Archive for Mai. 2010

Ein Dach für Chile – Entwicklungshilfe auf südamerikanisch

Freiwilligenarbeit bedeutet auch, mal ein Wochenende etwas weniger komfortabel zu verbringen, um etwas Gutes zu tun. In meinem Fall bin ich mit circa 90 Schülern, 10 Lehrern und weiteren 30 der Schule irgendwie verbundenen Leuten im Rahmen einer Aktion von Techo para Chile (für mehr Infos über die Organisation klicke hier) nach Coelemu in der Nähe von Concepción (Los Angeles war dann arg übertrieben als „nah dran“) gefahren, um dort Häuser für Menschen zu bauen, die im Einkommens- und Lebensqualitätsbereich am unteresten Rande der chilenischen Gesellschaft leben. Diese „Häuser“, sogenannte Aquamedias, sind nicht mehr als eine 3x6m große Holzhütte, ohne, dass von uns dann fließend Wasser oder Elektrizität installiert wurde. Und trotzdem sind sie meistens mehr, als die Menschen, die dort einziehen, haben, denn sie haben den Vorteil, dass sie eine Fundation, ein Dach und Wände ohne Löcher besitzen, dementsprechend leichter geheizt werden können sowie Schutz vor fast allen Wetterlagen bieten.

Wir sind also Freitag abend um 19 Uhr an der Schule angekommen. Treffen war eigentlich um 18.30 Uhr, aber ich habe von Marcelo den Tipp bekommen, dass das nur ist, damit dann auch wirklich alle rechtzeitig da sind und dass die Busse erst um 19 Uhr fahren. Sind sie dann auch erst um 20 Uhr, und zwar Richtung Puerto Montt, wo wir auf dem Marktplatz abgesetzt wurden und um 23 Uhr weiterfahren sollten. Sind es dann schon um 22 Uhr, sodass Liska, Marcelo und ich dann ein bisschen rennen mussten, um den Bus noch zu bekommen. Die Nacht hat sich als recht angenehm gestaltet, da die Schüler um 23 Uhr ihre Musik ausgestellt und den Busfahrer darum gebeten haben, doch auch bitte das Licht auszumachen. Um 7 Uhr haben wir dann angehalten, weil eine Brücke gesperrt war, über die wir hätten fahren müssen. Nach einigem Diskutieren haben wir uns dann dazu entschieden zu laufen, während die Busse über die nächste unbeschädigte Brücke gefahren sind, was den Weg um ca. 40km verlängert hat.

In Coelemu angekommen haben wir erst mal die Zimmer in dem Internat, in dem wir geschlafen haben, aufgeteilt, und gefrühstückt und dann auf die Busse gewartet… und gewartet…  und gewartet. Warten war sowieo ein großer Teil dieses Wochenendes. Paula und ich sind in der Zeit ein bisschen spazieren gegangen, nur um festzustellen, dass es in der ganzen Stadt keinen richtigen Kaffee gab, und bei unserer Rückkehr dann, dass die Busse mit dem Gepäck da gewesen waren, nur unseres dann nicht auffindbar war. Am Ende stellte sich raus, dass Marcelo es schon mit hochgenommen hatte. Wir haben dann geflissentlich unsere Techo para Chile Warnweste angezogen (oder als Kopftuch benutzt…) und wieder gewartet, bis wir dann nach ca. 2 Stunden in Gruppen aufgeteilt wurden, wieder warten durften, und dann losgefahren sind, um anzufangen, Häuser zu bauen (natürlich erst, nachdem die Busse total überfüllt waren, wir einen dritten dazu nehmen mussten und das die Abreise wieder um 30 Min verspätet hat). Meine Gruppe war am Meer in einem kleinen Dorf eingesetzt, dass zur Hälfte vom Tsunami weggeschwemmt worden ist. Die andere Hälfte wurde von einigen Dorfbewohnern dann ausgeraubt und ohne Essen und Geld zurück gelassen. Als wir das gehört haben, waren wir dann alle auch erst mal eine Weile still, bis wir angekommen sind. Die Bewohner konnten am Anfang nicht glauben, dass wir ohne Bezahlung helfen würden, als sie es dann aber doch taten, sind sie gleich los und kamen mit Sopaipillas (in Fett gebackenes Brot, am besten mit Manjar), etwas zu Trinken und gekochten Eiern zurück. Die Fundation des Hauses zu legen stellte sich als langwieriger heraus, als erwartet, mehr haben wir dann auch nicht geschafft (zumal wir erst mal den Abhang ebnen mussten). Als wir zum Bus zurück sind, meinte der Fahrer, sein Bus sei voll, der andere würde an einer Stelle, deren Position keiner kannte, stehen. Wir also wieder losgelaufen, inzwischen war es stockduster und keine wusste wohin. Wie durch ein Wunder haben wir dann aber nach 15 Minuten Umherirren den anderen Bus gefunden.

Im Internat gab es sogar wider erwarten lauwarmes Wasser, sodass man doch duschen konnte. Die Mädels, in deren Zimmer ich Aufsichtsperson war, waren auch muy responsable, und haben, nachdem sie mich mit Keksen gefüttert haben, um 23 Uhr das Licht ausgemacht, ohne dass ich etwas sagen musste. So große Autorität genieße ich schon, dass sie meine Gedanken lesen können. Sehr schön, sehr schön.

Am nächsten Tag mussten wir dann um 6 Uhr aufstehen, alle Sachen packen, in einem großen Zimmer sammeln, frühstücken, und dann wieder warten. Ich habe die Gruppe gewechselt und in der Stadt mitgeholfen, weil ich bereits früher abfahren musste. Ich wollte nach Santiago, um meinen Flug zum Zwischenseminar in Buenos Aires zu bekommen. Effektiv konnte ich dann auch nur eine Stunde mithelfen. Schade.

Ich möchte hier die Organisation Un Techo para Chile auf keinen Fall schlecht machen, sie existiert schon seit Jahren und hat diesem Land große Dienste erwiesen. Aber dieses Wochenende hätte doch ein kleines Tickchen organisierter sein können. Nur ein kleines. Ich hatte trotzdem unheimlich viel Spaß, es tut gut, auch mal was zu erschaffen, was man später sehen und mit Händen anfassen kann. Auch wenn ich es nie bis zu einem ganzen Haus geschafft habe.

Und nun noch zu der lustigen Seite meines Freiwilligendienstes: Den Freitag vor Abreise war Dia del Alumnos, d.h. ab 11.10 Uhr haben die Schüler zusammen gefrühstückt (einen „Berlin“ – Berliner mit Manjar gefüllt und mit weniger fluffigem Teig, aber der Puderzucker ist trotzdem drauf, damit man die schwarzen Klamotten auch schön schmutzig machen kann…) und die Lehrer ab ca. 11.45 Uhr sich in der Sporthalle zum Affen gemacht. Ich durfte das schon früher, um 10.30 Uhr haben die Grundschullehrerinnen für die kleineren eine extra-Veranstaltung gemacht und ich war in dem Theaterstück eine Sumsebiene, die lieber Honig suchen als Musik machen wollte (hallo Hollywood). Später gab es dann noch die besagten heißen Latina-Tanzkunststücke, die ich mit einer Gruppe von Lehrerinnen zum Besten gegeben habe. Die anderen Lehrer haben dann Clowns, Boxer und Liebespaare gespielt und am Ende sind wir alle in dem weltberühmten Chor der deutschen Schule Puerto Varas aufgetreten und haben das Lied Kuckuck zum Besten gegeben. Natürlich bin ich zu der Gegenveranstaltung, Dia de Profes, nicht mehr da, da darf dann meine Nachfolgerin die Früchte meines Erfolges ernten. Aber ich bin dafür, dass die Schüler sich schon mal zum meinem Geburtstag nächste Woche ein paar Sachen überlegen. Und dass wir solche Tage auch in Deutschland einführen, es hat doch unheimlich viel Spaß gemacht. (Fotos folgen, meine Kamera…)

Der nächste Eintrag dann über Buenos Aires, Zwischenseminar, und das Wunder, wie man mit weniger als drei Stunden Schlaf pro Nacht trotzdem mehrere Tage überleben kann.

Freiwillige vor!

Wenn man schon als offizielle Berufsbezeichnung „Freiwillige“ hat, kann man sich immer so schwer aus Sachen die ebendiese erfordern ziehen. So kommt es, dass ich am Freitag, der offizielle „Dia del Alumno“, also Tag der Schüler ist, wohl bei den Liedern „High School Musical“ (Titelsong) sowie „I’m a single Lady“ mit einigen anderen Lehrerinnen meine heißen Latina-Tanzkünste zum Besten geben darf. Ich musste bei den Proben dann feststellen, dass das gar nicht so einfach ist, aber das wird schon. Videos, die in irgendeiner Form aufgenommen werden könnten, werden sofort gnadenlos der „conquistatora alemana“ (nicht nachfragen, wie es zu dem Namen gekommen ist, ich weiß es selber nicht mehr so genau. Hatte glaube ich etwas mit Keksen zu tun) zum Opfer fallen, das Beste, worauf ihr hoffen dürft, sind einige verschwommene Fotos von einer Handykamera.

Als Zweites werde ich mich dann Freitag abend am Colegio Alemán einfinden (das nennt man engagiert, sogar Freitag abend bei der Arbeit) und mit einigen anderen Lehrern und ein paar Schülern einen Bus besteigen, über Nacht in das nördlich gelegene Los Angelés (de Chile! Das andere wäre mit einem Bus über Nacht nur schwerlich zu erreichen) fahren und dort ein Wochenende lang via Techo para Chile („Verpflichtung!“ – so heißt tatsächlich der offizielle Titel dessen, was wir tun, also auf Deutsch, wohl gemerkt…) Aufbauhilfe bei einer vom Erdbeben schwer geschädigten Schule leisten. Um ehrlich zu sein freu ich mich schon riesig drauf, da ich das ganze Wochenende Spanisch sprechen werde und das sicher auch noch mal eine gute Art und Weise ist, sich mehr mit den Kollegen, die man noch nicht so gut kennt, anzufreunden. Und natürlich auch der gute Zweck. Ich bin schon ganz gespannt. Als erstes wurde ich gefragt, ob ich denn auch Werkzeuge mitbringen könnte. Mist. Genau die habe ich am Flughafen zu Hause gelassen, als klar wurde, dass ich nur ein Gepäckstück mitnehmen könnte. Sonst fahr ich ja nie ohne meine Säge weg.

Ganz freiwillig bin ich auch am Samstag mit der Rebecca nach Cochamó, das Kletterparadis Chiles (es wird im Lonely Planet als das „neue Yosemite“ bezeichnet, wobei da habe ich dann doch meine Bedenken), gefahren. Und was mache ich so in einem Kletterparadis?

Reiten! Da mein Knie immer noch nicht wieder komplett in Ordnung ist, und Rebecca die geniale Idee hatte, in Cochamó einen Tagesausflug auf Pferden zu buchen, habe ich mich dem spontan mal angeschlossen und bin am Samstag mit ihr da hingetuckert. Habe ich mir auch ehrlich verdient, nach dieser Woche – ich habe nicht mehr mitgezählt, wie viel Unterricht ich gegeben habe, ich weiß nur, dass ich inzwischen Expertin in Sachen spontan-mir-irgendwas-ausdenken-damit-die-Schüler-beschäftigt-sind-und-am-besten-noch-Deutsch-lernen bin. Auf der anderen Seite durfte ich dank meiner Unabhängigkeit vom Lehrplan meine kreative Seite mal ein bisschen ausleben und habe den Schülern Peter Fox, Fußball in Deutschland und Lola rennt nahe gebracht, was mir selber glaube ich noch mehr Spaß gemacht hat als den Schülern (Wer brauch Hörverständnisaufgaben zu „Stadtaffe“, „Glücklich“ oder „Fußball ist immer noch wichtig“? Ich habe auch spanische Übersetzungen zu sämtlichen umgangssprachlichen Ausdrücken).

Ich möchte lieber über das Wochenende schreiben, das war nämlich doch spannender. Tratsächlich ist das Wetter momentan genial (also verhältnismäßig. Ich möchte mich hier nicht mit meinen Kollegenen in der Karibik vergleichen, aber im Gegensatz zu letzter Woche sind 17°C und strahlender Sonnenschein einfach herausragend), sodass wir Samstag frohen Mutes um 8 Uhr den Bus nach Cochamó bestiegen haben, um um 10.30Uhr unsere Reittour im Campo Aventura anzutreten. Ich hatte mich, als ich meine Einsatzstelle erfahren habe, auch ziemlich darauf gefreut, hier mal klettern zu gehen und schon mit diversen lokalen Kletterern Kontakt aufgenommen, aber wie das Leben so spielt ist mein Knie dann immer noch dagegen. Aber man kann hier auch unheimlich viele andere Sachen machen, unter anderem halt Ein- bis Neuntagestrips auf einem dicken Pferd.

Schon alleine der Weg zum Campo Aventura versprach schon einiges an Abenteuer (wilde Hängebrücke über wildes Wasser), als wir dann ankamen und unseren Gaucho Francisco sahen war man dann auch direkt in seinem Stereotypendenken: Sombrero und Poncho, braungebrannt, halblange Haare, sprach nur Spanisch. Wir haben erst mal Kaffee und selbstgebackene Kekse bekommen, dann wurden wir mit den Pferden bekannt gemacht und mir wurde erklärt, wie das eigentlich geht. Reiten hier ist ein wenig entspannter als in Deutschland, so hält man die Zügel nur in einer Hand und die Pferde reagieren recht schnell auf Bewegungen und Druck von den Beinen. Nicht, dass ich so viel Ahnung von Reiten in Deutschland hätte, meine Vorerfahrungen beschränken sich auf Ponyreiten auf dem Jahrmarkt. Nevertheless, ich hatte viel Spaß – man nimmt die Landschaft um sich herum doch anders wahr, wenn man nicht selber laufen muss. Auch wenn mein Hintern am Ende ziemlich weh tat, und der Muskelkater am nächsten Tag sich einmal durch den ganzen Rücken zog. Was spannend war, war der Teil im Wald, wo wir tatsächlich Flüsse durchkreuzt haben und Schlammberge hochgeklettert sind. Beim Runterreiten hatte ich doch teilweise ein bisschen Panik. Mein Pferd hatte dazu noch eine gewisse Abneigung gegen Wasser, sodass man ihm immer noch einmal nett (oder weniger nett) sagen musste, dass es doch bitter weitergehen sollte, sobald ein Fluss oder Schlammpfützen auftraten. Allgemein war es aber natürlich das beste Pferd der Welt, schließlich hat es mich sicher wieder nach Hause getragen, ohne, dass ich gefallen wäre oder sonstigen Schaden davon getragen hätte.

Wieder im Campo haben wir die indische Besitzerin kennen gelernt, selbstgebackenen Kuchen gegessen, uns mit sämtlichen Farmtieren bekannt gemacht und sind dann schließlich wieder nach Puerto Varas zurück getuckert. Da waren wir dann mit Sasha, meiner einen amerikanischen Mitbewohnerin, die letzte Woche einfach mal so aus dem Nichts aufgetaucht ist, Pichanga essen (das wird bei mir grad recht regelmäßig) und die Nacht habe ich herausragend geschlafen.

War auch wichtig, am nächsten Tag war auch KUCHENDAY! Oder so. In Ensenada gab es die Fería de Murta, das ist eine lokale Frucht (siehe hier),deren Existenz einmal im Jahr an einem Wochenende mit dem Verkauf von viel Kuchen, Eis, Marmelade und was man noch so alles aus Murta herstellen kann, gefeiert wird. Dazu kam noch eine Band von halbwüchsigen Jungs, deren Hüftschwung es noch ein wenig an Übung fehlt, der aber definitiv zu dem Charme ihres eher unbeholfenen Auftritts beigetragen hat. Da das Wetter so schön war, sind wir vorher noch zu den Saltos de Petrohue gefahren (Wasserfälle) und dort ein wenig herumgewandert, und haben am Ende am Strand des Sees gegessen. Fast wie Sommer, wenn man davon absieht, dass es nachts immer noch richtig kalt wird. Aber immerhin wird jetzt geheizt. Meistens zumindest.

Ufo gesichtet

Das findet man, wenn man nach „Chile Nachrichten“ googelt:

Militär entdeckt Ufo in Chile“ .

Was soll man dazu nur sagen? Das passt quasi schon zu der Geschichte mit dem Tisch, nur dass diesmal halt südlich sich ein merkwürdiges Objekt eingefunden hat. Scheint ja auch historisch belegt sein, durch die Wesen die von den Sternen kamen, die da laut alter Sagen immer gelandet sind.

Leider hat die chilenische Regierung die Meldung nicht angemessen gewürdigt, und das größte Teleskop der Welt wird trotzdem im Norden in der Atacama Wüste gebaut (wie man hier auch sehen kann). Das heißt übrigens auch bezeichnenderweise „European Extremely-Large Telescope“. Stating the obvious. Warum heißt das eigentlich „European“ wenn das in Chile steht?

Buenas Noches.

Hace frio

So kann man wohl die letzte Woche beschreiben – es ist kalt!! Tagsüber geht es meistens noch, aber nachts friert man schon trotz zwei Decken ganz schön. Am Wochenende waren meine Vermieter auch nicht da und da ich den Ofen nicht anbekomme, und die anderen die hier wohnen dazu auch nicht in der Lage sind, haben wir halt gefroren. Wieder mal ein typisch südchilenisches Erlebnis, habe ich mir sagen lassen. Um ehrlich zu sein kann ich aber darauf manchmal gerne verzichten. Auch wenn es natürlich großartigen Gesprächsstoff bietet, und man jetzt endgültig in den Kreis der geringverdienenden Lehrer aufgenommen ist, wenn man morgens mit sich-reibenden Händen in das Lehrerzimmer kommt und laut verkündet: „Uhhh, hace frio!“ – „Si, verdad, y no tengo califaction.“ – „Tengo califaction, pero esta muy caro, no puedo usarlo mucho.“ Und so weiter (wie ihr merkt, ich kann jetzt auch schon erweiterten Smalltalk machen, nicht mehr nur Wetter. Nein, ich kann auch über meine nicht-vorhandene Heizung sprechen).

Aber genug der Beschwerden. Man entdeckt bei dem ganzen Regen und der Kälte nämlich viel schneller positive Dinge im Leben, sowie seine romantische Seite. Gestern hat es gegen 15 Uhr aufgehört zu regnen und ein paar Strahlen Sonne kamen raus. Ich habe dann gleich alles stehen und liegen gelassen (inklusive einer Skypeverabredung, sorry noch mal) und bin mit meiner kleinen Taschenkamera losgezogen, um qualitativ hochwertige Fotos aus der Reihe „Nach dem Regen“ (zu finden hier) zu machen sowie einfach die Luft und die Ruhe zu genießen. Manchmal ist so eine Kleinstadt ja doch ganz schön.

Und mal wieder zu meinen Schulanekdoten (nimmt ja doch viel Zeit ein). Zum einen hatten wir Freitag „Pago de Piso“. Das heißt die jungen Lehrer/innen finanzieren eine Party für das gesamte Kollegium. In unserem Fall waren wir im „Kalimba“, einer örtlichen Karaokebar, und haben dort zwei Pisco Sour umsonst bekommen (die so stark waren, dass man danach auch kein Getränk mehr bezahlen musste) sowie diverse Kleinigkeiten zu Essen, haben Karaoke gesungen, ein wenig getanzt und viel geredet. Ich habe mich lange mit Jessica, einer Spanischlehrerin unterhalten, die ungefähr in meinem Alter ist und gerade mit ihrem Mann neu hinzugezogen ist. Sie – wie einige andere auch – war erstaunt dass ich ja doch Spanisch spreche. Ich sollte mir wohl doch angewöhnen, im Lehrerzimmer mehr Spanisch zu sprechen (Schamgrenze, ich komme). Nachdem sich die Gesellschaft gegen 1 Uhr aufgelöst hatte, bin ich noch mit ein paar Kollegen ins Barometro, die örtliche Disco, gezogen, aber auch nicht mehr so lange geblieben, weil ich am nächsten Morgen um 10 Uhr Spanisch hatte.

Aber das war zum Glück keine gewöhnliche Spanischstunde, sondern wir haben einen Ausflug gemacht – ins Museo Felmer in Nueva Braunau (das ist jetzt nicht nach dem Ort, aus der Mann mit dem kleinen Bart herkommt, benannt, sondern nach einem Ort in Tschechien…). Hierbei handelt es sich um ein deutsches Heimatmuseum wie man es aus seinem persönlichen Dorf kennt (hallo Syke. Ja, du bist eine Kleinstadt. Jetzt also nicht beleidigt sein.). Ein Mann hat alle möglichen alten Besitztümer der deutschen und österreichischen Einwanderer gesammelt und dort ausgestellt. Alex ist wohl gut mit dem Sohn des Gründers befreundet und wir hatten ein Privattour mit anschließendem Kaffee. Ich stelle auch noch eine Fotoreihe online, aber die Fotos habe ich mit der Kamera von Alex gemacht und hole mir die morgen erst ab. Zumindest war die Übermüdung nicht so schlimm, da das Ganze sehr interessant war sowie keine besondere Konzentration erforderte. Trotzdem bin ich abends um 23 Uhr im Bett gewesen und habe Sonntag bis 12 Uhr geschlafen.

Das lag allerdings nicht nur an der mehr oder weniger wilden Kleinstadtpartynacht, sondern auch an der Woche davor, die gekennzeichnet war von starken Spannungen um Deutschkollegium aufgrund eines Vorfalls, den ich als „Dienstgeheimnis“ wohl nicht preisgeben darf. Für mich war es auf jeden Fall eine starke Belastung, dass ein sehr rauher Ton im Kollegium geherrscht hat und zu allem Überfluss eine der Kolleginnen für 12 Tage krank geschrieben worden ist und ich spontan ihre Klassen übernehmen durfte (Positiv: wir haben am Freitag in den letzten zwei Stunden Waffeln gemacht. Und gegessen.). Jetzt kommt ab heute eine neue Lehrerin, um einige Klassen zu übernehmen, was eine große Entlastung für die anderen darstellt. Hoffen wir, dass das so bleibt.

Der heutige Tag dagegen war sehr lustig, wir haben nämlich einen Ausflug mit Englisch ins Theater nach Osorno gemacht. Ja, ich weiß, ich bin hier für Deutsch zuständig, aber wenn die doch noch eine Lehrerin zum Aufpassen brauchten, konnte ich ja schlecht „nein“ sagen. Romeo und Julia, um auch die Romantischen unter uns anzusprechen. Es war eine nette Abwechselung, zumal ich in meinem Bus mit Paula, einer der Spanischlehrerinnen, Aufsicht hatte und mich lange mit der unterhalten habe (es läuft langsam… also wirklich langsam, wenn sie langsam sprechen). Die Schüler waren wider Erwarten auch ganz artig, nur der Fakt, dass es nur zwei Toiletten gab, am Ende aber so circa 20 Schülerinnen mussten, hat zu leichten Verzögerungen bei der Abfahrt geführt.

So, genug der Bildung, ich habe ja auch noch so etwas wie Freizeit. Die verbringe ich gerade zum Teil bei meinem netten Physiotherapeuten Juan. Mhhh, wer sich da wie ich einen netten Latinlover, so groß, mit dunklen Haaren, muskulös gebaut (was sich unter der Krankenhauskleidung natürlich auch abzeichnet) und braun gebrannt vorstellt, der wird ungefähr genauso enttäuscht sein wie ich: Wieder nur der normale Durschnittschilene. Schlimm ist das, diese ganzen Namen werfen immer so große Erwartungen auf und dann kommt dann doch wieder die ernüchternde Realität. Nicht, dass der nicht nett wäre und keinen guten Job machen würden (wobei wir unsere Differenzen darüber hatten, ob man jetzt Elektrostimulation alle 10 Sitzungen machen sollte oder nicht), aber der könnte jetzt auch Martin oder Dominik heißen, das würde zumindest die Enttäuschung verringern.

Außerdem hatte ich überlegt, mich dann doch mal wieder sportlich zu betätigen (nachdem ich 4kg abgenommen habe, meine Hosen aber immer noch gleich sitzen, spreche ich das dem Muskelschwund zu) und das zu machen, was ich darf – Schwimmen gehen. Leider nicht so einfach hier. Die Schule hat zwar ein Schwimmbad, aber das ist nur Dienstags abends für Lehrer geöffnet, und wer jetzt behauptet, dass er nach 10 Stunden arbeiten, wovon 2 Stunden auch noch Schulversammlungen waren, auf denen wieder nichts außer Lamentierungen rausgekommen sind, immer noch Lust hat, ein paar Bahnen zu schwimmen, der lügt doch. Ich auf jeden Fall nicht. Alle anderen Schwimmbäder hier in Puerto Varas sind integriert in die Spas der verschiedenen Hotels, kosten dementsprechen und haben Rekordlängen von 8-12 Metern. Soviel also zu dem Plan. Vielleicht gönne ich mir im Juni als Geburtstagsgeschenk eine Monatsmitgliedschaft in dem Spa des Hotels nebenan, so gegen die massiven Winterdepressionen. Außerdem haben die noch einen kleinen Fitnessraum angeschlossen, sodass ich dort auch Fahrradfahren könnte, was meinem Knie wohl ganz gut tun soll.

Gut, das war es mal wieder. Ich bin gerade fleißig am Rezepte sammeln, sodass hoffentlich bald der versprochene Essenseintrag kommt. Und wer noch Bücher hat, die er nicht mehr will, die Bibliothek der Deutschen Schule Puerto Varas würde sich freuen. Dank der hier erhobenen Büchersteuer sind ausländische Bücher nämlich quasi unerschwinglich. Und über die Bilder nicht wundern, ich konnte einfach kaum welche zum Thema passende finden, also habe ich Eindrücke von Puerto Varas allgemein mit eingefügt.

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