Kaffee statt Bier
Was macht man, wenn man gegen den Regen nichts machen kann? Man feiert ihn. Diese Woche ist „Festival de Lluvia“, also das Fest des Regens in Puerto Varas. Das heißt man isst viel, die Schaufenster sind mit Regenschirmen geschmückt und am Ende der Woche gibt es einen Ball, zu dem ich aufgrund des Vorlesewettbewerbs und dem dadurch anstehenden Besuch von Caro nicht hingehe. Im Rahmen dieses Festivals möchte ich übrigens stolz berichten, dass ich es bis jetzt immer noch mit Chucks ausgehalten habe. Wobei das heute auf dem Weg zu meiner persönlichen Weinprobe hart auf die Probe gestellt wurde, vielleicht kauf ich mir jetzt doch besser wasserfeste Schuhe.
Seit Buenos Aires bin ich inzwischen circa einen Monat wieder da. Meinen doch sehr späten Blogeintrag begründe ich mit meiner bereits vorher erwähnten chilenischen Integration (mañana) sowie meinem inzwischen doch recht ausgeprägtem sozialen Leben und dem Gefühl, hier im Land einfach mal leben zu wollen, ohne über Deutschland nachzudenken (das tu ich dann hinterher sicher schon ausreichend). Die wichtigsten Ereignisse nun hier:
Ich hatte ein Evaluationsgespräch mit meiner Betreuerin, dessen Ausgang war, dass ich jetzt die 8. Klasse nicht mehr als Kurs unterrichte, weil ich auf einmal doch keine Noten mehr geben darf, dafür jetzt aber in der Bibliothek arbeite und in der 8. Klasse auf Bitten der Schüler („Aber Fraaaau, bei Ihnen lerne ich doch etwas! Ihr Spanisch ist zu schlecht, da muss ich Deutsch verstehen!“ – und da denkt man, die mögen einen nicht, weil man so streng ist) einmal pro Woche gezielte A2-Vorbereitung anbiete . Die Arbeit in der Bibliothek gestaltet sich als sehr angenehm, die Bibliothekarin Marlene legt viel Wert auf Ruhe und eine angenehme Atmosphäre, sodass Teepausen und Entspannungsmusik an der Tagesordnung sind. Zwischendurch sortiere ich dann die deutschen Bücher und werde wohl demnächst auch ein Register erstellen.
Sasha hat ihren Freiwilligendienst hier beendet und wir haben ein kleines Despertido mit Empanadas (gefüllt mit Krabben, Weißweinsoße und Käse… mhhh) gemacht, wo ich auch den Schweizer Michael kennen gelernt habe, der hier für Nestlé und seine Bachelorarbeit die Milchbauern auf Nachhaltigkeit überprüft und bei mir um die Ecke wohnt. In seinem Hostel darf er die Küche nicht benutzen, also hängt er jetzt immer bei uns ab, was aber wiederum dazu führt, dass ich weitaus mehr essen gehe (das beste Restaurant bis jetzt: Alessandros) und auch weitaus mehr und besser koche als vorher.
Vorletzte Woche musste ich dann auch erst mal feststellen, dass Brandschutzbedingungen in Discos hier nicht unbedingt ganz so ernst genommen werden. Zwei Feuerwerfer neben dem DJ-Pult, die ebendieser jedes Mal, wenn ihm die Stimmung zu „frio“ war, angeworfen hat (also alle fünf Minuten) fand ich schon ein wenig bedenklich, die Menge aber anscheinend sehr cool. Es lebe die Sorglosigkeit.
Das größte Thema momentan ist natürlich auch Fußball… das erste Deutschlandspiel haben wir bei unserem Trip nach Valdivia (ca. 3 Stunden nördlich am Meer, man kann dort Seehunde, einen Fischmarkt, die Kunstmannbrauerei, diverse Forts und die Universität Austral angucken) geguckt, und zwar bei Kaffee und Kuchen, denn aufgrund der Zeitverschiebung laufen die WM-Spiele hier zwischen 7.30 und 16.30 Uhr. Unsere Schule hat für die Spiele der chilenischen Mannschaft auch ein Public Viewing in der Sporthalle organisiert, Mittwoch sind wir dann also um 7Uhr zur Schule getingelt, um rechtzeitig um 7.30 mit Kaffee und Sandwich von dem Frühstücksbuffet (statt Bier und Bratwurst…) das Spiel gucken zu können. Komische Erfahrung, man ist um die Uhrzeit auch noch nicht so wirklich in Stimmung, aber das hat sich dann innerhalb einiger Minuten geändert.
Ich betätige mich nun auch endlich wieder sportlich, und zwar mache ich zwei mal die Woche in der Casa de Yoga Hatha Yoga – sehr entspannend, man lernt alle Körperteile auf Spanisch, und dass der Saluda del Sol (Sonnengruß) alles andere als unanstrengend ist. Im Kurs habe ich Maria-Fernanda kennen gelernt, die eine Zeit in Deutschland gelebt hat und gerade mit ihrem Mann und ihrer Tochter von Santiago nach Puerto Varas gezogen ist, mit der gehe ich jetzt Mittwochs immer noch einen Kaffee trinken.
Kommen wir zum Schluss noch zu dem Wichtigsten: mein Geburtstag. Meine Geschenkebilanz besteht neben Geld aus zwei Schals und einem riesigen Stück Käse, sodass ich mich ausreichend für den Winter gerüstet fühle. Außerdem habe ich von Rebecca eine chilenische Geburtstagstorte (so wie Kalter Hund nur mit Manjar statt Schokolade) bekommen und wir sind auf Anraten von Liska zu La Rada essen gegangen (sie hätte nur vorher erwähnen sollen, dass es sich hierbei um eine Fischrestaurant handelte.. sie hatten aber ganze drei Gerichte ohne Fisch.). Danach gab es noch eine Art Poetry-Slam / Musiknacht in der BarUrbano, wo Michel Gitarre gespielt hat und ich die Gedichte auf Spanisch zu circa 70% verstanden habe. Ein voller Erfolg also.