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Tag 155 – Große Haie, kleine Fische

Eine Prüfung liegt in der Luft, genauer gesagt die mündliche Prüfung für DSD1. Elf Schüler*innen der zweiten Klasse stellen sich dem persönlichen Gespräch und präsentieren uns einen Aspekt ihres täglichen Lebens.

Dabei sind es anfangs gar nicht die Schüler*innen, denen das Herz bis zum Hals schlägt: Mit kroatischer Pünktlichkeit stürmen Dosi und ich in die Schule, wo Katharina schon ungeduldig mit dem Fuß wippt. Auch der erste Schüler ist bereits in Startposition, das erste Thema: Krav Maga. Während Katharina und Dosi ihren Schäfchen Löcher in den Bauch fragen, lehne ich mich entspannt zurück. Einmal fungiere ich als Plakathalter (meine Arme sind so viel Körperspannung gar nicht mehr gewöhnt), ansonsten habe ich alle Zeit der Welt, diese Zeilen zu tippen.

Um 11 Uhr springe ich kurz für Dosi ein und übernehme den Unterricht. Wir üben kurze Reisedialoge als Sketche ein – etwas, das unerwartet viel Spaß macht. Tja, gerade jetzt, wo ich mich an die vielen Gesichter gewöhnt habe, heißt es schon wieder Abschied nehmen. Zum einen, weil mein Freiwilligendienst bald sein Ende erreicht. Und zum anderen, weil nach Ostern der Schulbetrieb in Kroatien wahrscheinlich erneut vollständig auf den Online-Betrieb umgestellt wird. Eine Aussicht, die Dosi nicht gerade fröhlich stimmt, mich aber zugegebenermaßen ziemlich kalt lässt (ja, ich weiß: shame! shame!).

Ok, vielleicht nicht ganz kalt: In der Schule, bei „Jugend debattiert“ und im Nachhilfeunterricht gebe ich immer noch 100 Prozent – oder vielleicht sogar 110. Denn auch wenn ich die Früchte meiner Arbeit wahrscheinlich nicht mehr mitbekommen werden, die Menschen sind mir einfach ans Herz gewachsen. Und allen voran natürlich Dosi.

Aus diesem Grund ist jedoch nicht nur in „beruflicher Hinsicht“ Endspurt angesagt. Gemäß dem Motto „work hard, play hard“ ist auch meine Freizeit gut ausgefüllt: Heute zum Beispiel geht es hoch auf Ucka. Schon viel zu lange hing mein Blick sehnsüchtig am elegant geschwungenem Bergrücken, jetzt endlich wird die Ameise zum Adler. Nach einem leckeren Mittagessen in Kastav (mit Aussicht auf Ucka) kurvt Dosi uns die Serpentinen nach oben – bis 10 km vor dem Ziel plötzlich ein „Durchfahrt verboten“-Schild auftaucht. Nachdem wir uns beim neuen, aber eigentlich noch nicht eröffneten Naturpark-Center versichert haben, dass dieses Schild eher als freundliche Empfehlung zu deuten ist, machen wir uns trotzdem auf dem Weg. Allerdings gut, dass Dosis Auto einen Allrad-Antrieb hat, denn ein bisschen Schnee und Eis gibt es immer noch auf der Straße.

Oben angekommen stelle ich fest, dass ein Kleidchen und Sneaker vielleicht nicht die optimale Bekleidung für 1.400 Höhenmeter sind. Aber im Schnee lässt es sich ganz gut laufen und trotz der exponierten Lage regt sich kaum ein Lüftchen. Der Ausblick ist atemberaubend – und das nicht trotz, sondern gerade wegen der dramatischen Wolkenkonstellationen: Weiße Schafswölkchen, graue Dunstschleier und drohende, dunkle Regenfronten – alles in Hülle und Fülle vorhanden. Auf Rijeka scheint natürlich die Sonne. Und verzückt entdecke ich, dass ich sogar das Meer hinter der istrischen Halbinsel als goldenen Schimmer sehen kann.

Lange halten wir es allerdings nicht auf dem historischen Türmchen aus. 1911 wurde er von österreichischen Bergsteigern erbaut, seit dem ersten Weltkrieg dient er als Beobachtungsposten (wenn auch heute, so möchte ich hoffen, zu weit friedlicheren Zwecken). Schnee und Wind treiben uns zurück ins Auto. Auf dem Weg dorthin entdecke ich noch eine Paragleiter-Rampe ins Nichts – Wahnsinn, die Idee, dort hinunter zu rennen! Also ich für meinen Teil bevorzuge da doch ein Auto mit Sitzheizung 😉