Hace frio
So kann man wohl die letzte Woche beschreiben – es ist kalt!! Tagsüber geht es meistens noch, aber nachts friert man schon trotz zwei Decken ganz schön. Am Wochenende waren meine Vermieter auch nicht da und da ich den Ofen nicht anbekomme, und die anderen die hier wohnen dazu auch nicht in der Lage sind, haben wir halt gefroren. Wieder mal ein typisch südchilenisches Erlebnis, habe ich mir sagen lassen. Um ehrlich zu sein kann ich aber darauf manchmal gerne verzichten. Auch wenn es natürlich großartigen Gesprächsstoff bietet, und man jetzt endgültig in den Kreis der geringverdienenden Lehrer aufgenommen ist, wenn man morgens mit sich-reibenden Händen in das Lehrerzimmer kommt und laut verkündet: „Uhhh, hace frio!“ – „Si, verdad, y no tengo califaction.“ – „Tengo califaction, pero esta muy caro, no puedo usarlo mucho.“ Und so weiter (wie ihr merkt, ich kann jetzt auch schon erweiterten Smalltalk machen, nicht mehr nur Wetter. Nein, ich kann auch über meine nicht-vorhandene Heizung sprechen).
Aber genug der Beschwerden. Man entdeckt bei dem ganzen Regen und der Kälte nämlich viel schneller positive Dinge im Leben, sowie seine romantische Seite. Gestern hat es gegen 15 Uhr aufgehört zu regnen und ein paar Strahlen Sonne kamen raus. Ich habe dann gleich alles stehen und liegen gelassen (inklusive einer Skypeverabredung, sorry noch mal) und bin mit meiner kleinen Taschenkamera losgezogen, um qualitativ hochwertige Fotos aus der Reihe „Nach dem Regen“ (zu finden hier) zu machen sowie einfach die Luft und die Ruhe zu genießen. Manchmal ist so eine Kleinstadt ja doch ganz schön.
Und mal wieder zu meinen Schulanekdoten (nimmt ja doch viel Zeit ein). Zum einen hatten wir Freitag „Pago de Piso“. Das heißt die jungen Lehrer/innen finanzieren eine Party für das gesamte Kollegium. In unserem Fall waren wir im „Kalimba“, einer örtlichen Karaokebar, und haben dort zwei Pisco Sour umsonst bekommen (die so stark waren, dass man danach auch kein Getränk mehr bezahlen musste) sowie diverse Kleinigkeiten zu Essen, haben Karaoke gesungen, ein wenig getanzt und viel geredet. Ich habe mich lange mit Jessica, einer Spanischlehrerin unterhalten, die ungefähr in meinem Alter ist und gerade mit ihrem Mann neu hinzugezogen ist. Sie – wie einige andere auch – war erstaunt dass ich ja doch Spanisch spreche. Ich sollte mir wohl doch angewöhnen, im Lehrerzimmer mehr Spanisch zu sprechen (Schamgrenze, ich komme). Nachdem sich die Gesellschaft gegen 1 Uhr aufgelöst hatte, bin ich noch mit ein paar Kollegen ins Barometro, die örtliche Disco, gezogen, aber auch nicht mehr so lange geblieben, weil ich am nächsten Morgen um 10 Uhr Spanisch hatte.
Aber das war zum Glück keine gewöhnliche Spanischstunde, sondern wir haben einen Ausflug gemacht – ins Museo Felmer in Nueva Braunau (das ist jetzt nicht nach dem Ort, aus der Mann mit dem kleinen Bart herkommt, benannt, sondern nach einem Ort in Tschechien…). Hierbei handelt es sich um ein deutsches Heimatmuseum wie man es aus seinem persönlichen Dorf kennt (hallo Syke. Ja, du bist eine Kleinstadt. Jetzt also nicht beleidigt sein.). Ein Mann hat alle möglichen alten Besitztümer der deutschen und österreichischen Einwanderer gesammelt und dort ausgestellt. Alex ist wohl gut mit dem Sohn des Gründers befreundet und wir hatten ein Privattour mit anschließendem Kaffee. Ich stelle auch noch eine Fotoreihe online, aber die Fotos habe ich mit der Kamera von Alex gemacht und hole mir die morgen erst ab. Zumindest war die Übermüdung nicht so schlimm, da das Ganze sehr interessant war sowie keine besondere Konzentration erforderte. Trotzdem bin ich abends um 23 Uhr im Bett gewesen und habe Sonntag bis 12 Uhr geschlafen.
Das lag allerdings nicht nur an der mehr oder weniger wilden Kleinstadtpartynacht, sondern auch an der Woche davor, die gekennzeichnet war von starken Spannungen um Deutschkollegium aufgrund eines Vorfalls, den ich als „Dienstgeheimnis“ wohl nicht preisgeben darf. Für mich war es auf jeden Fall eine starke Belastung, dass ein sehr rauher Ton im Kollegium geherrscht hat und zu allem Überfluss eine der Kolleginnen für 12 Tage krank geschrieben worden ist und ich spontan ihre Klassen übernehmen durfte (Positiv: wir haben am Freitag in den letzten zwei Stunden Waffeln gemacht. Und gegessen.). Jetzt kommt ab heute eine neue Lehrerin, um einige Klassen zu übernehmen, was eine große Entlastung für die anderen darstellt. Hoffen wir, dass das so bleibt.
Der heutige Tag dagegen war sehr lustig, wir haben nämlich einen Ausflug mit Englisch ins Theater nach Osorno gemacht. Ja, ich weiß, ich bin hier für Deutsch zuständig, aber wenn die doch noch eine Lehrerin zum Aufpassen brauchten, konnte ich ja schlecht „nein“ sagen. Romeo und Julia, um auch die Romantischen unter uns anzusprechen. Es war eine nette Abwechselung, zumal ich in meinem Bus mit Paula, einer der Spanischlehrerinnen, Aufsicht hatte und mich lange mit der unterhalten habe (es läuft langsam… also wirklich langsam, wenn sie langsam sprechen). Die Schüler waren wider Erwarten auch ganz artig, nur der Fakt, dass es nur zwei Toiletten gab, am Ende aber so circa 20 Schülerinnen mussten, hat zu leichten Verzögerungen bei der Abfahrt geführt.
So, genug der Bildung, ich habe ja auch noch so etwas wie Freizeit. Die verbringe ich gerade zum Teil bei meinem netten Physiotherapeuten Juan. Mhhh, wer sich da wie ich einen netten Latinlover, so groß, mit dunklen Haaren, muskulös gebaut (was sich unter der Krankenhauskleidung natürlich auch abzeichnet) und braun gebrannt vorstellt, der wird ungefähr genauso enttäuscht sein wie ich: Wieder nur der normale Durschnittschilene. Schlimm ist das, diese ganzen Namen werfen immer so große Erwartungen auf und dann kommt dann doch wieder die ernüchternde Realität. Nicht, dass der nicht nett wäre und keinen guten Job machen würden (wobei wir unsere Differenzen darüber hatten, ob man jetzt Elektrostimulation alle 10 Sitzungen machen sollte oder nicht), aber der könnte jetzt auch Martin oder Dominik heißen, das würde zumindest die Enttäuschung verringern.
Außerdem hatte ich überlegt, mich dann doch mal wieder sportlich zu betätigen (nachdem ich 4kg abgenommen habe, meine Hosen aber immer noch gleich sitzen, spreche ich das dem Muskelschwund zu) und das zu machen, was ich darf – Schwimmen gehen. Leider nicht so einfach hier. Die Schule hat zwar ein Schwimmbad, aber das ist nur Dienstags abends für Lehrer geöffnet, und wer jetzt behauptet, dass er nach 10 Stunden arbeiten, wovon 2 Stunden auch noch Schulversammlungen waren, auf denen wieder nichts außer Lamentierungen rausgekommen sind, immer noch Lust hat, ein paar Bahnen zu schwimmen, der lügt doch. Ich auf jeden Fall nicht. Alle anderen Schwimmbäder hier in Puerto Varas sind integriert in die Spas der verschiedenen Hotels, kosten dementsprechen und haben Rekordlängen von 8-12 Metern. Soviel also zu dem Plan. Vielleicht gönne ich mir im Juni als Geburtstagsgeschenk eine Monatsmitgliedschaft in dem Spa des Hotels nebenan, so gegen die massiven Winterdepressionen. Außerdem haben die noch einen kleinen Fitnessraum angeschlossen, sodass ich dort auch Fahrradfahren könnte, was meinem Knie wohl ganz gut tun soll.
Gut, das war es mal wieder. Ich bin gerade fleißig am Rezepte sammeln, sodass hoffentlich bald der versprochene Essenseintrag kommt. Und wer noch Bücher hat, die er nicht mehr will, die Bibliothek der Deutschen Schule Puerto Varas würde sich freuen. Dank der hier erhobenen Büchersteuer sind ausländische Bücher nämlich quasi unerschwinglich. Und über die Bilder nicht wundern, ich konnte einfach kaum welche zum Thema passende finden, also habe ich Eindrücke von Puerto Varas allgemein mit eingefügt.
… komm erst mal her, dann siehst du es. Lo siento a todos mis colegas masculinos – naturalmente ustedes eren la exceptión ;).
Kein Latinlover, sondern nur der normale Durchschnittschilene?
…wo ist der Unterschied?