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Tag 95 – Stadt, Berg, Fluss

Beinahe hätte ich es mir heute auf dem Sofa gemütlich gemacht. Schließlich blickte ich beim Aufwachen nicht wie versprochen in einen makellosen blauen Himmel, sondern wurde hämisch von einer Wolke angegrinst. Dann zückte ich aber doch meine Barfußschuhe und machte mich auf den Weg.

Zwei Wanderungen hatte ich mir für die nächsten Sonnentage herausgesucht: Die eine dem Flusslauf des Rječina folgend, die andere durch den Kastaver Wald. Kurze Denkpause, dann marschierte ich los Richtung Tal.

Der erste Teil des Weges war einfach: Schließlich bin ich im Herbst schon einmal bis zur Papierfarbrik Hartera gelaufen. Allerdings hatte ich damals auf dem Rückweg noch eine andere verfallene Fabrik entdeckt, sie mir aber erst einmal aufgespart. Bis heute. Ein kurzer Blick die Straße rauf und runter – dann nichts wie durch den Zaun. Verstohlen streifte ich durch die leeren Hallen. Eine hatte es mir besonders angetan. Aber zum Verweilen lud das Dach nicht gerade ein. Außerdem hatte ich heute ja noch Einiges vor. Also weiter.

Mit leichtem Bedauern ging ich an der Papierfabrik vorbei und bog schließlich auf den Wanderweg ab. Zuerst ging es steil nach oben, danach wieder bergab zu einem kleinen Wasserfall. Eine Biegung, dann waren auch die letzten Hochhäuser Rijekas verschwunden und die Schlucht sog mich in sich auf. Kaum hatte ich den sanft dahinplätschernden Fluss überquert, stand ich schon vor dem Grund, warum ich ausgerechnet diese Wanderung machen wollte: Einer majestätischen, Efeu-behangenen Ruine. Der Wanderweg führte mitten hindurch und begeistert folgte ich ihm, weiter dem Flusslauf entgegen. Wenig später kam eine zweite Ruine in Sicht, diesmal die der Matešićev mlin – einer alten Mühle. Und nun musste ich mich entscheiden: Zurück oder weiter dem Fluss (bzw. dem ausgetrockneten Flussbett) entlang?

Eine leichte Wahl, bedenkt man wie sehr ich es hasse, einen Weg zurückzugehen. Also bergauf. Der Wald lüftete sich, das Tal öffnete sich und die Sonne schien auf den Weg. Dann die nächste Kreuzung: Weiter hinauf oder lieber am Flüsschen bleiben? Das eine wäre einfach, das andere aber sinnvoller, schließlich wartete hinter dem Berg Rijeka auf mich. Also weiter bergauf durch den Wald. Im Zickzack schlängelte sich der Weg bis ich die Bergkuppe erreichte. Und mit ihr die wärmenden Sonnenstrahlen. Als Bonus gab es außerdem eine schöne Aussicht: Zur einen Seite die Berge, zur anderen das Meer. Am Ziel war ich allerdings noch lange nicht. Denn jetzt wo ich schon einmal oben war, wollte ich natürlich ganz nach oben: Sprich zum Velih Vrh.

Glücklicherweise hatte ich den Löwenanteil der 425 Höhenmeter schon geschafft. So ging es erst einmal auf dem Grat entlang. Ich schreckte ein Reh auf (oder es mich?) und genoß den malerische Blick auf die schneebedeckten Hügel am Horizont. Ein weiterer kleiner Aufstieg, dann ragte plötzlich ein großer Bunker vor mir auf. Schon glaubte ich, den Gipfel des Berges erreicht zu haben. Da allerdings mein Standort auf der Wander-App trotz mehrfachen Rejustierens hartnäckig daneben blieb, machte es irgendwann „klick“ und ich dackelte brav weiter. Und nicht mehr lange, dann stand ich schließlich am Ende des Weges und damit auch ganz oben auf dem Berg. Noch ein letztes Beweisfoto von der Kapelle, dann gab mein Handy-Akku den Geist auf. Und jetzt?

Tja „runter kommt man immer“ heißt es so schön. Und tatsächlich: Nach einer Stunde immer der Straße nach, entdeckte ich äußert dankbar die einprägsame Fassade meiner Schule vor mir. Müden Fußes trottete ich die letzten Meter bis nach Hause – erschlagen von den ganzen Eindrücken des Tages und der bisher ungeahnten Größe meiner Stadt.

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