Über einen Monat ist es her, dass ich von Köln mit dem Zug nach Berlin zum Vorbereitungsseminar gefahren bin. Es fühlt sich so an, als wäre es schon mehrere Monate her, so viel habe ich seitdem erlebt. Schon die 10 Tage Vorbereitungsseminar waren für mich sehr intensiv, so wirklich Zeit, das alles zu verarbeiten, hatte ich gar nicht. Die zwei Tage zu Hause habe ich mit Packen und „Tschüss-sagen“ verbracht. Auch wenn ich nach zwei Wochen in der Ukraine das Gefühl hatte angekommen zu sein, heißt das nicht, dass die Zeit danach weniger intensiv für mich war oder ich Zeit hatte, das Erlebte Revue passieren zu lassen. Im Gegenteil, ich habe fast das Gefühl, jetzt do man sich hier eingelebt und die ersten sozialen Kontakte geknüpft hat, wird die Zeit erst richtig intensiv für einen. Die ersten Tage mit den vielen neuen Eindrücken kann man mit einem Urlaub in einem neuen Land vergleichen. Erst wenn das Leben an dem Ort nicht mehr so „besonders“ oder aufregend ist wie am Anfang, kann man etwas besser nachvollziehen, wie es ist in dem Land zu leben. Und all die kleinen Eindrücke, die man während einer Unterrichtsstunde, eines Gespräches oder beim Spazierengehen macht, verändern und erweitern das Bild auf die Stadt und das Land. Und dann kommen auch, wie in einem älteren Post schon angesprochen, die Probleme, die in der ersten Zeit noch so weit weg sind. Die letzten Wochen waren für mich ein totales Gefühlschaos, die kleinste Veränderung konnte meine Stimmung komplett ändern.
Die letzten Wochen waren für mich nicht immer leicht, aber mittlerweile weiß ich, was mir gut tut bzw. was bei mir schnell das Heimweh hervorruft. In den letzten Wochen habe ich oft, wenn ich nach der Schule nach Hause gekommen bin, gemerkt, wie die Einsamkeit in mir aufsteigt. Mittlerweile habe ich aber gelernt, damit klar zu kommen bzw. habe Wege gefunden, dass es gar nicht erst so weit kommt. Nachdem ich mich etwas ausgeruht habe und schon mal etwas für die nächsten Tage vorbereitet habe, gehe ich trainieren, und danach noch in der Stadt spazieren. Da ist immer etwas los, sodass ich oft einfach nur herum laufe und die anderen Leute beobachte. Und ich habe mich auch damit abgefunden, viel Zeit mit mir selber zu verbringen, womit ich eigentlich nie ein Problem hatte. Aber wenn man im Ausland ist, hat man die Erwartung oder den Wunsch immer etwas zu unternehmen oder mit anderen unterwegs zu sein. Aber auch diese Erwartungen habe ich versucht etwas „abzuschütteln“, denn dann macht mir das Alleinsein auch gar nicht mehr so viel aus.
Auch wenn ich zu Hause an vielen Wochenenden nichts unternommen habe und vielleicht die ganze Zeit zu Hause war, kann die Vorstellung so ein Wochenende hier verbringen zu müssen, einen ganz schön fertig machen. Da ich diese Erfahrung jetzt schon einige Male gemacht habe, habe ich mir beim letzten Wochenende vorgenommen, einfach die Leute zu fragen, ob sie nicht doch etwas Zeit haben. Geplant war dann zusammen in die Nachbarstadt zu fahren, die ein berühmter Kurort in der Ukraine sein soll. Sonntags morgens wurde mir dann trotzdem spontan abgesagt. Aber diesmal bin ich einfach wie unter der Woche auch spazieren gegangen, habe mir nochmal eine für die Stadt berühmte Kirche angeschaut, und habe mich auf eine Bank am Marktplatz gesetzt und die Sonne genossen. Und dann haben mich sowohl am Samstag als auch am Sonntag auch noch Ukrainer gefragt, ob ich nicht noch mit ihnen spazieren gehen möchte. Manchmal läuft es zwar anders als geplant, aber am Ende habe ich doch noch das beste aus den Tagen gemacht. Das hat mir gezeigt, nicht gleich zu verzweifeln, wenn mal etwas nicht wie geplant läuft, ob man etwas dafür kann oder nicht. Am Ende gab es auch immer noch genug andere Möglichkeiten, wie ich den Tag gut verbringen konnte.
Auch in der Stadt oder im alltäglichen Leben werde ich so langsam etwas „aktiver“. Ich bestelle trotz meiner fehlenden ukrainisch-Kenntnisse einen „Kaffee to go“, lasse das Obst und Gemüse einfach von den Verkäuferinnen abwiegen, da bei vielen Obstsorten kein Name draufsteht und ich dementsprechend beim Wiegen nicht weiß, welchen Knopf ich drücken muss. Die VerkäuferInnen in meinem „Stammsupermarkt“ wissen mittlerweile auch, dass ich sie nicht verstehe und fragen mich gar nicht mehr, ob ich das Geld auch passend habe. Da ich meistens nicht sehe, wie viel ich bezahlen muss, und es auch nicht verstehe, bezahle ich immer mit einem 200er Schein (umgerechnet 6€). In der Schulmensa mache ich es genau anders herum. Da gibt es verschiedene Mittagsmenüs, von denen man sich beim Bezahlen am Anfang eines auswählen kann. Da halte ich immer meinen 20iger Schein hin, was mittlerweile auch fast reibungslos abläuft.
Mein Handyguthaben musste auch neu aufgeladen werden. Da ich es immer vor mir hergeschoben habe, musste ich es am Ende einen Tag vorher alleine machen, obwohl es vorher bestimmt genügend Situationen gegeben hätte, in denen mir jemand geholfen hätte. Nach einigen Versuchen hat das aber (glaube ich) auch funktioniert, meine Flat funktioniert zumindest noch..
Und noch ein Update zu meiner Arbeit in der Schule:
Mit meiner Schulleiterin komme ich immer besser zurecht. Sie fragt immer nach, ob es mir gut geht, was mir wiederum ein gutes Gefühl gibt zu wissen, dass nicht nur auf meine Arbeit sondern auch auf mein Wohlbefinden geachtet wird. Im Vorbereitungsseminar wurde uns gesagt, die erste Zeit nur zu beobachten und nicht zu bewerten. Wahrscheinlich habe ich die Schulleiterin zu schnell in eine Schublade gesteckt ohne lang genug zu beobachten. Aber gerade wenn man sich persönlich angegriffen oder „falsch“ behandelt fühlt, passiert es so schnell, den Menschen durch diese Situation dann zu verallgemeinern und ihm gleich keine Chance mehr zu geben. Natürlich werde ich bestimmt auch noch die ein oder andere unschöne Situation im Zusammenhang mit der Schulleiterin erleben, trotzdem sollte mich mein zu schnelles Bild, was ich mir von ihr gemacht habe, nochmal überdenken.
Ich habe angefangen, den Lehrern einfach zu sagen, dass ich nächste Stunde etwas vorbereiten werde. Anfangs fällt mir zu Hause auch meistens nichts ein, aber bis jetzt habe ich immer noch irgendeine Idee bekommen. Aber da habe ich auch etwas meinen eigenen Anspruch heruntergefahren. Ich muss ja nicht unbedingt „das Rad neu erfinden“, das heißt wenn mir nicht wirklich etwas Kreatives einfällt, mache ich einfach eine Übung, die so in der Art auch schon mal im Unterricht gemacht wurde. Dann habe ich aber sowohl etwas zu Hause als auch in den Unterrichtstunden selbst zu tun und die Schüler haben etwas Abwechslung. Also verbringe ich immer mehr Zeit zu Hause für die Unterrichtsvorbereitungen, sodass ich gar nicht mehr so viel freie Zeit habe. Vor den Unterrichtsstunden, in denen ich dann etwas vorbereitet habe, bin ich immer noch etwas aufgeregt, also ganz zum Alltag ist das noch nicht geworden. Aber je öfter ich vor der Klasse stehe, desto sicherer werde ich und desto besser kann ich einschätzen, wie gut die SchülerInnen Deutsch können und was ihnen Spaß macht. Teilweise verzweifel ich aber an Schülern, die selbst die einfachsten Aufgaben nicht hinbekommen. In der vierten Klasse sollten sie eine von mir gestellte Aufgabe über die Familie lösen. Einige Schüler haben dies in wenigen Minuten gelöst, andere saßen Ewigkeiten an der Aufgabe und haben selbst mit meiner Hilfe nichts lösen können. Gerade für mich als sehr ungeduldigem Menschen sind das immer sehr Nerven zerreißende Minute:)
Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich fast täglich über mich hinaus wachse. In der Schule gibt es oft Situationen, in denen ich im ersten Moment denke, das könne ich nie schaffen. Am Ende habe ich eigentlich alles ohne größere Probleme hinbekommen, was mir natürlich Mut für die Zukunft gibt. Für die Herbstferien habe ich Zugtickets nach Kiew gebucht. So richtig alleine verreist bin ich noch nie und dann gleich in einem Land, in dem man Sprache nicht wirklich kann. Aber auch das wird eine Situation sein, in der ich über mich hinaus wachsen muss (und hoffentlich auch werde).
Und was ich mir auch immer versuche bewusst zu machen: Die Riesenchance zu sehen, hier im Ausland zu leben, arbeiten zu dürfen und dann auch noch zwischendurch reisen zu können. Und dankbar zu sein für die ganzen Dinge, die ich erleben darf, die in den letzten Wochen gut gelaufen sind, für die Riesenchance, die mir gegeben worden ist.