Los ultimos dias
Dieser Bericht wird schon wieder auf deutschem Boden geschrieben – kaum zu glauben. Ich kann mich noch an meine Ankunft in Chile erinnern, und die ersten zwei Wochen in denen ich mich ernsthaft gefragt habe, was ich da eigentlich mache, warum Teufel ich meinte ich müsste unbedingt mal wieder ein paar Monate im Ausland einschieben, und dann auch noch in so einem kalten Ausland. Es heißt ja, man müsse Sachen immer erst ein wenig verdauen, bevor man sie dann wirklich reflektieren kann, und ich glaube, das musste ich auch. Beziehungsweise muss ich immer noch – ich habe nur so wenig Zeit, ich fliege am Freitag schon wieder los nach Zentralamerika – dieses Jahr geht mein Leben wirklich wie im Flug (und oft auch im Flugzeug) vorbei.
Wie habe ich jetzt die letzten zwei Wochen in Puerto Varas verbracht? Um ehrlich zu sein hatte ich mich vor Ecuador bereits ein wenig von Chile verabschiedet, und da auf der Arbeit relativ wenig zu tun war und auch mein privates Leben sich irgendwie nur noch auf den anstehenden Abschied konzentriert hat, war es schwierig, das vor den Ferien noch so stark empfundene heimische Gefühl aufzubringen (zumal ich nach 3 Wochen Temperaturen über 20°C doch meine Schwierigkeiten hatte, mich wieder an die Kälte zu gewöhnen). Dahinzu kam noch die Trennung meiner Mitbewohner und der dadurch bedingte Auszug Cristiáns aus dem Haus. Außerdem, und das ist die tragischste aller Geschichten, ist eine Mutter von zwei Schülern aus der Schule (und außerdem Mitteilnehmerin einer meiner Yogakurse), vor vier Wochen spurlos verschwunden und in der letzten Woche tot in ihrem Dachstuhl aufgefunden worden. Da ich diese Mutter wie gesagt kannte, und ferner eine gute Freundin von mir letztes Jahr bei einem Autounfall umgekommen ist, haben mich die darauf folgenden Diskussionen, bzw. Spekulationen über Todesursache, etc. sowie die Trauerfeiern doch ziemlich mitgenommen.
Das klingt jetzt so, als hätte ich einen schrecklichen Abschluss gehabt, was aber definitiv nicht der Fall ist. Aber es muss halt mit dazu erwähnt werden, um mein zwiegespaltenes Herz darzustellen. Auf der anderen Seite habe ich nämlich meine letzten zwei Wochenenden mit diversen Asados (Grillen) und Abschiedsfeiern und Tanzen gehen verbracht und außerdem mit meinen engsten Freunden noch einmal alle guten Restaurants abgeklappert, um ein letztes Mal frittiertes Sushi oder Pichanga essen zu können. Am Donnerstag haben wir uns zu sechst bei -3°C an den See gelegt um den Meteroitenschauer beobachten zu können (effektiv hat es mir eher eine Erkältung und einen lustigen Abend verschafft, Sternschnuppen haben wir vielleicht so sechs gesehen), am Samstag haben wir noch eine private Salsastunde in unserem Haus abgehalten und danach die erlernten Fähigkeiten in der Praxis mehr oder weniger erfolgreich versucht umzusetzen.
Der Tag vor Abflug war dann noch einmal von gewisser Unsicherheit, ob es überhaupt losgehen würde, gekennzeichnet: ein riesen Sturm tobte über der Stadt und als wir uns um 21 Uhr auf den Weg zum Café Danes machen wollten, um besagtes Pichanga zu essen, sind auf einmal in allen Häusern die Lichter ausgegangen – nur Straßenlampen hatten noch Licht, und wie ein Wunder auch Café Danes als einziges Haus in der Stadt. Danke, wer auch immer dafür verantwortlich war, länger hätte ich meinen Hunger nicht ausgehalten. Um 2.30 Uhr ging der Strom auch wieder an (was ich dank der Lampe in meinem Zimmer, die ich augenscheinlich angelassen hatte, auch direkt mitbekommen habe) und auch wenn mein Flug am nächsten Morgen 1 Stunde Verspätung hatte, konnte ich doch fliegen (und noch mal danke danke danke an Gabriel und Maiann fürs Bringen, ich vermiss euch schon jetzt – auch wenn ihr das grad nicht versteht :D). Da LAN und Air France nicht kooperieren (siehe dritter Eintrag…) durfte ich bis Santiago auch nur ein Gepäckstück mit 23kg mitnehmen – was ich auf dem Hinweg schon mit 3kg überboten habe. Diesmal waren es 7kg und ich habe mich bereits auf horrende Summen eingestellt, doch der nette Mann hinter dem Schalter grinste nur und meinte „Na, ein bisschen mehr Gepäck? Waren wohl länger hier? Aber da ist ja sicher was Zerbrechliches drin, nech? Unterschreiben Sie mal hier…“ (also das Ganze auf Spanisch, versteht sich) Und damit durfte ich die 7kg Übergepäck mitnehmen ohne auch nur einen Centimos zu bezahlen… beim Handgepäck hatte ich auch noch mal Glück, die Frau vor mir musste ihres noch mal wiegen und abmessen lassen, während ich mich klammheimlich dahinter durchgemogelt habe.
Ein letztes Highlight gab es dann noch einmal an meinem Lieblingsflughafen Charles de Gaulle (absolut unübersichtlich, viel zu groß, schlechter Shuttleservice und ein Haufen französischer Angestellter die kein Englisch sprechen – aber zum Glück ist Spanisch ja ähnlich) , als mein Flieger mit 45 Minuten Verspätung ankam und mir somit nur weitere 45 Minuten ließ, durch die Passkontrolle zu meinem nächsten Flieger – der natürlich von einem komplett anderen Gate abflog – zu gelangen,mit dem freundlichen Kommentar der Air France-Angestellten, anrufen müssten wir da nicht, ich solle einfach schnell laufen. Bin ich auch, und habe es gerade noch zum Last Call geschafft – endlich durfte auch ich mal in den Genuss kommen, meinen Namen an einem Flughafen öffentlich ausgerufen zu haben. Die anderen Fluggäste haben auch sehr gelacht, als ich dann völlig aufgelöst, sämtlicher meiner Klamotten vor meinen Bauch tragend, mit offenen Schuhen und rutschender Hose (ich musste noch einmal durch die Handgepäck-Kontrolle, die Sicherheitsbestimmungen sind hier viel strikter als in Südamerika) in die Maschine stieg und erst mal 10 Minuten durchatmen musste, die 18°C konnte ich dann konditionstechnisch auch nicht so gut verwinden, warm ist das hier in Europa. Aber alles gut, ich bin wieder da, wenn auch anfangs ein wenig schlaflos und immer noch fest davon überzeugt, noch nie so einen schönen Sommer erlebt zu haben. Auch wenn der sich nach ein paar Tagen wieder verzogen hat – ich habe richtig gemerkt, wie die paar Tage am See vom Nachbereitungsseminar mir gut getan haben.
Wenn ich mit meinen Freunden hier in Deutschland spreche bekomme ich meistens nach einer Weile den Kommentar zu hören: „Wow, das muss so toll gewesen sein. Du bekommst glänzende Augen und ein ganz verklärtes Lächeln, wenn du von deinen Erfahrungen erzählst.“ Anscheinend war es also super ;-). Und ja, ich muss ehrlich sagen, dieses halbe Jahr in Chile hat mich geprägt und verändert wie keiner der vorherigen längeren Auslandsaufenthalte. Ich kann nicht sagen, wie genau und warum, ich weiß, bzw.spüre nur, dass es einfach so ist. Es gab Höhen, es gab definitiv auch Tiefen, aber witzigerweise gab es, abgesehen von den ersten zwei Wochen, nicht einen Tag, an dem ich meine Probleme lieber in Deutschland durchgestanden hätte als dort. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich jetzt lieber in Syke oder Bremen oder wo auch immer wäre, sondern habe immer gedacht genau hier gehöre ich jetzt hin. Natürlich habe ich gerne mit zu Hause geskyped, und ohne die liebe Unterstützug von meinen Freunden und meiner Familie zu Hause hätte ich mich beizeiten doch sehr einsam gefühlt, aber ich hatte nicht das Gefühl, mit etwas überhaupt nicht umgehen zu können. Im Gegenteil, ich habe in mir selber eine Kraft und ein Durchhaltevermögen und einen Hang zum Positiven entdeckt, die mir bis dahin völlig unbekannt waren.
Ich habe auch einfach so viele liebe Menschen kennen gelernt, deren Bekanntschaft ich nicht missen möchte. Ich vermisse den Vulkan, und ich vermisse mein Lieblingscafé, Avocado auf Brot, Latinomusik in den Discos und ich vermisse auch ein wenig die Unordentlichkeit. Die Struktur in Deutschland gibt zwar eine gewisse Sicherheit, aber gerade die Unsicherheit, ob man mit dem Bus denn jetzt wirklich ankommt oder nicht gibt einem eine Freiheit, die man hier nicht so hat.
Auf der anderen Seite weiß ich aber auch, dass ich nicht für immer in Puerto Varas leben wollen würde. Nicht böse gemeint, aber es ist dann doch zu sehr Kleinstadt, und zu verregnet, als dass ich dort für immer glücklich werden würde. Für ein halbes Jahr war ich es aber definitiv.
Ich könnte hier noch ewig weiterschreiben und reflektieren, aber ich denke, es reicht. Es würde zu persönlich werden, und ihr würdet euch langweilen. Das heißt, dass hier ist der Abschied. Keine Berichte mehr von den Gewohnheiten der Chilenen und meinen kleinen Abenteuern. Keine Beschwerden mehr über Regen. Nichts. Ich danke meinen treuen Leserinnen und Lesern und hoffe, ihr hattet ein wenig Spaß mit meinen Geschichten. Mir hat es auf jeden Fall immer viel Spaß gemacht zu berichten.
Entonces, gracias Chile, gracias Puerto Varas, gracias Kulturweit para un tiempo inolvidable. Voy a volver un dia, por lo menos para hacer los vacaciones que no podia hacer esta vez con mi papa por su enfermedad. Beso. Se cuiden por favor. Ciao.
Hi Sonja,
grandioser Eintrag, da wurde jetzt sogar mir irgendwie wehmütig zumute, obwohl ich nicht dabei war…
Viel Spaß und das Allerbeste für deine Reise nach Zentralamerika!