastel oder nicht)). Also frage ich mal meine Betreuerin, ob ich bei der Theater-AG, die hier augenscheinlich jedes Jahr ein deutsches Stück aufführt, helfen kann(zumindest letztes Jahr haben sie – zur Vorbereitung auf meine Ankunft natürlich 😉 – die Bremer Stadtmusikanten aufgeführt). Außerdem scheint die Homepage der Schule noch nicht auf Deutsch übesetzt zu sein, das wäre auch noch eine Möglichkeit. Ich hasse nichts mehr als Langeweile, und so interessant der Unterricht zum Angucken auch manchmal sein mag, irgendwann möchte ich auch selber etwas machen.

Noch eine weitere Eigenschaft der Schule: sie ist eine Privatschule, d.h. die Schüler tragen Schulkleidung:
Mädchen: Grauer Rock, Strumpfhose, graue Stulpen, weißes Polohemd, roter Pulli und/oder grau-rote Fließjacke (Oberteile alle mit Schulwappen) schwarze Schuhe

Jungs: eigentlich das Gleiche, nur dass eine graue Hose statt Rock, Stulpen und Strumpfhose (wobei, bei letzterem weiß man das ja nie so genau ;)) getragen wird.

Die Abschlussklasse trägt statt roter grüne Kaputzenpullis, entweder mit Snoopy (Gruß an Andreas), dem Hund aus Family Guy (sorry, aber der Name ist mir grad entfallen) oder dem Schulmaskottchen sowie den Namen der Abgehenden und „Auswanderung 2010“ drauf.

Bis zur 4. Klasse tragen die Schüler ALLE eine schwarze Hose und einen grauen Pulli mit der deutschen Flagge drauf, bis zur 6. Klasse tragen die Schüler alle einen Kittel über der Schulkleidung (Jungs braun/beige, Mädchen blau-kariert), damit diese nicht schmutzig wird.

Die Lehrer werden auch nicht verschont: Grundschule bis zur 4. Klasse trägt einen rot-weiß karierten Kittel, die Lehrer für alles ab der 5. Klasse tragen einen weißen Kittel und wofür der blau-weiß getreifte ist, den auch ich trage, habe ich noch nicht herausgefunden. Vielleicht hatte Christian ja doch Recht und ich bin eigentlich ein Schlachter. Wer weiß. Außerdem sind keine Jeans erlaubt, nur Stoffhosen und Röcke. Kein Problem, ist ja nicht so, dass ich hauptsächlich Jeans eingepackt hätte und die Kleidungspreise in Chile ungefähr so sind wie in Deutschland. Muff.

Privatschule bedeutet natürlich auch ein hohes Schulgeld, d.h. eher gut betuchte Eltern. Sieht man auch daran, dass die Eltern ihre Kinder jeden Tag mit dem Auto zur Schule bringen und abholen. Der Hauptgrund, warum nach dem Erdbeben der Schulbeginn um eine Woche verschoben wurde, war übrigens auch das fehlende Benzin… auf der anderen Seite gibt es an der Schule zwei kleinere „Windrädchen“ und eine Projektgruppe zu erneuerbaren Energien (dieses Jahr ist auch das Jahr der „Biodiversidad“ (http://www.cbd.int/2010/welcome/), aber was genau das für die Schule bedeutet, muss ich noch rausfinden).

Die Lehrerzimmer sind aufgeteilt, in meinem sitze ich mit den ganzen Sprachlehrern, also Englisch, Deutsch, Lenguaje (Spanisch). Quasi alle drei meine Sprachen, hurray. Wobei eigentlich nur Spanisch gesprochen wird, gut für mich.

Das erst mal zur Arbeitsstelle. Da kommen sicher noch lustige Geschichten, momentan gewöhn ich mich aber eher ein. Ich freue mich schon auf meine 8. Klasse, und auf das Memoryspielen mit der 9. am Montag. Und ich mag meine Kolleginnen. Hier vielleicht noch eine Sache: Ich hospitiere hauptsächlich bei Liska N. in der Klasse, die ebenfalls aus Deutschland quasi hier eingewandert ist – hat sich während eines Praktikums in Cochamó verliebt und wird jetzt im Oktober heiraten. Wie toll, augenscheinlich gibt es auch gutaussehende chilenische Männer (außer sie steht auf klein und dick, das werde ich aber noch herausfinden). Schade, dass ich dann nicht mehr da bin.

Am Donnerstag gab es eine Zeremonie, wo die Schüler aus der IV°Medio jeweils eine/n Schüler/in aus der I°Basico für das Schuljahr „adoptiert“ haben, ihnen also das ganze Jahr bei Fragen zur Seite stehen und sie in den Schulalltag einführen. Fand ich sehr hübsch, natürlich eher etwas für die Eltern zum Fotos machen, aber nette Idee, und für die Erstklässler natürlich auch schön (außer für das eine Mädchen, dass ihren „Paten“ wohl nicht mochte und sich geweigert hat, ein Foto mit ihm zu machen :D).

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