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Tag 149 – Kielholen

„Dafür bin ich nicht Lehrerin geworden“, meinte Dosi gestern mit Blick auf die Uhrzeit der heutigen DSD1-Prüfung. Sechs Uhr dreißig aufstehen, das geht uns beiden gegen den Biorhythmus. Aber irgendwer muss schließlich die verstaubten, dicken Wörterbuch-Schinken aus den Schränken holen. Immerhin: Da wir gestern bereits die Unterlagen geprüft und die Schreibbögen für die Schüler*innen gedruckt, sortiert und geklammert haben, bringt uns heute selbst der morgentliche Stau nicht aus der Ruhe.

In der Schule treffe ich endlich auch Katharina wieder. Nur schade, dass wir während der Prüfung keine Möglichkeit haben, miteinander zu quatschen. Leseverstehen, Hörverstehen, schriftliche Kommunikation. In der fünzehn-minütigen Pause huschen wir in das Cafe nebenan – was sein muss, muss sein.

Nach der Prüfung und dem anschließenden Sortier-, Kopier- und Tackermarathon belohnen wir uns selbst mit einem Einkaufsbummel durch die sonnige Innenstadt. Ein Spaziergang, der jedoch ganz schnell in Juwelier-Hopping ausartet. Denn wenn man Dosi glauben schenken mag, habe ich mir meinen rijekanischen Ritterschlag verdient: Morčići.

Morčići gehen auf eine Legende zurück, nach der schwarze Söldner die Stadt Rijeka vor einer mongolischen Invarsion bewahrten*. Aus diesem Grund findet man die Helden aus lang vergangenen Zeiten an Häuserfassaden, als Figuren im Karneval oder eben in filigranen Schmuckmotiven wieder. Und auch wenn das Blackfacing und der Ursprung des Wortes (das M-Wort) durchaus kritisch zu sehen sind, mit diesem Hintergrund ist es für mich ok, Dosis Geschenk dankend anzunehmen.

Da Dosi ein traditionelles Motiv in der traditionellen Größe (bzw. besser Kleinheit) im Kopf hat, werden wir erst im zweiten Juwelier fündig. Mit etwas Hilfe des netten Angestellten bekomme ich die Ohrringe unserer Wahl schließlich auch (von hinten!) durch meine Ohrlöcher gefädelt. Wie ich das einmal selbst hinbekommen soll, weiß ich nicht – vielleicht muss ich sie einfach für immer anbehalten.

Um unseren Kauf gebührend zu begießen, geht es anschließend – naravno – ins Cafe (wo ich nach drei Cappuccini auf Schokolade umsteige). Während ich mir dafür einen schönen Sonnenplatz suche, zieht sich Dosi – ganz die Kroatien – ihren Stuhl in den Schatten. Mit kritischem Blick mustern wir das Getümmel um uns herum. Denn auf dem Weg hierher wurde wir von einem RTL-Fernsehteam zu den steigenden Corona-Zahlen in Kroatien interviewt: Von 300 ist der Infektionswert in wenigen Tagen auf über 900 gewachsen.

Trotzdem ist es nicht die Angst vor Corona, die uns bald darauf zum Aufbruch treibt, sondern unser Hunger. Schnell noch ein Stopp im Supermarkt, um möglichst weiches Brot zu kaufen – wieder so eine unbegreifliche kroatische Vorliebe – dann geht es nach Viskovo.

Doch noch während wir zu Mittag essen, klingelt es an der Tür: Unsere Friseurin ist da! Denn wenn man in Kroatien irgendetwas braucht – und sei es ein neuer Haarschnitt – gibt es garantiert jemand in der Familie oder dem Bekanntenkreis, der (oder die) genau das kann. In unserem Fall kennt Dosi Laura schon seit über 40 Jahren – eine Zeit, die für sich spricht. Und so legen Dosis Mama, Dosi und ich uns beruhigt unters Messer – bzw. die Schere. „Macka“, lautet dann auch wenig später der Kommentar zu meiner neuen Frisur: „Katze!“ Als Fuchsliebhaberin würde ich sagen: Ein ganz klares Kompliment.

 

*Ich hoffe inständig, dass ich das richtig verstanden habe.

PS: Und warum jetzt „Kielholen“? Tja, zum einen, weil ich mich heute Morgen (trotz der drei Kaffee – oder vielleicht wegen?) ein wenig wie ausgekotzt (oder wahlweise unter einem Schiff hindurchgezogen) gefühlt habe. Und zum anderen, weil in Kroatien meine Welt immer noch ab und zu (siehe Sonnenplatz und Brot) auf den Kopf gestellt wird 😉